S. 223 / Nr. 50 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 223

50. Entscheid vom 12. Juli 1928 i.S. Ruprecht.


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Regeste:
Der im Handelsregister eingetragene Schuldner kann gegen die Pfändung für
andere als die in Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 43 - Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:
1  Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;
1bis  Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;
2  periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 200478;
3  Ansprüche auf Sicherheitsleistung.
SchKG aufgeführten Forderungen auch noch nach Ablauf
von zehn Tagen Beschwerde führen. Zu diesen Forderungen gehören jedoch die
Prämienforderungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern.
Le débiteur inscrit au registre du commerce est en droit de porter plainte,
même après l'expiration du délai de 10 jours, contre toutes saisies autres que
celles pratiquées en vertu de l'art. 43 LP.
Les primes dues à la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents, à
Lucerne, constituent des prestations de droit public au sens de l'art. 43 LP.
Il debitore iscritto al registro di commercio ha il diritto di aggravarsi,
anche dopo il termine di 10 giorni, contro ogni pignoramento che non sia
avvenuto in virtù dell'art. 43 LEF.
I premi dovuti alla Cassa nazionale di assicurazione per infortuni
costituiscono delle prestazioni di diritto pubblico a mente dell'art. 43 LEF.

A. - Am 2. Mai führte der Rekurrent Beschwerde, weil die von der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern, Kreisagentur Luzern,
gegen ihn angehobene Betreibung für Prämien aus obligatorischer

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Versicherung am 9. Januar durch Pfändung fortgesetzt wurde, obwohl er im
Handelsregister eingetragen sei.
B. - Durch Entscheid vom 16. Mai hat das Obergericht Uri die Beschwerde
abgewiesen.
C. - Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht weitergezogen.
D. - Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt hat auf Gutheissung der
Beschwerde angetragen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Die Vorschrift des Art. 39
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 39 - 1 Die Betreibung wird auf dem Weg des Konkurses, und zwar als «Ordentliche Konkursbetreibung» (Art. 159-176) oder als «Wechselbetreibung» (Art. 177-189), fortgesetzt, wenn der Schuldner in einer der folgenden Eigenschaften im Handelsregister eingetragen ist:
1    Die Betreibung wird auf dem Weg des Konkurses, und zwar als «Ordentliche Konkursbetreibung» (Art. 159-176) oder als «Wechselbetreibung» (Art. 177-189), fortgesetzt, wenn der Schuldner in einer der folgenden Eigenschaften im Handelsregister eingetragen ist:
1  als Inhaber einer Einzelfirma (Art. 934 und 935 OR64);
10  als Genossenschaft (Art. 828 OR);
11  als Verein (Art. 60 ZGB66);
12  als Stiftung (Art. 80 ZGB);
13  Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (Art. 36 Kollektivanlagengesetz vom 23. Juni 200668, KAG);
14  Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (Art. 98 KAG).70
2  als Mitglied einer Kollektivgesellschaft (Art. 554 OR);
3  als unbeschränkt haftendes Mitglied einer Kommanditgesellschaft (Art. 596 OR);
4  als Mitglied der Verwaltung einer Kommanditaktiengesellschaft (Art. 765 OR);
5  ...
6  als Kollektivgesellschaft (Art. 552 OR);
7  als Kommanditgesellschaft (Art. 594 OR);
8  als Aktien- oder Kommanditaktiengesellschaft (Art. 620 und 764 OR);
9  als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Art. 772 OR);
2    ...71
3    Die Eintragung äussert ihre Wirkung erst mit dem auf die Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt folgenden Tage.
SchKG, wonach die Betreibung gegen den als
Inhaber einer Einzelfirma oder sonstwie im Handelsregister eingetragenen
Schuldner auf dem Wege des Konkurses fortgesetzt wird, ist zwingend und ohne
Rücksicht auf allfällige Parteianträge von Amtes wegen anzuwenden. Sie ist
nämlich im Interesse nicht so sehr des Schuldners, als vielmehr seiner
sämtlichen Gläubiger erlassen, die sich nicht gefallen zu lassen brauchen,
dass ein einzelner Gläubiger vermittelst Pfändung einen Teil der Aktiven des
Schuldners vorab zu eigener Befriedigung wegnehme, es wäre denn, dass dies
gesetzlich vorgesehen sei. Daher kann der im Handelsregister eingetragene
Schuldner nicht nur binnen zehn Tagen, sondern auch später noch Beschwerde
führen mit der Begründung, es sei grundlos eine Pfändung gegen ihn vollzogen
worden. Zu Unrecht hat daher die Vorinstanz die Beschwerde als verspätet
zurückgewiesen.
2.- Gemäss Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 43 - Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:
1  Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;
1bis  Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;
2  periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 200478;
3  Ansprüche auf Sicherheitsleistung.
SchKG erfolgt die Betreibung für Steuern, Abgaben,
Gebühren... und andere im öffentlichen Rechte begründete Leistungen an
öffentliche Kassen..., auch gegen die der Konkursbetreibung unterliegenden
Schuldner, auf dem Wege der Pfändung (oder der Pfandverwertung). Dass die als
öffentliche Anstalt organisierte Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in
Luzern eine öffentliche Kasse im Sinne der

