S. 57 / Nr. 11 Erfindungsschutz (d)

BGE 58 II 57

11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Januar 1932 i. S. Fr.
Sauter A.-3. c. Bretscher & Cie .


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Regeste:
Patentverletzungsklage.
Die Nichtigkeit eines Patentes mangels Neuheit und Erfindungscharakters kann
auch einredeweise geltend gemacht wurden (Erw. 1).

In Patentprozessen ist die Einreichung von Privatgutachten im
Berufungsverfahren statthaft, wenn sie allgemeine technische und
Rechtserörterungen enthalten. OG Art. 80 (Erw. 2).
Kombinationserfindung: Temperaturschalter für Boiler mit
Quecksilberschaltröhre. Wesen der Kombination und Formulierung der Frage nach
der Neuheit der Kombination im konkreten Fall (Erw. 3).
Vergleich mit frühern Kombinationen hinsichtlich der Neuheitszerstörung (Erw.
6 und 8).
Bestätigung der Bejahung der Neuheit und des Erfindungscharakters durch den
Umstand, dass das deutsche Patent erteilt worden ist (Erw. 10 und 11 in fine).
Erfindungshöhe einer kleinen, praktisch brauchbaren und billigen Mechanik ohne
grosse schöpferische Idee (Erw. 11).
Pat. Ges. Art. 16 Ziff. 1 und 4.
A. - Die Klägerin, Fr. Sauter A.-G., meldete am 23. August 1923 beim
eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die Erfindung eines automatischen
Quecksilbertemperaturschalters mit folgendem Patentanspruch an:
«Temperaturschalter mit Quecksilberkippschalterröhre, dadurch gekennzeichnet,
dass zur Übertragung der Dehnung eines durch die Temperatur beeinflussten
Organes auf einen die Quecksilberkippschalterröhre tragenden Kipphebel
mindestens ein genannte Dehnung in's Grosse übersetzender Zwischenhebel und
zwischen diesem und dem Kipphebel

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ein Mitnehmerglied vorgesehen ist, das mit einem dieser Hebel verbunden ist,
an dem andern dagegen unter Federwirkung lose anliegt, sodass der Kipphebel
dem Zwischenhebel aus der Einschalt- in die Ausschaltstellung und umgekehrt
folgt, wobei für den Kipphebel die Einschaltstellung unabhängig vom
Zwischenhebel durch einen Anschlag begrenzt wird.»
Das Patent wurde unter Nr. 105,344 erteilt und am 16. Juni 1924
veröffentlicht.
Für dieselbe Erfindung wurde der Klägerin am 6. April 1924 auch das deutsche
Reichspatent (407679) erteilt...
Ein bei steigender Temperatur des Wassers im Boiler dehnbares Metallrohr ist
bei dem Schalter mit einem nicht dehnbaren Metallstab fest verbunden und wirkt
auf eine sogenannte Quecksilberschaltröhre, die aus einem geschlossenen
Glasrohr besteht und in die an zwei getrennten Stellen zwei elektrische
Leitungen eingeschmolzen sind. In der ungefähr horizontalen Stellung dieses
Glasrohres werden die zwei Leitungen durch das in der Röhre befindliche
Quecksilber verbunden, sodass der Kreis des zur Heizung des Wassers
notwendigen Stromes geschlossen ist. Kommt das Glasrohr aus der horizontalen
Lage in eine schiefe, so fliesst das Quecksilber in seinen untern Teil, und
die Verbindung zwischen den beiden nunmehr oben befindlichen Leitungsenden
wird unterbrochen. Gegenstand der Erfindung der Klägerin soll nun die
Einrichtung sein, durch welche die Beeinflussung des Metallrohres durch die
Temperatur auf den Kipphebel übertragen wird, sodass auch die Quecksilberröhre
im richtigen Zeitpunkt jeweilen in die erforderliche Ein- oder Ausschaltlage
kommt.
Im Mai 1929 glaubte die Klägerin zu bemerken, dass die Firma der Beklagten,
Bretscher Söhne & Cie., einen Quecksilberschalter herstelle und auf den Markt
bringe, der ihr Patent verletze. Die Beklagte bestritt jedoch, dass eine
Nachnahmung vorliege.

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B. - Am 18. November 1929 hat die Klägerin gegen die Beklagte folgende Klage
erhoben:
1. Es sei der Beklagten zu verbieten, die von ihr fabrizierten und an ihren
Boilern verwendeten Temperaturschalter fernerhin zu fabrizieren und zu
gebrauchen.
2. Es sei die beklagte Firma zur Zahlung von 50000 Fr. an die Klagpartei zu
verurteilen.
C. - Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt mit der Begründung, es
fehle überhaupt an einer Erfindung im Sinne des Patentgesetzes und die
Erfindung der Klägerin sei nicht neu, eventuell bedeute der Apparat der
Beklagten keine Nachahmung, da er grundverschieden sei. Zur Substantiierung
der Einrede, es handle sich nicht um eine neue Erfindung, hat die Beklagte auf
eine Anzahl anderer Patente verwiesen, auf die im rechtlichen Teil einzutreten
ist.
D. - Nach Einholung eines Gutachtens von Professor Ostertag in Winterthur und
einer Oberexpertise von Prof. Dünner und Prof. Gugler von der E. T. H. in
Zürich hat das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt die Klage durch Urteil vom
10. August 1931 abgewiesen...
E. - ...
F. - Gegen das Erkenntnis des Zivilgerichtes als einziger kantonaler Instanz
in Patentsachen hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht ergriffen.
Mit der Berufungserklärung hat die Klägerin zwei Privatgutachten von Dr. H.
Rupp, Vorstand der Patentabteilung der A.-G. Brown, Boveri & Cie. in Baden und
von Dr. Ing. P. Riebensahm, Ordentlichem Professor der Technischen Hochschule
in Berlin eingereicht. Diese Gutachten sind der Beklagten mitgeteilt worden.
Gegenbemerkungen der Beklagten dazu sind wegen Verspätung von der Hand
gewiesen worden.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Bundesgericht hat schon unter dem

