S. 222 / Nr. 36 Erfindungsschutz (d)

BGE 57 II 222

36. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10./25. Februar 1931 i. S. Hasler A.-G.
gegen James Jaquet A.-G.


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Regeste:
Anforderungen an ein Kombinationspatent (Erw. 2).
Notwendigkeit der Kennzeichnung der Erfindung als Kombinationserfindung im
Patentanspruch. Auslegung desselben und Bedeutung der Patentbeschreibung.
Übersicht über die bisherige Rechtsprechung (Erw. 3).

A. - Die Klägerin, Hasler A.-G. in Bern war Inhaberin des schweizerischen
Patentes Nr. 64968 vom 23 April 1913 für einen Tourenzähler. Der Hauptanspruch
dieses Patentes lautet: «Tourenzähler, dessen Antriebswelle an das Organ,
dessen Geschwindigkeit gemessen werden soll, angedrückt, resp. verbunden wird,
dadurch gekennzeichnet, dass ein gewöhnlich arretiertes Zeigerwerk und ein
Triebwerk vorhanden sind, von denen ersteres durch letzteres selbständig
während eines Bruchteils der relativen Messzeit freigegeben wird.» Ausserdem
bestanden folgende fünf Unteransprüche:
«1. Tourenzähler nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die
Antriebswelle durch Reibungsgetriebe mit dem Zeigerwerk in Verbindung steht,
das durch ein zwischen Triebwerk und Zeigerwerk eingeschaltetes, von ersterem
gesteuertes Sperrorgan freigegeben und stillgesetzt wird.»
«2. Tourenzähler nach Patentanspruch und Unteranspruch 1, dadurch
gekennzeichnet, dass das Sperrorgan eine Klinke ist, die einerseits mit einer
Nockenscheibe des Triebwerks, anderseits mit einem Rad des Zeigerwerks in
Verbindung steht, welches durch das Sperrorgan

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während der Drehung der Nockenscheibe freigegeben und arretiert wird.»
«3. Tourenzähler nach Patentanspruch und Unteransprüchen 1 und 2, dadurch
gekennzeichnet, dass die Nockenscheibe auf der Welle des Hemmungsrades des
Triebwerkes sitzt, welches Hemmungsrad mit einer nur in der einen Drehrichtung
auf einer Mitnehmerklinke wirksamen Daumenscheibe in Verbindung steht, das
anderseits mit einem federbeeinflussten Antriebsrad in Verbindung steht,
welches von Hand entgegen der Federwirkung und nach Freigabe durch die
Federwirkung gedreht wird, und hierbei das Hemmungsrad und die Nockenscheibe
antreibt.»
«4. Tourenzähler nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass eine eine
Sperrklinke steuernde Stufenscheibe auf der Achse eines Hemmungsrades und
einer an ihrem Umfang nur einen Zahn aufweisenden, das Hemmungsrad nur in
einem Drehsinne mitnehmenden Scheibe sitzt, die mit einem Segment zwangsläufig
in Verbindung steht, das unmittelbar von einem Druckstift, entgegen der
Wirkung einer Feder betätigt werden kann, das Ganze derart, dass nach Freigabe
des Druckstiftes die Stufenscheibe die Sperrklinke erst dann zur Auslösung des
Zeigerwerkes veranlasst, wenn sich ihre Achse in vollem Gange befindet, zum
Zweck, einzelne Messungen in einem kleinen Bruchteil der relativen Messzeit
durchführen zu können.»
«5. Tourenzähler nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen
dem Antrieb und dem Zeigerwerk ein Getriebe eingeschaltet ist, welches
ermöglicht, das Zeigerwerk bei gleichbleibender Geschwindigkeit des Antriebes
mit verschiedenen Geschwindigkeiten anzutreiben.»
Inhalt der Patentschrift bilden ausserdem eine ausführliche Beschreibung und
elf detaillierte Abbildungen, auf die in der Beschreibung und in den
Ansprüchen durch Anmerkungen verwiesen wird. Es ergibt sich daraus,

