S. 1 / Nr. 1 Gleichheit vor dem Gesetz (d)

BGE 55 I 1

1. Urteil vom 16. März 1929 i. S. Brüderlin gegen Gemeinde Trimbach.


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Regeste:
Es ist Rechtsverweigerung, wenn bei der Veranlagung des beim Verkauf einer
Liegenschaft erzielten Kapitalgewinns zur Einkommensteuer in der
solothurnischen Gemeinde Trimbach der Abzug der für die Vermittlung des
Verkaufs geschuldeten Provision nicht zugelassen wird.

A. - Der Rekurrent hatte im Jahre 1916 das Gut Unter-Erlimoos in der Gemeinde
Trimbach für 85000 Fr. gekauft. Im Jahre 1927 beauftragte er einen
Liegenschaftsagenten mit dem Verkauf mit der Massgabe, dass für ihn, den
Rekurrenten, ein Erlös von 150000 Fr. verbleiben müsse und die
Vermittlergebühr in einem allfälligen Mehrerlös bestehen solle. Die Tätigkeit
des Vermittlers führte zum Verkauf des Gutes. Der Kaufpreis betrug 175000 Fr.,
wovon der Rekurrent 150000 Fr. behielt und den Rest von 25000 Fr. dem
Vermittler auszahlte.
Das «Steuerreglement» der Einwohnergemeinde Trimbach vom 24. November 1927/21.
März 1918 bestimmt: «§ 11. Als steuerbares Einkommen wird betrachtet der
geldwerte Ertrag des Vermögens, der Unternehmung und der Lohnarbeit nach
Abrechnung der Geschäftsunkosten ... gemäss § 12... Insbesondere fallen als
Einkommen in

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Berechnung: ...5. Der auf Liegenschaften bei Handänderungen erzielte
Kapitalgewinn für das Steuerjahr, in welchem er sich erzeigt. - § 12. Vom
Gesamteinkommen können in Abzug gebracht werden: a) Die Geschäftsunkosten. Als
solche werden alle die für die Gewinnung eines Einkommens nötigen Unkosten
angesehen, als: ....»
Die «Verordnung», der Gemeinde Trimbach betreffend Besteuerung des
Liegenschaftsgewinnes vom 24. November 1917/21. Mai 1918 bestimmt: Ǥ 1. Der
auf Liegenschaften bei Handänderungen erzielte Kapitalgewinn (Wertzuwachs) ist
als Einkommen steuerpflichtig für das Steuerjahr, in welchem er sich erzeigt.
§ 2. Als steuerbarer Liegenschaften-Kapitalgewinn (Wertzuwachs) gilt der vom
Eigentümer bei der Handänderung einer Liegenschaft oder eines Teils derselben
erzielte Mehrerlös gegenüber dem früheren Erwerbspreise, nach Abrechnung aller
Ausgaben für dauernde Wertvermehrung der Liegenschaft. Insbesondere sind in
Abrechnung zu bringen: ... § 6. Die Steuer wird in der Weise berechnet, dass
der gemäss §§ 2 und 3 festgesetzte Wertzuwachs zum ordentlichen Einkommen des
betreffenden Steuerjahres hinzugerechnet und die Gesamtsteuer darnach fixiert
wird. Für die vom Wertzuwachs herrührende Mehrsteuer ist jedoch unabhängig von
der ordentlichen Steuer Rechnung zu stellen.»
Der Rekurrent wurde von der Gemeindesteuerkommission von Trimbach für den beim
Verkauf des genannten Gutes gemachten Gewinn eingeschätzt. Es wurden dabei
Abzüge gemacht für Neubauten, Zinsverluste und Fertigungskosten. Die
Vermittlergebühr von 25000 Fr. wurde nicht abgezogen. Die kantonale
Oberrekurskommission erhöhte in ihrem Entscheid vom 19. September 1928 den
Abzug für Aufwendungen, so dass ein steuerbarer Liegenschaftsgewinn von 36290
Fr. verblieb. Der Abzug der Vermittlergebühr wurde wiederum abgelehnt mit der
Begründung: Massgebend für die Berechnung des steuerbaren Liegenschaftsgewinns
sei die verurkundete Kaufsumme

