126 Obligationenrecht. N° 24.

dadurch, dass sie den Haushalt besorgt, ihm eine beträchtliche, wenn nicht
geradezu unerschwingliche Ausgabe für Anstellung fremder Hilfskräfte
erspart. Wenn auch die Ehefrau durch diese Tätigkeit ihrem Manne nicht
direkt Existenzmittei beschafft, so ist das Wirtschaftliche Ergebnis
doch insofern das nämliche, als sie ihm ermöglicht, einen Teil seiner
Mittel zur Befriedigung anderer dringender Bedürfnisse zu verwenden. Dabei
braucht eine Unterstützungsbedürftigkeit und eine effektive Unterstützung
nicht stets schon im Zeitpunkt der Tötung vorzuliegen, sofern nach
dem normalen Verlauf der Dinge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
angenommen werden kann, dass eine wenigstens teilweise Versorgung durch
die Ehefrau voraussichtlich später Platz gegriffen hätte (vgl. BGE 16
816/17; 22 1226 f.; 33 II 88 f.; 34 11103; 3511285; 441I 66/7), wie denn
auch das Bundesgericht schon wiederholt dazu gelangt ist, minderjährige
Kinder als zukünftige Versorger ihrer Eltern zu behandeln (BGE 17 S. 641;
22 S. 1226 f.; 33 II 88 f.; 35 II 285), und ebenso mehrfach entschieden
hat, dass auch die Braut des Getötet-en zu den entschädigungsbereehtigten
Hinterlassenen gehören könne (Schw. Jur.-Ztg. 4 S. 298 f.; BGE 37 Il
467 f.; 39 II 325 {44 II 67).

(5.) Im vorliegenden Falle freilich ist der Vorinstanz beizupflichten,
dass nach der ganzen Sachlage keine 'Wahrscheinlichkeit und überhaupt kein
Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Verstorbene je unterstützungsfähig
geworden wäre, falls sich die Bedürftigkeit des Klägers herausgestellt
haben sollte. Der Kläger hat den ihm vom Bezirksgericht auferlegten
Beweis, dass er infolge des Todes seiner Frau ökonomisch in eine bedrängte
Lage gekommen sei, nicht zu leisten vermocht und weder etwas Schlüssiges
dafür vorgebracht, dass er bisher auch nur teilweise von der Arbeit seiner
Frau, welche unbestrittenermassen häufig auf längere Zeit landesahwesend
war, gelebt habe, noch dafür, dass

Obligationenrecht. N° 25. 127

diese in Zukunft zu seinem Unterhalt in nennenswerter Weise beigetragen
haben würde; ebenso ist die Annahme, dass er auf eine Unterstützung
angewiesen sei, mit seinem Lohn nicht fernerhin auskommen werde
und einer Hilfskraft zur Führung seines Haushaltes bedürfe, durch
nichts belegt. Die Vermutung, dass Frau Borer imstande gewesen wäre,
ihrem Ehemann im Bedarfsfalle eine Versorgung angedeihen zu lassen,
dürfte umsoweniger zutreffen, als der Sektionsbefund ergeben hat,
dass sie an einer chronischen Nierenkrankheit litt. In dem vom
Bundesgericht am 31. Mai 1926 beurteilten Fall Miesch g. Tarenglu',
auf den sich der Kläger beruft, lagen die Verhältnisse ganz anders,
indem Frau Tarenghi einer Arbeiterpension verstand und die dem Ehemann
auf Grund von Art. 45 Abs. III OR zugesprochene Schadenersatzsumme von
6000 Fr. die Entschädigung an die Kinder für den Verlust eines ihrer
Versorger mitum-fasste.Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 26. November 1926 bestätigt.

25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. März 1927 i. S. Meyer gegen
Maschinenfabrik Brugg AL.-G. Lizenzvertrag über eine Erfindung. Rechtliche
Natur, Umfang

der Gewährleistungspflicht des Lizenzgebers (Analogie mit dem
Pachtvertrag). Bedeutung des Grundlagenirrtums.

A. Am 13. September 1923 meldete der Kläger Meyer in Deutschland und
am 23. Oktober 1923 in Bern eine Feilmaschine, zur Patentierung an,
bei welcher laut Hauptanspruch auf einer endlosen, über 2 kreisförmige
Führungsrollen geleiteten bandförmigen Unterlage eine Reihe von hinter
einander angeordneten

128 _ Obligationenrecht. N° 25.

Feilen auswechselbar befestigt sind. Als Unterlage für die Feilen wird
eine Gelenkkette mit derart kurzen Gliedern verwendet, dass das Verhältnis
der Länge eines Kettengliedes zum Führungsrollenradius kleiner als I :
4 ist.

Das schweizerische Patent wurde unter Nr. 107431 am 17. November 1924
veröffentlicht. Die Erteilung des deutschen Patentes Nr. 415923 wurde dem
Kläger am 28. Mai 1925 nach Abschluss des Prüfungsverfahrens mitgeteilt;
das Patent wurde am 3. Juli 1925 ausgegeben, und zwar gegenüber der
klägerischen Anmeldung in abgekürzter und etwas anders formulierter Form.

Inzwischen, im Juni 1924, war der Kläger mit den Organen der Beklagten
wegen Übernahme der Fabrikation und des Vertriebs dieser Eisenfeilmaschine
in Unterhandlung getreten;

Aus den in der Zeit vom 12. bis zum 20. August 1924 beiderseits
aufgestellten Vertragsentwürfen ist hervorzuheben, dass der Kläger die
Übernahme der im Entwurfe der Beklagten vorgesehenen Gewährspflicht für
die Verkäuflichkeit der Maschine ablehnte.

