292 Staatsrecht.

zu den gebotenen Reservestellungen ausreicht. Dieses Wesen der
Konsumgenossenschaften ist aber allgemein bekannt. Die Ankündigung eines
höheren als des sonst von den Händlern des Platzes gewährten Rabatts
durch eine solche Genossenschaft reicht daher noch nicht aus, um das
Publikum zur Annahme einer vorübergehenden Gelegenheit zu führen. Indem
die Instruktion selbst die Gewährung eines Rabatte. bis 5% bei Barkauf
freilässt und nicht der Ausverkaufsgesetzgebung unterstellt, anerkennt
sie, dass darauf ein notwendiges gesetzliches Merkmal des Ausverkaufs,
nämlich der vorübergehende Charakter der Vergünstigung nicht zutrifft. Es
fehlt aber jeder einleuchtende Grund dafür, warum dieses Merkmal auf
einmal vorhanden sein sollte, wenn bei der gieichen Einrichtung der
Betrag des Rabattes um einen Prozent gesteigert wird. Nach den nicht
bestrittenen Angaben der Rekursschrift bestehen denn auch an anderen
Orten (z. B. in Baselstadt) Detaillistenverbände, die auf dem Barkauf
sogar noch höhere Rabatte gewähren, ohne dass die Behörden, trotz des
Bestehens gleicher gesetzlicher Bestimmungen über die Ausverkäufe,
dagegen eingeschritten wären.

Die angefochtenen Beschlüsse, womit dem Rekurrenten die Einräumung
des statutarischen Rabatts von 6% untersagt wird, müssen demnach
schon auf Grund von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV (wegen Widerspruchs zu klarem kantonalem
Gesetzesrecht) aufgehoben werden. Die Frage der verfassungsrechtlichen
Zulässigkeit positiver kantonaler Gesetzesbestimmungen, wodurch auch
ein dauerndes Rabattsystem der vorliegenden Art von einem bestimmten
Rabattsatze an den gleichen Beschränkungen unterstellt würde wie die
Ausverkäufe, kann infolgedessen unerörtert bleiben. Dass durch den
betreffenden Rabattsatz die anderen Händler des Platzes benachteiligt
werden, welche eine gleiche Ermässigung beim Barkauf nur in geringerer
Höhe gewähren, könnte zu einer solchen Beschränkung jedenfalls nicht
genügen. Es müsstenHandelsund Gewerbefreiheit. N° 40. 293

dafür allgemeine öffentliche Interessen ewerbe olizeihche Gründe,
wie die Bekämpfung unfaugteren Ver bewerbes oder der Ausbeutung des
Publikums durcli unredhche, auf Täuschung ausgehende Machenschafte
angeführt werden können. Wieso aber diese Gefahr her; der Zusicherung
eines Rabattes von 6% gegeben sein sei], während sie bei einem solchen
von 5% fehlt ist nicht ersichtlich und es wird denn auch dafür irgend
ein triftiger Grund nicht angeführt.

'Ebenso braucht nicht untersucht zu werden, inwiefern die Eigenschaft
des Rekurrenten als Konsumverein selbst bei einer Ordnung des Erwerbes
der Mitglied: schaft, wie sie hier in den statuten getroffen wird,
allenfalls geeignet wäre, die Anwendung solcher kantonalgesetzlicher
Bestimmungen auf die Verkäufe an die M i t g l i e d e r auszuschliessen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs wird gutgeheissen und die angefochtene Verfugung des
Regierungsrats von Appenzell A.-Rh.

vom 13. März mit Nachtrag vom 17. März 1926 aufgehoben.

40. Urteil vom 12. November 1926 i. S. von Büren gegen Solothurn. '
Es bildet eine Verletzung der Garantie der Handelsund

Gewerbefreiheit, Wenn den Hausierern nicht gestattet wird

sich bei ihrer Berufsausübun d dienen, g er Motorfahrzeuge zu be-

A. Nach dem soloth. Gesetz über das Hausierund Marktwesen vom
16. Juli 1899 ist für die Ausübung des Hausiergewerbes der Besitz
eines vom Polizeidepartement auszustellenden Patentes erforderlich. Als
Hausrerverkehr wird nach § 1 Ziff. 1a u. a. betrachtet · Das Feilhalten
von Waren durch Umherführen und

294 Staatsrecht.

Umhertragen in den Strassen und in den. Häusern. Das Gesetz bestimmt,
welche Waren vom Hausierverkehr ausgeschlossen sind und welche nicht unter
die Patentpflicht fallen (§§ 2 und 4) und § 5 stellt für die Erteilung des
Patentes gewisse persönliche Erfordernisse auf. Dafür ist eine Gebühr zu
entrichten, die für den in § 1 Ziff. 1 litt. a bezeichneten Hausierverkehr
1 bis 200 Fr. per Monat beträgt; sie'ist innerhalb der gesetzlichen
Grenze nach der Natur der feilzubietenden Gegenstände, dem auszuübenden
Beruf und dem Umfang und Ertrag des Geschäftes festzusetzen. Nach §
25 kann das Polizeidepartement in Fällen, wo der Patentinhaber der
Übertretung gesetzlicher Vorschriften sich schuldig macht, das Patent
sofort. entziehen, wogegen beim Regierungsrat Beschwerde geführt werden
kann (§ 26). ss

Am 6. April 1926 ist dem Emil von Büren in Zürich vorn Polizeikommando
von solothurnein Hausierpatent gemäss § 1 Ziff. 1 a des Hausiergesetzes
ausgestellt worden, gültig bis 7. Mai 1926. Auf dem Patent wurde vermerkt,
dass die Benutzung eines Motorfahrzeuges untersagt sei. Einige Tage
später wurde von Polizeiorganen festgestellt, dass sich von Büren seine
Ware (Reisbesen) durch ein Personenautomobil der Firma Zeier in Zürich
in die verschiedenen Ortschaften nachführen liess. Aus ,diesem Grunde
wurde ihm das Patent weggenommen; die vorläufige Konfiskation wurde durch
Verfügung des Polizeidepartements vom 30. April 1926 geschützt ,und in
eine definitive Patentverweigerung umgewandelt. Von Büren rekurrierte
hiegegen an den Regierungsrat von Solothurn, der jedoch den Rekurs
durch Entscheid vom 24.27. Mai 1926 abwies, mit folgender Begründung:
Das kantonale Polizeidepartement hat seinerzeit an das Polizeikommando
die Weisung ergehen lassen, dass die Verwendung von Motorfahrzeugen beim
Vertrieb von Hausierwaren zu verbieten sei. Die genannte Weisung wurde
gestütztHandelsund Gewerbefreiheit. N° 40. 295

auf die in den Kantonsratsverhandlungen vom 24. N0vember 1924 gefallenen
Wünsche und Anregungen (vgl. Kantonsratsverbandlungen 1924 S. 521
ff.) erlassen, die in der Benützung von Wagen und insbesondere von
Motorfahrzeugen beim Hausierverkehr eine Schädigung der übrigen zu
Fuss wandernden Hausierer erblickten. In der Tat liegt in dieser Art
des forcierten Hausierverkehrs eine Gefahr nicht nur für den zu Fuss
wandernden Hausierer, sondern auch eine ungebührliche Schädigung
des ansässigen Gewerbes. Eine weitere Begründung der getroffenen
Massnahme liegt jedoch besonders in folgendem : In konstanter Praxis
der Patentbehörden wird die Erteilung von Hausierpatenten auf diejenigen
Bewerber beschränkt, die zufolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse
einen andern Erwerb nicht finden können. Aus diesem Grunde werden
zumeist auch ledige Bewerber abgewiesen. Diese Be-dürftigkeit scheint
jedoch in denjenigen Fällen, wo die Hausierware mit Personenautomobilen
vertrieben wird, ausgeschlossen. Es ergibt sich somit, dass der durch
das Polizeidepartement verfügte Patententzug eine im öffentlichen
Interesse gelegene Massnahme ist und durch den Regierungsrat gemäss §
28 des Hausiergesetzes geschützt werden muss.