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von 175000 Fr. Vermittlergebühren, in welcher Form sie auch zugestanden
werden, seien nach konstanter Praxis nicht abzugberechtigt.
B. - Gegen den Entscheid der Oberrekurskommission hat Brüderlin den
staatsrechtlichen Rekurs wegen Rechtsverweigerung ergriffen mit dem Antrag auf
Aufhebung, soweit die Vermittlergebühr von 25000 Fr. bei Berechnung des
steuerbaren Liegenschaftsgewinnes nicht abgezogen wurde. Die Begründung lehnt
sich eng an an die Erwägungen des bundesgerichtlichen Urteils vom 14. Mai 1926
i S. Liquidationsmasse Menotti gegen Solothurn, BGE 52 I Nr. 28, speziell S.
212 ff., worauf verwiesen wird. Der Rekurrent macht geltend, es handle sich
bei der Vermittlergebühr um eine Aufwendung, die notwendig gewesen sei, um die
Liegenschaft überhaupt günstig veräussern zu können, und daher um einen
Unkostenposten, der abzugberechtigt sei nach der klaren Regelung des
Steuerreglements von Trimbach. Dass der Betrag dieser Gebühr abgezogen werden
müsse, folge aus der Natur der Steuer als einer Einkommensteuer, wenn schon in
der Verordnung der Gemeinde ein solcher Abzug nicht speziell vorgesehen sei.
C. - Die Oberrekurskommission und der Gemeinderat von Trimbach haben die
Abweisung des Rekurses beantragt. Die Oberrekurskommission führt aus: Richtig
sei, dass die Gemeinde Trimbach - wie der Kanton - nicht die reine
Wertzuwachssteuer eingeführt habe, sondern ebenfalls nur die
Liegenschaftsreingewinne bei Verkäufen der ordentlichen Einkommensbesteuerung
unterwerfe. Fast sämtliche Einwohnergemeinden des Kantons hätten sich diesem
System angeschlossen, und der Regierungsrat habe im Jahre 1900 erklärt, dass
vorläufig nur diese Art der Besteuerung des Wertzuwachses zuzulassen sei. Die
Vermittlergebühr sei keine wertvermehrende Aufwendung. Sie falle nicht unter
die bei der Besteuerung des Liegenschaftsgewinnes gesetzlich zulässigen
Abzüge, die alle Aufwendungen betreffen, die vor dem Verkauf gemacht

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worden seien, während hier die Vermittlergebühr erst mit der Erfüllung des
Verkaufs fällig geworden sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Besteuerung des Liegenschaftsgewinnes, wie sie das «Steuerreglement» der
Einwohnergemeinde Trimbach vorsieht, ist den entsprechenden die Staatssteuer
betreffenden Bestimmungen des kantonalen Steuergesetzes und der
Vollziehungsverordnung hiezu nachgebildet. Es handelt sich dabei nicht um eine
Spezialsteuer auf dem Wertzuwachs, der bei Liegenschaften erzielt wird,
sondern um eine Modalität der allgemeinen Einkommenssteuer. Daran ändert auch
die «Verordnung» von Trimbach betreffend die Besteuerung des
Liegenschaftsreingewinnes nichts § 1 derselben sagt ausdrücklich, der
Liegenschaftsgewinn sei als Einkommen steuerbar, und nach § 6 wird der
Liegenschaftsgewinn folgerichtig auch inbezug auf die Progression als
Bestandteil des Einkommens behandelt. Die Oberrekurskommission erklärt denn
auch ausdrücklich, dass man es bei der Besteuerung von Liegenschaftsgewinn
durch die Gemeinde Trimbach, wie bei derjenigen durch den Kanton, mit der
ordentlichen Einkommensbesteuerung zu tun habe. Im Urteil vom 14. Mai 1926 i.
S. der Liquidationsmasse Menotti gegen Solothurn (BGE 52 I Nr. 28) hat das
Bundesgericht festgestellt, dass bei dieser Sachlage die Steuer auf dem
Liegenschaftsgewinn nur erhoben werden kann, wenn und soweit er als Einkommen
erscheint, und dass es willkürlich ist, wenn die Steuerbehörden diesen
Zusammenhang mit der allgemeinen Einkommensteuer ausser Acht lassen und die
Steuer auf dem Liegenschaftsgewinn .50 handhaben, als ob sie eine spezielle
Wertzuwachssteuer wäre. In der Tat erwähnt das «Steuerreglement» von Trimbach
in § 11 den Liegenschaftsgewinn als eine Art der verschiedenen Erträgnisse
oder Einkünfte, die Einkommen bilden können. Es ist keine Frage, dass auch §
12 sich auf das Einkommen aus Liegenschaftsgewinn bezieht und dass daher