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angeführten Vorschrift sei, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Dagegen
nimmt die Rekursgegnerin selbst den Standpunkt ein, die ihr geschuldeten
Prämien, auch diejenigen aus obligatorischer Versicherung, seien nicht im
öffentlichen Rechte begründete Leistungen, sondern «stellen ein eigentliches
Äquivalent des Betriebsinhabers für die ihm durch Einführung der
obligatorischen Versicherung gewährleistete Befreiung von der bisherigen
Haftpflicht dar», und «das ganze Rechtsverhältnis zwischen Betriebsinhaber und
Anstalt hat, wenigstens soweit die Prämie in Frage steht, doch einen
obligationenrechtlichen Charakter». Dieser Auffassung kann nicht beigestimmt
werden. Als «im öffentlichen Rechte begründete Leistungen», auf welche Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 43 - Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:
1  Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;
1bis  Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;
2  periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 200478;
3  Ansprüche auf Sicherheitsleistung.

SchKG anwendbar ist, sind alle vom Staat im allgemeinen Interesse auferlegten
Leistungen anzusehen. Um derartige Leistungen handelt es sich bei den der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt in Luzern geschuldeten Prämien
unbestreitbar. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern ist mit
finanzieller Hülfe des Bundes und als öffentliche Anstalt errichtet worden
zwecks Schaffung einer auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit aufgebauten
Unfallversicherungsunternehmung Sie ist ein Werk der Gemeinnützigkeit, dessen
Kosten zum Teil vom Bunde getragen werden und an welches Beiträge zu
entrichten die daran Interessierten verpflichtet sind. Die verlangten
Beiträge, bestehend aus den ganzen Prämien für Betriebsunfälle und drei
Vierteilen der Prämien für Nichtbetriebsunfälle (vgl. Art. 108 des Kranken-
und Unfallversicherungsgesetzes), sind öffentliche Abgaben. Sie unterscheiden
sich nicht wesentlich von anderen durch die Rechtsprechung bereits dem Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 43 - Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:
1  Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;
1bis  Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;
2  periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 200478;
3  Ansprüche auf Sicherheitsleistung.

SchKG unterworfenen Beiträgen, welche Staat oder Gemeinde zur Deckung der
Kosten gewisser Verwaltungszweige denjenigen auferlegen, in deren Interesse
sie geführt werden (vgl. BGE 33 I S. 681 = Sep.-Ausg. 10 S. 213). Besonders
nahe stehen sie den für die

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obligatorische Feuerversicherung von den hiefür errichteten öffentlichen
Anstalten erhobenen Prämien, deren Subsumtion unter Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 43 - Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:
1  Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;
1bis  Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;
2  periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 200478;
3  Ansprüche auf Sicherheitsleistung.
SchKG noch von
niemandem angezweifelt worden ist. Überall handelt es sich um Verpflichtungen
aus zwangsweiser Einbeziehung in einen Zweig der öffentlichen Verwaltung,
somit um öffentlichrechtliche, nicht privatrechtliche Leistungen. Dieser
Charakter der an die schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern
geschuldeten Prämien gelangt namentlich auch zum Ausdruck in dem in Art. 10
des Ergänzungsgesetzes betreffend Kranken- und Unfallversicherung von 1915
vorgesehenen Vollstreckbarkeitsverfahren.
Welches die praktischen Bedürfnisse der Rekursgegnerin seien, die gebieterisch
verlangen sollen, dass Art. 43
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 43 - Die Konkursbetreibung ist in jedem Fall ausgeschlossen für:
1  Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen oder an Beamte;
1bis  Prämien der obligatorischen Unfallversicherung;
2  periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Unterhaltsbeiträge nach dem Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 200478;
3  Ansprüche auf Sicherheitsleistung.
SchKG auf ihre Prämienforderungen nicht
angewendet werde, hat sie in ihrer Vernehmlassung nicht näher angegeben und
ist nicht ohne weiteres ersichtlich, zumal da die Teilnahme anderer Gläubiger
an der gegen einen der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner vollzogenen
Pfändung nur in ganz beschränktem Masse in Betracht kommt und die
Prämienforderungen überdies in der zweiten Klasse privilegiert sind (Art. 13
des Ergänzungsgesetzes).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 54 III 223
Date : 01. Januar 1927
Published : 12. Juli 1928
Source : Bundesgericht
Status : 54 III 223
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : Der im Handelsregister eingetragene Schuldner kann gegen die Pfändung für andere als die in Art. 43...


Legislation register
SchKG: 39  43
BGE-register
33-I-681 • 54-III-223
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debtor • owner • day • compulsory insurance • character • statement of reasons for the adjudication • municipality • question • uri • coverage • health and accident insurance • sole proprietor • doubt • debt enforcement and bankruptcy law • federal court • appointment • lower instance • hamlet • measure • ex officio
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