5. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilsbteilung vom 31. März
1927 i. S. Egger gegen Gemeinde Mufiethan. Verwandten
Unterstützungspf1icht. Geltendmachung des Anspruches durch die
Unterstützungspflichtige Armenbehörde. Die Frage der öffentlichen Unter-
stützungspflicht richtet sich nach k a n t o n a 1 e In Recht und entzieht
sich daher der Beurteilung durch das Bundes-
gericht. ZGB Art. 328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
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1 | Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
2 | Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
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1 | Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
1bis | Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 |
2 | Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 |
3 | Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 |
Gemäss Art. 328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
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1 | Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden. |
2 | Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462 |
Geschwister gegenseitig verpflichtet, einander zu unterstützen, sobald
sie ohne diesen Beistand in Not geraten Würden. Dieser Anspruch ist
nach Art. 329 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 329 - 1 Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
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1 | Der Anspruch auf Unterstützung ist gegen die Pflichtigen in der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung geltend zu machen und geht auf die Leistung, die zum Lebensunterhalt des Bedürftigen erforderlich und den Verhältnissen des Pflichtigen angemessen ist. |
1bis | Kein Anspruch auf Unterstützung kann geltend gemacht werden, wenn die Notlage auf einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit zur Betreuung eigener Kinder beruht.464 |
2 | Erscheint die Heranziehung eines Pflichtigen wegen besonderer Umstände als unbillig, so kann das Gericht die Unterstützungspflicht ermässigen oder aufheben.465 |
3 | Die Bestimmungen über die Unterhaltsklage des Kindes und über den Übergang seines Unterhaltsanspruches auf das Gemeinwesen finden entsprechende Anwendung.466 |
Pflichtigen geltend zu machen, und zwar entweder vom Berechtigten selbst,
oder, wenn dieser von der öffentlichen Armenpflege unterstützt wird, von
der unterstützungspilichtigen Armenbehörde. Der Beklagte bestreitet nun,
dass der Klägerin eine solche Unterstützungspflicht zukomme, weil nach
Art. 1 des freiburgischen Gesetzes betreffend die Armenunterstützung vom
17. November 1869 die Armen keinen gesetzlichen Anspruch auf Unterstützung
von Seiten der Gemeinde besässen; die Aktivlegitimation müsse der Klägerin
daher abgesprochen werden. Hierüber hat indessen das Bundesgericht nicht
zu befinden. Die Frage der öffentlichen Unterstütznngspflicht richtet
sich ausschliesslich nach der kantonalen Armengesetzgebung, also nach
kantonalem Recht. Das Bundesgericht, dem lediglich die Überprüfung der
Anwendung des eidgenössischen Rechtes zusteht, ist infolgedessen au
die Auslegung des kantonalen Armengesetzes vom 17. November 1869 durch
die Vorinstanz, wonach sie die Unterstützungspflicht der Klägerin als
bestehend erachtet, gebunden. Die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation
ist daher abzuweisen-Obligationenrecht. N° 6. 17
III. OBLIGATIONENRECHT
DROIT DES OBLIGATIONS
6. Urteil der :. Misan am 18. Januar 1927 i. S. Stadiin gegen Untermihle
Zug.
A ktie n rec ht. Stimmrecht an Aktien, an denen ein Nutzniessungsrecht
besteht. Gültigkeit einer Übereinkunft zwischen Eigentümer und Nutzniesser
über das Stimmrecht. Auslegung des Abkommens.
A. Die Klägerin ist die Witwe des im Jahre 1909 verstorbenen Gründers
und Grossaktionärs der Beklagten, J. M. Stadlin. Von den Aktien der
Beklagten, die sich im Nachlass Stadlins befanden, erhielten die drei
Söhne Walter, Paul und Werner je 600 Stück, die zwei Töchter Maria und
Paula je 480 Stück zu Eigentum. An einem Drittel dieser den Kindern des
Erblassers zugefallenen Aktien steht der Klägerin von Gesetzes wegen
das lebenslängliche Nutzniessungsrecht zu.
B. Während der Minderjährigkeit der Kinder scheint die Ausübung des
Stimmrechts hinsichtlich der Nutzniessungsaktien zu keinen Schwierigkeiten
Anlass gegeben zu haben.