Am 21. August 1924 schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag ab, aus
welchem folgende Bestimmungen hervorzuheben sind : _

2. Entschädigung. Die Lizenznehmerin zahlt an Hrn. Meyer bei
Vertragsabschluss die Summe von 5000 Fr. in bar. Weitere 5000
Fr. werden bis 30. September dieses Jahres und der Rest von 10,000 Fr. in
monatlichen Raten von 2000 Fr. mindestens, erstmals auf 31. Oktober 1924
bezahlt. Ferner erhält Hr. Meyer von der Maschinen-fabrikiBrugg von jeder
von ihr verkauften oder vermieteten Maschine eine Stücklizenz von 10%
des jeweiligen Verkaufsoder Mietwertes, jedoch im Minimum pro Stück 300
Fr. Ausserdem erhält Hr. Meyer für Nachlieferungen aus dem Feilengeschäft
10% des Verkaufspreises der separat gelieferten Feilen. Die Abrechnung
der Lizenz und Provision erfolgt vierteljährlich. Hiebei

Obligationenrecht. N° 25. 129

ist es Herrn Meyer gestattet, Einsicht in die Verkaufsbücher und
Fakturenkopien, soweit sich solche auf die Gegenstände dieses Vertrages
beziehen, zu nehmen...

Für die vorhandenen Modelle, Zeichnungen, Lehren, Spezialwerkzeuge
und fertigen Feilen zahlt die Maschinenfabrik Brugg Hrn. Meyer _ den
Selbstkostenpreis und für die fertige Maschine den Betrag von 4000 Fr. in
bar bei Vertragsabschluss.

3. Die Maschinenfabrik Brugg verpflichtet sich von Vertragsbeginn an
zur Zahlung folgender Mi n i m a ll i z e n z e n :

a) für die ersten drei Jahre mindestens zwei Maschinen pro Monat und
1800 Feilen jährlich;

b) für die folgenden drei Jahre vier Maschinen monatlich und 3600 Feilen
jährlich;

c) für den Rest der Patentdauer sechs Maschinen monatlich und 5400
Feilen jährlich.

Herr Meyer kann vom Vertrag zurücktreten und erhält auf sein Begehren
die freie Verfügung über seine Patente zurück, Wenn die Maschinenfabrik
Brugg ihren Umsatzverpflichtungen nicht nachkommt oder wenn sie nach
Ablauf von sechs Jahren die doppelte Umsatzziffer des oben garantierten
Minimalumsatzes nicht erreicht hat, oder wenn die Lizenznehmerin ihren
Zahlungsverpflichtungen jeWeilen nicht binnen Ablauf von zwei Monaten
nach Verfall voll nachkommt ......

4. Die Lizenznehmerin kann vom Vertrag nur zurücktreten, wenn das
deutsche Patent nicht in angemeldeter oder eingeschränkter Form zur
Erteilung gelangen sollte.

5. ...... Herr Meyer übernimmt die Gewähr, dass seine Erfindung sein
geistiges Eigentum ist und dass keine Drittensprüche daran bestehen ......

B. Beim Vertragsschluss zahlte die Beklagte dem Kläger die fällig
gewordene erste Rate von 5000 Fr. der Pauschalvergiitung für die
Einränmung der Lizenz, sowie den Kaufpreis von 4000 Fr. für die fertige
Maschine. Sie stellte diese sofort unter dem Namen Li-

130 Obligationeurecht. N° 25.

parma an der Leipziger Messe aus und liess sie auch in Prag und
Niedersedlitz durch den Kläger vorführen, wofür dieser ihr am
13. September und 11. Oktober 1924 im Betrage von 1014 Fr. (Leipzig)
und 1118 Fr. 90 Cts. (Niedersedlitz und Prag) Rechnung stellte.

Ferner gab der Kläger einen unter Mitwirkung des technischen Direktors
der Beklagten, Ingenieur Seeberger, ausgearbeiteten Reklameprospekt
heraus ......

Mit Zuschrift vom 29. Oktober 1924 verlangte der Kläger von der
Beklagten Zahlung der am 30. September 1924 fällig gewordenen Rate der
Lizenzvergütung von 5000 Fr., sowie der Oktoberrate von 2000 Fr.

Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, mit der Begründung, der Kläger habe
mangels Erwirkung des deutschen Patentes den Lizenzvertrag nicht erfüllt
und könne daher nicht seinerseits dessen Erfüllung fordern.

Daraufhin hob der Kläger gegen die Beklagte Betreibung an. Die Beklagte
schlug Recht vor, worauf dem Kläger erstinstanzlich provisorische
Rechtsöffnung erteilt wurde. Das aargauische Obergericht hob jedoch unterm
14. März 1925 dieses Urteil auf und wies das Rechtsöffnungsbegehren ab,
weil der Kläger erst dann Zahlung der Lizenzgebühren verlangen dürfe,
wenn er das deutsche Patent beigebracht habe, was zur Zeit nicht zutreffe
...... '

Auf eine erneute Zahlungsaufforderung des Klägers vom 12. Mai 1925
erwiderteder Anwalt der Beklagten am 14. Mai, die Reiserechnungen des
Klägers seien ausserordentlich übersetzt. Der Brief fährt fort : Auch
kann keine Rede davon sein, dass Ihnen die Maschinenfabrik irgendwelche
Beträge schuldet ...... Wir setzen Ihnen zur Erfüllung des Vertrages
und vorab zur Beibringung des deutschen Patentes, ohne welches der ganze
Lizenzvertrag hinfällig ist, eine Frist an bis 30. Juni a. c. sollte bis
zu diesem Zeitpunkte das Patent nicht in vertragsgemässem Umfange erteilt
werden sein, so treten wir Vom Vertrage zurück und machen Sie für allen
durch Ihr Verhalten entstehenden Schaden haftbar ......

Obligationenrecht. N° 25. 131

Am 6. Juni 1925 legte der Kläger derBeklagten die am 29. Mai erhaltene
provisorische Mitteilung des deutschen Reichspatentamtes über die
erfolgte Patentierung der Erfindung vor, und am 15. Juli übermaehte
er ihr die am 3. gleichen Monats vom deutschen Reichspatentamt
ausgestellte Patenturkunde, mit gleichzeitiger Fristansetzung bis Ende
Juli 1925 zur Zahlung der ausstehenden Beträge, sowie zur Erstattung der
vierteljährlichen Abrechnungen über die Stücklizenzen für Maschinen und
Feilen, ansonst er sich vorbehalte, vom Vertrage zurückzutreten.

Hierauf entgegnete der Anwalt der Beklagten am 27. Juli 1925, dass der
Kläger die ihm laut Vertrag obliegenden Verpflichtungen immer noch
nicht erfüllt habe und auch die Voraussetzungen, die zum Abschluss
des Vertrages führten, sich als trügerisch erwiesen haben. Denn schon
vor Abschluss des Vertrages habe der Kläger die Beklagte über Stand
und Tragweite der Erfindung in einen wesentlichen Irrtum versetzt
und überdies absichtlich getauscht, so insbesondere durch die den
Tatsachen nicht entsprechenden Angaben im Prospekt, durch die mündliche
Zusicherung, alle Modelle und Zeichnungen seien bereits fertig erstellt,
während die Beklagte sie grossenteils selbst habe erstellen müssen, durch
unrichtige Mitteilungen über Verwendungsmöglichkeit, Absatzverhältnisse
und die zu erzielenden Preise, durch unrichtige Angaben des Klägers über
Verbindungen mit der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon, über Bestellung
einer Maschine durch Brown, Boveri & C°. Erst die Beklagte habe unter ganz
erheblichen Aufwendungen aus der Maschine des Klägers etwas Brauchbares
gemacht. Auch sei die Patentierung durch das deutsche Reichspatentamt
nur in sehr beschränkter Form erfolgt, indem eine Reihe wesentlicher
Patentansprüche zurückgewiesen worden seien. Der Kläger sei mit der
Erfüllung des Vertrages nach allen Richtungen hin im Verzuge und schon
deshalb nicht berechtigt, von der Beklagten Erfüllung zu verlangen.

132 Obligationenrecht. N° 25.

C. Daraufhin erhob der Kläger unter Zurückweisung der Irrtums-und
Betrugseinrede die vorliegende Klage, mit den Rechtsbegehren :

l. Die Beklagte habe dem Kläger 35,980 Fr. 90 Cts zu bezahlen, nebst
Zins zu 5% seit Einreichung der Klage.

2. Die Beklagte habe ihre Bücher vorzulegen, behufs

Ermittlung der bisher verkauften Maschinen und Feilen

und sie sei, sofern sich bei dieser Büchervorlage ergeben sollte,
dass pro Monat mehr als 2 Maschinen und pro Jahr mehr als 1800 Feilen
verkauft worden sind, pflichtig zu erklären, über den in Klagebegehren 1
verlangten Betrag hinaus für jede über die Minimalzahl hinaus verkaufte
Masehine 300 Fr. und für jede über die Minimalzahl hinaus verkaufte
Feile 2 Fr. zu bezahlen.

D. Die Beklagte beantragte, unter Erneuerung der bereits in der Zuschrift
ihres Anwalts vom 27. Juli 1925 an den Kläger erhobenen Einwendungen,
gänzlicheAbweisung der Klage und stellte widerklageweise die Begehren,
der Widerbeklagte sei gegenüber der Widerklägerin grundsätzlich
schadenersatzpflichtig zu erklären und vorbehaltlich noch eintretenden
weitem Schadens zu verurteilen, ihr gegen Rückgabe der von ihm gemachten
Leistungen gemäss Lizenzvertrag, sowie der Lagervorräte zu bezahlen:
a) den erlittenen schaden mit 29,805 Fr. 30 Cts., b) für das vorhandene
Lager 13.762 Fr. 60 Cts, zusammen 43,567 Fr. 90 (Its.

E. Mit Urteil vom 22. Dezember 1926 hat das aargauische Handelsgericht
erkannt :

1. Die Beklagte ist verurteilt, dem Kläger 6991 Fr. 05 (Its. nebst Zins
zu 5% seit 31. Oktober 1925 zu bezahlen. '

2. Sie hat dem Kläger ihre Bücher vorzulegen zur Ermittlung der von ihr
auf den verkauften Maschinen und Feilen geschuldeten Lizenzgebühren.

3. Im übrigen sind Klage und Widerklage abgewiesen.

F. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit den Anträgen:

Obligationenrecht. N° 25. 133

1. die Klagebegehren seien in vollem Umfange zuzusprechen.

2. eventuell : die Beklagte habe:

a) dem Kläger 23,380 Fr. 90 Cts. zu bezahlen, nebst Zins zu 5% seit
31. Oktober 1925.

b) für jede verkaufte Maschine 300 Fr. und für jede verkaufte Feile 2
Fr. zu bezahlen und behufs Ermittlung der Zahl der verkauften Maschinen
und Feilen die Bücher vorzulegen.

G. Die Beklagte hat sich der Berufung angeschlossen und beantragt :

1. Die Klage sei in vollem Umfange abzuweisen.

2. Die Widerklage sei gutzuheissen und demgemäss das Hauptoder zum
mindesten das Eventualbegehren derselben zu schützen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Das durch den Vertrag vom 21. August 1924 unter den Parteien begründete
Rechtsverhältnis qualifiziert sich rechtlich als Lizenzvertrag. Gegenstand
desselben ist die Überlassung der klägerischen Erfindung, als eines
unkörperlichen Rechtsgutes, an die Beklagte zur Benützung für eine gewisse
Zeitdauer gegen Entgelt. Die vom Kläger hergestellte Feilmaschine als
solche ist im gleichen Vertrag unter Ziff. 2 in fine zum Gegenstand
eines Kaufsgeschäftes gemacht, das durch Zahlung des Kaufpreises von
4000 Fr. und Übergabe der Maschine an die Beklagte endgültig liquidiert
und von keiner Seite angefochten ist.

2. Der Lizenzvertrag wird heute nach herrschender Auffassung als
ein dem Pachtverhältnis am meisten sich näherndes und daher diesem
Vertragstyp beizuordnendes Rechtsverhältnis angesehen (BGE 51 II 62 und
die dortigen Zitate). Bei einem Lizenzvertrag der hier Vorliegenden Art
ist Vertragsvoraussetzung das Vorliegen einer patentierten Erfindung,
d. h. einer Erfindung, welche die kraft Gesetzes für die Patentierung
zu er-

134 Obligationenrecht. N° 25.

füllenden Erfordernisse der Erzielung eines wesentlichen technischen
Fortschritts durch einen schöpferischen Gedanken, der Neuheit und der
gewerblichen Verwertbarkeit aufweist (PatGes Art. 1). In casu ist die
Patentierung in der Schweiz und namentlich in Deutschland geradezu zur
Bedingung erhoben worden, indem der Beklagten in Ziff. 4 des Vertrages
für den Fall, dass das deutsche Patent nicht in angemeldeter oder
eingeschränkter Form zur Erteilung gelangen sollte, ein Rücktrittsrecht
eingeräumt ist, Wie denn auch nach der ganzen Sachlage nicht angenommen
werden kann, dass ohne eine solche Garantie die Beklagte sich zur
Eingehung eines Vertrages mit so erheblichen Verpflichtungen verstanden
hahen würde. Dabei darf indessen, sofern nichts Gegenteiliges vereinbart
ist, das Erfordernis der gewerblichen Verwertharkeit nicht schlechthin
dahin ausgelegt werden, dass es die gewinnbringende Absatzmöglichkeit
umfasst; in dieser Hinsicht spielt im Lizenzvertragsverhältnis in
der Regel ein gewisses spekulatives Element mit, das naturgemäss, da
die Verkäuflichkeit nicht nur von der Verwirklichung der technischen
Voraussetzungen, sondern in hohem Grade auch von wirtschaftlichen
Faktoren und der industriellen Konjunktur abhängt, in erster Linie vom
Lizenznehmer zu vertreten ist. ' Gleichwie nun beim Pachtverhältnis der
Verpächter verpflichtet ist, den Pachtgegenstand dem Pächter in einem
zur vertragsmässigen Benutzung geeigneten Zustande zu übergeben (OR
Art.. 277), muss die dem Lizenznehmer zur Benützung überlassene Erfindung
als zum vertragsgemässen Gebrauche tauglich erscheinen, und es müssen,
wenn sie sich hiezn als ungeeignet erweist, der nach dem Grundsatz von
Treu und Glauben auszulegende Vertragszweck also nicht erreicht werden
kann, dem Lizenznehmer analoge Rechte zustehen, wie dem Pächter einer
nutzbaren Sache oder eines nutzbar-en Rechts nach Art. 277
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 277 - Umfasst die Pacht auch Geräte, Vieh oder Vorräte, so muss jede Partei der andern ein genaues, von ihr unterzeichnetes Verzeichnis dieser Gegenstände übergeben und sich an einer gemeinsamen Schätzung beteiligen.
bezw. 254
ff. OR, wobei je nachObligationenrecht. N° 25. 135

der absoluten oder nur relativen Unbrauchbarkeit der Erfindung entweder
das Rücktrittsrecht nach den allgemeinen Bestimmungen der Art. 107
ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
1    Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
2    Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten.
. OR oder eine blosse Reduktion an den Leistungen des Lizenznehmers
in Frage kommt ; doch gehen auch hier allfällige von den Parteien im
Vertrag selbst getroffene Bestimmungen der gesetzlichen Regelung, die
nur dispositiven Rechts ist, vor.

3. Im vorwürfigen Falle nun ist dem Vertrag keine Bestimmung darüber zu
entnehmen, welchen Nutzeffekt die Maschine erzielen sollte, geschweige
denn eine Zusicherung über bestimmte Absatzgebiete. Andrerseits wusste
die Beklagte, dass der Kläger die Maschine erst kürzlich fertiggestellt
und sie bis zum Vertragsschluss selbst nicht ausgebeutet hatte. Daher
war es gegeben, dass sie inbezug auf die Ausbeutungsmöglichkeit für
die verschiedenen Industrien des In-und Auslandes, die Verwertungsund
Gewinnberechnungen auf die eigene sachverständige Beurteilung abzustellen
hatte, und umsoweniger auf allfällige Meinungsäusserungen des Klägers
bauen durfte, als dieser ja die Übernahme der in die Vertragsentwürfe
der Beklagten aufgenommenen Garantie für die Verkäuflichkeit der
Feilmaschine in ihrer jetzigen Konstruktion ausdrücklich abgelehnt
hatte und eine solche im bereinigten Vertragstext nicht enthalten
ist. Die Gewährleistungspflicht des Klägers beschränkte sich somit
in Ermangelung einer Zusicherung über den Umfang der Verwertbarkeit
der Maschine in der Industrie, ihre Absatzfähigkeit und den aus der
Ausbeutung zu erzielenden Gewinn auf den Bestand des Patentrechts für
eine technisch leistungsfähige Feilmaschine.

Entscheidend ist nun in dieser Hinsicht der Befund der Experten, welche
kategorisch erklärt haben, dass es sich um eine sachgemäss ausgeführte
Werkzeugmaschine mit gut durchstudierter und sorgfältig ausgearbeiteter
Konstruktion des Feilenbandes handle, die

136 Obiigationenrecht. N° 25.

Maschine neu und brauchbar sei, zwölfmal rascher arbeite als es mit
Handfeilen der Fall sei und die Zahl der Hiebe 5-10 betrage. Das deutsche
Patent enthalte alle in der Patentanmeldung erwähnten wesentlichen
Merkmale in konziser Form; der im genannten Patent enthaltene Schutz
sei demjenigen des schweizerischen Patentes ebenbiirtig, indem speziell
das Feiienband, das wesentlichste und charakteristischste Organ der
ganzen Maschine, im deutschen Patent voll geschützt sei. Damit ist der
Beweis erbracht, dass eine Erfindung vorliegt, dass sie neu und an
sich zu gewerblicher Verwertung geeignet ist. Der Umstand, dass die
Experten gleichzeitig hervorheben, das Feilen Werde heutzutage nur
noch dazu verwendet, Unvollkommenheiten der maschinellen Bearbeitung
durch Drehen, Hebeln usw. zu heben, es beschränke sich auf bestimmte
faconnierte Teile (Blechlehren, Gusstücke aus weichem Metall usw.) und
auf wenige Arbeitsgebiete und Betriebe, so dass die Feilmaschine die
Fräsmaschine nicht voll ersetze und ihre Einführung in der Industrie,
zumal unter der gegenwärtigen Krisis, schwer halte, vermag am Gesagten
nichts zu ändern. Diese Betrachtungen der Experten berühren die
technische Seite des Problems nicht, sondern sie heschlagen einzig Grad
und Umfang der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Maschine, worüber
der Kläger die Abgabe irgendwelcher Zusicherung verweigert hat; es ist
ihm deshalb beiznstimmen, dass er seinen vertraglichen Verpflichtungen
als Lizenzgeber. nachgekommen ist. Der Kläger hat sich auch nicht etwa
hinsichtlich der Beschaffung des deutschen Patents im Verzuge befunden;
denn es war ihm dafür im Vertrag keinerlei Frist gesetzt und die Experten
stellen fest, dass die Erwirkung deutscher Patente in der Regel eine
längere Zeitspanne erfordert, was den Organen der Beklagten bekannt
sein musste, wie denn auch die Akten keinen Anhaltspunkt dafür bieten,
dass die Beklagte vor dem 14. Mai 1925 wegen Ausstehens des deutschen
PatentesObligationenrecht. N° 25. 137

beim Kläger vorstellig geworden wäre, und dieser ihr ja schon am 6.Juni
1925, also vor Ablauf der angesetzten Frist, von der Mitteilung des
Reichspatentamtes über die erfolgte Patenterteilung Kenntnis gegeben hat.

4. Bezüglich der von der Beklagten erhobenen Betrugseinrede (OR Art. 28)
fällt in Betracht :

a) Die Beklagte erblickt eine absichtliohe Täuschung durch den
Kläger vorab darin, dass dieser ihr vorgegeben habe, er stehe mit
der Werkzeugmaschinenfabrik Örlikon in Verbindung und es akzeptiere
dieselbe seine Bedingungen vorbehaltlos. Allein nach der eingelegten
Korrespondenz war diese Angabe inhaltlich insofern wahr, als der Kläger
mit jener Fabrik in Verbindung stand und sie sich um die Fabrikation der
Maschine interessierte. Ferner weist die Vorinstanz zutreffend daraufhin,
dass offenbar nicht diese Angabe des Klägers die Beklagte in erster
Linie zum Vertragsschlusse bewegen habe, sondern die vorausgegangene
wiederholte Besichtigung und Prüfung der Maschine durch ihre eigenen
Organe und die darauf gestützte eigene Beurteilung der Anwendungsund
Verwertungsmöglichkeiten. Es liegt nichts dafür vor, dass etwa der Kläger
auf einen überstürzten Vertragsabschluss gedrängt hätte; ja es spricht
der Umstand, dass die Unterhandlungen sich vom Juni 1924 bis Ende August
hingezogen haben, durchaus gegen eine solche Annahme, und es bot diese
Zeitspanne der Beklagten reichlich Gelegenheit zu allseitiger Überlegung,
eventuell sogar zur Einholung fremden Rates.

b) Das Nämliche ist hinsichtlich der angeblichen Täuschung durch die
Behauptung des Klägers, dass die Fa. Brown, Boveri & Cie in Baden eine
nach seinem System konstruierte Maschine für ihre Fabrik in Münchenstein
gekauft habe, zu sagen. Wie sich aus der Zuschrift von Brown, Boveri &
(31° vom 29. Januar 1926 an den Kläger ergibt, hatte in der Tat der
Kläger dieser Firma eine Probemaschine zugesandt, die aber für ihre
Zwecke nicht genügend Vorteile bot und des-

es 53 II 1927 10

138 Obligationenrecht. N° 25.

halb an den Kläger zurückgesandt wurde. Im übrigen hat die Beklagte
zugegeben, dass der Kläger jener Erklärung beifügte, dass Brown,
Boveri & Cle weitere Bestellungen machen werden, wenn die Feilmaschine
gut ausfalle; sie konnte also hieraus entnehmen, dass die Badener Firma
sich noch kein endgültiges Urteil gebildet habe, so dass die Behauptung,
als habe jene Äusserung desKlägers sie zum Vertragsschluss bestimmt,
vollends nicht als glaubwürdig erscheint.

c) Der Reklameprospekt des Klägers verrät einen offensichtlichen
Optimismus in der Einschätzung der Bedeutung der Erfindung und ist,
wie schon der Ausdruck grösster Schlager für sich allein dartut,
marktsehreierisch gehalten, so dass jeder vorsichtige Leser von dessen
Angaben einen Abstrich machen musste. Im grossen und ganzen sind aber
dieselben, wie die Experten dar-tun, nicht unrichtig. Soweit sie über
die Wirklichkeit hinausgehen, erscheint zudem die Beklagte zur Erhebung
der Betrugseinredc nicht als legitimiert; denn ihr technischer Direktor,
Seeberger, hat den Prospekt, nach eingehender Besichtigung der Maschine

auch im Betriebe, im wesentlichen selber aufgesetzt,

oder zum mindesten an der Abfassung mitgewirkt, und es hat die Beklagte
später einen eigenen Prospekt herausgegeben, der die Hauptangaben
desjenigen des Klägers wiedergibt und bestätigt. Angesichts der
Fachkenntnis, über welche ihre Organe 'Verfügen, war die Beklagte
in erster Linie befugt, die Angaben des'Klägers auf ihre Richtigkeit
nachzuprüfen und allfällige Ungenauigkeiten richtigzustellen. Unter allen
Umständen aber mangelt, wie die Vorinstanz feststellt, der Beweis dafür,
dass der Kläger sich der Unrichtigkeit der Angaben bewusst war, wie
übrigens nach den Ausführungen der Experten auch kompetentere Personen
sich durch den guten Eindruck der Maschine bestechen liessen.

5. Ferner macht die" Beklagte geltend, sie habe sich (wie eventuell auch
der Kläger selbst) bei Abschluss

Obligationenrecht. N° 25. 139

des Vertrages über die allgemeine Brauchbarkeit und gewerbliche
Verwertbarkeit der Erfindung und speziell über die ,Eignung der
Feilmaschine als Ersatz für die Fräsmaschine in einem wesentlichen
Irrtum befunden (OR Art. 23/24). Der Umstand, dass man es bei der
beklagten Aktiengesellschaft mit einer Spezialistin auf dem Gebiete
des Maschinenbaues und Maschinenhandels zu tun hat, deren Organe
mit den Verhältnissen und Bedürfnissen der mit diesem Gewerbe in
Beziehung stehenden vielfältigen Betriebe offenbar vertraut sind,
lässt es als fraglich erscheinen, ob die Beklagte wirklich von einer
unrichtigen Auffassung über die wirtschaftliche VerWertbarkeit und
die Gehrauchsfähigkeit der in Frage stehenden Maschine ausgegangen
sei, oder ob sie nicht vielleicht erwartete, dass Qualität und
Leistungsver-mögen der Maschine, in Verbindung mit einer künftigen
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im allgemeinen und derjenigen
der Maschinenindustrie im besonderen, die bisherigen Bedürfnisse
steigern und eine Erhöhung des Absatzes bewirken werden. Selbst wenn
indessen die Beklagte bei Vertragsabschluss in jener Richtung in einem
Irrtum befangen gewesen sein sollte, so könnte von den in Art. 24
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.
OR
aufgezählten Fällen des wesentlichen Irrtums von vorneherein nur der
letzte, der sog. Grundlagenirrtum, in Frage kommen. Das Bundesgericht
hat wiederholt ausgesprochen, dass der Grundlagenirrtum seiner Natur
nach ein besonders qualifizierter Irrtum im Motiv ist, der um seiner
speziellen Eigenschaften willen ausnahmsweise so behandelt Werden soll,
als wäre er ein wesentlicher, weshalb bei Anwendung von Art. 24 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 24 - 1 Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1    Der Irrtum ist namentlich in folgenden Fällen ein wesentlicher:
1  wenn der Irrende einen andern Vertrag eingehen wollte als denjenigen, für den er seine Zustimmung erklärt hat;
2  wenn der Wille des Irrenden auf eine andere Sache oder, wo der Vertrag mit Rücksicht auf eine bestimmte Person abgeschlossen wurde, auf eine andere Person gerichtet war, als er erklärt hat;
3  wenn der Irrende eine Leistung von erheblich grösserem Umfange versprochen hat oder eine Gegenleistung von erheblich geringerem Umfange sich hat versprechen lassen, als es sein Wille war;
4  wenn der Irrtum einen bestimmten Sachverhalt betraf, der vom Irrenden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet wurde.
2    Bezieht sich dagegen der Irrtum nur auf den Beweggrund zum Vertragsabschlusse, so ist er nicht wesentlich.
3    Blosse Rechnungsfehler hindern die Verbindlichkeit des Vertrages nicht, sind aber zu berichtigen.

OR mit grosser Vorsicht vorzugehen und jeWeilen genau zu untersuchen
sei, ob der angerufene Irrtum nicht eher doch seinem wahren Wesen
nach ein gewöhnlicher Irrtum im Beweggrund sei: der Grundlagenirrtum
kennzeichne sich dadurch, dass es bei ihm nicht lediglich auf die
subjektive Vorstellung des lrrenden ankomme, sondern daneben auf ein
objektives Moment,

140 Obligationenrecht. N° 25.

nämlich darauf, ob diese Vorstellung sich bezogen habe auf einen
Sachverhalt, der bei objektiver Betrachtung, vom Standpunkt des loyalen
Geschäftsverkehrs aus, als conditio Sine qua non fùr den Abschluss
eines solchen Vertrages bezeichnet werden könne (vgl. BGE 43 II 780
f., 47 II 89 ff., 48 II 238 ff., 380 f., 49 II 493 ff., Urteil vom
7. II. 1927i. S. Leemann c. Egger,OSEn Komm. Anm. VII 3a zu OR 24,
VON TUI-IR OR I 257 ff.). Das kann aber inbezug auf die Vorstellung,
Welche den irrtümlichen Beweggrund der Beldagten für ihren Vertragswillen
gebildet haben soll, schon deshalb nicht zutreffen, weil ja, wie bereits
in Erw. 3 betont wurde, die anfänglich vorgesehene Vertragsklausel, dass
die Beklagte von der Verpflichtung zur Herstellung und zum Verkaufe von
wenigstens 10 Feilmaschinen per Monat befreit sein solle, wenn sich
in der Praxis ergebe, dassdieMaschineinihrer jetzigen Konstruktion
unverkäuflich sei oder der patentamtliche Schutz sich als unwirksam
erweise, infolge Ablehnung durch den Kläger fallen gelassen wurde und
durch die Bestimmung ersetzt worden ist, die Lizenznehmerin könne vom
Vertrag ,nur zurücktreten, wenn das deutsche Patent nicht in angemeldeter
oder beschränkter Form zur Erteilung gelangen sollte (Ziff. 4 des
Vertrages vom 21. August 1924). Aus diesem Werdegang des Vertrages
ergibt sich zwingend, dass das Risiko für den Umfang der Verwertbarkeit
der Erfindung bei der Beklagten verblieb, und es kann sich dieselbe,
nachdem ihre Erwartungen über die Verkäufliehkeit der Feilmaschine des
Klägers nicht in Erfüllung gegangen sind, nicht hinterher auf einen
Irrtum über die Vertragsgrundlagen berufen. Es liegt ein blosser Irrtum
im Beweggrund vor, der den Irrenden nicht zur Anfechtung des Vertrages
wegen Willensmangels berechtigt (OR Art. 24 Abs. II). Die Beklagte musste
mit der Möglichkeit rechnen, dass ihre Annahme über die Absatzchancen sich
nicht verwirklichen werde, und sich schlüssig machen,Obligationenrecht. N°
25. 141

ob sie trotz Ablehnung der Übernahme des Verkäuflirhkeitsrisikos durch
den Kläger den Lizenzvertrag abschliessen wolle oder nicht.

6. Bei dieser Sachlage ist auf die von der Vorinstanz erörterte Frage
der Konkurrenz eines allfälligen Gewährleistungsanspruchs der Beklagten
wegen Mängel der Gegenstand des Lizenzvertrages bildenden Erfindung mit
dem Anspruch auf Unverbindlicherklärung des Vertrages wegen Irrtums
nicht einzutreten. Im wäre für eine Anrufung der Art. 277
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 277 - Umfasst die Pacht auch Geräte, Vieh oder Vorräte, so muss jede Partei der andern ein genaues, von ihr unterzeichnetes Verzeichnis dieser Gegenstände übergeben und sich an einer gemeinsamen Schätzung beteiligen.

und 254
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 254 - Ein Koppelungsgeschäft, das in Zusammenhang mit der Miete von Wohn- oder Geschäftsräumen steht, ist nichtig, wenn der Abschluss oder die Weiterführung des Mietvertrags davon abhängig gemacht wird und der Mieter dabei gegenüber dem Vermieter oder einem Dritten eine Verpflichtung übernimmt, die nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängt.
OR durch die Beklagte sowieso kein Raum, weil sie sich ja ein
Rücktrittsrecht ausschliesslich für den Fall vorbehalten hat, dass
das deutsche Patent nicht in angemeldeter oder eingeschränkter Form dem
Kläger erteilt werden sollte, und die Beklagte überhaupt auf die Übernahme
einer Garantie für die Verwertbarkeit der Erfindung seitens des Klägers
verzichtet hat, so dass auch von einer Herabsetzung ihrer Leistungen als
Lizenznehmerin wegen Nichtverwendbarkeit der Feilmaschine des Klägers
als Fräsmaschine nicht die Rede sein könnte. Endlich geht auch die in
der heutigen Verhandlung erfolgte Berufung auf Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
und 119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
OR fehl,
da höchstens von einer subjektiven, keineswegs aber von einer objektiven
Unmöglichkeit der Erfüllung des Vertrages, welcher nach wie vor in Kraft
steht, gesprochen werden kann.

7. Hieraus ergibt sich, dass die Hauptklage grundsätzlich gutzuheissen,
die Widerklage dagegen abzuweisen ist.

Zu den einzelnen Forderungsposten der Klage ist zu bemerken :

(1) Laut Ziff. 2 des Vertrages war die zweite Anzahlung von 5000 Fr. an
die Pauschallizenzvergütu ng von 20,000 Fr. für die Lizenzbewilligung
am 30. September 1924 fällig ; dieser Betrag ist daher zu schützen.