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dass bei diesem Tourenzähler ein Uhrwerk und ein Zeigerwerk vorhanden sind.
Das Zeigerwerk wird von der Antriebswelle aus betätigt und ist mit dem Uhrwerk
durch ein Sperrorgan dergestalt verbunden, dass das Zeigerwerk nur während
eines einmaligen, genau bestimmten Zeitabschnittes, der einen Bruchteil der
relativen Messzeit ausmacht, freigegeben, d. h. spielen gelassen wird.
Die Beklagte, James Jaquet A.-G., hat am 17. März 1923 ebenfalls ein
Patentgesuch für einen Tourenzähler beim Eidgenössischen Amt für geistiges
Eigentum eingereicht. Ihr Patent ist am 16. August 1923 unter Nr. 100978
veröffentlicht worden. Es erstreckt sich auf einen Hauptanspruch und drei
Unteransprüche.
Ferner haben sich beide Parteien auch ein deutsches Reichspatent erteilen
lassen; die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Patentes Nr. 277409, dessen
Hauptanspruch ungefähr so abgefasst ist, wie Unteranspruch 4 ihres
schweizerischen Patentes, und die Beklagte hat ein deutsches Patent auf Grund
des Beschlusses des Reichspatentamtes vom 2. Dezember 1924 erhalten.
Am 30. Mai 1925 schrieb die Klägerin der Beklagten: «Sie haben nun seit
einiger Zeit einen Tourenzähler auf den Markt gebracht, welcher der
Kennzeichnung des Hasler'schen Tourenzählers gemäss Patent 64968 entspricht...
Wenn auch die von ihnen verwendete Konstruktion von derjenigen des durch die
Firma Hasler seit Jahren vertriebenen Tourenzählers verschieden ist, so
handelt es sich doch bei Ihnen zweifellos um eine unter das Patent Nr. 64968
fallende Ausführung... Infolgedessen liegt in der Ausführung Ihres
Tourenzählers ein Eingriff in die Patentrechte der Firma Hasler A.-G. Die
Firma ist denn auch entschlossen, wegen dieser Patentverletzung auf dem
Rechtswege vorzugehen, wenn Ihrerseits nicht zu einer Verständigung Hand
geboten wird.» Die Beklagte ging auf Vermittlungsvorschläge jedoch nicht ein.

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B. - Am 30. April hat die Hasler A.-G. gegen die James Jaquet A.-G. Klage mit
den Rechtsbegehren erhoben:
1. Es sei der Beklagten die Herstellung und der Vertrieb der nach ihrer
bisherigen Konstruktion hergestellten Tourenzähler zu verbieten.
2. Es seien die bei der Beklagten vorhandenen Tourenzähler der erwähnten
Konstruktion einzuziehen und der Erlös derselben der Klägerin auf Rechnung
ihrer Schadenersatzforderung zuzuweisen.
3. Es seien die vorhandenen Drucksachen, welche sich auf den von der Beklagten
vertriebenen Tourenzähler beziehen, einzuziehen und zu vernichten.
4. Es sei das Urteil im schweizerischen Handelsamtsblatt auf Kosten der
Beklagten zu publizieren.
5. Die Beklagte sei zur Zahlung von 100000 Fr. samt 5% Zins seit
Klagezustellung zu verurteilen.
C. - Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und Widerklage mit dem
Antrage erhoben, vom Patent der Klägerin seien der Hauptanspruch und die
Unteransprüche 1, 2, 3 und 5 nichtig zu erklären.
Das Prinzip, dass das Zeigerwerk während eines Bruchteiles der relativen
Messzeit freigegeben wird, für das die Klägerin den Hauptanspruch angemeldet
habe, sei in der Schweiz schon vor der Patenterteilung an sie in einer Reihe
von Zählern verwirklicht und bekannt gewesen, so in den Schweizer Patenten Nr.
5185 von 1892, 29459 von 1903, 39948 von 1907, 48991 von 1910, 59927 von 1912
und in den deutschen Reichspatenten Nr. 159223 von 1903, 163940 von 1904,
188993 von 1905, 179478 von 1905 (Patent Thomas Wass Flory) und 190516 von
1906, denen allen diese Reduktion der Messdauer auf einen kleinen Bruchteil
der relativen Messzeit gemeinsam gewesen sei, auch wenn das Problem
verschieden gelöst worden sei. Das Deutsche Reichspatent der Klägerin enthalte
denn auch in seinem Anspruch dieses Prinzip nicht als eigentliches
Erfindungsmerkmal,

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sondern nur als Zweck der speziellen Konstruktion, und dem schweizerischen
Patent fehle die Neuheit im Sinne des Art. 16 Ziff. 4 des Patentgesetzes.
Die in den Unteransprüchen 1 und 2 umschriebene Konstruktion sei derart
primitiv, dass von einer Erfindung überhaupt nicht die Rede sein könne.
Überdies sei sie in den verschiedensten Gebieten der Technik, auch bei
Tourenzählern, längst bekannt gewesen.
Unteranspruch 3 der Klägerin sei unklar gefasst und deshalb gemäss Art. 16
Ziff. 7 und 8 Patentgesetz nichtig zu erklären. Überdies sei das Patent der
Beklagten trotz Einspruches der Klägerin vom deutschen Reichspatentamt am 2.
Dezember 1924 mit der Begründung erteilt worden, dass die Beklagte den
Erfindungsschutz für eine besondere Konstruktion, die mit Stiften am
Stellhebel zusammenarbeitende Stiftenscheibe zur Erreichung des bekannten
Zweckes: freier Auslauf des Uhrwerkes vor der Messperiode und freier Auslauf
nach derselben, beanspruche; diese Anordnung sei als bekannt nicht
nachgewiesen und die Frage der Erfindungseigenschaft sei zu bejahen.
In Unteranspruch 4 sei der Gedanke, die Registrierung erst vorzunehmen,
nachdem sich das Uhrwerk, resp. der Registrierapparat in vollem Gang befindet,
und zu sistieren, bevor es abgelaufen ist, schon lange vor Erteilung des
Patentes Nr. 64968 durch das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum an die
Klägerin bekannt gewesen. Unteranspruch 4 der Klägerin werde nur anerkannt,
wenn er eingeschränkt werde, und zwar etwa im Sinne des deutschen
Patentanspruches der Klägerin, aus dem klar hervorgehe, dass der Gedanke, die
Achse müsse sich vor der Auslösung des Zeigerwerkes in vollem Gange befinden,
nur die Wirkung der speziellen Konstruktion beschreibe, nicht aber selber
Erfindungsmerkmal sei. Diese Einschränkung werde dem Gerichte beantragt. Im
Übrigen sei die Konstruktion des Aufzuges des Zählers der A.-G. James Jaquet
gänzlich verschieden vom Zähler der Klägerin.

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Unteranspruch 5 endlich sei nichtig, weil er nichts anderes wiedergebe, als
das längst bekannte Prinzip, dass zur Erreichung einer andern Geschwindigkeit
eine andere Übersetzung einzuschalten sei.
D. - In der Antwort auf die Widerklage hat die Klägerin betont, die Beklagte
gehe mit ihrer Darstellung am Erfindungsgedanken vorbei, wenn sie die
Erfindung der Klägerin in Einzelheiten auflöse. Das Wesen ihrer Erfindung
bestehe in der Erkenntnis der Notwendigkeit des Zusammenwirkens folgender drei
Faktoren, die alle bei ihrem Patent verwirklicht seien:
a) dem jedesmaligen Aufziehen des Triebwerkes vor jeder einzelnen Messung
(Unteranspruch 3 und 4),
b) der Vornahme der Messung während eines Bruchteiles der relativen Messzeit,
wobei Beginn und Abschluss der Messung selbständig vor sich gehen
(Hauptanspruch und Unteransprüche 1 bis 4),
c) Ausscheidung des An- und Auslaufens des Triebwerkes aus der Messzeit
(Unteranspruch 4).
Demgegenüber hat die Beklagte bestritten, dass die Erfindung der Klägerin eine
Kombinationserfindung sei und dass sie als solche im Patent gekennzeichnet
sei. Das Aufziehen des Triebwerkes vor jeder einzelnen Messung sei weder in
den Patentansprüchen, noch in der Klage als Element der Erfindung erwähnt.
E. - Zur Abklärung der technischen Fragen hat sich das Zivilgericht des
Kantons Basel-Stadt ein Gutachten durch L. Defossez, Fabrikdirektor in Genf,
und Dr. A. Dumas, Professor in Lausanne, erstatten lassen. Zu diesem
Expertenbericht ist am 27. Februar 1929 noch eine Ergänzung eingereicht
worden. Die Beklagte hat ein Privatgutachten von Ing. R. Dubs, Professor für
Maschinenbau an der E. T. H. zu den Akten gelegt. Auf den Inhalt dieser
Berichte wird in den Erwägungen zurückzukommen sein. Weitere Privatgutachten
sind vom Instruktionsrichter des Zivilgerichtes zurückgewiesen worden.