B. Gegen diesen Entscheid hat sich Emil von Büren durch Eingabe vom
24. Juli beim Bundesgericht beschwert mit dem Antrag : Es sei der
angefochtene Beschluss wegen Verletzung der Handelsund Gewerbefreiheit,
Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV aufzuheben und. festzustellen, das dem Beschwerdeführer das
konfiszierte Hausierpatent herauszugeben sei, unter Verlängerung desselben
für die Dauer der Konfiskation, und dass ferner auf sein Verlangen ihm
wieder ein neues Hausierpatent zu bewilligen Sei.

Der Beschwerdeführer bringt an : Er habe die Reisbesen, die ihm durch ein
Personenautomobil nachgeführt wurden, in den betreffenden Ortschaften auf

296 Staatsrecht.

ein Handwägelchen umgeladen und so zu verkaufen gesucht. Eine solche
Zuführung der Ware könne nicht verboten werden ; das verstosse
gegen Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV. Die Interessen der ansässigen Gewerbe und der zu
Fuss wandernden Hausierer dürften nicht berücksichtigt werden. Der
Patententzug sei nicht im öffentlichen Interesse erfolgt, sondern sei rein
willkürlich (BonanHARDT, Kommentar zur BV S. 260 litt. 5). Durch die dem
Beschwerdeführer auferlegte Beschränkung werde versucht, eine Korrektur
des freien Handels herbeizuführen und auf diese Art ausserkantonale
Hausierer durch die ungerechtfertigte Erschwerung des Hausierens vom
Kanton fernzuhalten.

C. Der Regierungsrat von Solothurn hat auf Abweisung der Beschwerde
angetragen: Hausierer im Sinne des solothurnischen Gesetzes sei
derjenige, der die Ware mit sich t r a g e. Das Mit f ü h r e n von
Ware sei nur ausnahmsweise, wenn das Tragen unmöglich gewesen sei,
gestattet worden. Der Hausierhandel mit Automobilen entspreche nicht der
Vorstellung, die man sich beim Erlass des Gesetzes vom Hausieren gemacht
habe. Wo er bewilligt worden sei, habe er zu schweren Unzukömmlichkeiten
geführt, sodass die Patentbehörde schon aus diesem Grunde, dazu habe
kommen müssen, dass Hausierer einerseits und Automobil anderseits
unvereinbare Dinge seien . Dazu komme, dass in der Kantonsratsverhandlung
vom 24. November 1924 möglichste Beschränkung der Ausstellung von
Hausierpatenten verlangt und geltend gemacht worden sei, dass durch
den Hausierhaudel mit Automobilen die Ware verteuert und die zu Fuss
gehenden I Iausierer benachteiligt würden. Da der Regierungsrat und das
Polizeidepartement sich der Richtigkeit dieser Argumente nicht hätten
verschliessen können, habe das letztere verfügt, künftig die Verwendung
von Personenoder Lastautomobilen beim Vertrieb von Hausierwaren gänzlich
und grundsätzlich zu verbieten. Eine solche Art des Hausier--Handelsund
Gewerbefreiheit. N° 40. 297