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Bundesgesetz betreffend die Erfindungspatente vom 29. Juni 1888 entschieden,
dass die Nichtigkeit eines Patentes auch einredeweise geltend gemacht werden
könne (BGE 22 S. 639; vgl. auch SCHANZE, Das schweizerische Patentrecht S. 68
Anm. 168). Entgegen der Zweifel der Klägerin ist an dieser Rechtsprechung auch
unter dem Bundesgesetz vom 21. Juni 1907 festgehalten worden (BGE 56 II S. 146
und die nicht publizierte Erwägung 2 des Urteils vom 8. Dezember 1931 i. S.
Meyer gegen Ringier & Cie.; vgl. auch CURTI. Das Recht der Marken,
Erfindungen, Muster und Modelle in der Schweiz S. 31). Die weitere Behauptung
der Klägerin, der Gesetzgeber habe bei Erlass des geltenden Patentgesetzes in
diesem Punkt eine Änderung nach deutschem Vorbild treffen wollen, lässt sich
an Hand der Materialien, insbesondere nach der von der Klägerin zitierten
bundesrätlichen Botschaft vom 17. Juli 1906 (BBl 1906 IV S. 241 ff.) nicht
nachweisen.
2.- Ob die Privatgutachten Rupp und Riebensahm durch die Klägerin noch im
Berufungsverfahren eingereicht werden durften, beurteilt sich nach den
Grundsätzen, die das Bundesgericht am 7. Juni 1913 i. S. Stickerei Feldmühle
gegen Schawalder u. Kons. (BGE 39 II S. 344) und am 8. Dezember 1931 i. S.
Meyer gegen Ringier & Cie. (vgl. das noch nicht erschienene letzte Heft der
BGE Bd. 57) aufgestellt hat. In Anbetracht der dort erwähnten Verquickung von
Tat- und Rechtsfragen in Patentprozessen können die beiden Gutachten zu den
Akten genommen werden, trotzdem Art. 80 OG auch für diese Prozesse gilt, da
sie auch allgemeine technische Erörterungen und rechtliche Ausführungen
enthalten und daher nicht als neue Beweismittel, sondern als Rechtsgutachten
anzusehen sind und da sie rechtzeitig eingereicht worden sind und so der
Beklagten zur Wahrung ihrer Rechte zeitig zugestellt werden konnten. Dagegen
bleibt zu beachten, dass für das Bundesgericht tatsächliche Annahmen der
Sachverständigen, die von dem durch die

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Vorinstanz festgestellten Tatbestand abweichen, unverbindlich sind,
vorausgesetzt, dass die Feststellungen des kantonalen Gerichtes nicht mit
Erfolg als aktenwidrig angefochten werden können (OG Art. 81), wie das
Bundesgericht in dem zitierten Urteil i. S. Meyer gegen Ringier & Cie.
ebenfalls schon ausgesprochen hat.
3.- Eine angebliche Erfindung ist eine Kombination, wenn mehrere Arbeitsmittel
oder Verfahren gemeinschaftlich zu einem einheitlichen Zweck miteinander
wirken sollen. Für die Erteilung des Schutzes ist es gleichgültig, ob die
einzelnen Elemente schon bekannt gewesen oder erst mit der Kombination
erfunden worden sind. Dagegen ist die Kombination bekannter Elemente nur dann
eine schutzfähige Erfindung, wenn sie auf einer schöpferischen Idee beruht und
einen wesentlichen technischen Fortschritt darstellt. Endlich bedarf es der
Neuheit der Kombination. Darnach sind auch im vorliegenden Fall (vgl. BGE 57
II S. 228
ff.) drei Gesichtspunkte auseinanderzuhalten, obwohl ihre Vermengung
wegen der Natur der Sache naheliegt: erstens, ob man es überhaupt mit einer
Kombination zu tun habe, zweitens, ob die Kombination eine Erfindung sei, und
drittens, ob sie als Erfindung neu sei.
Es ist nicht bestritten und ergibt sich aus dem Patentanspruch des
klägerischen Patentes und aus der Patentbeschreibung, die nach der Praxis des
Bundesgerichtes zur Auslegung des Patentanspruches dienen darf (BGE 57 II S.
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ff.), dass Gegenstand der klägerischen Erfindung nicht die Vereinigung des
temperaturempfindlichen Organs, der Quecksilberkippschalterröhre und des
ungleicharmigen Hebels zu einem besondern Zweck und Effekt ist, denn es war
dem Patentbewerber bewusst, dass nach dem damaligen Stand der Technik nicht
nur diese Elemente bekannt waren, sondern auch ihre Vereinigung zu einem
Schaltapparat. So ist durch den Experten Ostertag mit Fug darauf hingewiesen
worden, dass sich ein bei den Akten befindlicher Apparat der Therma

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A.-G. Schwanden nur aus diesen drei Elementen zusammensetzt. Es war jedoch
durchaus nicht zum Vornherein ausgeschlossen, dass durch eine originelle Idee
im Rahmen dieser grossen Kombination der drei genannten Hauptelemente noch
eine besondere Kombination erfunden werden konnte, durch die ein wesentlicher
technischer Fortschritt erzielt wurde. Die klägerische Erfindung will nach der
Kennzeichnung im Patentanspruch und der Beschreibung offenbar eine solche
engere Kombination sein, und es ist nun zunächst, vor der Erörterung der Frage
der Neuheit und des Erfindungscharakters, zu bestimmen, welches die Elemente
der Kombination seien und worin der einheitliche Zweck zu erblicken sei, zu
dem sie zusammenwirken.
Als wesentliche Elemente des klägerischen Apparates fallen nach dem
Patentanspruch und übrigens auch nach den sämtlichen Gutachten in Betracht: 1.
Das temperaturbeeinflusste Organ (Thermostat), das aus einem dehnbaren
Metallrohr und einem damit fest verbundenen, nicht so stark dehnbaren
Metallstab besteht, 2. Der Kipphebel, der die Quecksilberkontaktröhre trägt
und derart mit ihr verbunden ist, dass er mit ihr hinsichtlich der Wirkungen
ein Ganzes bildet, 3. Der Zwischenhebel, der die Dehnung in's Grosse
übersetzt, 4. Das sogenannte Mitnehmerglied, das mit einem der Hebel fest
verbunden ist, an dem andern dagegen unter Federwirkung lose anliegt, 5. Der
Anschlag und 6. Die zwei Federn. In Übereinstimmung mit dem Patentanspruch hat
der Experte Ostertag die Federn freilich nicht besonders als Elemente
angeführt, doch besteht deshalb keine Abweichung vom Gutachten der
Oberexperten Dünner und Gugler, weil die Federwirkung doch beachtet und
erwähnt wird.
Es ist nicht zweifelhaft und wird auch durch das angefochtene Urteil nicht in
Abrede gestellt, dass diese Elemente nicht bloss eine sogenannte Aggregation,
eine Zusammenstellung von unabhängig wirkenden Teilen sind (vgl.