Im Mai 1916 landen zwischen der Klägerin und den Miterben des
J. M. Stadh'n, insbesondere seinen inzwischen volljährig gewordenen
Söhnen, Verhandlungen über Ausscheidung der Rechte der Erben statt. Über
die Verhandlung vom 15. Mai 1916 wurde ein Protokoll abgefasst, in dem
u. a. vom Stimmrecht bezüglich der den drei Söhnen Stadlin' gehörenden
Aktien, an denen der Klägerin die .Nutzniessung zusteht-, die Rede ist.
Paul Stadlin erhob einzelne Einwendungen gegen die Fassung des Protokolls,
worauf dasselbe laut Aussage des Vertreters des Paul Stadlin, Dr. I.,
ssvon diesem auf Wunsch der Testamentsvoustrecker Ständerat H.
AS 53 n 1927 2
18 Obligationenrecht. N° 6.
und Alois Hotz bereinigt wurde (statt der Formulierung: die Mutter räume
den Söhnen das Stimmrecht ein, falls kein Teilungsprozess entstehe,
sei das Stimmrecht denselben bedingungslos eingeräumt worden, womit
nach dem Zeugnis von Dr. I. die TestamentsVOllstrecker sich namens der
Klägerin einverstanden erklärten). Die bezügliche Stelle in dem bei den
Akten liegenden, als bereinigt bezeichneten Exemplar des Protokolls
über die Verhandlung vom 15. Mai 1916, welches zwar von den Beteiligten
nicht unterzeichnet ist, lautet: ...... Frau Stadlin erklärt sich
bereit, für die Nutzniessungsaktien, soweit solche Eigentum der drei
volljährigen Söhne sind, das Stimmss recht jedem Sohne zu überlassen. Für
die Aktienanteile ihrer Töchter_Ma1ia und Paula behält sie sich das
Verfügungsrecht vor. Hervorzuheben ist ferner folgende Bestimmung:
Frau 0. Stadlin-Fröhlich übernimmt die lebenslängliche Nutzniessung der
Liegenschaft am Festplatz. und der Fahrhabe.
Die Beklagte erklärt, der Inhalt dieses Protokolls entspreche in allen
Teilen den getroffenen Abmachungen, während der Vertreter der Klägerin in
einem Briefe vom 7. Juli 1925 an Paul Stadlin sich dahin geäussert hat,
das Erbteilprotokoll vom Jahre 1916 sei nur bestritten mit Bezug auf die
Behauptung, wonach Frau Stadlin bei jener Zusammenkunft das Stimmrecht
der Nutzniessaktien an die Söhne Stadlin abgetreten habe.
C. Von 1916 an haben die Söhne Stadlin widers
spruchslos bis 1922 mit ihren sämtlichen Aktien, auch mit den der
Nutzniessung der Klägerin unterworfenen, das Stimmrecht ausgeübt.
An der Generalversammlung vom 15. April 1922 wollte sich die Klägerin
an der Abstimmung im Sinne der Verweigerung der Genehmigung der
Jahresrechnung beteiligen, sie wurde jedoch vom Vorsitzenden im
Hinblick auf die erfolgte Abtretung des Stimmrechts an ihre Söhne nicht
zugelassen.Obligationemecht . N° 6. 19
Daraus entstanden eine Reihe prozessualer Vorkehren, in ,deren Verlauf die
Klägerin zur Entscheidung der grundsätzlichen Frage, ob dem Eigentümer
oder dem Nutzniesser das Aktienstimmrecht zustehe, beim Bundesgericht
als einziger Gerichtsinstanz gegen ihre Töchter Klage auf Anerkennung
ihrer Stimmbereehtigung für die ihrer Nutzniessuug unterworfenen Aktien
der Töchter anhob. Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat mit
Urteil vom 9. Dezember 1924 sowohl die Klage, als die auf Anerkennung
des Stimmrechte dei Eigentümerinnen der Aktien gerichtete W iderklage
dei Töchter Stadlin in dem Sinne abgewiesen, dass zur Ausübung des
Stimmrechts es des Zusammenwirkens der Eigentümerinnen der Aktien und
der Nutzniesserin bedürfe 1.
