BGE 57 I 351
54. Auszug aus dem Urteil vom 25. September 1931 i. S.
Siedelungsgenossenschaft Freidorf gegen Staatssteuerrekurskommission
Baselland.
Regeste:
Steuervertrag zwischen der Finanzverwaltung und einem Steuerpflichtigen mit
der Bestimmung, dass gewisse dadurch dem Pflichtigen wegen besonderer
Verhältnisse zugestandene Steuererleichterungen auch bei einer künftigen
Änderung der Steuergesetzgebung weiter bestehen bleiben sollen. Die
Nichtbeachtung dieser Vereinbarung durch die kantonale Steuerrekursbehörde
wegen Nichtigkeit enthält keine Willkür.
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A. - Die Siedelungsgenossenschaft Freidorf ist eine Wohngenossenschaft, die in
den Jahren 1919-1921 unter weitgehender Mithilfe des Verbandes schweizerischer
Konsumvereine in Basel auf Gebiet der basellandschaftlichen Gemeinde Muttenz
die Wohnkolonie jenes Namens gebaut hat und die dazu gehörenden Wohnhäuser an
ihre Mitglieder (meist Angestellte des Verbandes schweizerischer
Konsumvereine, die in Basel arbeiten und früher auch dort gewohnt hatten)
vermietet. Daneben befasst sie sich als Konsumgenossenschaft mit dem Ankauf
und der Abgabe von Waren an die Mitglieder (Insassen der Kolonie). Die
jährlichen Überschüsse des Ertrages der Liegenschaftsverwaltung fallen nach
den Statuten und einem Vertrage mit dem Verband schweizerischer Konsumvereine
an die von diesem gegründete «Stiftung zur Förderung von
Siedelungsgenossenschaften», die die empfangenen Beträge an Zins und
Zinseszins zu legen und nach genügender Äufnung daraus eine weitere ähnliche
Siedelung wie Freidorf zu errichten hat. Das Gleiche hätte mit den
Ertragsüberschüssen dieser zweiten Gründung zu geschehen u. s. w.
Das bei Gründung der Genossenschaft und bis zum Jahre 1929 geltende
basellandschaftliche Steuerrecht unterschied hinsichtlich der Höhe der
Besteuerung nicht zwischen natürlichen und juristischen Personen. Beide hatten
die Steuer je von ihrem Gesamtreinvermögen und Gesamtreineinkommen als Einheit
zu den gleichen Steuersätzen zu entrichten (wobei die Bestandteile des
steuerbaren Vermögens und Einkommens bei juristischen Personen in dem
Sondergesetze von 1921 näher aufgezählt waren). Im Dezember 1921 kam es
zwischen der Finanzdirektion des Kantons Baselland und der
Siedelungsgenossenschaft Freidorf zu einem sog. Steuervertrage. Der
Genossenschaft wurde dadurch insofern eine vom Gesetz abweichende Behandlung
zugestanden, als die staatliche Vermögenssteuer nicht nach dem Stande ihres
Gesamtvermögens, sondern für jede ihr gehörende
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Liegenschaft und ebenso für das übrige Vermögen getrennt je zu dem Steuersatze
berechnet werden sollte, der der Steuerschatzung der betreffenden
Vermögensstücke entsprach, wie wenn es sich um Vermögen ebensovieler
verschiedener Eigentümer handelte. An Stelle des bei der Höhe des
Gesamtvermögens sonst anwendbaren Steuersatzes von 4 trat so ein solcher von
1,6-2,08 auf den verschiedenen Vermögensteilen. Voraussetzung für das
Inkrafttreten der Vereinbarung war, dass die damals in der Errichtung
befindliche Stiftung zur Förderung von Siedelungsgenossenschaften - gegen die
Zusicherung der Erhebung lediglich der einfachen Vermögenssteuer ohne
Progression - ihren Sitz im Kanton Baselland (Muttenz) wähle, was dann auch
geschah. Ziff. IV der Vereinbarung bestimmte: «Bei Änderungen der
basellandschaftlichen Steuergesetzgebung unterliegt vorliegende Vereinbarung
unter Beachtung der darin befolgten Grundsätze einer Anpassung an die neuen
gesetzlichen Bestimmungen.»