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PIETZCKER, Patentgesetz I S. 136), sondern dass ihre Wirkung zu einem neuen
Ergebnis verbunden ist, dass also eine Kombination im Rechtssinne vorliegt.
Wenn auch im Patentanspruch übungsgemäss nicht ausdrücklich von einer
Kombination oder dergleichen die Rede ist, ergibt sich doch daraus, dass das,
was nach dem Willen und der Meinung des Bewerbers den Inhalt der Erfindung
ausmachen und gestützt sein soll, eine Kombination von verschiedenen Elementen
zu einem Apparat sein soll, denn die Art und Folge des Zusammenwirkens wird
genau gekennzeichnet, zumal wenn man die Beschreibung zur Interpretation des
Anspruches heranzieht (BGE 49 II S. 140 ff., 57 S. 231).
Geht man von der Einschaltstellung aus, so zeigt sich, dass sich das Rohr des
Thermostaten in der zu heizenden Flüssigkeit ausdehnt und den nicht dehnbaren
Stab des Thermostaten nach oben führt, sodass bei einer bestimmten Temperatur
der drehbar gelagerte Zwischenhebel, auf dem der Stab bis dahin ruhte,
nachgibt, weil er von einer Feder angezogen wird, und sodass mittelst des am
Zwischenhebel angebrachten Mitnehmergliedes auch der Kipphebel nach der andern
Seite geneigt wird und dadurch das Quecksilber in der Röhre zum Abfliessen von
den Kontaktstellen gebracht und der Stromkreis unterbrochen wird. Bei dieser
Ausschaltstellung wird das temperaturempfindliche Rohr infolge der Abkühlung
der Flüssigkeit verkürzt, sodass wieder bei einer bestimmten Temperatur der
nicht dehnbare Stab nach unten bewegt wird und trotz der Wirkung der
vorgenannten Feder auch den Zwischenhebel nach unten drückt und so den
Kipphebel mit der Quecksilberöhre einer andern Feder folgen lässt und wieder
in die Einschaltstellung bringt. Bei einer Untertemperatur, d. h. bei einer
Temperatur der Flüssigkeit, die unter der untern Grenze liegt, bei welcher der
Strom sonst eingeschaltet wird, setzt sich die dadurch hervorgerufene Drehung
des Kipphebels nach Einwirkung des Stabes und Nachlassen

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des Zwischenhebels unter dem Einfluss der zweiten Feder nur so lange fort, bis
der Kipphebel an den genannten Anschlag stösst, nachher bewegt sich nur noch
der Zwischenhebel, nicht mehr der Kipphebel, weil jener sich vom
Mitnehmerglied abhebt und so der Kipphebel vom Zwischenhebel unabhängig wird;
auf diese Weise wird erreicht, dass sich das Quecksilber bei Untertemperatur
nicht infolge des aussergewöhnlich langen Weges des Schaltorganes dergestalt
auf der Schaltseite der Quecksilberröhre ansammelt, dass der Stromkreis statt
geschlossen infolge der Neigung der Röhre unterbrochen und dass die
Selbsttätigkeit des Apparates in diesem Fall aufgehoben wird. Umgekehrt geht,
wie der Experte Riebensahm ausgeführt hat, beim Steigen der Temperatur der
Zwischenhebel allein, also ohne Einwirkung auf den Schwinghebel (Kipphebel)
und die Quecksilberröhre aufwärts, sodass die Kontaktschlusslage des
Quecksilbers nicht schon bei Steigen der Temperatur, aber noch herrschender
Untertemperatur unterbrochen wird. Sämtliche genannten Kombinationselemente
wirken also sowohl innerhalb, als ausserhalb der Temperaturgrenzen zu einem
einheitlichen Zweck zusammen. Dieser Zweck besteht, technisch betrachtet, 1.
in der hohen Temperaturempfindlichkeit des Apparates, d. h. in der Erzielung
eines kleinen Temperaturintervalles, was nach der Darstellung der Oberexperten
wegen der Reibung des Quecksilbers in sich selbst und an der Glaswand nur
durch Übersetzung der Bewegung des Thermostaten in's Grosse möglich ist, und 2
zugleich in der Vermeidung aller Nachteile, welche die Auswirkung eines
abnormal grossen Weges des Schaltorganes auf die Quecksilberschaltröhre hätte.
Mit diesem Kombinationszweck stimmt naturgemäss die Aufgabe überein, die sich
der Erfinder seinerzeit gestellt hatte. Die Klägerin hatte gefunden, dass alle
frühern Schalter den Nachteil hätten, einen relativ kleinen Schaltweg zu
haben, sodass die

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Temperaturgrenze für die Ein- und Ausschaltung ziemlich weit auseinanderliege,
was wegen der Trägheit des Quecksilbers eine Ein- und Ausschaltung bei
unbestimmten Temperaturen bewirke (Dass nach der Ausführung der Oberexperten
hier in Wirklichkeit nicht die Trägheit des Quecksilbers nachteilig ist,
sondern seine Reibung, tut nichts zur Sache.) Diesen Nachteil galt es also für
die Klägerin zu überwinden, ohne andere Nachteile heraufzubeschwören. Dass ihr
das gelungen ist, d. h. dass der Zweck der Kombination durch das
Zusammenwirken der Elemente tatsächlich erreicht wird, kann nach dem Gutachten
Ostertags keinem Zweifel unterliegen. Ostertag hat ausgeführt: «Diese hier
verwendete spezielle Bauart der Hebelübertragung in Verbindung mit dem
Mitnehmerglied den Federn und dem Anschlag bildet ein gut durchdachtes,
zweckmässiges Ganzes, wobei auch der Anschlag als notwendiges Element zum
Ganzen gehöhrt, um die gewollte Wirkung zu vervollständigen.»...
Nach dem Vorbild des Gutachtens Riebensahm soll nun zunächst nicht untersucht
werden, ob die gekennzeichnete Kombination zusammenwirkender Elemente eine
Erfindung im Rechtssinne sei, d. h. ob zur Lösung der geschilderten Aufgabe
eine erfinderische Idee notwendig war. Praktisch liegt die Frage näher, ob die
angebliche Erfindung neu war, denn wenn es an der Neuheit fehlen würde, wäre
es müssig, auf die Frage des Erfindungscharakters noch einzutreten (Pat. Ges.
Art. 16 Ziff. 1 und 4). Es ist also zu prüfen, ob die klägerische Kombination,
d. h. ob sämtliche Elemente mit den gleichen Wirkungen und folgeweise mit
demselben Zusammenwirken, also mit demselben Kombinationszweck, schon bekannt
gewesen seien. Hätte bei einem frühern Apparat auch nur eines der oben
angeführten Elemente gefehlt, so müsste die Neuheit bejaht werden, wobei sich
dann nachher allerdings noch fragen würde, ob es zur Beifügung dieses einen
Elementes eine erfinderische