D. Inzwischen, am 6. Mai 1922, hatte die Klägerin mit ihren Söhnen
Walter und Paul Stadlin zur gütlichen Beilegung einer Streitigkeit
über die Art und Weise dei Verwahrung der Nutzniessungstitel folgendes
Abkommen getroffen:
1. Die Nutzniesswerttitel bleiben im Tiesorfach... deponiert.
2. Frau Stadlin erhält den Schlüssel zum Tresorfach. Der Schlüssel bleibt
aber bei der Gerichtskanzlei Zug. Frau Stadlin oder ein Vertreter von
ihr ist berechtigt, als Besitzerin des Nutzniessvermögens, die fälligen
Coupons abzutrennen, jedoch verpflichtet sie sich, den Bestand des
Nutzniesskapitals unversehrt bestehen zu lassen. Zu diesem Zwecke hat
ein Beamter
. der Gerichtskanzlei Zug oder der Zuger Kantonalbank
bei der Abtrennung der Coupons anwesend zu sein. 3. Die Kinder Stadlin
(Walter, Paul, Werner, Maria und Paula) haben das Recht der Kontrolle
darüber, ob die Titel intakt ihrem Bestande entsprechend sich im
Tresorfaeh befinden. Dieses Kontrollrecht kann aber nur mit einem Beamten
der Gerichtskanzlei oder der'BGE 5011 Nr. 84 S. 545 fs.
20 Obligationenrecht. N ° 6.
Kantonalbank Zug ausgeübt werden und es verpflichten sich die Kinder
Stadliu, den Titelbestand des Tresorfaehes bis zum Ableben der Frau
Stadlin intakt zu belassen.
E. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin, es sei die Untermühle
Zug A.-G. pflichtig zu erklären, ihre Stimmberechtigung für die Aktien
Nm. 445-500, 1101-1300, 1501 1583, 1585-1584, 20012200 und 2401-2800 der
Beklagten (d. h. für sämtliche in der Nutzniessung der Klägerin stehenden
Aktien) an den Generalversammlungen der Gesellschaft anzuerkennen.
F. Die Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt: in erster Linie wegen
mangelnder Passivlegitimation, und sodann auch materiell, sei es weil
das Stimmrecht der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Nutzniesserin nicht
zustehe, sei es weil sie es an ihre Söhne abgetreten habe. '
G. Beide kantonalen Instanzen haben die Klage abgewiesen.
H. Gegen das Urteil des Obergerichts hat die Klägerin unter Erneuerung
des Klagebegehrens die Berufung an das Bundesgericht erklärt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
1. (Aktenwidrigkeitsrügen.)
2. Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass zwischen der
formellen Legitimation und der materiellen Berechtigung zur Ausübung
des Stimmrechts für die in Frage stehenden Aktien zu unterscheiden sei,
und es der Beklagten gegenüber mit Rücksicht auf die Natur der Aktien
als Inhaberaktien zunächst darauf ankomme, wer deren Inhaber sei. Nun
behauptet die Klägerin entgegen der vorinstanzlichen Feststellung,
dass gemäss der Vereinbarung vom 6. Mai 1922 sie im alleinigen Besitz
sämtlicher Nutzniessungsaktien sei. Allein wenn auch in diesem Abkommen
die Klägerin als Besitze--Obligationenrechi. N° 6. 21
rin des Nutzniessungsvermögens bezeichnet ist, so ist sie doch nach der
darin getroffenen Regelung in der Ausübung des Besitzes, speziell für die
Abtrennung der fälligen Coupons, auf die Mitwirkung der Gerichtskanzlei
Zug angewiesen, bei welcher der Schlüssel zum Tresorfaeh der Kantonalbank
Zug, in dem die Titel verwahrt sind, erhoben werden muss ; ferner hat
die Klägerin die ausdrückliche Verpflichtung übernommen, den Bestand
des Nutzniessungskapitals unversehrt bestehen zu lassen , und es ist
darüber den Eigentümern der Aktien
ein Kontrollrecht' eingeräumt, welches ebenfalls nur
im Beisein eines Beamten der Gerichtskanzlei oder der Bank ausgeübt
werden darf. Angesichts dieser Beschränkungen in der Verfügungsfreiheit
durfte die Vorinstanz wohl sagen, es stehe der Klägerin nicht der
ausschliessliche Besitz zu, ohne den doch die Ausübung des Stimmrechts,
die an die Vorweisung der Aktie geknüpft ist, nieht möglich ist.