Auf den 1. Januar 1930 trat im Kanton Baselland das neue Steuergesetz vom 20.
August 1928 in Kraft. Es ordnet in den §§ 27 ff. die Besteuerung der
juristischen Personen besonders und, auch den Steuersätzen nach, abweichend
von derjenigen der natürlichen Personen. §§ 32, 33 enthalten über die
Steuersätze der Ertrags- und Kapitalsteuer der «auf Selbsthilfe beruhenden
Genossenschaften» - zu denen die Siedelungsgenossenschaft Freidorf
unbestrittenermassen zählt - Vorschriften, die zu Gunsten dieser Verbände
nicht bloss von den Bestimmungen über die Besteuerung der natürlichen, sondern
auch der anderen juristischen Personen abweichen («Aktiengesellschaften und
ähnliche Unternehmungen in der Form von Genossenschaften und Vereinen, die
nicht unter § 32 fallen»). Während die Einkommens- und Vermögenssteuer der
natürlichen Personen bis auf 6,5% bezw. 4 steigt, hält die Progression für die
Ertrags- und Kapitalsteuer der Selbsthilfegenossenschaften schon bei 5% bezw.
2,5 des steuerbaren Ertrages und
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Kapitals an. Was als steuerbarer Reinertrag und steuerbares Kapital zu gelten
hat, ist in den §§ 28 und 29 festgesetzt.
Bei der ersten Einschätzung auf Grund dieses neuen Gesetzes erhob sich
zwischen der Siedelungsgenossenschaft Freidorf und den Steuerbehörden ein
Anstand. Die kantonale Finanzdirektion erklärte sich anfänglich mit Schreiben
vom 14./17. November 1930 bereit, die Besteuerung wie bisher, d. h. für die
einzelnen in Ziff. 1 des Abkommens von 1921 aufgeführten Vermögensstücke
getrennt vorzunehmen, aber nach den in den §§ 15 und 24 des neuen
Steuergesetzes vorgesehenen, d. h. den für die natürlichen Personen geltenden
Steuersätzen. Die Siedelungsgenossenschaft Freidorf vertrat demgegenüber die
Auffassung, dass sie auch bei dieser Art der Veranlagung Anspruch auf die
Behandlung als Selbsthilfegenossenschaft im Sinne von §§ 32, 33 StG, d. h. die
Anwendung der hier bestimmten Steuersätze habe. Mit Bescheid vom 6. Dezember
1930 lehnte die Finanzdirektion dieses Begehren ab, da die
Siedelungsgenossenschaft Freidorf nicht gleichzeitig die Vorteile, welche das
neue Steuergesetz den juristischen Personen einräume, und daneben noch die
weitergehenden Vergünstigungen des Vertrages von 1921 für sich in Anspruch
nehmen könne. Nachdem der Vorschlag vom 14./17. November 1930 abgelehnt werde,
bleibe nur die Besteuerung nach §§ 32, 33 StG übrig. Es ergebe sich danach
folgende Steuerrechnung:
2,5Promille ab Fr. 4573620 Vermögen = Fr. 11434.05
4% ab Fr. 69003 Reingewinn = Fr. 3450.15
Gesamtsteuerbetrag = Fr. 14884.20
Auch die kantonale Taxationskommission habe einstimmig beschlossen, dass nur
entweder die Besteuerung in diesem Sinne oder aber gemäss dem Vorschlage vom
14./17. November 1930 in Betracht kommen könne. Eine Beschwerde gegen diese
Veranlagung hat die Staatssteuer-Rekurskommission des Kantons Baselland durch
Entscheid vom 28. April 1931 abgewiesen.
