S. 358 / Nr. 58 Registersachen (d)

BGE 56 I 358

58. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Oktober 1930 i. S. Fedier gegen
Regierungsrat Uri.

Regeste:
Änderung einer Handelsregistereintragung wegen Anlass zu Täuschungen
(Verordnung II Art. 1).
Die Aufsichtsbehörde kann eine Änderung verlangen, auch wenn niemand in seinen
privaten Rechten verletzt ist. (Erw. 1.)
Begriff des Kursaales: Art. 1 der bundesrätlichen Verordnung über den
Spielbetrieb in Kursälen vom 1. März 1929 umschreibt ihn, und Einrichtungen,
die diesen Anforderungen nicht entsprechen, sind keine Kursäle, auch wenn
darin nicht gespielt wird. (Erw. 2.)
Die Eintragungen im Handelsregister sind nichtmateriell rechtskräftig. (Erw.
3.)
Verfahren. (Erw. 4.)

A. - Frau Witwe Fedier-Christen betreibt in Andermatt ein Gastgewerbe, das am
27. Juli 1926 bei einer Firmaänderung als «Fedier-Christen, Central-Hôtel
Fedier & Kursaal» in das Handelsregister eingetragen wurde. Am 13. Mai 1930
schrieb die Verkehrskommission Andermatt an den Regierungsrat des Kantons Uri,
dass die in der Firma der Beschwerdeführerin enthaltene Bezeichnung als
Kursaal der Verordnung über den Spielbetrieb in Kursälen vom 1. März 1929
widerspreche und daher zu streichen sei.
B. - Durch Beschluss vom 28. Juni 1930 hat der Regierungsrat des Kantons Uri
dem Antrag der Verkehrskommission

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Andermatt Folge gegeben und angeordnet, dass der Handelsregisterführer der
Beschwerdeführerin eine Frist von zwei Monaten anzusetzen habe, um die
Bezeichnung «Kursaal» aus der Firma und den Aufschriften zu beseitigen.
C. - Gegen diesen Beschluss hat Frau Fedier-Christen rechtzeitig die
verwaltungsrechtliche Beschwerde, eventuell den staatsrechtlichen Rekurs an
das Bundesgericht ergriffen und den Antrag gestellt, die angefochtene
Verfügung sei aufzuheben, auf die Anzeige der Verkehrskommission Andermatt sei
nicht einzutreten, eventuell sei sie als unbegründet abzuweisen und ganz
eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an den Regierungsrat
zurückzuweisen. Zur Begründung ist geltend gemacht worden, die Verordnung über
die Kursäle vom 1. März 1929 sei auf die Streitfrage nicht anwendbar, ob die
Bezeichnung des Gewerbes der Rekurrentin als Kursaal zulässig sei, denn sie
ordne nur den Spielbetrieb in den Kursälen, ein Spielbetrieb sei aber in
Andermatt nicht vorhanden und werde auch nicht nachgesucht. Durch den
Beschluss des Regierungsrates seien OR Art. 876 Abs. 2, ZGB Art. 28 und OR
Art. 48 verletzt worden, denn nur der Zivilrichter wäre zuständig gewesen, auf
dem ordentlichen Prozessweg über eine Unterlassungsklage zu erkennen. Art. 15
der revidierten Verordnung II vom 16. Dezember 1918 sei lediglich eine
Übergangsbestimmung und vom Regierungsrat zu Unrecht auf eine Eintragung
angewendet worden, die erst nach Inkrafttreten der Verordnung, d. h. nach dem
1. Januar 1919 erfolgt sei. Ausserdem sei der angefochtene Beschluss
willkürlich im Sinne des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV. Materiell sei das Gesuch auf Beseitigung
der Bezeichnung unbegründet, weil dadurch niemand in seinen persönlichen
Verhältnissen verletzt oder sonst beeinträchtigt werde. Die Verkehrskommission
Andermatt habe aus Konkurrenzneid gehandelt.
D. - Der Regierungsrat des Kantons Uri hat in der