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Während des Prozesses, am 23. April 1928, ist die Schutzfrist für das Patent
der Klägerin abgelaufen.
F. - Mit Urteil vom 21. August 1930 hat das Zivilgericht des Kantons
Basel-Stadt als einzige kantonale Instanz für Patentstreitigkeiten die Klage
abgewiesen und die Widerklage als gegenstandslos erklärt.
G. - Gegen diesen Entscheid hat die Klägerin rechtzeitig und in der gesetzlich
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt und den Antrag
gestellt, die Beklagte sei zur Zahlung von 131934 Fr. 91 Cts. samt 5% Zins
seit 30. April 1926 zu verurteilen, auf welchen Betrag die Klage schon vor der
kantonalen Instanz erhöht worden war, eventuell sei die Sache zur Festsetzung
des Schadenersatzanspruches an das Zivilgericht zurückzuweisen.
H. - In der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 1931 hat der Vertreter der
Klägerin diesen Antrag wiederholt, während die Beklagte Abweisung der Berufung
und Bestätigung des angefochtenen Urteils hat beantragen lassen.
Vor Bundesgericht hat die Klägerin ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Ed. von
Waldkirch in Bern und die Beklagte eines von Justizrat Dr. Arnold Seligsohn in
Berlin eingereicht.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - ...
2. - Eine Kombination liegt nach der im Schrifttum herrschenden Auffassung
vor, wenn mehrere Arbeitsmittel oder Verfahren gemeinschaftlich zu einem
einheitlichen Zweck miteinander wirken sollen (vgl. PIETZCKER, Patentgesetz I.
Teil Anm. 116 zu § 1). Für die Erteilung des Schutzes ist es gleichgültig, ob
die einzelnen Elemente schon bekannt gewesen oder erst mit der Kombination
erfunden worden sind (PIETZCKER, a.a.O. Anm. 62 zu § 4; OSTERRIETH, Lehrbuch
des gewerblichen Rechtsschutzes
S. 67). Dagegen versteht es sich von selbst, dass nicht

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jede Kombination auch schon eine Erfindung ist, sondern dass der Patentschutz
grundsätzlich an dieselben Voraussetzungen geknüpft ist, wie bei einer nicht
kombinierten Erfindung. So hat das Bundesgericht unter dem geltenden
Patentgesetz wiederholt erkannt, dass die Kombination bekannter Elemente auf
einem originellen Gedanken beruhen und einen wesentlichen technischen
Fortschritt darstellen müsse (BGE 34 II S. 762; 37 II S. 298; 38 II S. 282),
und in seinem Entscheid i. S. Gindrat, Delachaux & Cie c. Couleru vom 17.
Februar 1917 hat es näher ausgeführt: «Il est sans doute exact, que la
combinaison d'éléments déjà connus peut constituer une invention, mais il ne
suffit pas que cette combinaison se borne en quelque sorte à un addition des
divers éléments; il faut que l'ensemble comme tel soit nouveau, c'est-à-dire
que le groupement d'éléments connus, mais réunis en vue d'obtenir un nouvel
effet déterminé, repose sur une idée créatrice et réalise un progrès technique
notable» (BGE 42 II S. 112, ferner 49 II S. 138). Darnach müssen drei
Gesichtspunkte auseinander gehalten werden, erstens, ob man es überhaupt mit
einer Kombination zu tun hat, d. h. ob die Elemente zu einem einheitlichen
Zweck zusammenwirken und so einen besondern Effekt hervorbringen sollen;
zweitens, ob die Kombination eine Erfindung ist, d. h. ob sie auf einem
originellen Gedanken beruht und gegenüber den einzelnen, bekannten Elementen
einen wesentlichen technischen Fortschritt darstellt, und drittens, ob sie als
Erfindung überhaupt neu ist. Im vorliegenden Fall müsste mit dem Gutachten
Seligsohn zunächst die erste, mit Fug als Rechtsfrage bezeichnete Frage
aufgeworfen werden, ob man es hier mit einer Kombination zu tun habe oder
nicht vielmehr mit eine blossen Aggregation, einem Nebeneinander von
unabhängigen, nicht zusammenwirkenden Einzelelementen (PIETZCKER, a.a.O. S.
136), welche zwar allenfalls Vorteile beim klägerischen Produkt angehäuft
haben, ohne jedoch den Anforderungen an eine Kombination im