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Idee gebraucht habe. Wäre ein Element der klägerischen Erfindung in gleicher
konstruktiver Ausgestaltung schon vorhanden gewesen, hätte es aber eine andere
Wirkung ausgeübt, so müsste die Neuheit ebenfalls bejaht werden, denn bei zwei
Kombinationserfindungen besteht die Identität eines Elementes in seiner
Wirkungsweise und nicht in seiner konstruktiven Ausführung, m. a. W., von
einem Kombinationselement kann überhaupt nur im Hinblick auf seine
Wirkungsweise gesprochen werden.
Die den Oberexperten vorgelegte «grundlegende Frage» hiess jedoch: «Es ist zu
untersuchen, ob das Patent der Klägerin nicht einfach eine Kombination
darstellt von Elementen, die zum Teil im Patent Hug und Zbinden Nr. 59664
bezw. in dessen Hebelwerk, z. T. in den nach Angaben der klägerischen
Patentschrift schon bekannten Quecksilbertemperaturschaltern enthalten sind,
und ob gegebenenfalls in dieser Kombination eine schöpferische Idee liege.»
Diese Frage- und Aufgabenstellung war patentrechtlich unrichtig. Sie ging
darüber hinweg, dass es bei einer Kombinationserfindung nicht nur auf die
Neuheit der Elemente und auf den Erfindungscharakter der Vereinigung ankommt,
sondern auch auf die Neuheit der Kombination. Die Patentfähigkeit einer
Kombination hängt anerkanntermassen nicht nur von der Erfindungshöhe des
Kombinationsgedankens ab, sondern auch von seiner Neuheit, und diese ist auch
dann zu bejahen, wenn die Elemente bei verschiedenen Patenten zerstreut schon
vorgekommen sind; damit hängt zusammen, dass das deutsche Patentamt im
Erteilungsverfahren die Neuheit der Elemente nicht prüft, sofern dafür keine
Unteransprüche angemeldet worden sind (vgl. PIETZCKER a.a.O. S. 136 ff. Anm.
116, 127). Die unrichtige Fragestellung veranlasste die Oberexperten, die
Kombination aufzulösen und nur die Elemente auf ihre Neuheit zu vergleichen,
was der Privatexperte Rupp mit Recht folgendermassen beanstandet hat: «Das
eigenartïge Zusammenwirken der hier verwendeten Elemente... bedingt aber

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eine neue technische Wirkung des Sauterschen Temperaturschalters, die sich in
der gleichzeitigen Erfüllung aller oben genannten, an einen Schalter für
Kleinboiler zu stellenden Forderungen dokumentiert. Ein Schalter mit diesen
Eigenschaften war zur Zeit der Anmeldung des klägerischen Patentes nicht
vorhanden... All diesen Tatsachen, die für die patentrechtliche Beurteilung
des vorliegenden Streitfalles von besonderer Bedeutung sind, wird die
Oberexpertise in keiner Weise gerecht. Sie begnügt sich damit, zusammenhanglos
von einzelnen Elementen und einzelnen Wirkungen zu sprechen und kommt zum
Resultat, dass, weil die einzelnen Elemente an sich schon bekannt waren, ihre
Kombination nach dem klägerischen Patent sich von selbst ergeben habe, derart
dass jeder auf diesem oder einem verwandten Gebiet tätige Handwerker oder
Mechaniker die vorliegende Kombination auch hätte vornehmen können. Eine
derartige Betrachtungsweise einer Kombinationserfindung widerspricht den
Grundsätzen des Patentrechts.» Allerdings ist den Oberexperten unter Ziff. 8
auch noch die Frage vorgelegt worden: «Falls es sich um eine Kombination
bekannter Elemente handelt: Enthält diese Kombination im klägerischen Patent
ein von der Summe aller Einzelwirkungen qualitativ verschiedenes eigenartiges
Ergebnis?» Darauf haben die Oberexperten verneinend geantwortet und beigefügt:
«Die Summe der Einzelwirkungen dieser Elemente ist die, dass bei Abkühlung
einer Flüssigkeit ein Strom eingeschaltet wird, bei Erwärmung ausgeschaltet
wird. Dieser Endeffekt war sowohl beim Apparate der Therma, wie auch beim
Apparate Hug & Zbinden schon vorhanden, sodass von einem qualitativ
verschiedenen, eigenartigen Ergebnis beim Patent der Klägerin nicht gesprochen
werden kann.» Allein auch diese Fragestellung war falsch und geeignet, die
Exporten von den patentrechtlich entscheidenden Fragen abzulenken. Erstens
hätte eine Untersuchung über das Wesen der klägerischen Kombination an den

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Anfang gehört, denn sie hätte die Grundlage für die Prüfung der Neuheit und
der Erfindungshöhe der Kombination bilden müssen. Sodann hat man es nach der
herrschenden (bei PIETZCKER, a.a.O. S. 134 Anm. 115 wiedergegebenen) Meinung
nicht nur dann mit einer Kombination zu tun, wenn das Ergebnis von der Summe
der Einzelwirkungen qualitativ verschieden ist, sondern der Erfolg des
Zusammenwirkens muss einfach technisch wertvoller sein, als die Addition der
Erfolge der Einzelwirkungen der Elemente wäre, gleichgültig ob diese
Verbesserung des Ergebnisses qualitativer Art ist oder nicht. Die grundlegende
Frage, ob eine Kombination vorliegt oder eine blosse Aggregation, bei der es
allein allenfalls auf die Überschreitung der Summe der Einzelwirkungen
ankommt, muss also getrennt werden von der Frage, ob einer Kombination
Erfindungshöhe zukommt. Die an die Oberexperten gestellte Aufgabe Nr. 8 wirft
diese beiden Fragen durcheinander, und die Lösung der Oberexperten vermengt,
wie zu zeigen sein wird, auch noch die Frage der Neuheit damit. Schliesslich
ist an der den Oberexperten unter Ziff. 8 gestellten Aufgabe aber auch noch
auszusetzen, dass es Erfindungen gibt, bei denen die Frage nach der
Überschreitung der Summe der Einzelwirkungen der Elemente sinnlos ist, nämlich
bei Verbindungen von Elementen mit gemeinsamer, sich gegenseitig
unterstützender Wirkung zur Erreichung eines einheitlichen Endzieles, denn bei
diesen ist für den Kombinationscharakter die Funktionsverschmelzung wesentlich
(PIETZCKER a.a.O. S. 135).
Die Oberexperten haben als Summe der Einzelwirkungen der Elemente in der
klägerischen Erfindung bezeichnet, dass bei Abkühlung der Flüssigkeit der
Strom eingeschaltet, bei Erwärmung ausgeschaltet wird. Es kann dahingestellt
bleiben, ob dies wirklich die Summe der Einzelwirkungen der Elemente des
klägerischen Apparates ist. Es kann ferner offen bleiben, ob das Ergebnis der
Vereinigung dieser Elemente qualitativ ein anderes ist als die Summe