3. Auch abgesehen hievon könnte im vorliegenden Falle auf den Besitz an
den Aktien deswegen nicht ent scheidend abgestellt werden, weil über die
Berechtigung zur Ausübung des Stimmrechts zwischen der Nutzniesserin
und den Eigentümern Streit herrscht (soweit es sich wenigstens um die
den Söhnen Stadlin gehörenden
Aktien handelt), und nach der ganzen Sachlage kein
Zweifel darüber bestehen kann, dass speziell auch die Beklagte
hievon Kenntnis hatte. Dass die Ausübung des Stimmrechts an den
Nutzniessungsaktien zwischen der Klägerin und ihren Söhnen streitig
ist, obwohl diese am vorliegenden Prozess nicht beteiligt sind, ist
nicht nur für die Vorinstanz noteriseh, sondern geht aus dem von beiden
Parteien dargelegten Tatbestand mit aller Deutlichkeit hervor. Da diese
Verhältnisse auch der Aktiengesellschaft selber durchaus bekannt waren,
hätte sie, selbst wenn die Nutzniessungsaktien sich unbestrittenermassen
im alleinigen Besitz der Klägerin befunden hätten, sich kaum damit
begnügen dürfen,
22 Obligationenrecht. N° 6.
trotz Kenntnis des Streites über die materielle Stimm '
berechtigung kurzerhand die Legitimation der Klägerin
anzuerkennen ; umso eher muss sie, so wie die Verhält-
nisse tatsächlich bezüglich des Besitzes an den Nutzniessungsaktien
liegen, sich entscheiden, welchem der Prätendenten sie das Stimmrecht
für dieselben gewähren solle : der Klägerin in ihrer Eigenschaft als
Nutzniesserin, oder den Aktieneigentümern, die ihre Ansprüche sowohl auf
ihr Eigentumsrecht als auf ein mit der Klägerin getroffenes Abkommen
stützen. Denn, wie das Bundesgericht schon im Urteil vom 9. Dezember
1924 m dem von der Klägerin gegen ihre Töchter angehobenen Prozess
ausgesprochen hat, kommt es unter solchen Umständen nicht auf den
blossen faktischen Besitz an den Aktien, sondern auf die zur Ausübung
berechtigende Innehabung an; die Beklagte könnte sich so wenig in
gutem Glauben darauf berufen, dass der Inhaber der Aktien schlechthin
als der Berechtigte zu gelten habe, als bei Inhaberpapieren, die ein
Forderungsrecht verkörpern, der Schuldner laut Art. 846 Abs. II OR sich
durch Zahlung an den Inhaber befreien kann, nachdem ein gerichtliches
oder polizeiliches Zahlungsverbot an ihn erlassen werden ist.