ò) Laut derselben Bestimmung war die zweite Hälfte der
Pauschalentschädigung von 20,000 Fr. vom 31. Oktober 1924 hinweg in
monatlichen Raten Von je 2000 Fr.

142 Obligaüonenrecht. N° 25.

auszurichten. Die der Beklagten in Rechnung gebrachte Summe von 10,000
Fr. ist somit dem Kläger in vollem Umfange zuzusprechen.

0) Die von der Beklagten geschuldete Stücklizenzgebühr beträgt gemäss
Ziff. 2 und 3 des Vertrages:

für die Maschine, unter Zugrundelegung eines Minimums von 2 Maschinen
pro Monat und einer Gebühr von 300 Fr. per Maschine, für 14 Monate
(September 1924 bis und mit Oktober 1925) 8400 Fr.,

für die Feilen, unter Zugrundelegung eines Minimums von 1800 Feilen per
Jahr, und einer Vergütung von 2 Fr. pro Feile, ebenfalls für 14 Monate
4200 Fr.

d) Die dem Kläger laut Ziff. 1 des Vertrages gegen Vorweisung der Belege
zu vergütenden Kosten für Erwerbung und Aufrechterhaltung der Patente
betragen laut Feststellung der Vorinstanz, die nicht als aktenwidrig
angefochten wurde und bei welcher es daher sein Bewenden hat, 4812
Fr. 40 Cts.

e) Endlich hat der Kläger Anspruch auf Vergütung der Reisespesen von 959
Fr. 75 Cts. (Propagandareise nach Leipzig) und 1118 Fr. 90 Cts. (Reise
nach Prag und Neusedlitz), die nicht als übersetzt erscheinen, sowie auf
Rückerstattung des Darlehens von 100 Fr. an den ehemaligen Direktor der
Beklagten, namens Fritz.

Die Klageforderung ist daher im Gesamtbetrage von 34,591 Fr. 05
Cts. zuzusprechen.

8. Da der Vertrag den Kläger zur Einsichtnahme in die Verkaufsbücher und
Fakturakopien der Beklagten berechtigt, soweit sich dieselben auf den
Vertragsgegenstand beziehen, und der Kläger an dieser Einsicht-nahme
ein rechtliches Interesse behufs endgültiger Feststellung seiner
Lizenzgebühransprüche hat, ist auch das Klagebegehren 2, welches auf
Verlegung jener Bücher und auf Zahlung der vertraglichen Stücklizenzgebühr
für allfällig über das im Vertrag festgesetzte Minimum hinaus verkaufte
Maschinen und Feilen gerichtet ist, zu schützen.Obligationenrecht. N°
26. 143

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Anschlussberufung der Beklagten und Widerklägerin wird abgewiesen,
die Hauptberui'ung des Klägers und Widerbeklagten dagegen insoweit
begründet erklärt, als in Abänderung des Urteils des Handelsgerichts
des Kantons Aargau vom 22. Dezember 1928:

a) die Beklagte zur Zahlung von 34,591 Fr. 05 Cts. nebst 5% Zins seit
31. Oktober 1925 an den Kläger verurteilt wird, unter Abweisung der
Mehrforderung;

&) die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger behufs Ermittlung der
bisher verkauften Maschinen und Feilen ihre Bücher vorzulegen, und
sofern sich dabei ergeben sollte, dass pro Monat mehr als 2 Maschinen
und pro Jahr mehr als 1800 Feilen ,verkauft werden sind, für jede über
die-Minimalzahl hinaus verkaufte Maschine 300 Fr. und für jede über die
Minimalzahl hinaus verkaufte Feile 2 Fr. zu bezahlen;

c) die Widerklage gänzlich abgewiesen wird.

28. Urteil der I. Zivilabteîluhg vom 11. April 1927 i. S. Hahhum-Denver
gegen Witwe Birk-Stfittmatter.

Kaufvertrag über eine Wirtschaft. Unverbindlichkeit für den ss Käufer
wegen absichtlicher Täuschung und Grundlagenirrtums (OR 24') 'I Bedeutung
der Wegbedingung einer Gewährleistung.

A. Im Frühjahr 1926 erliess der Kläger J. Bächtold folgendes
Zeitungsinserat: Zu verkaufen: In kleiner Gemeinde des Zürcher
Oberlandes, gut gelegenes Wirtschäftli, ...... Preis 36,000 Fr., Anzahlung
6 8000 Fr. Antritt nach Übereinkunft. Auskunft beim Eigentümer

"J. Bäch'told Deuber, Wetzikon (Zürich).

Ein Gesuch der Beklagten Witwe Birk-Strittmatter in schwanden (Kt. Glarus)
um näheren Aufschluss über das Heimwesen wurde vom Kläger am 11. Mai
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 53 II 127
Date : 21. März 1927
Published : 31. Dezember 1927
Source : Bundesgericht
Status : 53 II 127
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 126 Obligationenrecht. N° 24. dadurch, dass sie den Haushalt besorgt, ihm eine beträchtliche,


Legislation register
OR: 20  24  107  119  254  277
BGE-register
33-II-80 • 35-II-275 • 39-II-323 • 43-II-775 • 44-II-66 • 47-II-86 • 48-II-236 • 49-II-475 • 51-II-57
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defendant • inventor • month • license agreement • error • federal court • contract conclusion • lower instance • material error • undertaking • interest • licensee • question • counterclaim • number • hamlet • time limit • error on a material point • motivation • aargau
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