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auch von diesem «alle für die Gewinnung eines Einkommens nötigen Unkosten»
abgezogen werden dürfen. Die «Verordnung» betreffend die Besteuerung des
Liegenschaftsreingewinnes bezeichnet dann freilich in § 2 den steuerbaren
Liegenschaftsgewinn als den Mehrerlös gegenüber dem frühern Erwerbspreis nach
Abrechnung aller Ausgaben für dauernde Wertvermehrung der Liegenschaft und
spezifiziert die abziehbaren Ausgaben näher. Diese Bestimmung kommt aber nicht
allein in Betracht, sondern ist im Zusammenhang mit den andern erwähnten
Bestimmungen auszulegen und anzuwenden. Ob eine Gemeinde im Kanton Solothurn
kraft ihrer Autonomie (KV Art. 54), die sich auch auf das Steuerwesen bezieht,
eine spezielle Wertzuwachssteuer auf Liegenschaften einführen könnte, braucht
daher hier nicht weiter untersucht zu werden. Demgemäss muss bei der
Besteuerung des Liegenschafsgewinnes notwendigerweise berücksichtigt werden,
ob und wieweit der nach § 2 der «Verordnung» berechnete Mehrerlös wirklich
Einkommen ist.
Es müssen daher gemäss § 12 des «Steuerreglements» auch alle für die Gewinnung
des Einkommens nötigen Unkosten abgezogen werden, selbst wenn sie nicht Bezug
haben auf die Wertvermehrung der Liegenschaft. Das hat die
Oberrekurskommission im vorliegenden Falle übersehen, und das ist ihr nach den
Ausführungen des Urteils Menotti als Willkür anzurechnen.
Sobald man aber im vorliegenden Fall den allgemeinen Einkommensbegriff
anwendet und den Abzug auch von solchen Unkosten zulässt, die nicht den Wert
der Liegenschaft vermehrt haben, so kann kein Zweifel darüber bestehen, dass
aus dem Verkauf der Liegenschaft entstehende Vermittlergebühren in Abrechnung
kommen müssen. Denn sie sind Auslagen, die gemacht werden, sehr häufig gemacht
werden müssen, um den Verkauf zustande zu bringen und den fraglichen
Einkommensbetrag aus dem Wertzuwachs der Liegenschaft zu erzielen. Sie sind
typische Unkosten. Das ist auch der Fall bei einer etwas hohen

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Vermittlergebühr, die, wie die vorliegende, im Mehrerlös über einen gewissen
Minimalpreis besteht. Der Rekurrent hatte diese Vermittlergebühr schon vor dem
Verkauf versprochen gehabt; sie war eine eventuelle Schuld, die dann durch den
Abschluss oder die Erfüllung des Kaufes wirksam und fällig geworden ist und
die von vorneherein das Einkommen aus dem Liegenschaftsgewinn für den
Rekurrenten herabgemindert hat. Die 25000 Fr. sind Einkommen nicht des
Rekurrenten, sondern des Vermittlers, und entgehen der Besteuerung in Trimbach
nur deshalb, weil der Vermittler nicht dort wohnt. Auch die
Oberrekurskommission anerkennt übrigens, dass man es mit Unkosten zu tun hat,
die das Einkommen reduzieren. Sie verweigert den Abzug nur zufolge jener
unzulässigen Sonderbehandlung des Einkommens aus Liegenschaftsgewinn.
Der Rekurs ist nach dem Gesagten dahin gutzuheissen, dass der Entscheid der
Oberrekurskommission aufgehoben wird, soweit der Abzug der 25000 Fr.
Vermittlergebühr nicht zugelassen wurde.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid der
Oberrekurskommission des Kantons Solothurn vom 19. September 1928 aufgehoben
wird, soweit der Abzug der Vermittlergebühr von 25000 Fr. nicht zugelassen
worden ist.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 55 I 1
Datum : 01. Januar 1929
Publiziert : 16. März 1929
Quelle : Bundesgericht
Status : 55 I 1
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Es ist Rechtsverweigerung, wenn bei der Veranlagung des beim Verkauf einer Liegenschaft erzielten...


BGE Register
55-I-1
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