S. 17 / Nr. 5 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 55 III 17

5. Entscheid vom 13. März 1929 i. S. Blaser.


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Regeste:
Einem Begehren um Verwertung von Mietzinsretentionsobjekten darf erst Folge
gegeben werden, nachdem zuvor gemäss Art. 283 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 283 - 1 Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (Art. 268 ff. und 299c OR492) die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.493
1    Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (Art. 268 ff. und 299c OR492) die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.493
2    Ist Gefahr im Verzuge, so kann die Hilfe der Polizei oder der Gemeindebehörde nachgesucht werden.
3    Das Betreibungsamt nimmt ein Verzeichnis der dem Retentionsrecht unterliegenden Gegenstände auf und setzt dem Gläubiger eine Frist zur Anhebung der Betreibung auf Pfandverwertung an.
SchKG eine
Retentionsurkunde aufgenommen worden ist. Ein in Missachtung dieser Vorschrift
eingeleitetes Verfahren ist nichtig. (Änderung der durch den Entscheid in Bd.
41 III S. 407 eingeführten Praxis.)
L'office ne saurait donner suite à une requête visant à la réalisation
d'objets soumis au droit de rétention du bailleur avant d'avoir dressé
l'inventaire prévu à l'art. 283 al. 3 LP. L'inobservation de cette règle rend
nulle la procédure. (Modification de la jurisprudence consacrée par l'arrêt RO
41 III p. 407.)
L'ufficio non può accogliere una domanda di realizzazione di beni sui quali il
locatore fa valere un diritto di ritenzione prima d'aver fatto l'inventario
previsto dall'art. 283 capoverso 3 L.E.F. L'inosservanza di questa norma rende
nulla la procedura. (Modificazione della giurisprudenza consacrata dalla
sentenza RU 41 III p. 407.)

A. - Am 28. November 1928 stellte Frau Berchtold-Balsiger beim Betreibungsamt
Bern-Stadt ein Betreibungsbegehren gegen ihren früheren Mieter, Johann Blaser,
nunmehr in Luzern, für eine Mietzinsrestanzforderung im Betrage von Fr. 228,
wobei sie als Faustpfand bzw.

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Retentionsobjekt ein Bett des Betreibungsschuldners samt Inhalt bezeichnete.
Auf dieses Begehren hin stellte das Betreibungsamt am 29. November 1928, ohne
vorherige Aufnahme einer Retentionsurkunde, den Zahlungsbefehl aus, der dem
Betreibungsschuldner am 8. Dezember 1928 zugestellt wurde.
B. - Am 21. Dezember 1928 erhob Blaser bei der kantonalen Aufsichtsbehörde
gestützt auf Art. 92 Ziff. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG einen Kompetenzanspruch an diesem Bette,
auf welche Beschwerde jedoch die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom
16. Februar 1929 wegen Verspätung nicht eintrat.
C. - Hiegegen hat Blaser am 4. März 1929 den Rekurs an das Bundesgericht
erklärt.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. BGE 37
I S. 146
ff. Erw. 1 = Sep.-Ausg. 14 S. 26 ff. Erw. 1; 39 I S. 661 = Sep.-Ausg.
16 S. 315; 41 III S. 406 f. Erw. 1), darf einem Begehren um Verwertung von
Mietzinsretentionsobjekten erst Folge gegeben werden, nachdem zuvor gemäss
Art. 283 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 283 - 1 Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (Art. 268 ff. und 299c OR492) die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.493
1    Vermieter und Verpächter von Geschäftsräumen können, auch wenn die Betreibung nicht angehoben ist, zur einstweiligen Wahrung ihres Retentionsrechtes (Art. 268 ff. und 299c OR492) die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen.493
2    Ist Gefahr im Verzuge, so kann die Hilfe der Polizei oder der Gemeindebehörde nachgesucht werden.
3    Das Betreibungsamt nimmt ein Verzeichnis der dem Retentionsrecht unterliegenden Gegenstände auf und setzt dem Gläubiger eine Frist zur Anhebung der Betreibung auf Pfandverwertung an.
SchKG eine Retentionsurkunde aufgenommen worden ist. Das ist
im vorliegenden Falle unterblieben, und es fragt sich daher, ob nicht
infolgedessen das gesamte Betreibungsverfahren als nichtig aufgehoben werden
müsse. In seinem Entscheide in Band 41 III S. 407 hat das Bundesgericht
erklärt, dass, wenn auch in solchen Fällen der Erlass eines Zahlungsbefehles
auf Pfandverwertung ohne die vorhergehende Aufnahme einer Retentionsurkunde
unzulässig sei, eine derartige Unterlassung immerhin nicht die absolute
Ungültigkeit zur Folge habe. Diese Auffassung hält jedoch, wie gerade der
vorliegende Fall zeigt, einer erneuten Prüfung nicht stand. Erst die
Inventarisierung ermöglicht die Ausscheidung der vom Retentionsrecht des
Vermieters

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ausgenommenen Kompetenzstücke und Drittmannsgegenstände durch die zuständige
objektive Amtsstelle und damit die für die Durchführung der Betreibung auf
Pfandverwertung unentbehrliche Spezialisierung der Pfandgegenstände. Solange
diese nicht erfolgt ist, fehlt somit eine wesentliche Voraussetzung für die
Einleitung der Betreibung. Das zieht aber notwendig die Nichtigkeit eines
unter Missachtung dieser Vorschrift eingeleiteten Verfahrens nach sich; denn
sonst müsste ein Schuldner, wenn er nicht seines Kompetenzanspruches verlustig
gehen wollte, sich in erster Linie mittels Beschwerde innert 10 Tagen gegen
die Zustellung des Zahlungsbefehles zur Wehr setzen. Das kann ihm aber im
Hinblick darauf, dass das Betreibungsamt über die Ausscheidung der
Kompetenzstücke noch gar keine Verfügung getroffen hat, nicht zugemutet
werden. Die Beschwerde ist daher in dem Sinne zu schützen, dass die vorwürfige
Betreibung an sich aufzuheben ist, wodurch der Streit um den erhobenen
Kompetenzanspruch zur Zeit gegenstandslos wird. Doch wird nun das
Betreibungsamt, auch wenn dies seinerzeit von der Betreibungsgläubigerin nicht
ausdrücklich anbegehrt worden ist, von sich aus zur Aufnahme der
Retentionsurkunde zu schreiten haben, da, wie das Bundesgericht schon früher
entschieden hat (vgl. BGE 37 I S. 147 = Sep.-Ausg. 14 S. 27), das
Betreibungsbegehren das Gesuch um Aufnahme des Retentionsverzeichnisses als
notwendige Voraussetzung der Betreibung ohne weiteres in sich schliesst.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer: Der Rekurs wird im Sinne
der Motive gutgeheissen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 55 III 17
Date : 01. Januar 1929
Published : 13. März 1929
Source : Bundesgericht
Status : 55 III 17
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Einem Begehren um Verwertung von Mietzinsretentionsobjekten darf erst Folge gegeben werden, nachdem...


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SchKG: 92  283
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37-I-145 • 55-III-17
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federal court • prosecution office • nullity • payment order • prosecution demand • prosecution for exploitation of pledge • right of retention • debt enforcement • decision • court and administration exercise • dead pledge • debt enforcement and bankruptcy law • debtor • day