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der Einzelwirkungen, wie sie die Oberexperten annehmen, denn auf die
Kennzeichnung der Verschiedenheit unter dem Gegensatz Quantität und Qualität
kommt es ja nicht an. Dagegen kann kein Zweifel bestehen, dass das Ergebnis
der klägerischen Vereinigung der Elemente eben in etwas technisch Wertvollerem
besteht, als bloss in der Ein- und Ausschaltung des Stromes bei Abkühlung und
Erwärmung der Flüssigkeit; die Ein- und Ausschaltung geschieht, wie schon
gesagt, mit einem kleinen Temperaturintervall und der Apparat ist wegen seiner
besondern Kombination für grosse Temperaturempfindlichkeit verwendbar. Dieses
wertvolle Ergebnis der Vereinigung der Elemente kennzeichnet sie als
Kombination im Rechtssinne und nicht als blosse Aggregation. Dagegen ist damit
über die Erfindungshöhe der Kombination noch nichts gesagt, im Gegensatz zur
Ansicht des Zivilgerichtes und der Oberexperten, die offenbar unter Frage Nr.
8 - Vergleich der Summe der Einzelwirkungen mit dem Ergebnis der Kombination -
eine Frage nach dem Erfindungscharakter gestellt und beantwortet zu haben
glaubten. Die Frage der Erfindungshöhe der - festgestellten - Kombination
hängt jedoch nach der patentrechtlich richtigen Auffassung von etwas anderem
ab, als vom Vergleich der Wirkungen der einzelnen Elemente mit dem erzielten
Ergebnis der Vereinigung der Elemente, nämlich, untechnisch ausgedrückt, von
der Schwierigkeit der Aufgabe, die der Kombinationserfinder sich gestellt
hatte. Im Gegensatz zur Oberexpertise hat also im Folgenden bei Behandlung der
Frage der Neuheit ein- für allemal als vorausgesetzt zu gelten, dass man es
beim Patent der Klägerin mit einer Kombination und nicht bloss mit einer
Aggregation zu tun habe, und Gegenstand der Neuheitsvergleichung hat nur diese
Kombination als Ganzes zu bilden. Die Oberexperten haben sodann gefunden, die
Summe der Einzelwirkungen habe auch bei den frühern Apparaten im Ein- und
Ausschalten des Stromes bei Abkühlung und

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Erwärmung bestanden, und sie haben, wie schon erwähnt wurde, beigefügt «Dieser
Endeffekt war sowohl beim Apparat der Therma, wie auch beim Apparat von Hug
und Zbinden vorhanden, sodass von einem qualitativ verschiedenen, eigenartigen
Ergebnis beim Patent der Klägerin nicht gesprochen werden kann.» Es liegt auf
der Hand, dass die Oberexperten damit in patentrechtlich unzulässiger Weise
die Summe der Einzelwirkungen der Elemente des klägerischen Apparates - auf
die es nach der Ansicht des Zivilgerichtes für das Vorliegen einer Erfindung
überhaupt anzukommen scheint, auf die es in Wirklichkeit aber allenfalls nur
für das Vorliegen einer Kombination ankommt - plötzlich nicht mehr mit dem
Ergebnis der Vereinigung der Elemente im klägerischen Apparat verglichen
haben, sondern mit den Elementen anderer Apparate, und dass sie damit auch
noch die Frage der Neuheit mit der ohnehin unklaren Fragestellung vermengt
haben. Auch dieser Fehler muss im Folgenden vermieden werden; die Kombination
der Klägerin könnte im Hinblick auf ihren erzielten Erfolg neu sein, auch wenn
alle Elemente einzeln schon bekannt gewesen wären und wenn die Summe der
Einzelwirkungen bei frühern Apparaten dieselbe gewesen wäre. Ist diese Frage
der Neuheit der Kombination dann zu bejahen, dann nur stellt sich noch die
Frage, ob es in Anbetracht des Bekanntseins der Elemente zur Kombination noch
einer erfinderischen Idee bedurft habe.
4.- ... (Aktenwidrigkeit der Feststellung, dass die Klägerin den
Erfindungscharakter des Mitnehmergliedes fallen gelassen habe.)
5.- Der Hauptanspruch des Patentes Hug und Zbinden (Nr. 59694) vom 1. Februar
1912 lautet:
«Einrichtung zum Konstanthalten der Temperatur, dadurch gekennzeichnet, dass
die thermische Ausdehnung und Verkürzung eines Rohres gegenüber einem
thermisch nicht dehnbaren Stab zur Betätigung von Kontaktorganen verwendet
wird, welche das Schliessen eines

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Motorstromkreises herbeiführen, wobei nach erfolgtem Schliessen durch eine
kleine Drehung des Motors die Kontaktorgane aus dem Motorstromkreis
ausgeschaltet werden, so dass- die Unterbrechnung des Motorstromes beim
Abstellen des Motors nicht an diesen Kontaktorganen erfolgt.»...
In den Unteransprüchen sind die Elemente der Erfindung mit ihren Wirkungen
gekennzeichnet. Über diese Elemente haben die gerichtlichen Oberexperten
ausgeführt:
«Der Temperaturschalter weist folgende wesentliche Konstruktionselemente auf:
»1. Das von der Temperatur beeinflusste Organ, bestehend aus Rohr 4, Deckel 5,
Stab 6 in genau gleicher Ausbildung wie beim klägerischen Patente.
»2. Ein Gusstück 12 mit einem daran befestigten Fühlhebel 20, das sich um eine
Achse 11 drehen kann; 12 mit 20 bildet zusammen einen Hebel, der genau dem
Zwischenhebel des klägerischen Patentes entspricht und die gleiche Funktion
hat, nämlich die Bewegung des Thermostabes in's Grosse zu übersetzen. Dieser
Fühlhebel kann daher ebensogut Zwischenhebel genannt werden.
»3. Einen Zapfen 19, der am Hebel 16 befestigt ist und bewirkt, dass Hebel 16
vom Hebel 20 mitgenommen wird. Dieser Zapfen 19 kann daher ebensogut als
Mitnehmerglied bezeichnet werden und entspricht z. B. genau dem Mitnehmerglied
15a in Fig. 3 des klägerischen Patentes, welches Mitnehmerglied ebenfalls mit
dem Hebel, der mitgenommen werden soll, fest und starr verbunden ist.
»4. Einen Klotz 16, drehbar um Zapfen 15, mit angesetzter Stange 17. 16 und 17
bilden zusammen wiederum einen Hebel, der dem Kipphebel 6 des klägerischen
Patentes entspricht. Er hat die gleiche Funktion, nämlich durch sein Kippen
einen Strom ein- oder auszuschalten. Der Unterschied besteht lediglich darin,
dass das Ein- und

