S. 197 / Nr. 32 Fabrik- und Gewerbewesen (d)

BGE 55 I 197

32. Urteil vom 12. September 1929 S. Gross gegen Abteilung für Industrie und
Gewerbe des eidg. Volkswirtschaftsdepartementes.

Regeste:
Eine Anstalt für photographische Amateurarbeiten, die normalerweise 10
Arbeitskräfte beschäftigt, hat die Eigenschaft einer Fabrik im Sinne von Art.
1 FG.

A. - Der Rekurrent betreibt in St. Gallen ein Atelier für Personen- und andere
Aufnahmen, ein Ladengeschäft für photographische Bedarfsartikel und daneben,
von diesen Geschäftszweigen räumlich getrennt, eine Anstalt für Entwickeln und
Kopieren von Amateuraufnahmen. In der Anstalt für Amateuraufnahmen werden
regelmässig 10 Arbeitskräfte beschäftigt, nämlich je 4 männliche und weibliche
Personen über 18 Jahre und zwei Personen im Alter von 16 bis 18 Jahren. Bei
Hochbetrieb steigt die Anzahl der Arbeitskräfte auf 12 Personen, im Winter
soll sie auf 5 bis 6 Angestellte sinken. In der Anstalt wird ein elektrischer
Motor von 1/8 HP verwendet.
B. - Durch Verfügung der Abteilung für Industrie und Gewerbe des
eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, vom 1. Juni 1929, wurde die
Anstalt für Amateurarbeiten des Rekurrenten in Anwendung von Art. 1, lit. a,
der VV zum Fabrikgesetz dem Fabrikgesetz unterstellt. Von der Verfügung nicht
erfasst wird das Photographenatelier und das Ladengeschäft.

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C. - Der Rekurrent beschwert sich rechtzeitig über die Unterstellung unter das
Fabrikgesetz und beantragt Aufhebung der in Frage stehenden Entscheidung. Er
macht geltend, wenn Art. 1, lit. a, der VV zum Fabrikgesetz Unternehmungen mit
einer gewissen Arbeiterzahl als Fabriken bezeichne, sofern in ihnen Motoren
verwendet werden, so seien darunter jedenfalls Motoren zu verstehen, mit deren
Bedienung eine gewisse Gefahr verbunden sei. Er verfüge aber nur über einen
kleinen Motor von 1/8 HP., der, an einen Lichtschalter angesteckt, von einem
Lehrmädchen bedient werden könne und zum Betriebe einer einfachen
Trocknungseinrichtung diene. Auch die Zahl der in seinem Betriebe verwendeten
Arbeitskräfte rechtfertige die Unterstellung nicht. Der ganze Betrieb habe
nicht den Charakter einer Fabrik. Die beschäftigten Personen würden als
Angestellte betrachtet und behandelt, hätten z. B. monatliche Lohnzahlung und
Kündigungsfrist. Die Einhaltung des Achtstundentages würde den Betrieb stark
behindern, da am Montag und Dienstag ausserordentlich viel, an andern Tagen
dagegen wenig zu tun sei.
Die Abteilung für Industrie und Gewerbe beantragt Abweisung der Beschwerde.
Die VV spreche in Art. 1, lit. 1, von Motoren schlechthin und verlange nicht
motorische Kraft von einer bestimmten Minimalstärke oder schwierig zu
bedienende Motoren. Der Betrieb könne den Charakter einer teilweise
mechanisierten Arbeitsstätte annehmen, auch wenn die in Anspruch genommene
Kraft gering sei. Wollte man übrigens auch den Motor nicht berücksichtigen, so
müsste der Betrieb nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers gemäss Art.
1, lit. b, dem Fabrikgesetz unterstellt werden. Nach diesen Angaben seien auch
die Voraussetzungen des Art. 4 der VV erfüllt. Wenn der Beschwerdeführer sein
Personal als Angestellte betrachte, so stehe dies deren Zählung als Arbeiter
im Sinne von Art. 1 der VV nicht im Wege, wie sich aus Art. 2 der VV ergebe.
Art. 20 des Fabrikgesetzes

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habe nur zivilrechtliche Bedeutung. Auch Saisonbetriebe seien dem Fabrikgesetz
zu unterstellen, wenn die Voraussetzungen des Art. 1 der VV vorliegen, wie
sich deutlich aus Art. 23 der VV ergebe. Das Fabrikgesetz hindere den
Betriebsinhaber nicht, am Montag und Dienstag mehr als 8 Stunden arbeiten zu
lassen, wie denn auch gleiche Betriebe schon seit langer Zeit dem Fabrikgesetz
unterstellt seien.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid der Abteilung für
Industrie und Gewerbe des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes im
Sinne von Ziffer X des Anhanges zum VDG und unterliegt der Beurteilung durch
das Bundesgericht. Die Beschwerde ist rechtzeitig eingereicht worden. Es ist
auf sie einzutreten.
2.- Materiell ist zu prüfen, ob die vom Rekurrenten betriebene Anstalt für
Amateurarbeiter mit Recht dem Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den
Fabriken, vom 18. Juni 1914 (FG) unterstellt worden ist. Es handelt sich nach
den Angaben des Rekurrenten, die sich mit den amtlichen Erhebungen im
wesentlichen decken, um einen Betrieb, in welchem normalerweise 10 Personen,
wovon 2 minderjährige, beschäftigt sind. Im Sommer vermehrt sich die Zahl auf
12, im Winter soll der Betrieb nur 5-6 Angestellte aufweisen.
Das Fabrikgesetz findet Anwendung auf industrielle Anstalten, die eine
Mehrzahl von Arbeitern ausserhalb ihrer Wohnräume beschäftigen, sei es in den
Räumen der Anstalt und auf den zu ihr gehörenden Werkplätzen, sei es
anderwärts bei Verrichtungen, die mit dem industriellen Betriebe im
Zusammenhang stehen (Art. 1 FG). Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden
Falle erfüllt sind, kann nicht zweifelhaft sein.
a) Der in Frage stehende Betrieb ist eine industrielle Anstalt. Er befasst
sich mit der gewerbsmässigen Bearbeitung von Waren (Entwickeln) und mit der
Herstellung

