S. 74 / Nr. 12 Handels- und Gewerbefreiheit (d)

BGE 55 I 74

12. Urteil vom 26. April 1929 i. S. Schmid gegen Aargau und Bezirksgericht von
Aarau.


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Regeste:
Begriff der «wandernden Berufsausübung», die nach Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV dem
Hausierpatentzwang unterworfen werden darf. Die Ausübung des Berufes eines
Musikanten an verschiedenen Orten auf vorherige Bestellung fällt nicht
darunter.

A. - Der Rekurrent, der den Beruf eines Giessers ausübt und in Suhr wohnt,
machte am 22. Juli 1928 in einer Wirtschaft in Gränichen bei einem
Vereinsanlass mit zwei andern Personen zusammen Musik und zwar nach den Akten
auf «rund einer schriftlichen Vereinbarung mit dem in Frage stehenden Verein,
wonach dieser dafür einen «freiwilligen Beitrag» gab. Da der Rekurrent hiefür
kein Hausierpatent gelöst hatte, so bestrafte ihn der Gemeinderat von
Gränichen mit einer Busse von 6 Fr. und verpflichtete ihn, eine kantonale
«Patentgebühr» und eine «Gemeindevisumsgebühr» von je 6 Fr., sowie die Kosten
im Betrage von 2 Fr. 50 Cts. zu bezahlen. Eine Beschwerde gegen diesen
Entscheid wies das Bezirksgericht von Aarau am 28. November 1928 ab und legte
dem Rekurrenten Kosten im Betrage von 3 Fr. auf. Aus der Begründung dieses
Entscheides ist folgendes hervorzuheben: «Das angefochtene Urteil des
Gemeinderates stützt sich auf §§ 4 e und 5 sowie 17 Ziff. 2 des Gesetzes über
den Markt und Hausierverkehr vom 12. März 1879. Gemäss § 4 lit. e ist als
Hausierverkehr zu behandeln: Die wandernde Ausübung eines Berufes. Hier ist
gemäss § 5 ein Patent erforderlich. Wer dieser Bestimmung zuwiderhandelt, ist
gemäss § 12 Ziff. 2 zu bestrafen. Fällt aber der Gegenstand dieser Beschwerde
bildende Tatbestand unter § 4 lit. e des Hausiergesetzes,

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so ist zu untersuchen, ob die vom Beschwerdeführer ausgeübte Spieltätigkeit
als «wandernde Ausübung eines Berufes» anzusehen ist. Die Mehrheit des
Gerichtes bejaht es, indem sie dafür hält, dass unter die in der
Vollziehungsverordnung des Regierungsrates vom 21. Juni 1879 in § 11 unter
Ziff. IV bei der Festsetzung der Patentgebühr als wandernde Ausübung eines
Berufes u. a. aufgestellte Kategorie der «Musikanten» auch die vom
Beschwerdeführer ausgeübte musikalische Tätigkeit fällt.
...Nach den Akten bildet der Beschwerdeführer mit zwei andern Kollegen
zusammen eine Tanzkapelle und lässt sich für Tanzmusik oder für andere Anlässe
engagieren und unbestrittenermassen hiefür bezahlen. ...Daraus erhellt ohne
weiteres, dass der Beschwerdeführer die jeweilige Tanzmusik lediglich zum
Zwecke eines weiteren Erwerbes, somit gewerbsmässig macht. ...Wenn er aber
dergestalt hin und wieder mit seiner Tanzkapelle auftritt, wo immer sich
Gelegenheit dazu in Verbindung mit einem möglichen Erwerb bietet, so ist darin
nach mehrheitlich richterlicher Auffassung die wandernde Ausübung eines
Berufes zu erblicken, sei es auch nur eines Nebenberufes...»
Die vom Bezirksgericht angeführte Vollziehungsverordnung ist durch eine neue
vom 12. Juni 1899 ersetzt worden. Deren § 14 bestimmt in der Fassung, die ihm
durch einen Regierungsratsbeschluss vom 22. Januar 1926 gegeben worden ist:
«Für die in § 4 des Gesetzes angeführten Arten von Hausiergewerben werden die
Patentgebühren, per Monat berechnet, folgendermassen festgesetzt: ... IV.
Wandernde Ausübung eines Berufes (§ 4 e des Gesetzes): a) Schauspieler,
Kunstreiter, Seiltänzer, Karussellhalter, Musikanten, Taschenspieler,
Photographen, Glasspinner, Schiessbudenbesitzer, Musik- und
Sängergesellschaften 60 Fr. bis 300 Fr.; bezw. 6 Fr. bis 25 Fr. per Tag.»
B. - Gegen das Urteil des Bezirksgerichtes und den Regierungsratsbeschluss vom
22. Januar 1926 hat Schmid die staatsrechtliche Beschwerde an das
Bundesgericht ergriffen mit dem Antrag, «die Bestrafung des Beschwerdeführers