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Rechtssinne zu entsprechen. Diese Frage ist auch von den gerichtlichen
Experten berührt und bejaht worden, und das Zivilgericht ist in seinem Urteil
von ihrer Annahme ausgegangen. Allein sie hatten sich auf die kurze Bemerkung
beschränkt, die Vereinigung der drei Elemente «sei in der Tat etwas Neues und
Schutzfähiges», ohne jedoch anzugeben, worin die eigentliche Kombination, das
Zusammenwirken und der einheitliche Zweck und Effekt im Gegensatz zur blossen
vorteilhaften Vereinigung unabhängiger Elemente liegen sollen, sodass sich
weder aus der gerichtlichen Expertise, noch aus den Darlegungen der Klägerin
in der Widerklageantwort und dem Gutachten von Waldkirch ohne weiteres ergibt,
ob der Rechtsbegriff der Kombination auch richtig aufgefasst worden sei. Auf
diese Frage, ob die drei Elemente technisch zusammenwirken, und auf die
weitern, eventuellen Fragen, ob in der Vereinigung ein erheblicher,
schöpferischer Fortschritt liege, und ob die Kombinationserfindung überhaupt
neu gewesen sei, hat jedoch auch das Bundesgericht nicht einzutreten, bevor
entschieden ist, ob die Klägerin für die von ihr als Kombination bezeichnete
und als Erfindung dargestellte Vereinigung der drei Elemente überhaupt den
Erfindungsschutz beansprucht hat. Die Vorinstanz hat nämlich den Patentschutz
aus dem Grunde verweigert, weil die behauptete Kombination als eigentlicher
Inhalt der Erfindung in der Patentschrift nicht gekennzeichnet sei.
3. - Nach Art. 5 Abs. 1 und 4 Pat.-Ges. ist für jede Erfindung, deren
Patentierung nachgesucht wird, ein Patentanspruch aufzustellen, welcher die
Erfindung durch diejenigen Begriffe definiert, die der Patentbewerber zur
Bestimmung des Gegenstandes des Patentes als erforderlich und als ausreichend
erachtet, und zur Ergänzung der im Patentanspruch gegebenen Definition dürfen
Unteransprüche aufgestellt werden. Der Patentanspruch ist massgebend für die
Neuheit der Erfindung und den sachlichen Geltungsbereich des Patentes. Was
also alle