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Beantwortung der Beschwerde ausgeführt, die Geltendmachung einer
Unterlassungs- und Schadenersatzklage gemäss OR Art. 48, 876 und ZGB Art. 28
werde durch seinen Beschluss nicht berührt. Art. 15 der Verordnung II sei
nicht bloss eine Übergangsbestimmung, sondern finde auch Anwendung auf
Eintragungen aus der Zeit nach dem 1. Januar 1919. Die Verordnung vom l. März
1929 enthalte eine Umschreibung des Begriffes Kursaal, an die sich auch die
Handelsregisterbehörden zu halten hätten, da es nicht zwei verschiedene Arten
von Kursälen gebe. Der Regierungsrat hat beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
E. - Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat in seiner
Vernehmlassung vom 10. September 1930 ebenfalls den Antrag gestellt, die
Beschwerde sei abzuweisen. Die Umschreibung in der Verordnung über den
Spielbetrieb vom 1. März 1929, was ein Kursaal sei, gelte allgemein; der
Betrieb der Rekurrentin entspreche den Erfordernissen aber nicht. Alle
Eintragungen im Handelsregister hätten wahr zu sein und zu keinen Täuschungen
Anlass zu geben; Eintragungen, die dem nicht entsprechen, seien nach der
bundesrätlichen Rechtsprechung von jeher zu beseitigen gewesen. Durch die
Erfüllung dieser Aufgabe, die Eintragungen im öffentlichen Interesse zu
überwachen, würden die Rechte Privater, auf Unterlassung der Führung einer
Firma zu klagen, überhaupt nicht berührt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 1 der revidierten Verordnung II über das Handelsregister vom 16.
Dezember 1918 müssen alle Eintragungen im Handelsregister wahr sein, und sie
dürfen zu keinen Täuschungen Anlass geben. Diese Bestimmung gilt unabhängig
davon, ob durch eine Eintragung Private in ihren Rechten verletzt werden. Es
gibt unwahre und täuschende Eintragungen, die nicht zugleich einen unlautern
Wettbewerb im Sinne des Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48


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OR ausmachen, oder einen Dritten in seinen persönlichen Verhältnissen
verletzen (ZGB Art. 28) oder einen andern im Gebrauch seiner Firma
beeinträchtigen (OR Art. 876 Abs. 2), und umgekehrt braucht nicht jeder
unlautere Wettbewerb, jeder Missbrauch einer Firma, jede Verletzung
persönlicher Verhältnisse durch eine Eintragung in einer Unwahrheit oder
Täuschung zu bestehen. Ob durch eine Eintragung Private in ihren Rechten
verletzt sind, hat allerdings der Richter im ordentlichen Prozess zu
entscheiden, wenn eine Klage auf Unterlassung und allenfalls auf Schadenersatz
eingereicht worden ist. Dafür aber, dass der Grundsatz der Firmen- und
Eintragungswahrheit beobachtet wird, haben die für die Handhabung des
Handelsregisters eingesetzten Verwaltungsbehörden zu sorgen, gleichgültig, ob
eine Eintragung ausserdem einem Dritten Anlass zu einer Zivilklage geben würde
oder nicht.
Daraus folgt, dass der Regierungsrat des Kantons Uri im Rahmen seiner
Zuständigkeit geblieben ist, als er die Rekurrentin unter Berufung auf die
Verordnung II zur Streichung der Bezeichnung ihres Betriebes als Kursaal
aufgefordert hat. Diese Zuständigkeit hat er von Amtes wegen ausgeübt, und er
wäre dazu auch verpflichtet gewesen, wenn keine Anzeige erfolgt wäre. Eine
Zivilklage hätte weder der Regierungsrat, noch die Verkehrskommission von
Andermatt erheben können. Wie die Rekurrentin selbst ausführt, ist durch die
Eintragung ihres Gewerbes als Kursaal niemand in seinen subjektiven Rechten
verletzt worden, also wäre auch niemand zu einer Klage legitimiert gewesen.
Das hindert jedoch nicht, wie schon gesagt wurde, dass die Verwaltungsbehörden
von Amtes wegen eingreifen, wenn eine Eintragung unwahr ist, ohne Privatrechte
zu verletzen. Der angefochtene Entscheid verstösst demnach nicht gegen ZGB
Art. 28 und OR Art. 48 und 876 Abs. 2.
2.- Die Bezeichnung des Betriebes der Beschwerdeführerin als Kursaal ist
offenbar unwahr und geeignet,

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zu Täuschungen Anlass zu geben. Unter einem Kursaal wird in der Schweiz eine
Einrichtung verstanden, wie sie Art. 1 Abs. 2 und 3 der von der
Verkehrskommission Andermatt und vom Regierungsrat angeführten Verordnung des
Bundesrates über den Spielbetrieb in Kursälen vom 1. März 1929 umschreibt. Als
Kursaal gilt somit eine Unternehmung, welche von einer Gesellschaft betrieben
wird, die als berufener Förderer der mit dem Fremdenverkehr verbundenen
allgemeinen Interessen des Platzes oder seines engern oder weitern Umkreises
anzusehen ist und die sich zum Zwecke gesetzt hat, für die Unterhaltung der
Gäste zu sorgen und ihnen einen gesellschaftlichen Sammelpunkt zu bieten;
Kursäle im Sinn der Verordnung dürfen nicht in einem Gebäude untergebracht
sein, in dem Gäste wohnen, und Spielbewilligungen werden am gleichen
Fremdenplatz nur einem Kursaal erteilt. Das Gewerbe der Rekurrentin erfüllt
diese Anforderungen nicht. Es wird insbesondere nicht von einer Gesellschaft
betrieben, welche sich die Wahrung jener allgemeinen Verkehrsinteressen zum
Ziele gesetzt hat.
Dass die Umschreibung des Kursaalbegriffes, wie sie hier angewendet worden
ist, in der Verordnung lediglich der Regelung der Voraussetzungen für die
Spielbewilligungen dient, ändert nichts an der allgemeinen Gültigkeit dieses
Begriffes. Dazu kommt, dass nach Annahme des geltenden Art. 35 der
Bundesverfassung und des darin vorgesehenen Konzessionssystems für die
Kursaalspiele erst Recht ein Anlass zu Täuschungen besteht, wenn sich ein
privater Hotelbetrieb Kursaal nennt, denn nun wird jedermann bei einem Kursaal
an eine Einrichtung denken, deren es an jedem Platz nur eine gibt, die unter
einer Kontrolle steht und die die Berechtigung zur Führung der Bezeichnung
erst nach einer Prüfung der Voraussetzungen durch die Kantonsregierung
erhalten hat, gleichgültig ob darin in Wirklichkeit gespielt wird oder nicht.
3.- Die Rekurrentin kann sich freilich darauf berufen, dass der Begriff des
Kursaales schon zur Zeit der

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Eintragung ihrer Firma so zu verstehen war, obwohl eine Legaldefinition damals
noch nicht bestand und dass ebenso der Grundsatz der Eintragungswahrheit
damals schon gegolten hat. (Verordnung II Art. 1.) Es ist denn auch zuzugeben,
dass die Eintragung des Betriebes der Beschwerdeführerin als Kursaal am 27.
Juli 1926 durch die Handelsregisterbehörde hätte abgelehnt werden sollen, und
dass die Beschwerdeführerin durch eine nachträgliche Beseitigung der
Bezeichnung unter Umständen empfindlicher in ihren Interessen getroffen wird,
als sie durch die ursprüngliche Verweigerung der beanstandeten Eintragung
getroffen worden wäre. Es frägt sich also, ob die Eintragung heute trotzdem
noch abgeändert werden darf weil sich ihr Verstoss gegen Art. 1 der Verordnung
II nachträglich herausgestellt hat. «Ob eine Verfügung von der Behörde, weil
materiell rechtswidrig, zurückgenommen oder abgeändert werden kann, hängt,
soweit positive gesetzliche Bestimmungen nicht vorliegen» - was hier nicht der
Fall ist - «von einer Abwägung der beiden sich gegenüber stehenden
Gesichtspunkten ab, dem Postulat der richtigen Durchführung des objektiven
Rechtes auf der einen und den Anforderungen der Rechtssicherheit auf der
andern Seite. Darnach bestimmt es sich, sei es für ganze Kategorien von
Verwaltungsakten, sei es für einzelne Akte, ob ein Zurückkommen seitens der
Behörde zulässig ist.» (Vgl. BGE 56 I S. 194 und die dort zit. Literatur.) In
Bezug auf die Handelsregistereintragung hat nun schon der Bundesrat die
materielle Rechtskraft abgelehnt und das Zurückkommen als zulässig erklärt.
(Vgl. STAMPA Nr. 147 und die dort zitierte Judikatur.) Daran ist festzuhalten,
denn auf diesem Gebiet wiegt das öffentliche Interesse vor, dass keine
unwahren oder sonst unzulässigen Eintragungen bestehen, zumal die Prüfung bei
der Eintragung nicht immer erschöpfend sein kann und zumal der Entscheid bei
der Eintragung auch für den Zivilrichter nicht rechtskräftig ist. Auch wenn
man übrigens die Frage nicht für die

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ganze Kategorie der Handelsregistereintragungen entscheiden, sondern die
Interessen im einzelnen Fall abwägen wollte, müsste in casu der Beschluss des
Regierungsrates geschützt werden, denn seit der Eintragung von 1926 ist eine
verhältnismässig kurze Zeit verflossen, und durch die Streichung der
Bezeichnung wird die Beschwerdeführerin nur auf die gleiche Stufe gestellt,
wie alle andern Gasthöfe in Andermatt, die auch für die Unterhaltung der Gäste
sorgen, ohne die allgemeinen Fremdenverkehrsinteressen zu vertreten.
4.- Art. 15 der revidierten Verordnung II vom 16. Dezember 1918 ordnet
lediglich das Verfahren bei der Berichtigung unzutreffender Eintragungen. Es
braucht daher nicht mehr untersucht zu werden, ob die Bestimmung, wie die
Rekurrentin behauptet, nur eine Übergangsbestimmung sei. Dass das für die
Berichtigung unrichtiger Firmeneintragungen geltende Verfahren der
Fristansetzung von zwei Monaten analog auch auf die Berichtigung einer nicht
die Firma selbst betreffenden Eintragung angewendet worden ist, kann mit Fug
nicht gerügt werden und ist durch die Beschwerdeführerin auch gar nicht
beanstandet worden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Document : 56 I 358
Date : 01. Januar 1930
Published : 14. Oktober 1930
Source : Bundesgericht
Status : 56 I 358
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Änderung einer Handelsregistereintragung wegen Anlass zu Täuschungen (Verordnung II Art. 1).Die...


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