196 _ Familienrecht. N° 34.

34. Ati-zug aus dem Urteil der II. Zivilebteilung vom 29. Juni 1927
i. S. 'l'. gegen T.

Ein Ehegatte kann sich nicht mehr auf den Scheidungsgrund des Art. 139 ZGB
berufen, wenn er die Scheidung erst sieben Jahre, nachdem der beklagte
Ehegatte wegen eines e n tehrenden Verbrechens verurteilt worden ist,
anbegehrt.

Wohl ist kein Zweifel, dass das vom Beklagten seinerzeit begangene
Verbrechen der fortgesetzten Unterschlagung, des fortgesetzten Betruges
und der Privaturkundenfälschung, weswegen er am 15. November 1918 vom
Bezirksgericht Untertoggenburg verurteilt worden ist, ein entehrendes
Verbrechen im Sinne von Art. 139 ZGB ist. Hierauf kann sich aber die
Klägerin heute nicht mehr berufen; "denn wenn auch Art. 139 ZGB im
Gegensatz zu den Art. 137 und 138 ZGB keine Verjährung vorsieht, so ist
die lange Dauer, die vom Momente der Begehung jener Verbrechen bezw. der
Verurteilung bis zur Scheidungsklageeinleitung verstrichen, doch insofern
von Bedeutung, als darin ein Symptom dafür zu erblicken ist, dass die
Klägerin durch die fraglichen Vergehen des Beklagten in ihren Gefühlen
nicht derart verletzt worden ist, dass ihr die Fortsetzung der ehelichen
Gemeinschaft mit dem Beklagten nicht zugemutet werden dürfte. Zwar
spricht Art. 139 ZGB wiederum im Gegensatz zu Art. 137 und 138 ZGB
nicht ausdrücklich vom Klageausschliessungsgrund der Verzeihung. Das
wäre schon deshalb nicht möglich, weil die Tatbestände des Art. 139
ZGB Handlungen betreffen, welche nicht nur die Rechtssphäre und die
Interessen und Gefühle des andern Ehegatten, sondern auch die allgemeine
Rechtsordnung verletzen, so dass diese nicht durch den andern Ehegatten
im eigentlichen Sinne verziehen werden können. Daraus folgt aber nicht,
dass die Stellungnahme des Ehegatten zu diesen Handlungen, soweit er durch
sie persönlich, sei es in seiner Ehre oder in seinem Vermögen, verletzt

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wurde, ohne Bedeutung sei. Auch die speziellen Scheidungsgründe haben zur
stillschweigenden Voraussetzung, dass die sie begründenden Handlungen den
Bestand der Ehe als solchen, die Zuneigung der Ehegatten zueinander,
die Möglichkeit einer gedeihlichen Weiterführung des ehelichen
Lebens treffen. Bloss besteht beim Vorliegen der in den Art. 137 -39
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 39 - 1 Der Personenstand wird in einem elektronischen Register beurkundet (Personenstandsregister).
1    Der Personenstand wird in einem elektronischen Register beurkundet (Personenstandsregister).
2    Zum Personenstand gehören insbesondere:
1  die Zivilstandstatsachen wie die Geburt, die Heirat, die Beurkundung einer eingetragenen Partnerschaft, der Tod;
2  die personen- und familienrechtliche Stellung wie die Volljährigkeit, die Abstammung, die Ehe, die eingetragene Partnerschaft;
3  die Namen;
4  die Kantons- und Gemeindebürgerrechte;
5  die Staatsangehörigkeit.

ZGB angeführten Tatbestände eine gesetzliche Vermutung dafür, dass
die Ehe zerrüttet sei, sodass die Zerrüttung vom klagenden Ehegatten
nicht noch ausdrücklich nachgewiesen bezw. glaubhaft gemacht zu Werden
braucht. Ergibt sich aber im einzelnen Falle, dass diese Vermutung
nicht zutrifft, indem die betreffende vom beklagten Ehegatten begangene
Handlung die ehezerstörende Wirkung ausnahmsweise nicht hatte, so kann
diese nicht als Scheidungsgrund geltend gemacht werden. Das ist aber
hier anzunehmen. Die Klägerin hat seinerzeit keinerlei Konsequenzen
aus der Verurteilung des Beklagten gezogen. Gegenteils hat sie diesen,
nach erfolgter Strafverbüssung ohne weiteres wieder bei sich aufgenommen
und 6 1/2 Jahre die eheliche Gemeinschaft mit ihm fortgesetzt, d. h. so
lange, als er eine gut bezahlte Stelle hatte und für die Bedürfnisse
des Haushaltes aufzukommen vermochte. Dadurch hat sie klar zum Ausdruck
gebracht, dass sie in der Verurteilung und dem Verbrechen als solchem
kein Hindernis für eine gedeihliche Fortsetzung der Ehe erblickte.
Infolgedessen vermag sie sich nun nicht nachträglich auf diese als
Scheidungsgrund zu berufen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 53 II 196
Datum : 29. Juni 1927
Publiziert : 31. Dezember 1927
Quelle : Bundesgericht
Status : 53 II 196
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 196 _ Familienrecht. N° 34. 34. Ati-zug aus dem Urteil der II. Zivilebteilung vom


Gesetzesregister
ZGB: 39 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 39 - 1 Der Personenstand wird in einem elektronischen Register beurkundet (Personenstandsregister).
1    Der Personenstand wird in einem elektronischen Register beurkundet (Personenstandsregister).
2    Zum Personenstand gehören insbesondere:
1  die Zivilstandstatsachen wie die Geburt, die Heirat, die Beurkundung einer eingetragenen Partnerschaft, der Tod;
2  die personen- und familienrechtliche Stellung wie die Volljährigkeit, die Abstammung, die Ehe, die eingetragene Partnerschaft;
3  die Namen;
4  die Kantons- und Gemeindebürgerrechte;
5  die Staatsangehörigkeit.
137  138  139
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ehegatte • beklagter • verurteilung • ehe • scheidungsgrund • eheliche gemeinschaft • verurteilter • vermutung • stelle • hindernis • zweifel • betrug • ehre • dauer • weiler • haushalt • zuneigung • treffen • leben