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Anforderungen an eine schutzfähige Erfindung erfüllt, aber bei der Anmeldung
des Patentes im Patentanspruch und allfälligen Unteransprüchen nicht als Wesen
der Erfindung umschrieben wird, ist des Schutzes nicht teilhaft und den
Nachahmungen und Nachmachungen unterworfen; denn es ist Sache des Bewerbers,
den Gegenstand seines Monopolanspruches zu Handen der Öffentlichkeit klar und
genau abzugrenzen. Darnach ist der Patentanspruch mit seinen Unteransprüchen
so zu fassen, dass er wiedergibt, was nach dem Willen und der Meinung des
Bewerbers den Inhalt der Erfindung ausmachen und geschützt werden soll; wenn
der Inhalt nicht sowohl in einzelnen, namhaft gemachten Elementen an sich,
sondern erst in einer Kombination von solchen bestehen soll, so folgt hieraus,
dass diese Meinung zum Ausdruck kommen, dass also das Zusammenwirken, und
nicht bloss die einzelnen Elemente oder ihre Summe als Gegenstand des Patentes
beansprucht werden muss, sei es, dass ausdrücklich von einer Kombination oder
dergleichen gesprochen und die Art des Zusammenwirkens der aufzuzählenden
Elemente beschrieben wird, sei es, dass das entscheidende Moment der
Kombination auf dem Wege der Auslegung des Anspruches oder Ansprüche ermittelt
werden kann (BGE 49 II S. 140 ff.).
Die Tatsache, dass sich die Klägerin noch nicht in ihrer Klageschrift, sondern
erst in der Widerklageantwort darauf berufen hat, ihr Patent sei ein
Kombinationspatent und als solches geschützt, kann ihr vor Bundesgericht
freilich nicht als eigentliche Einrede entgegengehalten werden; denn die
Substantiierung der Klage gehört dem Prozessrecht an und ist der Kognition des
Bundesgerichtes entzogen, soweit geltend gemacht wird, die angeblich zum
Klagefundament gehörenden Tatsachen seien nicht rechtzeitig und in der durch
das kantonale Prozessrecht vorgeschriebenen Form vorgebracht worden (BGE 26 II
S. 291
ff.; WEISS, Berufung S. 19). Überdies wäre noch zu erörtern gewesen, ob
alle Tatsachen, von denen die

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Gültigkeit des Patentes abhängt, zum Fundament einer Schadenersatzklage wegen
Nachahmung gehören, oder ob es nicht Sache des Beklagten sei, zunächst die
Ungültigkeit des Patentes zu behaupten.
Der Umstand, dass die Klägerin ihre Erfindung erst in der Widerklageantwort
als Kombinationserfindung hingestellt hat, ist aber von der Vorinstanz
immerhin mit guten Gründen als ein Indiz dafür aufgefasst worden, dass sie
ursprünglich selbst nicht daran gedacht hatte, sich die Kombination als solche
schützen zu lassen. Auch wenn sie prozessrechtlich nicht gehalten gewesen
wäre, ihren Standpunkt dazu schon in der Klageschrift erschöpfend darzulegen,
hätte es doch nahe gelegen, darin den ihr und ihrem Vertreter geläufigen
juristischen Begriff des Kombinationspatentes um einer klaren Erläuterung
willen zu verwenden, zumal die Klage sich über das Wesen des Patentes der
Klägerin nicht etwa ausschweigt.
Entscheidend ist, dass es an der Kennzeichnung der Erfindung der Klägerin als
Kombinationserfindung im Patentanspruch und den Unteransprüchen fehlt. Wohl
ist nach dem gerichtlichen Gutachten klar, dass im Hasler'schen Zähler die
drei Faktoren verwirklicht sind. Allein das Zivilgericht führt mit Recht aus,
nichts deute darauf hin, dass sich der Patentnehmer über die in den
Unteransprüchen 3 und 4 beschriebene Konstruktion hinaus den Gedanken der
Verbindung der drei Faktoren zu einem neuen technischen Zweck als sein
geistiges Eigentum habe schützen lassen wollen und dass nach seiner Absicht
jede Zählerkonstruktion, in der sich die drei Faktoren finden, als Nachahmung
ausgeschlossen sein sollte.
Zunächst ist freilich mit der Klägerin davon auszugehen, dass nach Art. 5 Abs.
3 Pat.-Ges. die Beschreibung der Erfindung in der Patentschrift zur Auslegung
des Patentanspruches herangezogen werden kann. Die Beschreibung soll nach Art.
26 Pat.-Ges. die Erfindung dergestalt

