BGE 57 II 15
4. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Februar 1931 i. S. Senn-Brugger und
Konsorten gegen Brugger-Keller und Konsorten.
Seite: 15
Regeste:
Eigenhändiges Testament.
Als Unterschrift i. S. von Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
keinen Zweifel über die Person des Testierenden aufkommen lässt (unter
Umständen auch der blosse Vorname, ein Pseudonym und dergl.) (Erw. 1.)
Wird das eigenhändige Testament niedergelegt in einer Nachschrift eines
Briefes, welche mit dem Brief ein untrennbares Ganzes bildet, so bedarf die
Nachschrift keiner besondern Datierung, sondern wird durch das Datum des
Briefes gedeckt. Voraussetzungen für die Annahme untrennbaren Zusammenhangs
von Brief und Nachschrift (Erw. 3.)
Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
A. - Am 7. Januar 1930 starb in Eschlikon August Brugger. Gesetzliche Erben
waren seine 4 Geschwister bezw. deren Nachkommen. Bei der Teilung des
Nachlasses legten die Kinder des verstorbenen Bruders Ulrich, die heutigen
Kläger, einen Brief vor, den der Erblasser am 23. November 1929 dem Kläger
Ulrich Brugger geschrieben hatte, und erhoben gestützt auf denselben Anspruch
auf die im Nachlass befindliche Liegenschaft.
Dieses Schreiben des Erblassers besteht aus einem gefalteten Briefbogen von 4
Seiten und enthält auf der ersten Seite oben rechts das Datum: «Eschlikon den
23. Novb. 29.» Nach der Anrede «Lieber Ulrich» folgen auf den beiden ersten
Seiten verschiedene hier nicht weiter interessierende Mitteilungen, darunter
auf der 2. Seite der Satz: «Mit mir geht es so langsam bergab.
Seite: 16
Kann ja höchstens noch in die Kirche bei ordentlichem Wetter.» Die 2. Seite
schliesst mit: «Grüsse Dich und Deine Lieben herzlich. August.» Dann fährt das
Schreiben auf der dritten Seite, ohne Wiederholung eines Datums, wie folgt
weiter: «Lieber Ulrich! Sollte ich unverhofft sterben, so kannst Du Deine
Schwester Lisette das Haus ansprechen zu je einem Theil von 3000 Franken Du u.
Lisette gleichviel u. Marie den Rest 1500 Franken. Meine Schwestern haben
Ihren Theil schon erhalten»... etc... «Mit Gruss u. Dank August»... - Das
ebenfalls bei den Akten liegende Couvert, in welchem dieser Brief
unbestrittenermassen zur Versendung gelangte, trägt den Poststempel vom 23.
November 1929 und auf der Rückseite den Vermerk: «Abs. August Brugger,
Eschlikon.»
B. - Da die beklagten Miterben dieses Schreiben nicht als Testament anerkennen
wollten, leiteten die Kläger die vorliegende Klage auf Feststellung der
Gültigkeit der letztwilligen Verfügung des Erblassers ein. Die Beklagten
nahmen den Standpunkt ein, als Testament komme einzig die dritte Seite des
Briefes in Betracht; diese enthalte aber weder ein Datum noch eine genügende
Unterschrift. Die vor erster Instanz ausserdem noch erhobenen Einwendungen,
der Brief sei nicht echt, eventuell habe dem Verfasser der animus testandi
gefehlt, wurden schon vor der obern kantonalen Instanz nicht mehr
aufrechterhalten.
C. - Mit Urteil vom 18. November 1930 hat das Obergericht des Kantons Thurgau
die Klage gutgeheissen, wogegen die Beklagten rechtzeitig die Berufung an das
Bundesgericht erklärten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Klägerschaft beantragt Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Das Gesetz selbst gibt keinen Aufschluss darüber, was notwendiger
Bestandteil einer Testamentsunterschrift sei, sondern überlässt es der Praxis,
dies zu bestimmen.