4. Ist also auf'die Frage der materiellen Berechtigung zur Ausübung
des Stimmrechts einzutreten, so ist im Anschluss an das vorinstanzliche
Urteil vorerst zu untersuchen, ob aus-den Verhandlungen, die im Mai 1916
zwischen den Erben des J. M. Stadlin gepflogen wurden, insbesondere aus
dem Protokoll über die Verhandlung vom 15. Mai 1916, in Verbindung mit
sonstigen Indizien, geschlossen werden könne, dass die Ansprecher sich
darüber geeinigt haben, von wem das Stimmrecht für die Nutzniessungsaktien
ausgeübt werden solle. Einer solchen von den Beteiligten nach ihrem
Belieben, in Anpassung an die konkreten Verhältnisse und ihre speziellen
Bedürfnisse, getroffenen Verständigung steht grundsätzlich nichts
entgegen, da es sich um eine FrageObligationenrecht. N° 6. 23 _
des Umfanges der Nutzniessung und ihrer Abgrenzung vom Eigentum handelt
und der Inhalt des Niessbrauches in Art. 745 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 745 - 1 Die Nutzniessung kann an beweglichen Sachen, an Grundstücken, an Rechten oder an einem Vermögen bestellt werden. |
|
1 | Die Nutzniessung kann an beweglichen Sachen, an Grundstücken, an Rechten oder an einem Vermögen bestellt werden. |
2 | Sie verleiht dem Berechtigten, wo es nicht anders bestimmt ist, den vollen Genuss des Gegenstandes. |
3 | Die Ausübung der Nutzniessung an einem Grundstück kann auf einen bestimmten Teil eines Gebäudes oder auf einen bestimmten Teil des Grundstücks beschränkt werden.627 |
Weiseumschrieben ist. Das Verhältnis zwischen Eigentümer und Nutz-niesser
ist ein Verpflichtungsverhältnis, welches, abgesehen von einzelnen
zwingenden Bestimmungen, nach den obligationenrechtlichen Regeln
frei gestaltbar ist (Vgl. die Kom. WIELAND, Anm. 3, LEEMANN, Anm. 8
zu ZGB 745). Abmachungen, durch welche die gegenseitigen Rechte der
Eigentümer und der Nutzniesser von Aktien dergestalt näher umschrieben
werden, sind formlos gültig, soweit nicht wegen des Inhalts der Rechte,
über die ver-fügt wird, besondere Formvorschriften des OR zu beachten
sind. Das letztere trifft für die Ordnung des Aktienstimmrechts nicht
zu. Insbesondere sind nicht etwa die Vorschriften über die Abtretung
von Forderungen anwendbar, wonach es der Schriftlichkeit bedürfte; denn
man hat es beim Stimmrecht nicht mit einer Forderung, sondern mit dem
Ausfluss eines Mitgliedschafts-, also eines Persönlichkeitsrechts zu
tun, und es liegt auch keine Abtretung vor, sondern eine Ausscheidung
von Rechten, eine Auseinandersetzung über deren Umfang. ss Wenn nun
die Vorinstanz in allseitiger Würdigung der Sachlage zu dem Schlusse
gelangt ist, es sei anlässlich der Auseinandersetzung zwischen den Erben
des J. M. Stadlin die Klägerin mit ihren Söhnen übereingekommen, dass
letztere für die mit der Nutzniessung belasteten Aktien das Stimmrecht
an den Generalversammlungen der Beklagten ausüben sollen, so ist ihr
beizutreten. Auch die von der Klägerin gegenüber dem angefochtenen Urteil
erhobenen sog. Aktenwidrigkeitsfügen rechtfertigen eine Nachprüfung
der Beweisergebnisse der Vorinstanz nicht, da es sich, speziell was
das Hauptaktenstück, das bereinigte Protokoll über die Verhandlung vom
15. Mai 1916 betrifft, nicht etwa um ein Übersehen handelt, sondern darum,
dass die Vor-
24 Obligationenrecht. No 6.
instanz dem Protokoll eine andere Bedeutung beilegeals die Klägerin
ihm beigemessen wissen will. Zudem hat ja die Vorinstanz nicht einzig
auf dieses Aktenstück abgestellt, sondern hervorgehoben, dass es an
sich zur Annahme eines Abkommens jenes Inhalts nicht genügen würde,
wenn nicht andere Faktoren die Annahme unterstützen würden. Sie weist
namentlich darauf hin, dass auch der Testamentsvollstrecker Ständerat
H. das Abkommen als im Sinne der Zuteilung des Stimmrechts an die Söhne
Stadlin zustandegekommen betrachte, sowie dass diese tatsächlich von 1916
bis 1922 das Stimmrecht bezüglich der Nutzniessungsaktien Widersprüchelos
ausgeübt haben. Ferner hebt die Vorinstanz hervor, dass die im Protokoll
über die Verhandlung vom 15. Mai 1916 enthaltenen Bestimmungen laut der
Zuschrift des Vertreters der Klägerin vom 7. Juli 1925 an Paul Stadlin
von der Klägerin als zu Recht bestehend anerkannt werden, und dass sie die
Vorteile, die ihr durch die Abmachung eingeräumt wurden (Nutzniessung an
der Liegenschaft am Postplatz in Zug) und die als Gegenleistung für die
Überlassung des Stimmrechts an die Söhne Stadlin angesehen werden können,
tatsächlich ausgenutzt habe. Die Berücksichtigung dieser Verumständungen,
die alle zu Gunsten der Annahme der Vorinstanz sprechen, lässt sich
mit Grund nicht beanstanden, und es ist in Bezug auf die-Anfechtung
der Auslegung der Zuschrift von Dr. B. vom 7. Juli 1925 festzustellen,
dass die Vorinstanz keineswegs erklärt hat, dieser Brief enthalte eine
Anerkennung der erfolgten Stimmrechtsabgabe , sondern ihm nur mit Recht
entnommen hat, dass die Rechtsbeständigkeit des Protokolls vom 15. Mai
1916 bis auf die Frage der Regelung des Stimmrechts klägerischerseits
ausdrücklich anerkannt sei.