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Die Bemessung des steuerbaren Gesamtvermögens (Kapitals) und des steuerbaren
Ertrages mit 4573620 Fr. und 69003 Fr. ist an sich nicht angefochten,
ebensowenig der Betrag der geschuldeten Ertragssteuer mit 3450 Fr. 15 Cts. Der
Streit dreht sich einzig um die Art der Vermögensbesteuerung. Die Rekurrentin
möchte hier das Abkommen von 1921 in dem Sinne aufrechtgehalten und an das
neue Gesetz angepasst wissen, dass sie nach wie vor nicht für das
Gesamtvermögen als Einheit sondern für die einzelnen Teile desselben getrennt
besteuert würde und zwar für jeden mit dem Steuersatze, der in § 33 StG für
ein entsprechend hohes Gesamtkapital der Genossenschaft vorgesehen ist, was zu
folgender Steuerberechnung führen würde:
Wohnhäuser Fr. 3829360 zu 1,2Promille = Fr. 4595.25
Transformatorenhaus Fr. 3010 zu 1,2Promille = Fr. 3.60
Genossenschaftshaus Fr. 315840 zu 1,9Promille = Fr. 600.10
Grundstücke Fr. 331390 zu 1,9Promille = Fr. 629.65
Übriges Vermögen Fr. 94020 zu 1,2Promille = Fr. 112.55
Gesamtvermögens- (Kapital-) steuer Fr. 5941.15
Ertragssteuer Fr. 3450.15
Total Steuern Fr. 9391.30
In den Erwägungen des Entscheides der Staatssteuer Rekurskommission wurde
demgegenüber festgestellt - die betreffenden Zahlen sind anerkannt - dass die
Rekurrentin unter dem alten Steuerrecht bei Veranlagung nach dem Abkommen von
1921 als staatliche Vermögens- und Einkommenssteuer pro 1930 insgesamt 16555
Fr. 25 Cts. zu entrichten gehabt hätte, während die Steuerleistung bei der
gesetzlichen Veranlagung nach dem neuen StG ohne Abkommen nicht nur nicht
mehr, sondern sogar 1671 Fr. 15 Cts. weniger betrage. Es sei dies die Folge
der verschiedenen Vergünstigungen, welche das neue Gesetz den
Selbsthilfegenossenschaften gegenüber
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dem bisherigen Zustand einräume: niedrigere Steuersätze, abweichende
Bestimmung der abzugsfähigen Unkosten bei der Ertragssteuer, neue niedrigere
Katasterschatzung der Liegenschaften. Da der Sinn von Ziff. IV des Abkommens
von 1921 nach der ganzen Veranlassung des Abkommens nur habe sein können, die
Rekurrentin dagegen zu schützen, dass sie unter einem neuen Gesetze zu höheren
Steuerleistungen herangezogen werde als nach der durch die Vereinbarung
getroffenen Ordnung, könne daher auch die fragliche Bestimmung gegenüber einer
gesetzlichen Neuregelung der Steuerpflicht, wie sie nunmehr tatsächlich
getroffen worden sei, nicht angerufen werden. Selbst wenn die durch das
Abkommen bezweckten Steuererleichterungen nicht seit 1. Januar 1930 schon von
Gesetzeswegen Platz griffen, könne dasselbe heute keinen Bestand mehr haben.
Weder § 57 KV noch das Gesetz betreffend die Steuerpflicht der Korporationen,
Aktiengesellschaften, Genossenschaften und ähnlicher Verbände von 1901 noch
die Zuschlagssteuergesetze, also keiner der Erlasse, die das frühere
basellandschaftliche Steuerrecht enthielten, habe die Finanzdirektion
ermächtigt Steuerabkommen abzuschliessen. Noch viel weniger habe sie also
zuständig sein können Bindungen von ewiger Dauer einzugehen, wie es bei der
von der Rekurrentin der Ziff. IV des Abkommens von 1921 gegebenen Deutung hier
der Fall wäre. Das neue Steuergesetz schaffe für alle Steuerpflichtigen
gleiches Recht und es gehe nicht an, dass einzelne Steuerpflichtige
ausnahmsweise und entgegen den neuen Gesetzesbestimmungen behandelt würden
oder dass die letzteren infolge früher getroffener Vereinbarungen unwirksam
würden. Die Fälle, in denen Steuererleichterungen gewährt werden dürften,
seien in § 35 StG genau umschrieben, unter Bezeichnung der hiefür zuständigen
Behörde. Darüber hinausgehende Abreden seien nicht mehr zulässig.
Die Siedlungsgenossenschaft Freidorf erhob gegen diesen Entscheid
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
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von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
angenommenen Nichtigkeit (Unverbindlichkeit) der in Ziff. IV des Abkommens von
1921 gegebenen Zusicherung geltend machte: die Steuerbehörde, an der es
gewesen wäre, diesen Einwand zu erheben, habe dies nicht getan.
Steuerverwaltung, Finanzdirektion und kantonale Taxationskommission hätten
vielmehr die fortdauernde Geltung des Vertrages grundsätzlich anerkannt und
lediglich den Standpunkt eingenommen, dass bei einer Besteuerung auf dieser
Grundlage die Steuersätze der §§ 15 und 24 des StG für die physischen Personen
Anwendung finden müssten. Es sei aber nicht zulässig, dass die Steuerbehörden
eine Steuervereinbarung als nach wie vor giltig behandelten, wenn sich daraus
nach ihrer Auffassung eine höhere Steuerleistung ergeben würde als nach dem
Gesetze, um dann hinterher, wenn diese Berechnung angefochten werde, die
Rechtsbeständigkeit der Vereinbarung zu bestreiten. Auch eine öffentliche
Verwaltung könne im übrigen nicht, ohne sich der Willkür und
Rechtsverweigerung schuldig zu machen, von ihr abgeschlossene Verträge
einseitig aufheben. Im vorliegenden Falle handle es sich zudem nicht um
Abkommen, wie sie gelegentlich mit reichen Steuerflüchtlingen geschlossen
würden und wodurch solchen gegen die Wohnsitznahme in einer Gemeinde die
Besteuerung nur für einen begrenzten Einkommens- und Vermögensbetrag
zugesichert werde. Derartigen Vereinbarungen möge mit Recht der Schutz versagt
werden. Massgebend für das von den Steuerbehörden im Jahre 1921 gemachte
Zugeständnis sei vielmehr der ideale Zweck gewesen, den die
Siedelungsgenossenschaft Freidorf verfolge, daneben vielleicht auch die
Erwägung, dass der Ertrag der in der Zeit der höchsten Teuerung erstellten
Gebäude weit unter dem Erstellungs- und Schatzungswert gestanden habe, vor
allem aber der Umstand, dass der gesamte Ertragsüberschuss durch die Zuwendung
an die Stiftung zur Förderung von Siedelungsgenossenschaften wiederum dem
gleichen nicht
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eigennützigen Zwecke diene wie die Siedelungsgenossenschaft Freidorf selbst.
Überdies habe der Staat für sein Zugeständnis eine Gegenleistung dadurch
erhalten, dass der Sitz der erwähnten Stiftung nach Muttenz gelegt und bis
heute dort belassen worden sei, während er, weil durch den Stiftungszweck
nicht gebunden, ebensogut auch an einen anderen Ort mit geringerer
Steuerbelastung hätte gelegt werden können. Aus allen diesen Gründen sei das
Abkommen auch für den Staat durchaus sachlich zu rechtfertigen gewesen und
müsse es als willkürlich bezeichnet werden, wenn die
Staatssteuer-Rekurskommission ihm heute die fortdauernde Geltung absprechen
wolle.
Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen. Es nahm an,
dass die Staatssteuerrekurskommission auch abgesehen davon, ob die streitige
Klausel (Ziff. IV) des Abkommens von 1921 überhaupt auf den nun tatsächlich
eingetretenen Fall bezogen werden könne, die von der Rekurrentin verlangte
Veranlagung jedenfalls aus dem zweiten im angefochtenen Entscheide angeführten
Grunde ohne Rechtsverweigerung habe ablehnen dürfen.
Gründe:
Die von der Staatssteuer-Rekurskommission geschützte Steuerveranlagung
entspricht unbestrittenermassen dem Gesetze. Fraglich ist einzig, ob die
Siedelungsgenossenschaft Freidorf infolge des Vertrages von 1921 Anspruch auf
eine vom Gesetz abweichende Steuerberechnung habe und ob die Verneinung dieses
Anspruches eine Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
enthalte. Voraussetzung dafür wäre, dass ein Abkommen dieses Inhaltes und
insbesondere eine Bindung daran auch für den Fall des Inkrafttretens eines
neuen StG überhaupt giltig, für die öffentliche Verwaltung verbindlich
eingegangen werden konnte. Beides versteht sich aber, selbst wenn man von der
Darstellung der Rekurrentin über die Gründe ausgeht, die im Jahre 1921 die
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Finanzverwaltung zu einem solchen Entgegenkommen veranlassten, keineswegs von
selbst. Als Bestandteil des öffentlichen Rechtes sind die Normen der
Steuergesetzgebung grundsätzlich zwingender Natur, enthalten nicht nur Gebote
an den Steuerpflichtigen, sondern zugleich auch Schranken für die Behörden
hinsichtlich ihres zulässigen Handelns. Die Lehre des Staats- und
Verwaltungsrechtes neigt denn auch allgemein dazu, vertragliche Vereinbarungen
über die Steuerpflicht zwischen der Verwaltung und dem Steuerpflichtigen nur
insoweit zuzulassen, als sie vom Gesetz für bestimmte Fälle ausdrücklich
gestattet werden, und Abkommen, wodurch einer Person ausnahmsweise ohne solche
gesetzliche Ermächtigung eine von der gesetzlichen Ordnung abweichende
Behandlung (geringere Besteuerung als die aus dem Gesetz sich ergebende)
zugesichert wird, als nichtig und unverbindlich zu behandeln, dies zum
mindesten in dem Sinne, dass die Verwaltung darauf jederzeit zurückkommen und
für eine neue Steuerperiode den gesetzlichen Steueranspruch zur Geltung
bringen kann (BLUMENSTEIN Steuerrecht I S. 57 ff.; FLEINER Institutionen 6./7.
Aufl. S. 202; O. MAYER, Verwaltungsrecht 3. Aufl. I S. 336; Monatsschrift für
bernisches Verwaltungsrecht 11 No. 6 mit Anmerkung der Redaktion; Bbl. 1872
III 29). Auch wenn man soweit nicht gehen und eine Ausnahme insofern als
möglich anerkennen will, als es sich um eine ganz besondere Art eines
Steuerpflichtigen oder sonst um einen ganz besonderen eigenartigen Einzelfall
handelt, folgt daraus noch nicht die Zulässigkeit auch einer Bindung, diese
vertragliche Sonderbehandlung selbst unter einer künftigen neuen
Steuergesetzgebung fortdauern zu lassen. Denn der Grund, aus dem unter solchen
Voraussetzungen vielleicht eine dem Gesetz nicht entsprechende Regelung der
Steuerpflicht durch Vertrag trotz des grundsätzlich zwingenden Charakters der
steuerrechtlichen Normen ausnahmsweise als zulässig erscheinen mag, kann nur
darin liegen, dass der Gesetzgeber bei Erlass der letzteren an
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derartige Tatbestände nicht gedacht habe, und wenn er sie ins Auge gefasst