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und seine Verurteilung zur Bezahlung von 12 Fr. umgangener Taxen und zu Kosten
sei als gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV verstossend, unzulässig zu erklären und
demgemäss sei 1. das angefochtene Urteil als aufgehoben zu erklären und die
Beschwerde gegen die gemeinderätliche Bussenverfügung, etc. zu schützen: 2.
die Verordnung des aarg. Regierungsrates vom 22. Januar 1926 bezüglich der
Unterstellung von Musikgesellschaften unter das Hausiergesetz als ungültig zu
erklären.»
Der Rekurrent macht geltend: Er habe auf Bestellung hin musiziert. Die
Bussenverfügung, das bezirksgerichtliche Urteil und die Regierungsverordnung,
wodurch die Bestrafung veranlasst worden sei, verletzten die Gewerbefreiheit.
Eine Abgabe von 12 Fr. für das Musikmachen an einem einzigen Abend wirke
offensichtlich probibitiv. Zudem dürfe ein solches Verhalten nur aus
polizeilichen Gründen verboten werden und diese fehlten hier vollständig. Vor
allem aber liege Willkür vor. Es sei lächerlich, Musikgesellschaften als
Hausierer zu behandeln. Indem das Hausiergesetz von der wandernden Ausübung
eines Berufes spreche, habe es ohne Zweifel fahrende Leute im Auge. Eine
solche Berufsausübung könne nicht schon darin erblickt werden, dass jemand von
seinem Domizil aus gelegentlich auf Bestellung hin an andern Orten etwas Musik
mache. Sonst wären auch Advokaten, Versicherungsagenten, Bauarbeiter,
Installateure unter Umständen als Hausierer zu betrachten.
C. - Der Gemeinderat von Gränichen und das Bezirksgericht haben auf die Akten
verwiesen und auf weitere Gegenbemerkungen verzichtet.
Der Regierungsrat hat Abweisung der Beschwerde beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
3.- Es steht fest und wird vom Rekurrenten nicht bestritten, dass die Kantone
ohne Verletzung der Handels-

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und Gewerbefreiheit das Hausiergewerbe im Interesse der öffentlichen Ordnung
und Sicherheit, zur Wahrung von Treu und Glauben von einer Polizeierlaubnis
abhängig machen und mit einer besondern Steuer belasten können. Es verstösst
daher an und für sich nicht gegen Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, dass der Kanton Aargau die
«wandernde Ausübung eines Berufes» als eine Art des Hausierverkehrs dem für
diesen vorgesehenen Patentzwang unterwirft; denn gerade, weil der Hausierer
«wandernd» seinen Beruf ausübt, sein Gewerbebetrieb nicht sesshaft ist,
erscheint die polizeiliche Kontrolle und die Auflage einer besonderen
Gewerbesteuer am Orte, wo er tätig ist, als gerechtfertigt (BGE 42 I S. 256).
§ 14 der aargauischen Verordnung von 1899/1926 ist somit an und für sich nicht
verfassungswidrig, insofern als er Musikanten und Musikgesellschaften, die
«wandernd» ihren Beruf ausüben, wie Hausierer behandelt.
Fraglich ist nur, ob die Tätigkeit, deretwegen der Rekurrent bestraft worden
ist, eine solche «wandernde Berufsausübung», die nach Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV dem
Patentzwang unterstellt werden darf, bildet. Das ist vom Bundesgericht frei zu
prüfen; denn die Kantone verletzen Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, wenn sie in ihrer Gesetzgebung
oder in deren Auslegung und Anwendung Formen oder Äusserungen gewerblicher
Betätigung als «Wanderlager», «Hausierverkehr» oder «Ausverkauf» dem
Patentzwang unterwerfen, die begrifflich nicht darunter fallen oder wenigstens
nicht die Begriffsmerkmale aufweisen, deretwegen diese Betriebsarten nach Art.
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV patentpflichtig erklärt werden dürfen (vgl. BGE 40 I S. 477; 42 I S. 255
ff.; 46 I S. 111, 219 f. und 331 f.). Nun kann ein Hausierer auch einen festen
Wohnsitz haben; dieser Umstand steht der Patentpflicht nicht im Wege. Der
Rekurrent kann sich daher gegenüber der Bestrafung nicht mit Grund darauf
berufen, dass er in Suhr wohnt. Andrerseits ist aber der Patentzwang ihm
gegenüber nicht schon deswegen gerechtfertigt, weil er seinen Beruf nicht an
einer festen Geschäftsniederlassung ausübt. Wer ausschliesslich an einer
ständigen

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Geschäftsniederlassung gewerblich tätig ist, kann allerdings nicht als
Hausierer gelten; der Mangel einer solchen Betriebsstätte macht aber einen
Gewerbetreibenden noch nicht ohne weiteres zum patentpflichtigen Hausierer.
Vielmehr hängt der Hausierpatentzwang bei einem Gewerbetreibenden ohne
Geschäftsniederlassung wesentlich davon ab, ob er auf Grund vorheriger
Bestellung seine Kunden aufsucht oder ohne solche dem Publikum nachgeht, um es
zu unmittelbarer Annahme einer Ware oder Leistung gegen Entgelt zu bestimmen
(vgl. Art. 9 des BG über die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni
1892; BGE 42 I S. 256 ff.; BURCKHARDT, Komm. z. BV 2. Aufl. S. 275; SALIS,
Bundesrecht II N r 895). Demnach ist es vor Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV nicht zulässig, den
Rekurrenten einem Hausierer gleichzustellen, wenn er seinen Nebenberuf als
Musikant da und dort auf vorherige Bestellung hin ausübt. Diese Voraussetzung
trifft nun im vorliegenden Fall zu; denn es ist nicht bestritten und ergibt
sich übrigens auch aus dem bei den Akten liegenden Verpflichtungsschein, dass
der Rekurrent auf Grund einer vorherigen Vereinbarung am 22. Juli 1928 für
einen Verein Musik gemacht hat.
Offen bleibt die Frage, ob er dann dem Patentzwang unterworfen werden darf,
wenn er von einem Wirt ersucht wird, in seiner Wirtschaft zu spielen, sich
aber dann von den Gästen bezahlen lässt, er also nicht auf vorherige
Bestellung desjenigen, der ihn dafür bezahlt, da und dort musiziert.
Da der Rekurrent ausschliesslich gestützt auf das Gesetz über den
Hausierverkehr bestraft worden ist, bleibt auch die Frage unentschieden, ob
gewerbsmässiges Konzertieren nicht aus anderen Gründen von einer
Polizeierlaubnis abhängig gemacht und mit einer Gewerbesteuer belegt werden
darf.
Das bezirksgerichtliche Urteil ist somit wegen Verletzung der Gewerbefreiheit
aufzuheben; damit muss auch das Strafurteil des Gemeinderates von Gränichen
dahin fallen.

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Infolgedessen kann dahingestellt bleiben, ob die dem Rekurrenten aufgelegten
Taxen prohibitiv gewesen wären und ob im bezirksgerichtlichen Urteil auch
Willkür liege.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Der Rekurs wird, soweit er sich gegen das Urteil des Bezirksgerichts von
Aarau vom 28. November 1928 richtet, gutgeheissen und dieses Urteil
aufgehoben.
2. Auf den Rekurs wird, soweit er sich gegen den Regierungsbeschluss vom 22.
Januar 1926 zum Markt- und Hausiergesetz vom 12. März 1879 und zur
Vollziehungsverordnung vom 12. Juni 1899 richtet, nicht eingetreten.
Vgl. auch Nr. 10. - Voir aussi no 10.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 55 I 74
Date : 01. Januar 1929
Published : 26. April 1929
Source : Bundesgericht
Status : 55 I 74
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Begriff der «wandernden Berufsausübung», die nach Art. 31 BV dem Hausierpatentzwang unterworfen...


Legislation register
BV: 4  31
BGE-register
40-I-474 • 42-I-249 • 55-I-74
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to hawk • orderer • music • municipal council • federal court • cantonal council • question • aargau • aarau • hamlet • trade tax • sentencing • freedom of economy • decision • trade and industry • judicial agency • statement of reasons for the adjudication • appeal relating to public law • authorization • calculation
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