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gewerblicher Erzeugnisse (Kopieren). Er hat somit industriellen Charakter und
unterscheidet sich dadurch von den kaufmännischen Betrieben, die vom Gesetz
nicht erfasst werden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 6. Mai 1910, BBl. III
S. 582). Das Ladengeschäft des Rekurrenten (Handel mit photographischen
Bedarfsartikeln) wird von der angefochtenen Verfügung nicht betroffen.
b) Der Rekurrent beschäftigt in seinem Betriebe eine Mehrzahl von Personen
ausserhalb ihrer Wohnräume in den Räumen der Anstalt, nämlich normalerweise
10, gelegentlich etwas mehr, zur Zeit flauen Geschäftsbetriebes weniger.
Alle diese Personen gelten als Arbeiter im Sinne des FG, weil sie in einem
industriellen Betriebe eingestellt sind (vgl. Botschaft, BBl. 1. c. S. 584)
und des besonderen Schutzes bedürfen, den die Fabrikgesetzgebung den Arbeitern
industrieller Anstalten zuwenden will. Ob sie im Verhältnis zum Dienstherrn
den Vorschriften des Obligationenrechts unterstellt sind, soweit nicht die
Schutzbestimmungen der Fabrikgesetzgebung Besonderes anordnen (Art. 20, Satz
2, FG), ist unerheblich. Nicht als Arbeiter sind nur die höheren Angestellten
anzusehen, auf die die Fabrikgesetzgebung überhaupt nicht anwendbar ist
(Volkswirtschaft, Arbeitsrecht und Sozialversicherung der Schweiz I S. 495).
Dass bei den in Anschlag gebrachten Arbeitskräften höhere Angestellte,
besonders Angestellte in leitender Stellung (Art. 3, lit. d W.), mitgezählt
wären, ist nicht behauptet und nach den Verhältnissen nicht anzunehmen.
Da der Rekurrent in seiner Anstalt für Amateurarbeiten normalerweise 10
Arbeiter beschäftigt, ist die Unterstellung dieses Betriebes unter das FG, das
nur «eine Mehrzahl» voraussetzt, ohne weiteres gerechtfertigt. Die Vermehrung
der Arbeiterzahl zur Zeit der Hochsaison braucht nicht in Betracht gezogen zu
werden, um die Anwendung der Fabrikgesetzgebung zu begründen.
Nicht zu erörtern ist. bei welcher Arbeiterzahl dem

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Betriebe des Rekurrenten der Charakter einer Fabrik im Sinne des Gesetzes
nicht mehr zukommen würde. Es müsste sich dabei jedenfalls um eine dauernd
eingehaltene niedrige Höchstzahl handeln. Da aber der Betrieb des Rekurrenten
nach der Zahl regelmässig beschäftigter Arbeiter einen Umfang aufweist, bei
dem die Eigenschaft als Fabrik nicht zweifelhaft sein kann, ist für die
Entscheidung ohne Bedeutung, ob der Betrieb vorübergehend unter dem Einfluss
der Saisonverhältnisse eingeschränkt wird. Der Betrieb bleibt Fabrik, auch
wenn die Arbeiterzahl vorübergehend unter die Normalzahl sinkt.
3.- Ergibt sich aus diesen Feststellungen, dass die Fabrikgesetzgebung auf
Grund von Art. 1 FG auf den Betrieb des Rekurrenten Anwendung finden muss, so
brauchen die Einwendungen des Rekurrenten gegen die Anwendung der
bundesrätlichen Verordnung auf seinen Betrieb nicht näher erörtert zu werden.
Die Verwaltungsbehörde weist übrigens mit Recht darauf hin, dass jedenfalls
die Erfordernisse von Art. 1, lit. b VV (6 und mehr Personen, worunter
jugendliche) zutreffen. Aber auch die Erfordernisse nach Art. 1, lit. a VV (6
und mehr Personen bei Verwendung von Motoren) dürfen als erfüllt angesehen
werden.
4.- Dass die Anpassung an die Vorschriften der Fabrikgesetzgebung dem
Rekurrenten gewisse Mühe bereitet, liegt in der Natur der Sache. Die
Fabrikgesetzgebung hat den Zweck, der Führung der ihr unterworfenen Betriebe
diejenigen Beschränkungen aufzuerlegen, die nach heute bestehenden
Auffassungen zum Schutze der Arbeiter notwendig erscheinen. Dem Rekurrenten
werden aus der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften auf seinen Betrieb
keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entstehen, da das Gesetz für die
Berücksichtigung besonderer Verhältnisse Raum lässt.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 197
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 12. September 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 197
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Eine Anstalt für photographische Amateurarbeiten, die normalerweise 10 Arbeitskräfte beschäftigt...


BGE Register
55-I-197
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