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Ausschalten nicht durch einen Quecksilberkontakt erfolgt, sondern durch einen
Federkontakt: welcher am Hebel befestigt ist.
»5. Die als Stellschrauben ausgebildeten Kontaktschrauben 28 und 29. Diese
Kontaktschrauben erfüllen ausser ihrer elektrischen Wirkung auch die Funktion
einer mechanischen Wegbegrenzung des Hebels 16 und 17, wirken also auch als
Anschläge und bilden ein Analogen des Anschlages im klägerischen Patente.
»6. Eine Feder 14, unter deren Druck der Thermostab mit dem System 12, 20
(Zwischenhebel) durch Vermittlung der Stellschraube anliegt. Sie entspricht
genau der Feder 19 des klägerischen Patentes. Eine der Feder 20 des
Klägerischen Patentes entsprechende Feder ist bei der horizontalen Anordnung
des Schalters nicht notwendig, da das Gewicht des Hebels 17 im Sinne einer
solchen Feder wirkt.»
Die andern Sachverständigen weichen von diesen Ausführungen beim Vergleich mit
den Funktionen der Elemente im klägerischen Patent jedoch ab. Prof. Ostertag
hat zwar nach Kenntnisnahme der Oberexpertise in seinem Nachtrag anerkannt,
dass bei Hug und Zbinden «der am Hebel 16 befestigte Zapfen 19 vom Hebel 20
mitgenommen wird und somit eine analogue Rolle spielt wie das Mitnehmerglied
im klägerischen Patent. Die Möglichkeit des Zurückbleibens des Zapfens 19
gegenüber dem Hebel 20 hat dieselbe Wirkung, wie der Spielraum des
Mitnehmergliedes im Sauterpatent. Der um den Zapfen 15 drehbare Klotz 16 kann
mit der Stange 17 als ein Hebel angesehen werden, der den Strom für den
Hilfsmotor ein- und ausschaltet». Von den Kontaktstellen hat Ostertag bemerkt:
«Das Patent 59694 besitzt Anschläge, die in erster Linie als feste
Kontaktstellen anzusehen sind, um den Strom zu leiten, die Begrenzung der
Bewegung ist Nebensache», aber er hat an anderer Stelle (S. 7) beigefügt: «Es
ist total falsch, die beiden festen Kontaktorgane als Anschläge zur
mechanischen

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Begrenzung einer Bewegung zu bezeichnen, denn ihre Aufgabe besteht in der
Möglichkeit der Durchleitung des Stromes.» Der Experte Rupp verneint noch
kategorischer die Natur der Kontakte als Anschläge und behauptet, es fehle
ihnen ausserdem die zweifache Rolle, die dem Anschlag im klägerischen Patent
zukomme, die darin bestehe, dass der Anschlag einerseits die Bewegung des
Kipphebels begrenze, anderseits innerhalb eines gewissen Bereiches die
Unabhängigkeit der beiden Hebel gewährleiste; ebenso vermisst Rupp beim Patent
59694 von den Elementen der klägerischen Kombination die beiden gegeneinander
wirkenden Federn und das Mitnehmerglied, das gemäss der klägerischen
Beschreibung wirke; der Zapfen des Patentes 59694 könne nicht als solches
Mitnehmerglied angesprochen werden.
Die Experten haben jedoch noch eine andere, und zwar grundlegende Frage mehr
oder weniger ausdrücklich verschieden beantwortet, und es ist teilweise darauf
zurückzuführen, dass sie sich über die Funktionen der scheinbar analogen Teile
des Patentes Hug und Zbinden nicht einigen konnten. Der Experte Ostertag
namentlich hat in seinem Nachtrag auf die grundlegende Natur dieser Frage
hingewiesen. Der Gegenstand der beiden Patente ist nach den Patentansprüchen
und Beschreibungen verschieden, und zwar besteht die Abweichung darin, dass
beim Patent Sauter bei der Einschaltstellung der Quecksilberröhre der
Stromkreis des Heizstromes geschlossen ist, während beim Patent Hug und
Zbinden durch den Federkontakt nur ein Hilfsstrom geht, der zur Betätigung
eines kleinen Schaltmotors (Servomotors) dient, wobei dessen Stromkreis durch
die Bewegung des Thermostaten nur ein-, aber nicht ausgeschaltet wird, sodass
die Oberexperten zum Vergleich in Bezug auf die Frage der Neuheit nur einen
Teil des Patentes Hug und Zbinden herangezogen haben, den andern mit dem Motor
aber losgetrennt haben, wie sie auch zugeben. Es frägt sich, ob dies
patentrechtlich zulässig sei. Die

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Vorinstanz hat diese Frage im Anschluss an die Oberexpertise bejaht, indem sie
ausgeführt hat: «Es sind nicht nur die vor der Patentierung des klägerischen
Patentes verwendeten Quecksilbertemperaturschalter. sondern auch diejenigen
Temperaturschalter, die nur indirekt durch Vermittlung eines Hilfsmotors
wirken. zum Vergleich heranzuziehen, da beide Arten von Apparaten nach
gleichen Prinzipien gebaut sind und den genau gleichen Zweck (der
automatischen Schaltung eines elektrischen Stromes entsprechend den
Temperaturveränderungen einer zu heizenden Flüssigkeit) dienen.» Dieser
Auffassung kann nicht beigepflichtet werden, denn sie verkennt, dass hier
ausschliesslich die Frage der Neuheit der klägerischen Kombination d. h. des
Zusammenwirkens der Elemente mit dem genannten Ergebnis zur Diskussion steht,
m.a.W. dass die Aufgabe, die sich die Klägerin gestellt hatte, bei einem
Temperaturregler von der Art des Patentes Hug und Zbinden gar nicht in Frage
kommen kann. Der Privatexperte Rupp hat die Ausführungen der Oberexperten in
diesem Punkt, auf welche das Zivilgericht abgestellt hat, mit Fug als
patentrechtlich unzulässige technologische Verallgemeinerung bezeichnet. Wenn
es, wie die Vorinstanz meint, lediglich auf die Prinzipien und den Endzweck
ankäme, wären ja auf dem ganzen von diesen Prinzipien und dem Endzweck
beherrschten Gebiet keine besondern Kombinationserfindungen mehr möglich, was
aber nicht richtig sein kann und letztlich zur Aufhebung des Patentrechtes
führen würde. Rupp hat erstens dargetan - und diese Ausführung ist durch die
Beklagte nicht in Abrede gestellt worden -, dass beim Patent Nr. 59694 der
Hilfsstrom eine Schalteinrichtung in Bewegung setzt und dass erst diese
Schalteinrichtung die Aufgabe hat, den Heizstrom zu schalten, dass aber auch
der Hilfsstrom nicht dort unterbrochen wird, wo er geschlossen wurde, d. h.
nicht zwischen der vom temperaturempfindlichen Organ bewegten
Relaiskontaktfeder und dem

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betreffenden festen Kontakt, sondern in der vom Hilfsstrom gesteuerten
Schalteinrichtung für den Heizstrom; beim klägerischen Apparat dagegen dient
die thermische Ausdehnung oder Verkürzung des temperaturempfindlichen Organes
dazu, den viel stärkern Heizstrom unmittelbar ein- und auszuschalten. Mit
Recht fügt Rupp bei, dass schon die Betrachtung des elektrischen Vorganges
erkennen lasse, dass es sich um verschiedene Kombinationen handle. Die
Experten Dünner und Gugler sind eben davon ausgegangen, dass bei den
Thermoregulatoren, die den Heizstrom auf indirekte Weise schalten, die
«Gesamteinrichtung ein Aggregat von Apparaten sei», deren einer ein Schalter
sei und zur Beantwortung der Frage der Neuheit losgetrennt werden könne und
müsse. Allein das Patent 59694 will nach seinem Anspruch, namentlich nach dem
Hauptanspruch durchaus nicht nur ein Aggregat von nebeneinander wirkenden
Apparaten sein, sondern ebenfalls eine Kombination von zusammenwirkenden
Elementen. in die aber der Servomotor einbezogen ist. Die Annahme einer
blossen Aggregation hängt offenbar damit zusammen, dass die Oberexperten in
patentrechtlich unzulässiger Weise den mechanischen Aufbau des Hebelwerkes von
seiner Funktion lösen, während sich bei der richtigen Betrachtung der
mechanische Aufbau darnach richtet, ob ein Heizstrom oder ein Hilfsstrom zu
schalten ist. Wenn die Oberexperten angeführt haben, Sauter habe die
konstruktive Idee die im Patent Hug und Zbinden für einen Schalter mit
Federkontakt beschrieben sei, auf einen Schalter mit Quecksilberkontakt
übertragen, so will und kann diese Ausführung eigentlich nur eine Antwort auf
die Frage nach der Erfindungshöhe der Kombination sein, dass es sich aber um
verschiedene Kombinationen handelt, dass das Patent 59694 die Neuheit des
klägerischen Patentes nicht zerstört, liegt dagegen darin enthalten, denn bei
Schaltung eines Quecksilberkontaktes greift ein anderes Zusammenwirken der
Elemente

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Platz. Das ergibt sich insbesondere aus folgender Erwägung, die im Anschluss
an das Gutachten Rupp zu machen ist: Wenn man mit den Oberexperten bei
Beurteilung des Patentes 59694 davon absieht, dass nach der Einschaltung des
Hilfsstromes gewissermassen vom weitern abstrahiert und aus der umfassenden
Kombination eine engere herausreissen zu können glaubt, die mit der
Einschaltung das Hilfsstromes vollendet wäre, so würde sich doch gleich
zeigen, dass die Ausschaltung des Hilfstromes nicht durch ein Element dieser
engern Kombination geschieht, sonder durch ein Element, das ausserhalb steht,
m. a. W., dass die engere Kombination in ihrer Wirkung nicht durch geschlossen
ist. Daraus erhellt zur Genüge, dass die Neuheit des klägerischen Patentes im
Hinblick auf das Patent Hug und Zbinden nicht verneint werden kann, oder, wie
Prof. Ostertag sich ausdrückt, dass mit dem vom Patent Hug und Zbinden durch
die Professoren Dünner und Gugler betrachteten (patentrechtlich verstümmelten)
Teil allein ein kompletter Thermoschalter nicht erreicht werden kann...
8.- Die Beurteilung der Neuheit des klägerischen Patentes im Hinblick auf den
Quecksilbertemperaturschalter der Elektra Wädenswil war den Oberexperten nicht
zur Aufgabe gemacht worden. Sie gingen jedoch darauf ein, weil ihnen dieser
Schalter während der Abfassung ihres Berichtes bekannt geworden war. Die
Vorinstanz hat ausgeführt, die Klägerin habe nicht bestritten, dass dieser
Schalter schon anno 1915 auf dem Markte gewesen sei, und es genüge in
prozessualer Beziehung, dass die Behauptung der Neuheitszerstörung durch die
Beklagte in der mündlichen Verhandlung aufgestellt worden sei. Daran ist das
Bundesgericht gebunden, und es ist infolge-dessen auch dieser Apparat in den
Kreis der Betrachtungen einzubeziehen.

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Die Oberexperten haben an Hand der Zeichnungen A 3902 und 3641 D ausgeführt,
man erkenne in diesem Apparate folgende Elemente des klägerischen:
1. Den Thermostab.
2. Den Zwischenhebel.
3. Die Schraube, welche als Mitnehmerglied wirke.
4. Den Kipphebel mit der Quecksilberkontaktröhre.
5. Die Schraube, welche in den Kipphebel eingeschraubt und mit Kontramutter
gesichert sei, deren Kopf als Anschlag wirke und die Ausschaltstellung des
Kipphebels begrenze.
6. Die Zugfeder, deren Wirkung genau dieselbe sei, wie die der Feder 19 im
Sauter'schen Patent.
Entgegen dieser Darstellung muss jedoch angenommen werden, dass auch diese
Kombination eine andere ist, indem Mitnehmerglied und Anschlag in ihrer
charakteristischen Wirkung fehlen. Prof. Riebensahm hat in einleuchtenden
Ausführungen auf Folgendes aufmerksam gemacht: Der Temperaturschalter der
Elektra ist zum Einschrauben oben auf dem Heizkessel bestimmt. Die
Quecksilberröhre liegt in der Ruhelage, d. h. wenn nicht geheizt wird, nicht
wie bei Däniker auf Schneide und Anschlag auf, sondern ist mit einem
Drehzapfen gelagert und mit einem Punkt des Kipphebels auf den
Thermostat-Innenstab über einen Vorschalthebel aufgelegt. Der Thermostatstab
hebt beim Steigen der Temperatur nicht die Röhre an, sondern er lässt sie
absinken, da er mit dem Wachsen des Thermostatrohres bei steigender Temperatur
nach unten sinkt. Je mehr die Temperatur steigt, desto mehr stellt sich die
Quecksilberröhre schräg nach unten. Die Lage ist so, dass bei der gewählten
Höchsttemperatur das Quecksilber den einen Kontakt verlässt. Die
Höchsttemperatur kann durch Verstellen der einstellbaren Auflageschneide auf
dem Thermostat-Innenstab eingestellt werden. Der in der Zeichnung vorgesehene
Vorschalthebel hat nur die Aufgabe der Vergrösserung der Thermostatbewegung.
Der