Seite: 17
Dabei muss ausgegangen werden vom Zweck, den die Unterschrift zu erfüllen hat,
und dieser besteht (abgesehen von der hier nicht weiter in Betracht fallenden
Funktion der Unterschrift als Bestätigung, dass der Inhalt der Urkunde den
Willen des Testierenden wiedergibt), im Ausschluss jeden Zweifels über die
Person des Testierenden. Von diesem Gesichtspunkt aus besteht keine
Notwendigkeit dafür, dass das eigenhändige Testament in jedem Fall mit Vor-
und Geschlechtsnamen des Testierenden unterzeichnet sei, vielmehr ist
grundsätzlich jede Unterzeichnung als genügend zu betrachten, welche nach der
erwähnten Richtung keine Unsicherheit aufkommen lässt. Dieser Anforderung kann
unter Umständen auch ein Pseudonym genügen oder auch der blosse Vorname des
Testierenden oder eine Wendung wie «Dein Vater», «Dein Bruder», etc., wie sie
namentlich in der Korrespondenz im engern Familien- oder Freundeskreis oft
üblich ist. Dass ein Testament auch in Form eines Briefes erstellt werden
kann, ist allgemein anerkannt. Will man die Anwendung dieser Verfügungsform
nicht in einer zweifellos vom Gesetz nicht gewollten Weise erschweren, so
dürfen nicht besondere Anforderungen an die Art der Unterschrift gestellt
werden, sondern muss die vom Testierenden für seine Korrespondenz im engern
Kreis bevorzugte Unterzeichnungsweise als ausreichend anerkannt werden. Eine
solche weitherzige Auslegung des Begriffes der Unterschrift im Sinne von Art.
505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
der Wille des Erblassers erfüllt werden soll, wenn er geäussert wurde in einer
Weise, die nicht gegen eine klare Formvorschrift verstösst; dass aber der
Begriff der Unterschrift in Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
behaupten. Man mag es daher streng nehmen mit dem Beweis dafür, ob die
verwendete Unterschrift keinen Zweifel über die Person des Testierenden
aufkommen lässt. Sind aber solche Zweifel nicht vorhanden, so besteht kein
Anlass, eine abgekürzte Unterschrift der genannten Art zu beanstanden.
Seite: 18
Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
Nach dem Entwurf von 1900 war die Verfügung «...mit dem Namen zu
unterschreiben», wobei der Name nach der ausdrücklichen Meinung des
Antragstellers nicht Vor- und Geschlechtsnamen zu umfassen brauchte (Prot. der
Expertenkommission S. 153/154); dafür, dass demgegenüber mit dem Ausdruck
«Unterschrift» des definitiven Textes wieder ein Mehr gefordert werden wollte,
fehlt jeder Anhaltspunkt.
Auf dem nämlichen Standpunkt stehen von den Kommentatoren des ZGB Escher (S.
89) und Rossel & Mentha (Manuel II 91), während Tuor (S. 328) sich auf die
Erklärung beschränkt, dass ausschlaggebende Gründe für die eine oder andere
Anschauung fehlen, wozu sich indessen bemerken lässt, dass die von ihm zu
Gunsten der strengeren Auffassung angeführten Argumente nicht überzeugen: Der
Gesetzestext («seine Unterschrift»), ist, wie bereits gesagt wurde, keineswegs
schlüssig, und die Wendung des Entwurfes 1900 («mit dem Namen zu
unterschreiben») beruhte, wie ebenfalls schon festgestellt wurde, auf einem
Antrag, der unter dem Namen nicht Vor- und Geschlechtsnamen verstand.
In Frankreich, wo das Gesetz ebenfalls keine Definition der Unterschrift
enthält, steht die Rechtsprechung überwiegend auf dem Boden der milderen
Auffassung, ohne allerdings in der Literatur einhellige Zustimmung zu finden
(vgl. COLIN et CAPITANT, Cours élémentaire de droit civil français III 856;
ferner SIREY, Code civil annoté, 5e édition, II p. 318 No 185 et s.;
JOSSERAND, Cours de droit civil (1930) III p. 683; PLANIOL, Traité élémentaire
de droit civil, 8e édition, III p. 657). In Deutschland hat das Reichsgericht
die Unterzeichnung von letztwilligen Verfügungen in Briefen an nahe Angehörige
mit dem blossen Vornamen als zulässig erklärt, wenn sich aus dem durch die
Unterschrift gedeckten Text die Person des Ausstellers für jeden Dritten mit
Sicherheit ergebe (zitiert bei ENNECCERUS, KIPP und WOLFF, 17. und 18. A.,
III, 3 S. 43 Anm. 23),
Seite: 19
während die Meinungen in der Literatur ebenfalls geteilt sind (vgl. die Zitate
an der eben angegebenen Stelle bei ENNECCERUS, KIPP und WOLFF, ferner bei
STAUDINGER, Kommentar zum BGB, 9. A., Bd. V S. 742).
2. - Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz festgestellt, dass a die
Identität (scil: des Erblassers mit dem Briefschreiber August) ausser allem
Zweifel» stehe und «klar aus dem Inhalt des Briefes, event. in Verbindung mit
der Ortsangabe» hervorgehe; «denn der Erblasser ist in der nähern Familie
Brugger der einzige des Namens August und zwar nicht nur in Eschlikon, sondern
überhaupt.» Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur, von den
Berufungsklägern - mit Recht - nicht als aktenwidrig angefochten und daher
gemäss Art. 81
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
|
1 | Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512 |
2 | Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können. |
Unterschrift des Testamentes nach dem Gesagten als dem Gesetz genügend
betrachtet werden.
3. - Die weitere Frage, ob das streitige Testament auch vorschriftsgemäss
datiert sei, könnte nur dann verneint werden, wenn angenommen werden müsste,
das Schreiben vom 23. November 1929 setze sich aus zwei verschiedenen, von
einander unabhängigen Teilen zusammen, nämlich aus einem (mit Datum
versehenen) indifferenten, durch die ersten zwei Seiten gebildeten Brief, und
einer (undatierten) letztwilligen Verfügung auf der dritten Seite der Urkunde.
Davon kann jedoch keine Rede sein. Allerdings hat die zweite Seite durch Gruss
und Unterschrift einen gewissen Abschluss erhalten, während die dritte Seite
wieder mit einer neuen Anrede beginnt, ohne dass das Folgende ausdrücklich als
Nachschrift oder dergl. bezeichnet wurde. Allein mit der Vorinstanz muss diese
dritte Seite der Urkunde gleichwohl als Fortsetzung oder Nachschrift und
infolgedessen als Bestandteil des Briefes betrachtet werden. Nicht nur hat man
es schon rein äusserlich mit einer einzigen Urkunde zu tun; es muss auch ein
inhaltlicher Zusammenhang des Textes der dritten Seite mit dem Vorangegangenen
festgestellt werden: Wenn der
Seite: 20
Erblasser seine letztwillige Verfügung einleitet mit den Worten: «Sollte ich
unverhofft sterben», so ist das, wie schon die Vorinstanz zutreffend
hervorgehoben hat, nichts anderes als ein Anknüpfen an den bereits auf der
zweiten Seite des Briefes zum Ausdruck gebrachten Gedanken an ein baldiges
Ableben. Dieser sowohl in der Substanz der Urkunde als auch im Gedankengang
des Textes vorhandene Zusammenhang der beiden Teile des Briefes genügt, um
trotz dem formellen Abschluss der zweiten Seite, trotz der neuen Anrede auf
der dritten Seite und trotz dem Fehlen eines «Nachschrift»-Vermerkes den
Inhalt der dritten Seite zusammen mit dem vorangegangenen Text als ein
einheitliches Ganzes erscheinen zu lassen, und verbietet, die dritte Seite der
Urkunde für sich allein in Betracht zu ziehen. Dann aber ist auch die
letztwillige Verfügung durch das Datum am Eingang des Briefes gedeckt.
Dass dieses Datum (23. November 1929) nur für die ersten beiden Seiten
zutreffe, nicht aber auch für die letztwillige Verfügung, haben die Beklagten
selbst nie behauptet - übrigens mit gutem Grund; denn die (einheitliche)
Urkunde ist laut dem Poststempel, der sich auf dem unbestrittenermassen zum
Brief gehörigen Umschlag befindet, am gleichen 23. November 1929 der Post
übergeben worden. Muss daher angenommen werden, dass der Brief in einem Zug,
jedenfalls am nämlichen Tag niedergeschrieben wurde, so spielt auch der
Umstand keine Rolle, dass sich das Datum am Anfang und nicht am Schluss der
Verfügung befindet (vgl. BGE 56 II 248). Unerheblich ist endlich auch, dass
der Erblasser bei der Angabe des Monats im Datum eine Abkürzung («Novb.»)
verwendet hat; denn diese Abkürzung ist eindeutig.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen.