BGE 57 I 184
28. Auszug aus dem Urteil vom 12. Juni 1931 i. S. Deutsch und Mitbeteiligte
gegen Regierungsrat Zürich.
Regeste:
Zusammenfassung mehrerer dem Gemeindereferendum unterliegender
Finanzbeschlüsse zu einer einheitlichen Abstimmungsvorlage. Beschwerde von
stimmberechtigten Gemeindeeinwohnern wegen Verletzung von Art. 1 der
zürcherischen KV und Beeinträchtigung des bundesrechtlich gewährleisteten
politischen Stimmrechts. Abweisung. Anfechtbarkeit des beanstandeten Vorgehens
der Gemeindebehörde aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
In Winterthur fanden bisher die Konzerte im sog. Gemeindesaale des Stadthauses
statt, der sich indessen hiezu immer mehr als ungenügend erwies. Das gleiche
traf für die im «Kasino» abgehaltenen Theatervorstellungen wegen
unzureichender Raumverhältnisse der Bühne und Garderobe zu. Es wurde deshalb
die Frage einer Erweiterung des Stadthauses zur Vergrösserung des Saales und
von Umbauten am Kasino geprüft. Ausserdem wurde der Plan der späteren
Erstellung eines besondern Saalbaus für Versammlungen und gesellschaftliche
Veranstaltungen erörtert. Und endlich trat die Arbeiterschaft mit dem Begehren
um eine Unterstützung aus städtischen Mitteln zum Bau eines Volkshauses für
ihre besonderen Bedürfnisse auf. Am 5. Mai 1930 fasste der Grosse Gemeinderat
von Winterthur einen Beschluss, der 1) gewisse Kredite für die erwähnten
Erweiterungs- und Umbauten am Stadthaus und Kasino bewilligte; 2) der
Volkshausgenossenschaft Winterthur die unentgeltliche Überlassung eines
Bauplatzes und einen Beitrag von
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300000 Fr. an die Baukosten, zahlbar frühestens nach 5 Jahren und bei
ausgewiesener Finanzierung des Baus, zusicherte; 3) zur späteren Erstellung,
eines Saalbaus für gesellschaftliche Anlässe und grosse Veranstaltungen aller
Art durch die Stadt oder ein Konsortium ebenfalls die unentgeltliche Abtretung
des Bauplatzes und ausserdem jährliche Einlagen in einen Baufonds vorsah.
Gleichzeitig wurde beschlossen, dass die Ziff. 1-3 der Gemeinde als eine
Gesamtheit zur Abstimmung vorgelegt werden sollten. Auf dem Stimmzettel fasste
daher der Stadtrat die Frage wie folgt: «Wollt Ihr dem Vorschlage betreffend
Lösung der Saalbaufragen (Erweiterung des Stadthauses, Verbesserung der
Theater- und Garderobeverhältnisse im Kasino, Volkshaus, Saalbau) zustimmen?»
Bei der Gemeindeabstimmung vom 22. Juni 1930 wurde die Vorlage mit 4735 Ja
gegen 4502 Nein angenommen.
Eine darauf von Dr. Piet Deutsch und fünf weiteren stimmberechtigten
Gemeindeeinwohnern erhobene Beschwerde ist sowohl vom Bezirksrat Winterthur
als, auf gegen dessen Entscheid ergriffenen Rekurs, vom Regierungsrat des
Kantons Zürich abgewiesen worden. Die Beschwerdeführer hatten damit beantragt:
es sei die Abstimmung vom 22. Juni 1930 als ungiltig zu erklären und eine neue
Abstimmungsverhandlung anzuordnen, bei der den Aussetzungen der
Beschwerdeführer Rechnung getragen werde. Sie machten geltend: durch die
fragliche Abstimmungsvorlage seien verschiedene, von einander unabhängige
Fragen zu einer Einheit verbunden worden. Ein solches Vorgehen sei
gesetzwidrig. Es lasse sich nicht vereinbaren mit der durch Art. 1 KV dem
Volke gewährleisteten unmittelbaren Mitwirkung bei der Ausübung der
Staatsgewalt, die in sich schliesse, dass der Stimmberechtigte frei und
ungebunden zu jedem einzelnen Gegenstande müsse Stellung nehmen können, für
dessen Ordnung es der Zustimmung des Volkes, d. h. der Aktivbürgerschaft der
Gemeinde bedürfe. Diese Möglichkeit werde dem Bürger aber bei einer
Zusammenkoppelung wie der
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vorliegenden genommen. Wer mit der Regelung einer der verschiedenen Fragen
nicht einverstanden sei, habe nur die Wahl entweder wegen dieses Punktes die
ganze Vorlage zu verwerfen oder aber im Interesse des Zustandekommens der
übrigen Beschlüsse auch den ihm nicht zusagenden anzunehmen. Und auch
derjenige, der sich für das erstere entscheide, d. h. mit Nein stimme, drücke
dadurch nicht seinen wahren Willen aus. Das Wesen des dem Bürger durch die
Verfassung garantierten Stimmrechts erfordere, dass sachlich getrennte Dinge
auch getrennt zur Abstimmung gebracht würden. Nur wo zwischen mehreren Fragen
ein innerer Zusammenhang bestehe, der sie als natürliche Einheit erscheinen
lasse, sei ihre Zusammenfassung zulässig. Im vorliegenden Falle suche man aber
vergeblich nach einem sachlichen Bande, das z. B. den Bau eines Volkshauses
mit der Stadthauserweiterung verknüpfen würde. Der einzige Grund für die
Verkoppelung beider Fragen seien taktische Rücksichten gewesen, nämlich die
Drohung der Arbeiterschaft andernfalls auch die übrigen Kredite zu verwerfen,
und die Hoffnung durch die Zustimmung der Arbeiterschaft die vorhandene starke
Opposition gegen andere Teile der Vorlage, insbesondere gegen die
Erweiterungsbauten am Stadthause, zu überstimmen. Diese Hoffnung habe sich
denn auch, wie das Abstimmungsergebnis zeige, erfüllt. Selbst wenn von einer
Gesetzesverletzung nicht gesprochen werden könnte, wäre doch jedenfalls ein
psychologischer Zwang, wie er hier gegen den Bürger ausgeübt worden sei, in
hohem Masse ungebührlich und unbillig (§ 64 litt. a des Zuteilungsgesetzes vom
4. Mai 1919).
In den Erwägungen des Rekursentscheides des Regierungsrates vom 30. Oktober
1930 wurde demgegenüber ausgeführt: allerdings sei die Ausübung der
politischen Rechte ein verfassungsmässiges Recht des Bürgers. Über den Umfang
dieses Rechtes gäben jedoch nicht die zwei Grundsätze des Art. 1 KV, der von
den Rekurrenten allein als verletzt angeführt werde, Auskunft, sondern
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andere Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen, so - neben den Wahlvorschriften
-vor allem die Bestimmungen über Teilnahme an Gemeindeversammlungen,
Referendum und Initiative. In Gemeinden mit städtischer Organisation, zu denen
Winterthur gehöre, beschränke sich das Stimmrecht des Bürgers in Sachfragen
auf das Referendum. Im Wesen des letzteren liege es aber, dass der
Stimmberechtigte zu den Vorlagen des Parlaments nur Ja oder Nein zu sagen
habe. Die unmittelbare und positive Mitwirkung bei der Gestaltung einer
Vorlage, wie sie in den übrigen Gemeinden bei der Beratung in der
Gemeindeversammlung möglich sei, bleibe dem Bürger nach dieser mit Art. 1 KV
zweifellos vereinbaren Ordnung versagt, gleichwie die Aktivbürgerschaft des
Staates auf die Annahme oder Ablehnung der Vorlagen des Kantonsrats beschränkt
sei. Im Staat könne aber kaum Zweifel darüber herrschen, dass der Kantonsrat
als oberstes Organ selbst und endgiltig entscheide, was er auf dem Gebiete der
Gesetzgebung oder an Finanzbeschlüssen zu einer Vorlage zusammenfassen und als
Einheit dem Referendum unterstellen wolle. Aus den vom Bezirksrat angeführten
Beispielen ergebe sich denn auch, dass der Kantonsrat sich tatsächlich dabei
die grösste Freiheit vorbehalten habe. Bis jetzt sei noch von keiner Seite die
staatsrechtliche Möglichkeit bestritten worden, aus blossen
Zweckmässigkeitserwägungen gesetzgeberische Aufgaben zu einer Vorlage
zusammenzufassen, die einzeln nicht oder nur mit grossen Schwierigkeiten
verwirklicht werden können. Dasselbe müsse auch für das Gemeindereferendum
gelten, da die Stellung der Volksvertretung zur Aktivbürgerschaft in beiden
Fällen die gleiche sei. Wenn die Gesamtheit der Stimmberechtigten mit dem
Vorgehen des Gemeindeparlamentes nicht einverstanden sei, so möge sie dieses
durch Verwerfung zu einer neuen Vorlage zwingen. Ein Anspruch des
Stimmberechtigten zu jeder Einzelfrage «in freier Ungebundenheit» Stellung
nehmen zu dürfen, lasse sich aus Art. 1 KV ebensowenig
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herleiten wie in Staate. Wenn für Initiativen in manchen Gesetzgebungen
getrennte Behandlung der einzelnen Gegenstände verlangt werde und die Behörde
eine Initiative nicht mit weiteren neuen Fragen belasten dürfe, so erkläre
sich dies daraus, dass sie hier nicht eine eigene Vorlage, sondern eine solche
von Stimmberechtigten zur Abstimmung zu bringen habe. Ein Rückschluss daraus
auf den andern Fall des Referendums sei nicht zulässig. Es könne auch nicht
gesagt werden, dass das beanstandete Verfahren Rücksichten der Billigkeit in
ungebührlicher Weise verletze. Die Kredite für das Stadthaus, Kasino und den
Saalbau stünden in einem engen sachlichen Zusammenhang. Fraglich sei
höchstens, ob nicht der Volkshauskredit gesondert hätte zur Abstimmung
gebracht werden sollen. Auch hier sei indessen der vom Stadtrat behauptete
Zusammenhang jedenfalls nicht willkürlich, indem es sich um Raumbedürfnisse
bestimmter Bevölkerungskreise handle wie bei der Saalbaufrage. Und selbst wenn
der Grosse Gemeinderat nur im Interesse der übrigen Kredite zu einem
Zugeständnis in der Volkshausfrage bereit gewesen sein sollte, so hätte er
lediglich von einer ihm zukommenden Entscheidungsfreiheit Gebrauch gemacht.
Änliche Zusammenfassungen seien auch anderwärts als notwendig erachtet worden
und würden immer wieder vorkommen. Jedenfalls habe der Regierungsrat keine
Veranlassung, auf Grund des vorliegenden Tatbestandes auf diesem Gebiete
autonomer Verwaltungstätigkeit der Gemeinde wegen ungebührlicher Verletzung
von Billigkeitsrücksichten einzuschreiten.
Die gegen den Entscheid des Regierungsrats gerichtete staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 1 KV und Beeinträchtigung des
bundesrechtlich gewährleisteten politischen Stimmrechts hat das Bundesgericht
verworfen.
Aus den Gründen:
Art. 1 der zürcherischen KV bestimmt, dass
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«die Staatsgewalt auf der Gesamtheit des Volkes beruhe» und «unmittelbar durch
die Aktivbürger, mittelbar durch die Behörden und Beamten ausgeübt» werde.
Wann und in welchem Umfange die Ausübung unmittelbar der Aktivbürgerschaft,
wann dagegen an ihrer Stelle den von ihr gewählten Behörden zustehe, ergibt
sich aus der Vorschrift nicht. Gerade darum aber, wie es sich in dieser
Beziehung auf einem bestimmten Gebiete des öffentlichen Lebens verhalte,
nämlich wieweit bei Gemeinden mit sog. ausserordentlicher (städtischer)
Organisation im Kanton Zürich das Mitspracherecht der Bürger gegenüber den
Beschlüssen des Grossen Gemeinderates reiche, dreht sich im vorliegenden Falle
der Streit. Während der Regierungsrat die Ansicht vertritt, dass es sich auf
die Annahme oder Verwerfung der Vorlagen der genannten Behörde beschränke, so
wie sie von ihr der Abstimmung unterbreitet werden, wollen die Rekurrenten
darin auch den Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung jener Vorlagen
inbegriffen wissen, die es bei mehreren davon erfassten Gegenständen dem
Stimmberechtigten ermöglicht, zu jedem derselben einzeln Stellung zu nehmen.
Mit der Einrichtung des Gemeindereferendums, d. h. dem Grundsatz des
kantonalen Gemeinderechtes, dass Beschlüsse des Grossen Gemeinderates über
bestimmte Fragen für ihr Zustandekommen der Zustimmung der Aktivbürgerschaft
der Gemeinde bedürfen, ist aber jene Folge noch nicht ohne weiteres gegeben.
Denn die fragliche Schranke ist beobachtet, sobald die Behörde sich nicht
anmasst, statt dessen solche Beschlüsse in eigener abschliessender Kompetenz
zu fassen. Der Schluss, dass sie nicht mehrere Gegenstände dieser Art zu einer
einheitlichen Abstimmungsvorlage zusammenfassen dürfe, die nur als Ganzes
angenommen oder abgelehnt werden kann, lässt sich daraus noch nicht herleiten.
Die Rekurrenten berufen sich dafür auch zu Unrecht auf den bundesrechtlichen
Schutz des individuellen Stimmrechts. Freilich hat die Praxis der
Bundesbehörden erklärt, dass zu den durch
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Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
der Bürger das politische Stimmrecht mitgehöre, selbst wenn es durch die
Kantonsverfassung nicht näher normiert sein sollte (s. BURCKHARDT Kommentar 3.
Aufl. S. 61 und dortige Zitate). Allein daraus ist doch nur gefolgert worden,
dass schon wegen Verletzung einfacher kantonaler Gesetzesbestimmungen, die
dieses Recht näher umschreiben, staatsrechtliche Beschwerde geführt werden
könne. Ferner, dass es Aufgabe des Bundes sei, auch ohne dass eine Verletzung
positiver Gesetzesbestimmungen in Frage stünde, einzuschreiten, falls infolge
besonderer Vorkommnisse bei einer Abstimmungsverhandlung die Bürger
tatsächlich an der freien Stimmabgabe verhindert worden sind. In dem von den
Rekurrenten angeführten, bei Salis-Burckhardt Bundesrecht II No. 415
wiedergegebenen Falle hat allerdings der Bundesrat eine Beeinträchtigung in
dieser freien ungehinderten Ausübung des Stimmrechts auch schon darin
erblickt, dass bei der Urnenabstimmung gleichzeitig in einem Wahlgang neben
der Wahl zu einem bestimmten Amte noch eine weitere eventuelle zu einem
anderen Amte vorgenommen werden soll, die lediglich infolge Berufung des
bisherigen Amtsinhabers zu dem ersten Amte vielleicht nötig werden wird; denn
es werde so dem Bürger unmöglich gemacht, seine Entscheidung inbezug auf die
zweite Wahl in Kenntnis der Sachlage, der für seine Entschliessung in Betracht
kommenden Umstände zu treffen. Doch ergibt sich schon hieraus, dass der damals
beurteilte Tatbestand von dem vorliegenden durchaus verschieden war. Auch
abgesehen davon fällt die erwähnte Praxis hier deshalb nicht in Betracht, weil
es sich heute nicht, wie dort, um den Eingriff in die Ausübung eines dem
Bürger an sich unbestrittenermassen zustehenden Mitwirkungsrechtes bei
Ausübung der öffentlichen Gewalt (der Besetzung gewisser Ämter), sondern um
die andere praejudizielle Frage handelt, ob ihm ein solches
Mitentscheidungsrecht auch nach der
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Richtung, von der die Rekurrenten es behaupten, wirklich zustehe. Dafür ist
aber die Einreihung des politischen Stimmrechts unter die von Bundeswegen
geschützten verfassungsmässigen Rechte ohne Belang. Die Frage ist vielmehr
eine solche der kantonalen Gemeindegesetzgebung, die, wie sie das Referendum
in Gemeindeangelegenheiten überhaupt ausschliessen könnte, auch dessen Umfang
bestimmen kann, nämlich der Art, wie nach ihr die Kompetenzen der
Gemeindebehörden einerseits und die Befugnisse der Aktivbürgerschaft gegenüber
Beschlüssen dieser Behörden andererseits abgegrenzt sind. Irgendeine kantonale
Gesetzesvorschrift oder Bestimmung des Gemeindestatuts, die sich mit der Frage
befassen und positiv bestimmen würde, dass eine Referendumsvorlage nur unter
sich zusammenhängende Bestimmungen enthalten und nicht verschiedene
Gegenstände vereinigen dürfe, haben die Rekurrenten aber nicht anführen
können. Auch wenn das letztere geschieht, werden damit - entgegen der
Behauptung der Beschwerde - der Aktivbürgerschaft keineswegs gewisse
Beschlüsse aufgezwungen. Der Stimmberechtigte, der mit einzelnen Teilen der
Vorlage nicht einverstanden ist, kann dem dadurch Ausdruck geben, dass er das
Ganze verwirft. Und wenn er wegen des Einverständnisses mit den anderen Teilen
den Rest in den Kauf nimmt, so tut er dies wiederum kraft seines freien
Willens (s. das Urteil vom 22. Dezember 1926 in Sachen Stuber c. Solothurn, wo
die Revision mehrerer kantonaler Gesetze in einen neuen Gesetzeserlass
zusammengefasst worden war). Eine ähnliche Zwangslage, um mit den Worten der
Rekurrenten zu reden, kann sich für den Bürger auch ergeben, wenn die Vorlage
nur einen einheitlichen Gegenstand umfasst, dann nämlich, wenn er zwar mit der
Übernahme der betreffenden Aufgabe durch das Gemeinwesen, nicht aber mit der
Art ihrer Lösung einverstanden ist, deshalb allein aber die Verwirklichung des
der Vorlage zu Grunde liegenden Gedankens nicht verhindern will. Art. 121 III
BV,
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der die Verbindung mehrerer verschiedener Materien zu einer
Verfassungsinitiative im Bunde verbietet, enthält eine positive Vorschrift,
die sich nicht von selbst versteht und deshalb nicht ohne weiteres allgemeine
Geltung beanspruchen kann. Und wenn es als unzulässig erklärt worden ist, dass
die Behörde, die einer bloss in Form einer allgemeinen Anregung eingebrachten
und zustandegekommenen Initiative Folge zu geben hat, in diesen
Ausführungserlass noch andere mit dem Gegenstand der Initiative nicht
zusammenhängende Fragen aufnimmt, so beruhte dies auf dem besonderen Wesen der
Initiative als dem Recht einer gewissen Anzahl von Aktivbürgern einen
Volksentscheid über einen bestimmten, von ihnen bezeichneten Gegenstand
herbeizuführen, das durch solche Zusätze zum Inhalt der Initiative nicht
verkümmert werden darf. Eine Norm darüber, inwiefern die Behörde auch bei
Ausübung eines ihr selbst zustehenden Antragsrechtes zu Handen des Volkes
mehrere Gegenstände nicht zu einer einheitlichen Vorlage verbinden darf, lässt
sich daraus wiederum nicht entnehmen. Es ist ferner unrichtig, dass der
Regierungsrat des Kantons Zürich in der kurz vor dem angefochtenen Entscheid
abgefassten Weisung an das Volk zu einer kantonalen Initiative ein solches
Vorgehen selbst als verfassungs- oder gesetzwidrig bezeichnet habe. Wenn er
hier ausführte, dass durch die Verkoppelung der Einführung der Alters- und
Invalidenversicherung mit derjenigen neuer Steuerarten in einer einheitlichen
Vorlage, der Bürger in der Entscheidungsfreiheit über den einen und anderen
Gegenstand in nicht zu billigender Weise beeinträchtigt werde, so hat er doch
gleichzeitig ausdrücklich betont, dass eine kantonalrechtliche Bestimmung,
welche diese Verbindung ausschliessen würde, nicht bestehe. Es liegt somit
auch kein Widerspruch darin, wenn er im heute angefochtenen Entscheide die
Frage einer durch die Verkoppelung verschiedener Gegenstände zu einer
Referendumsvorlage begangenen Gesetzesverletzung verneint hat.
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Als verfassungsmässige Grundlage für ein Einschreiten des Bundesgerichtes
könnte unter diesen Umständen nur Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
in Betracht fallen. Von diesem Gesichtspunkte aus kann aber jedenfalls ein
notwendiger innerer Zusammenhang unter den verschiedenen durch eine Vorlage
geordneten Gegenständen in dem Sinne, dass die Art der Regelung des einen von
derjenigen des anderen abhängen würde, nicht gefordert werden. Es müsste ihre
Verbindung zu einer Einheit aller Vernunft widersprechen, sich dafür ein
haltbarer, vernünftiger Grund überhaupt nicht mehr geltend machen lassen. Das
ist aber hier augenscheinlich nicht der Fall. Freilich mag zwischen dem
Volkshausbau und den übrigen durch die Abstimmungsvorlage umfassten Bauten in
der Tat insofern ein Unterschied bestehen, als die letzteren der Gesamtheit
der Bevölkerung der Gemeinde, das Volkshaus dagegen nur einer bestimmten
Sondergruppe zu dienen bestimmt ist. Allein die sämtlichen Projekte verfolgen
doch dem Wesen nach einen gleichartigen oder doch ähnlichen Zweck, nämlich auf
Kosten der Gemeinde oder doch mit ihrer finanziellen Unterstützung Räume zu
schaffen, in denen gewisse einen grösseren Personenkreis umfassende
Veranstaltungen, Versammlungen, Vorstellungen usw. abgehalten werden können.
Es lässt sich aber sachlich gewiss vertreten und ist auf dem Boden des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. |
BV nicht zu beanstanden, wenn eine Gemeindebehörde, die sich anschickt, eine
derartige Aufgabe zu lösen, es als ihre Pflicht betrachtet, dies in einer
Weise zu tun, dass nicht nur die allgemeinen Bedürfnisse der Einwohnerschaft
als Ganzes, sondern auch die Sonderbedürfnisse gewisser bedeutender
Bevölkerungsgruppen dabei Befriedigung finden, und wenn sie die Ausführung der
Projekte der ersteren Art infolgedessen von der Annahme auch dieser
Sondervorlage abhängig macht. Ob auch blosse abstimmungstaktische Rücksichten
für sich allein ein solches Vorgehen zu rechtfertigen vermöchten, wie es der
Regierungsrat
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angenommen hat, kann unter diesen Umständen unerörtert bleiben.
Denn im vorliegenden Falle lässt sich dafür abgesehen davon jedenfalls noch
der erwähnte sachliche Grund geltend machen, der genügt, um die
Gemeindebehörden vor dem Vorwurf der Willkür zu schützen. Er bleibt auch
bestehen, wenn nur die Bauten am Stadthaus und Kasino sofort, das Volkshaus
und der Saalbau dagegen erst später ausgeführt werden sollen, falls gewisse
weitere Bedingungen erfüllt sind. Und ebenso bedarf es keiner Erörterung, dass
der Tatbestand deshalb noch nicht mit dem im Falle bei Burckhardt Bundesrecht
II No. 415 beurteilten auf eine Linie gestellt werden kann (Vornahme einer
eventuellen Ersatzwahl, die erst infolge der Wahl zu einem anderen Amte
allenfalls notwendig werden wird, mit der Hauptwahl in einem Wahlgange).