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Schwinghebel mit der Quecksilberröhre macht die ganze Bewegung des
Thermostat-Innenstabes mit. Eine Freibewegung des letztern und ein Anschlag
für den Schwinghebel ist nicht vorgesehen. Das ganze Konstruktionsbild ist
infolge der Anordnung des Thermostaten unter dem Schaltmechanismus ein ganz
anderes. Der Experte Rupp hat sodann gegenüber der Bemerkung der Oberexperten,
dass der Kopf der Schraube (43) als Anschlag wirke und die Ausschaltstellung
des Kipphebels begrenze, ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass ein
Anschlag, welcher die Einschaltstellung sowohl begrenzt, als auch den
Schwinghebel unabhängig von der Stellung des Thermostaten bewegten ersten
Hebels macht, fehle und dass ausserdem die einander entgegenwirkenden Federn
nicht vorhanden seien.
9.- ...
10.- Eine Bestätigung der Richtigkeit dieser Entscheidung über die Neuheit
liegt darin, dass auch das deutsche Patent erteilt worden ist, obwohl
natürlich dieser Umstand eine Überprüfung nicht überflüssig machte, also für
die schweizerischen Gerichte nicht verbindlich ist. Die Sorgfalt der Prüfung
im deutschen Erteilungsverfahren ist bekannt und durch das Bundesgericht auch
schon berücksichtigt worden (BGE 30 II S. 346). Immerhin ist verständlich,
dass sich das Zivilgericht damit nicht näher auseinandersetzen konnte, weil
die deutschen Erteilungsakten nicht vorlagen. Dass hingegen dem deutschen
Patententamt nicht alle hier behandelten Apparate vorgelegen hätten, kann im
Gegensatz zur Beklagten nicht angenommen werden.
11.- Es bleibt zu untersuchen, ob der in Erwägung 3 gekennzeichneten neuen
Kombination der Klägerin erfinderische Bedeutung zugesprochen werden kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes liegt eine Erfindung
dann vor, wenn auf Grund einer eigenartigen, schöpferischen Idee ein
technischer Nutzeffekt und ein wesentlicher technischer Fortschritt erzielt

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wurde (BGE 43 II S. 522; 48 II S. 293; 49 II S. 145). Es ist jedoch auch
erkannt worden, dass das hiezu erforderliche Mass geistiger Tätigkeit keine
Rolle spielt und dass die Neuerung nicht von weittragender Bedeutung zu sein
braucht (BGE 49 II S. 137).
Angewendet auf den vorliegenden Fall stellt sich also die Frage, ob die
Kombination der genannten bekannten Elemente mit ihrem Zusammenwirken zu dem
ebenfalls genannten Ergebnis (dem kleinen Temperaturintervall und der
Vermeidung der Nachteile des grossen Schaltweges) einen technischen Nutzeffekt
hervorbrachte, einen wesentlichen technischen Fortschritt darstellte und auf
einer schöpferischen Idee beruhte, wobei an die Erfindungshöhe in Anbetracht
des Gegenstandes nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen. Mit Recht
hat Prof. Riebensahm bemerkt, dass es sich bei diesem Gegenstand zum
Vornherein nicht um eine grosse. schöpferische Idee handeln konnte, sondern um
die Schaffung kleiner, praktisch brauchbarer, sicherer und billiger
Mechaniken.
Die genannte Frage muss im Gegensatz zur Vorinstanz bejaht werden. Durch die
Kombination wurde der Nutzeffekt der selbsttätigen Ein- und Ausschaltung des
Heizstromes in tadelloser Weise erzielt. Das war gegenüber dem damaligen Stand
der Technik ein wesentlicher Fortschritt, zumal wenn man bedenkt, dass damit
ein einfaches und billiges Instrument für die Bedürfnisse der Boiler
geschaffen war. Das Instrument war vor allen Dingen auch deshalb ein
Fortschritt, weil es dazu sicher war. Schliesslich kann auch nicht daran
gezweifelt werden, dass es zu dieser Kombination der zusammenwirkenden
Elemente des Hebelwerkes, des Thermostaten und der Quecksilberröhre einer
schöpferischen Idee bedurfte. Zweifel könnte man höchstens deshalb hegen, weil
die Konstruktion des Werkes bei Hug und Zbinden, wenn auch nicht im
Zusammenwirken. ähnlich war. Allein auch eine Übertragung kann auf einer

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schöpferischen Idee beruhen (ISAY, Kommentar S. 69). Hier darf, wenn man die
Ansprüche nicht zu hoch stellt, doch gesagt werden, dass es ein origineller
Gedanke war, auf die ganze Konstruktion mit dem Servomotor zu verzichten und
für das Bedürfnis des kleinen Boiler seinen gleichwertigen Schalter zu bauen,
ganz abgesehen davon, dass auch die Verwendung des Anschlages, der beiden
entgegenwirkenden Federn und des Mitnehmergliedes mit totem Gang zu einem
zusammenspielenden Ganzen durchaus nicht nahe lag, wenn man sich, wie es sich
gebührt, in die damalige Lage versetzt. Das Bundesgericht gelangt also dazu,
auch in diesem Punkt der Expertise von Prof. Ostertag zuzustimmen, der der
klägerischen Erfindung die Erfindungshöhe im Sinne des Patentgesetzes nicht
abgesprochen hat. Übrigens kann auch in diesem Zusammenhang wiederum auf die
Erteilung des deutschen Patentes verwiesen werden.
12.- Zur Beurteilung der beiden Streitfragen ist nun noch abzuklären, ob sich
die Beklagte einer Nachnahmung schuldig gemacht habe, und ob der Klägerin ein
Schaden entstanden sei und in welchem Mass. Da sich das Zivilgericht über
diese Punkte nicht ausgesprochen hat, ist die Sache an es zurückzuweisen. Bei
Beurteilung der Frage der Nachahmung wird es auch die Privatexpertisen zu
würdigen haben, die gemäss Bundeszivilprozessrecht im Berufungsverfahren noch
zu den Akten gebracht werden durften.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Zivilgerichtes des Kantons
Basel-Stadt vom 10. August 1931 wird aufgehoben und die Sache wird zu neuer
Entscheidung im Sinne der Motive an das Zivilgericht zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 58 II 57
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 20. Januar 1932
Quelle : Bundesgericht
Status : 58 II 57
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Patentverletzungsklage.Die Nichtigkeit eines Patentes mangels Neuheit und Erfindungscharakters kann...


Gesetzesregister
OG: 80
BGE Register
30-II-339 • 39-II-340 • 43-II-519 • 49-II-136 • 56-II-141 • 57-II-222 • 58-II-57
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
frage • erfinder • beklagter • schalter • bundesgericht • zivilgericht • weiler • mechaniker • patentanspruch • funktion • richtigkeit • vorinstanz • wille • zweifel • stelle • wirkung • erfindungspatent • kreis • stand der technik • zeichnung
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BBl
1906/IV/241