222 Obligationenreeht. N° 38.

verlauten lassen, lag die Annahme nahe, und waren die Beklagten zu
derselben berechtigt, dass die Kläger bei Zusprechung der geforderten
beträchtlichen Pauschalsumme sich als voll entschädigt betrachteten
und auf weitere Forderungen, insbesondere auf Geltendmachung von
Verzugszinsen, verzichteten.

Der Erlass lag aber so sehr im Interesse der Beklagten, dass ihr
stillschweigen unbedingt als Zustimmung gedeutet werden muss. Damit
war der Erlass des Zinsanspruchs verbindlich zustande gekommen, und es
konnte hieran der Vorbehalt, den die Kläger erst volle 6 Jahre später,
in dem nach dem bundesgerichtlichen Rückweisungsurteil durchgeführten
neuen kantonalen Verfahren, vor der obern Instanz gemacht haben, nichts
mehr ändern. Die Beklagten scheinen zwar gegen diesen nachträglichen
Vorbehalt nichts eingewendet zu haben ; doch vermag dieser Umstand allein
die Annahme eines Verzichts nicht zu entkräften, wie strenge es auch im
übrigen mit der Annahme eines Erlasses durch konkludente Handlungen zu
nehmen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des _Obergerichts des Kantons Luzern vom ll. September 1925
bestätigt.

obligationenrecht. N° 39. 223

39. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Mai 1926 i. S. Högger gegen
Bernet.

Konventionalstrafe Herabsetzung. OR 163 III. Bei der Frage der
Übermässigkeit ist nicht schlechthin auf die Höhe der Interessen
abzustellen, die bei Aufstellung des Verbotes ins Auge gefasst wurden,
sondern es ist auch in Betracht zu ziehen, in welchem Umfang diese
Interessen durch das verbotswidrige Verhalten verletzt worden Sind.

A. Der Kläger Högger hatte dem Beklagten Johann Bernet im September 1921
seine Liegenschaft mit

ss Bäckerei in Riggenswil verkauft, und kaufte sie dann am

3. Januar 1922 von diesem wieder zurück (mit einem Mehrpreis von 12,000
Fr.). Dabei verpflichtete sich der Beklagte, laut einer dem Kläger am
gleichen Tage ausgestellten Bescheinigung : dass er ihm als Bückkäufer
seiner Liegenschaft in Riggenswil in keiner Weise Konkurrenz machen
wolle, bei einer Busse von 10,000 Fr. auf die Dauer von 10 Jahren.
(Beigefügt ist: für das Dorf Flawil kommt diese Verpflichtung nicht in
Betracht, und ist die Grenze bei Lindenhof-Botsberg.)

Am 31. Januar 1925 kaufte sodann ein Albert Wigert die Bäckerei
zur Luxburg in Nieder-Uzwil, welche Ortschaft innerhalb des vom
Konkurrenzverbot betroffenen Gebietes liegt. Er verkaufte sie aber
schon am 9. Mai 1925 an Paul Bernet (dass dieser mit dem Beklagten
verwandt sei, ist nicht behauptet). Der Beklagte betätigte sich
in verschiedener Weise sowohl bei der Herrichtung dieser Bäckerei,
als bei deren Betrieb, und endlich bezüglich ihres VVeiterverkaufs
an einen Liebhaber in Chur, namens Bänziger. Aus den Zeugenaussagen
und teilweise auch aus den eigenen Angaben des Beklagten geht hervor,
und wird von der ersten Instanz festgestellt, dass er, während Wigert
Besitzer war, mindestens die halbe Zeit sich auf der Luxburg aufhielt,
daselbst Malerund Maurerarbeiten ausführte,

AS 52 II 1926 16

224 , Obligationenrecht. N° 39.

und zeitweilig auch in der Backstube mithalf, 2. B. beim Kneten, Bereiten
von Konditoreiwaren usw., ferner dass er einige Male in dem Umkreis,
den er früher von Riggenswil aus besucht hatte und wo die. Kunden ihn
kannten, mit dem Brotwagen fuhr, endlich dass der in der Bäckerei zur
Luxburg angestellte Lehrbursche beim Kundensuchen, insbesondere in Bichwil
(das zum engsten Kundenkreis des Klägers gehört) die Leute aufmerksam
machte, dass der Beklagte auf der Luxburg sei.