hätte, ihnen ebenfalls in einem dem Vertrage entsprechenden Sinne Rechnung
getragen haben würde. Dieser Grund fällt aber mit dem Augenblicke dahin, wo
die bisherige gesetzliche Ordnung durch ein späteres Steuergesetz ersetzt
wird, das die Steuerpflicht allgemein neu ordnet. Denn entweder kommen die
neuen gesetzlichen Normen ebenfalls schon von sich aus dem betreffenden
Steuerpflichtigen in gewissem Umfange entgegen. Dann ist damit auch das Mass
der Vergünstigungen, auf das er Anspruch machen kann, verbindlich bestimmt und
ein weiteres Zugeständnis abgelehnt. Oder es ist dies nicht der Fall. Dann hat
der Gesetzgeber dadurch erklärt, dass er die fraglichen Umstände nicht als
erheblich und genügend für eine besondere steuerliche Behandlung betrachte. In
beiden Fällen würde die Weitergewährung der bisherigen vertraglichen
Vergünstigungen auf ein Handeln gegen den unzweideutig ausgesprochenen Willen
des Gesetzgebers hinauslaufen, das der Verwaltung auf diesem Gebiete nicht
zustehen kann. Wenn die Staatssteuer-Rekurskommission erklärt hat, dass eine
Zusicherung, wie die Rekurrentin sie aus Ziff. IV des Abkommens von 1921
herleiten möchte, als nichtig angesehen werden müsste, sodass daraus gegenüber
einer dem neuen Steuergesetz entsprechenden Veranlagung keine Rechte
hergeleitet werden können, so ist diese Auffassung demnach keinesfalls
willkürlich.
Konnte eine derartige Bindung giltig überhaupt nicht eingegangen werden, so
vermochte aber auch eine Erklärung der Verwaltungsbehörden, dass sie bereit
seien sich daran nach wie vor zu halten, sie nicht zu binden, jedenfalls
solange nicht, als es nicht auf Grund derselben schon zu einer von der
Rekurrentin angenommenen Steuerveranlagung für die betreffende Steuerperiode
gekommen war. Letzteres trifft aber hier nicht zu, da die Rekurrentin die ihr
von der kantonalen Finanzdirektion am 14./17. November 1930 vorgeschlagene
Einschätzung ausdrücklich
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ablehnte und eine abweichende verlangte. Im übrigen hat die Finanzdirektion
damals die fortgesetzte Geltung des Abkommens von 1921 keineswegs etwa
vorbehaltslos anerkannt, sondern nur von der Voraussetzung ausgehend, dass die
in Ziff. IV desselben vorbehaltene «Anpassung» in dem von ihr vertretenen
Sinne auszulegen sei, nämlich als Fortdauer zwar der getrennten Besteuerung
der einzelnen Vermögensteile für sich, aber andererseits auch zu den nämlichen
Steuersätzen, wie sie für physische Personen gelten, entsprechend dem Zustand
vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes.
Für die Gegenleistung, die in der Wahl von Muttenz als Sitz der «Stiftung zur
Förderung von Siedelungsgenossenschaften» lag, hat die
Siedelungsgenossenschaft Freidorf ein Äquivalent in den namhaften
Steuererleichterungen erhalten, die sie bis und mit dem Jahre 1929 auf Grund
des Abkommens gegenüber der gesetzlichen Ordnung genoss. Die Tatsache dieser
Gegenleistung könnte zudem nicht zur Folge haben, dass die öffentliche
Verwaltung deshalb an das Abkommen auch unter der neuen Steuergesetzgebung
gebunden bliebe, trotz grundsätzlich anzunehmender Nichtigkeit einer Abrede
wie der von der Rekurrentin aus Ziff. IV dieses Vertrages hergeleiteten. Es
könnte sich höchstens fragen, ob mit der Unverbindlicherklärung dieser
Vertragsbestimmung nicht auch die Stiftung für die Zukunft in der Sitzwahl
freie Hand erhalte, die von ihr hierin eingegangene Bindung dahingefallen sei.