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darlegen, dass ihre Auslegung durch Fachleute möglich ist. Darüber jedoch, wie
weit diese Auslegung an Hand der Beschreibung gehen dürfe, hat sich die
bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht immer auf der gleichen Linie bewegt.
In BGE 43 II S. 524 ist ausgeführt worden: «Denn nach dem neuen Patentgesetz
und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist der Gegenstand eines
Patentes nicht allein aus dem Patentanspruch zu ermitteln, sondern es sind
nötigenfalls auch die Patentbeschreibung und die zu ihrem Verständnis
erforderliche und zu ihr gehörende Zeichnung heranzuziehen. Nun ist aus der
der Patentschrift beigegebenen Zeichnung das charakteristische Merkmal ... in
durchaus klarer Weise ersichtlich. Die Definition der Erfindung im
Unteranspruch ist damit hinreichend verdeutlicht, und es geht nicht an, dem
Unteranspruch, wie es die Klägerin will, wegen des zu allgemein gefassten und
darum etwas mangelhaften Wortlautes den gesetzlichen Schutz zu versagen.» In
BGE 47 II S. 495 dagegen ist es als feststehende Praxis des Bundesgerichtes
bezeichnet worden, dass Beschreibung und Zeichnung lediglich zur Auslegung der
Ansprüche, nicht aber zu ihrer Ergänzung herangezogen werden dürfen (ebenso
BGE 44 II S. 200; 48 II S. 294; 49 II S. 141; 50 II S. 72), und dass eine
Bereicherung der Erfindung mit konstitutiven Elementen, die im Patentanspruch
nicht wiedergegeben sind, im Wege der Patentbeschreibung ausgeschlossen sei,
da sich der Patentschutz nur auf das beziehe, was nach der Fassung der
Ansprüche als Inhalt der Erfindung ausgedrückt ist. Von besonderer Bedeutung
für den vorliegenden Fall ist die Bemerkung im Urteil Swiss Jewel Cie S. A. c.
Konkursmasse Gebr. Moosmann vom 31. Mai 1927 (BGE 53 II S. 186), wo ausgeführt
wurde, dass eine Erfindung nicht ohne weiteres den Anforderungen genüge, wenn
sie auch durch die Beschreibung dergestalt dargelegt sei, dass ihre Ausführung
durch Fachleute möglich ist; denn der Zweck, den das Gesetz mit seiner
Anforderung an eine

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vollständige Patentbeschreibung verfolge, ist verschieden vom Zweck, den es
bei seinen Anforderungen an die Patentansprüche im Sinne habe. Daraus wird man
im vorliegenden Fall erkennen müssen, dass wenn der Wille des Bewerbers, sich
eine Kombination schützen zu lassen, nicht aus den Ansprüchen hervorgeht, es
als ausgeschlossen erscheint, dass sich der Schluss auf diesen Willen aus der
Beschreibung ziehen lasse, denn diese soll ja nur die Ausführung durch
Fachleute ermöglichen. Ob die Beschreibung zur gesetzlich erlaubten Auslegung
überhaupt taugt, wird also zumeist davon abhängen, welche Frage auf dem Wege
der Auslegung entschieden werden soll, und wenn, wie hier, nicht konstruktive
Einzelheiten zu ermitteln, d. h. zu verdeutlichen sind, sondern der
rechtsgeschäftliche Wille des Ansprechers, werden Beschreibung und Zeichnung
keine Dienste leisten, wenn der Anspruch selbst versagt hat. Zusammenfassend
ist vor allen Dingen zu betonen, dass die Grenze zwischen Auslegung und
Ergänzung des Patentanspruches zwar in einzelnen Fällen streitig werden mag,
dass es aber offenbar über den Wortlaut des Art. 5 Pat.-Ges. hinaus gehen
würde, wenn man auch dort noch von einer Auslegung sprechen wollte, wo es an
einem Gegenstande der Auslegung fehlt, wo also der Patentanspruch und seine
Unteransprüche das behauptete Wesen der Erfindung überhaupt nicht zum Ausdruck
bringen.
Bei der Prüfung dieser Voraussetzung (einer Auslegung) ist der Klägerin
allerdings, wie schon angedeutet wurde, in Übereinstimmung mit den Gutachten
von Waldkirch und Seligsohn und in Übereinstimmung auch mit dem angefochtenen
Entscheid einzuräumen, dass der Charakter eines Patentes als
Kombinationspatent im Anspruch nicht expressis verbis ausgedrückt sein muss
und dass die besondere Hervorhebung auch nicht üblich ist. Allein bei der
Untersuchung, ob der Inhalt der Erfindung als Kombination dem Anspruch
wenigstens entnommen werden könne, musste die Vorinstanz zunächst mit Recht
feststellen,