B. Der Kläger erklärte nun die Konventionelstrafe von 10,000 Fr. als
verfallen, und klagte sie mit der vorliegenden Klage ein, indem er
behauptete, der Beklagte habe bei der Erwerbung der Bäckerei zur
Luxburg den Wigert als seinen strohmann vorgeschoben ; wirklicher
Eigentümer und Betriebsführer sei er selbst gewesen ; und er habe auch
durch seine gesamte Tätigkeit, insbesondere durch Kundengewinnung,
das Konkurrenzverbot übertreten.

Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Er bestritt, an dem Ankauf
und dem Betrieb des Geschäfts in der Luxburg beteiligt gewesen zu sein
und behauptete, seine dortige Tätigkeit habe sich auf untergeordnete
Arbeiten beschränkt, welche nicht als Übertretung des Konkurrenzverbotes
angesehen werden können.

C. Während die erste Instanz die Klage im reduzierten Betrage von 2000·
Fr. geschützt hatte, sprach das thurgauische Obergericht durch Urteil
vom 28. Januar 1926 dem Kläger 5000 Fr. nebst 5 % Zins seit 15. Mai 1925
zu. Es stellt zunächst fest, ein rechtsgenüglieher Beweis dafür, dass
eigentlich der Beklagte das Geschäft in der Luxburg gekauft und verkauft
habe, und Vigert dabei nur sein Strohmann gewesen sei, sei nicht erbracht;
ebenso nicht dafür, dass zwischen den Beiden ein Abkommen getroffen
worden sei, wornach der Beklagte direkt oder indirekt an dem Heimwesen
mitinteressiert sein sollte. Mehrere Momente lassenObligationenrecht. N°
39. 225

es zwar als zur Wahrscheinlichkeit bewiesen erscheinen, dass der'Beklagte
Mitinteressent an jenem Objekte gewesen sei; doch habe der Kläger
auf ein Schiedshandsgelübde des Beklagten ausdrücklich verzichtet,
und so liege ein voller Beweis zugunsten des Klägers für diese seine
Behauptung nicht vor. Dagegen sei mindestens der Beweis dafür zur vollen
Überzeugung des Gerichts erbracht, dass sich der Beklagte in einer, gegen
das Konkurrenzverbot verstossenden Weise und gegen Treu und Glauben im
Geschäfte des Wigert betätigt habe. An und für sich, und namentlich auch
im Hinblick darauf, dass der Beklagte kurz vorher durch den Wiederverkauk
der Bäckerei in Riggenswil an den Kläger einen auffallend hohen Gewinn
in sehr kurzer Zeit erzielt habe, erscheine die Konventionalstrafe nicht
als übersetzt; doch rechtfertige sich die Herabsetzung auf die Hälfte
mit Rücksicht darauf, dass dem Kläger aus dem Verhalten des Beklagten
immerhin ein nur untergeordneter schaden erwachsen sei.

D. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag, die Klage sei in vollem Umfange zu schützen,
eventuell es sei die von der Vorinstanz zugesprochene Summe angemessen
zu erhöhen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Es fragt sich in erster Linie, ob überhaupt eine Herabsetzung der
Konventionalstrafe zulässig sei. Die Voraussetzung dafür bildet nach
Art. 163 Abs. III OR, dass sie übermassig hoch sei. Die Vorinstanz hat
gefunden, dass dies an und für sich hier nicht zu-treffe, und es ist ihr
beizustimmen, wenn hierunter verstanden wird, dass die Vereinbarung in der
Höhe von 10,000 Fr. durch das Interesse wohl gerechtfertigt sein mochte,
welches der Kläger an dem Schutz dagegen haben konnte, dass der Beklagte
ihm Konkurrenz mache, d.h. als Mitbewerber in seinem Kundenkreis auf-

226 , obligationcnrecht. N° 39.

trete. Nun ist aber das vereinbarte Verbot eben nicht auf einen
derartigen, eigentlichen Wettbewerb beschränkt; mit den Worten in
keiner Weise ist ausgedrückt, si dass auch blosse Begünstigung oder
Nebenbetätigung auf dem Gebiet der Konkurrenz, 2. B. durch berufliche
Wirksamkeit in einem andern Geschäft, oder durch finanzielle Unterstützung
eines solchen, unter das Verbot fallen soll. Eine derartige indirekte
Betätigung kann an sich in ihren Wirkungen, je nach den Umständen, den
Interessen des Berechtigten ebenso schaden, wie eigener Wettbewerb; sie
kann aber auch weniger gefährlich oder schädigend sein, und es kann sich
demgemäss ereignen, dass das dem Beklagten zur Last fallende Verhalten
zwar eine Übertretung des Konkurrenzverbots darstellt, aber doch nur
einen solchen Eingriff in die Rechtssphäre des 'Klägers bedeutet, dessen
Ahndung mit der vereinbarten Strafe als eine übermässige empfunden werden
muss. Die Frage der Übermässigkeit ist daher nicht schlechthin danach
zu beurteilen, welche Höhe die Interessen erreichen mochten, die bei
der Abfassung des Verbots ins Auge gefasst werden konnten und wurden,
sondern es ist dabei auch in Betracht zu ziehen, in welchem Umfange
diese Interessen durch das dem Beklagten zur Last fallende Verhalten
tat-sächlich verletzt worden sind; wenn der Betrag der verfallenen Strafe
in keinem vernünftigen Verhältnis zum Schaden des Gläubiger-s steht,
so erscheint die Strafe als eine übel-mässng und ist deshalb nach Art.
163 Abs. III OR herabzusetzen, ebenso wie in dem Falle, wo die Parteien
von Anfang an die in Betracht kommenden Interessen unrichtig geschätzt
haben (vgl. v. TUI-IR OR II S. 871). ,

2. Hievon ausgegangen ist es für die Beurteilung des vorliegenden
Falles von entscheidender Bedeutung ob mit dem Kläger anzunehmen sei,
der Beklagte habe in Wirklichkeit das Geschäft zur Luxburg für eigene
Rechnung erworben und betrieben, bezw. sichObligationenrecht. N° 39. 22?

daran beteiligt, oder ob ihm lediglich diejenige Tätigkeit zur Last falle,
welche die Vorinstanz als rechtsgenüglich bewiesen bezeichnet hat. Die
Entscheidung dieser Frage wird vom kantonalen Beweisrecht beherrscht, und
es kann hinsichtlich derselben von einer Verletzung von Bundesrecht nicht
gesprochen werden. In Bezug auf das Verhältnis des Beklagten zu Wigert
handelt es sich für den Richter nicht darum, aus dem Verhalten des einen
und des andern Schlüsse auf den Inhalt der zwischen ihnen getroffenen
Vereinbarungen zu ziehen, sondern darum, ob überhaupt Vereinbarungen
getroffen worden seien, die eine Beteiligung des Beklagten zum Gegenstand
haben könnten. Da die Feststellung der Vorinstanz, dass der Beweis hiefür
nicht hinreichend geleistet sei, weder mit den Akten, noch mit den Grund-'
Sätzen über die Verteilung der Beweislast im Widerspruch steht, ist das
Bundesgericht an diese Feststellung gebunden. _

3. Wenn man sich aber bloss solche Konkurrenzhandlungen, die gemäss
dieser kantonalrechtlichen Feststellung dem Beklagten wirklich zur Last
gelegt werden können, als den Gegenstand des Verbots denkt, so erscheint
die vereinbarte Konventionalstrafe als betr'ächtlich übersetzt. Ein
erhebliches Interesse des Klägers kann überhaupt nur angenommen werden
bezüglich derjenigen Tätigkeit des Beklagten, in der er seine beruflichen
Kenntnisse und Fertigkeiten bewahren konnte, und ferner hinsichtlich
seiner Berührung mit dem Publikum. Als wesentlich kommt wohl nur in
Betracht die Mithilfe bei Anfertigung von Konditoreiwaren, und sodann
die Verbreitung des Gerüchts dass der Beklagte auf der Luxburg sei, das
der Beklagte zwar nicht selbst ausgestreut hat und nicht hat ausstreuen
lassen, wozu er aber durch seine Betätigung und seinen Aufenthalt auf
der Luxburg Anlass gegeben hat. Als selbständige verbotswidrige Handlung
erscheint auch der Brief des Beklagten an Bänziger nicht; denn eine

228 _ Obligationenreeht. N° 40. Konkurrenzausiibung lag in der
Verkaufsvermittlung für einen Dritten an sich nicht.

Dass der dem Kläger zugefügte Schaden nicht bedeutend war, haben
beide kantonalen Instanzen festgestellt, und es stimmt damit auch die
Haltung der Parteien im Prozess überein. Der Schaden ist darnach durch
den zugesprochenen Betrag von 5000 Fr. reichlich gedeckt. Auf den vom
Beklagten durch den Wiederverkauf der Bäckerei an den Kläger erzielten,
ausserordentliehen Gewinn darf nicht abgestellt werden, da dieser Gewinn
und die Konventionalstrafe in keinem Zusammenhang stehen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergeriehts des Kantons
Thurgau vom 28. Januar 1926 bestätigt.

40. Urteil der I. Zîvilabteîlung vom 18. Mai 1926 i. S. Erben Bodmer
gegen Sehöffter.

Ungerechtfertigte Bereicherung: Klage auf Rückerstattung von pränumerando
bezahlten Zinsen wegen vorzeitiger Tilgung der Darlehensschuld. Begriff
des Zinses.

A. Der Kläger Sehöffter benötigte für den Umbau seines Hauses
Bahnhofstrasse 83 in Zürich Geld und traf im Januar 1920 mit
J. A..-W. Bodmer eine Vereinbarung, wonach dieser sich verpflichtete,
ihm ein auf 5 Jahre festes Darlehen im Betrage von 300,000 Fr.
zu gewähren, gegen Übergabe eines auf dem Hause des Klägers zu
errichtenden sechsprozentigen Inhaberschuldbriefes von 300,000 Fr. zu
Faustpfand. Nach vollständiger Ausbezahlung der Darlehenssumme die
sukzessive zu geschehen hatte sollte der Schuldbrief in das Eigentum
des Darleihers übergehen. Uber die Verzinsung bestimmte Bodmer in seinem
Bestätigungsschreiben vom 15. Januar 1920: Der Zins beträgt 81/2 %, wovon

Obligationenrecht. No 40. 229

6% im Schuldbrief erscheinen, die halbjährlich am 31. Januar und 31. Juli
zahlbar sind ..... ' . Die übrigen 2% % kurze ich auf meiner Auszahlung,
wie beim letzten Geschäft. Durch Gegenbestätigung vom 19. Januar 1920
erklärte sich der Kläger damit einverstanden.

In der Folge erhöhte Bodmer mit Zustimmung des K agere. den Abzug von
21/2 % auf 3%. Mit Schreiben vom 31. Dezember 1920 stellte er fest, dass
seine Zahlungen auf diesen Tag 160.000 Fr. ausmachen : vom 31. Januar
1921 auf vier Jahre fest, ohne weitere Kündigung am 31. Januar 1925
zurückzuzahlen und bis dahin halbjährlich am 31. Juli und 31. Januar à 6%
per Jahr zu verzmsen.

Für die restierenden 140,000 Fr. vereinbarten die Parteien, dass die
fünfjährige Darlehensdauer nicht schon am 31. Januar 1925, sondern erst
am 1. März 1926 zu Ende gehen sollte. Am 3. März 1921 stellte Bodmer dem
Kläger folgende Abrechnung per 1. März zu : Am 12. Februar 1921 zahlte
ich Ihnen Fr. 12,869.80 hiezu kommt Zins und Bankkomrnission

bis 1. März ........... 57.90 Am 1. März übergab ich IhnenCheek

von .............. 20,000.dazu 3% Bankkommission für 5 Jahre 4,939.15
Sie schulden mir am 1. März 1921 . . . Fr. 37.866.85

wofür der Kläger am 5. März den Richtigbefund erstattete. Bis zum
31. Juli 1921 ergänzte Bodmer seine Zahlungen bis auf die erwähnte
Summe von 140,000 Fr., was er dem Kläger mit Schreiben von diesem
Tage bestätigte. In seiner Aufstellung rechnete er in diese Summe
11. a. folgenden Posten ein : 12,038 Fr. 20 Cts. als Kommission auf
89,171 Fr. 85 Cts. vom 31. Juli 1921 bis 1. März 1926. Mit Zuschrift
vom 22. September 1924 teilte ihm der Kläger mit, dass er am 31. Januar
1925 die ganze schuld von 300,000 Fr. zurückzahlen werde, womit sich
Bodmer am 24. September einverstanden erklärte. Am 20. Januar
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Dokument : 52 II 223
Datum : 10. Mai 1926
Publiziert : 31. Dezember 1926
Quelle : Bundesgericht
Status : 52 II 223
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 222 Obligationenreeht. N° 38. verlauten lassen, lag die Annahme nahe, und waren


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