5'. Da somit der Beweis einer Parteivereinbarung des Inhalts, dass das
Stimmrecht für die Nutzniessungsaktien, soweit diese im Eigentum der
Söhne StadlinObligationenrecht. N° 7. 25
stehen, nicht von der Klägerin, sondern von ihren Söhnen ausgeübt
wird, als erbracht anzusehen ist, und die Beklagte diese Abmachung
förmlich anerkennt, ja sich selbst im Prozess darauf beruft, entfällt
die Notwendigkeit einer neuerlichen Prüfung der im Prozesse zwischen
der Klägerin und ihren Töchtern beurteilten Frage, wem das Stimmrecht
für Aktien, die mit einer Nutzniessung belastet sind, von Rechts wegen
zukommen würde, und es ist in Übereinstimmung mit den kantonalen Instanzen
die. Klage als unbegründet abzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zug vom 29. Juli 1926 he-
stätigt.
7. Urteil der I. Zîvila'nteilung vom 24. Januar 1927 i. S. Negenbom
gegen Saupé.
Regressverhältnis zwischen Solidarbürgen:
A r t. 1 1 8, Z i f f. 1 O R : Findet auf den Dritteigentümer der
Ptandsache, der sich für die nämliche Schuld, für Welche das Pfand haftet,
auch als Solidarbürge verpflichtet hat, keine AnWendung.
A r t. 4 9 7 A b s. 2 O R : Für die Rückgriffsberechtigung unter
Solidarbürgen sind die allgemeinen Bestimmungen über die Solidarität
massgebend (Art. 148 f
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 148 - 1 Sofern sich aus dem Rechtsverhältnisse unter den Solidarschuldnern nicht etwas anderes ergibt, hat von der an den Gläubiger geleisteten Zahlung ein jeder einen gleichen Teil zu übernehmen. |
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1 | Sofern sich aus dem Rechtsverhältnisse unter den Solidarschuldnern nicht etwas anderes ergibt, hat von der an den Gläubiger geleisteten Zahlung ein jeder einen gleichen Teil zu übernehmen. |
2 | Bezahlt ein Solidarschuldner mehr als seinen Teil, so hat er für den Mehrbetrag Rückgriff auf seine Mitschuldner. |
3 | Was von einem Mitschuldner nicht erhältlich ist, haben die übrigen gleichmässig zu tragen. |
nach Art. 149
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 149 - 1 Auf den rückgriffsberechtigten Solidarschuldner gehen in demselben Masse, als er den Gläubiger befriedigt hat, dessen Rechte über. |
|
1 | Auf den rückgriffsberechtigten Solidarschuldner gehen in demselben Masse, als er den Gläubiger befriedigt hat, dessen Rechte über. |
2 | Der Gläubiger ist dafür verantwortlich, dass er die rechtliche Lage des einen Solidarschuldners nicht zum Schaden der übrigen besser stelle. |
Solidarschuldner ein Erstattungsanspruch gegen die Mitschuldner zusteht.
BeWeislastverteilung. Der Ausschluss des Riickgriffsrechts kann sich aus
den besondern, für das Zusammenwirken der Parteien massgebenden Umständen,
speziell aus der Interessenlage und dem Zweck des Verpflichtungsgeschäftes
ergeben.
A. Im Sommer 1921 geriet die Firma F. NeefHungerbühler A..-G.,
Konfitürenund Konservenfabrik
in Steinebrunn (Kt. Thurgau) in eine unhaltbare Finanzlage. Den mit
grösseren Kapitalien als Aktionäre und