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dass das Aufziehen des Triebwerkes vor jeder Messung in den Ansprüchen nicht
einmal als einzelnes Element genannt wird. Der Bemerkung von Prof. von
Waldkirch diese Feststellung sei angesichts der in den Unteransprüchen 3 und 4
enthaltenen Hinweise auf die Konstruktion mit der Feder rechtsirrtümlich und
aktenwidrig, ist entgegenzuhalten, dass die zitierten Sätze der Unteransprüche
die Konstruktion der Scheibe beschreiben, «die mit einem Segment zwangsläufig
in Verbindung steht, das unmittelbar von einem Druckstift entgegen der Wirkung
einer Feder betätigt werden kann», ohne dass auch nur mit einem Worte die
Funktion angedeutet wäre, die als solche Element eines Zusammenwirkens mit
andern sein soll; auch der technisch gebildete, unbefangene Leser der
Unteransprüche wird hier nicht einen Kombinationsfaktor suchen, wenn er
erfährt, dass durch Einwärtsdrücken des Stiftes die Feder gespannt wird. Dazu
kommt, dass in den Unteransprüchen auch die beiden andern Faktoren nur einzeln
in ihrer konstruktiven Ausgestaltung zum Ausdruck gelangen, dass aber auch
nicht einmal in einer noch auslegungsbedürftigen Weise von einem
Zusammenwirken zu einem bezeichneten neuen Effekt die Rede ist. Es handelt
sich hier eben nicht um die zurückgestellte Frage, ob tatsächlich eine
Kombinationserfindung vorliege, sondern es kommt vorläufig nur darauf an, ob
für die von der Klägerin behauptete Kombination überhaupt der Erfindungsschutz
im Hauptanspruch und seinen Unteransprüchen mit hinreichender Abgrenzung
begehrt worden ist. Die Argumentation des Gutachtens von Waldkirch wäre nur
dann schlüssig, wenn man sagen könnte, weil aus den mehrfach genannten
Elementen eine Kombinationserfindung abgeleitet werden kann, so muss auch
angenommen werden, das sei zum mindesten stillschweigend auch in der
Patentanmeldung der Klägerin geschehen. Damit würde man der Vorschrift des
Art. 5 Pat.-Ges. aber nicht gerecht werden; denn es liegt in der Hand des
Bewerbers, den

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Geltungsbereich des Patentes zu bestimmen, und er hat dabei mit grösster
Sorgfalt eine klare Formulierung zu erstreben. Es ist dies auch im
vorliegenden Fall keine unbillige Zumutung; denn wenn die Klägerin nicht nur
die in den Ansprüchen angegebenen Konstruktionen für sich vindizieren wollte,
sondern darüber hinaus die Idee der Verbindung, so wäre das eine durchaus
einfache Sache gewesen. Da sodann die Ansprüche nichts enthalten, was als
entscheidend noch zu interpretieren wäre, fällt der Inhalt der
Patentbeschreibung zum Vorneherein ausser Betracht, ganz abgesehen davon, dass
der Mangel jeder Andeutung einer Kombination auch der Beschreibung anhaftet,
wie im Gutachten Seligsohn mit Recht bemerkt worden ist.
Weil also die Kombination, auf welche die Klägerin im Prozesse abgestellt hat,
in der Patentschrift nicht als Erfindung beansprucht ist, muss die Hauptklage
schon aus diesem Grunde abgewiesen werden, und die Fragen, ob die von den
Experten festgestellte Erfindung wirklich eine Kombinationserfindung im
Rechtssinne sei und ob sie eine Erfindung und neu sei, stellen sich nicht
mehr; denn nach der Darlegung der Hasler A.-G. soll die der Beklagten
vorgeworfene Patentverletzung gerade in der Nachahmung der - nicht zum Schutze
angemeldeten und daher nicht geschützten - Kombination liegen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Zivilgerichtes des Kantons
Basel-Stadt vom 21. August 1930 wird bestätigt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 57 II 222
Date : 01. Januar 1931
Published : 10. Februar 1931
Source : Bundesgericht
Status : 57 II 222
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Anforderungen an ein Kombinationspatent (Erw. 2).Notwendigkeit der Kennzeichnung der Erfindung als...


BGE-register
26-II-287 • 34-II-758 • 42-II-112 • 43-II-519 • 44-II-196 • 47-II-490 • 49-II-136 • 53-II-184 • 57-II-222
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