vertriebes brauche nicht geduldet zu werden, weil sie im Hausiergesetz
nicht vorgesehen sei und dem Sinn und Geist des Gesetzes widerspreche. Ein
neuzeitliches Hausiergesetz würde die Verwendung des Automobils beim
Vertrieb der Hausierware ausschliessen. Diese Art des Hausierhandels
bringe ferner eine unzulässige Schädigung des ansässigen Gewerbes
mit sich, indem die Konkurrenz schärfer werde; sie dürfe deshalb aus
volkswirtschaftlichen Gründen untersagt werden. Die Beschränkung liege
auch im Interesse des kaufenden Publikums, das ein eminentes Interesse
am Bestehen eines geschäftstüchtigen reellen Gewerbes habe. Eine
Verschärfung des bestehenden Konkurrenzkampfes zwischen ansässigem
Gewerbe und Hausierhandel durch Bevorzugung des Wandergewerbes rnit der
Zuhilfenahme von Automobilen könne von den Behörden nicht verantwortet
werden. Das Hausierpatent sei nach konstanter Praxis für die kleinen,
ärmern Leute bestimmt. Diese soziale Funktion wurde es verlieren, wenn es
auch an Personen erteilt werden müsste, die sich zum Transport der Ware
des Automobils bedienen können. Es handle sich nicht um einen Willkürakt,
sondern um eine durch Erwägungen volkswirtschaftlicher und polizeilicher
Art begründete Anordnung. Eine unzulässige Beschränkung der Handels-und
Gewerbefreiheit liege in dem Patententzug nicht. Die Polizeibehörde
sei berechtigt, an die Erteilung von Hausierpatenten Bedingungen und
Auflagen zu knüpfen, die darauf ausgehen, die wohlanständigen und
angemessenen, dem Geiste des Hausiergesetzes entsprechenden Formen des
Hausierverkehrs zu sichern und eine Übermarchung im volkswirtschaftlichen
Interesse zu verhindern. Sie sei auch befugt, bei Nichtinnehaltung der
auferlegten Bedingungen die angedrohten Zwangsmassnahmen zu ergreifen
und zum Patententzug zu schreiten. Bei dieser Auffassung komme darauf,
dass der Rekurrent das Automobil nur benutzte, um seine Ware von einer
Ortschaft zur andern nachzu--

298 staatsrecht-

führen, während er sie dann in anderer Weise vertrieb, nichts an.
Sinn und Geist unseres Hausiergesetzes und der Zweckgedanke der einer
neuern Gewerbesehutzgesetzgebung angepassten behördlichen Massnahmen
gehen auf eine gänzliche Unterdrückung des Fahrzeuges beim Wandergewerbe ;
eine Einschränkung des Verbotes führt zu dessen Umgehung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1.sssiDie dem Hausierpatent des Rekurrenten beigefügte Anordnung, dass die
Benützung von Motorfahrzeugen untersagt sei, stellt sich gewerberechtlich
als Bedingung oder Auflage des bewilligten Hausierhandeis dar, durch
die die Art der Ausübung des letztern in gewissem Sinne beschränkt
wird. Da sich der Rekurrent gegen die Beifügung dieser Bedingung nicht
aufgelehnt hat, so war er, für die Dauer des Patentes, daran gebunden,
und wenn er ihr zuwiderhandelte, so konnte ihm das Patent entzogen
werden, ohne Rücksicht darauf, ob man es mit einer nach Gesetz und
Verfassung unzulässigen Beschränkung zu tun habe. Der Rekurs muss
deshalb, soweit damit der Patententzug angefochten und verlangt wird,
dass dem Rekurrenten das Patent unter Verlängerung desselben für die,
Dauer der Konfiskation herauszugeben sei, abgewiesen werden.

2. Nun verlangt der Rekurrent aber weiter, es sei

festzustellen, dass ihm auf sein Verlangen ein neues Hausierpatent
zu bewilligen sei, und zwar ohne jene Bedingung. Da der Rekurrent an
einer solchen Feststellung zweifellos ein Interesse hat und da ihm
der Patententzug nicht entgegengehalten werden kann, wenn sich jene
Bedingung als unzulässig darstellt, so ist auf die Beschwerde insofern
einzutreten als geprüft wird, ob die fragliche Bedingung eine zulässige
Beschränkung der Gewerbeausübung sei oder darüber hinausgehe. Diese
Frage ist in letzterem Sinne zu beantworten. Es ist davon auszugehen,
dass nach feststehender PraxisHandelsund Gewerbefrciheit. N° 40. 299

des Bundesrates und des Bundesgerichts der Hausierhandel als Form der
Erwerbstätigkeit nach dem Grundsatze der Handelsund Gewerbefreiheit nicht
verboten werden und lediglich im Interesse der Allgemeinheit gewissen
Beschränkungen unterworfen werden darf (5. das Kreisschreiben des
Bundesrates vom 11. Dezember 1874 BBl. 1874 III S. 889, SALIS, Bundesrecht
II N. 889, betreffend das Bundesgericht BGE 42 I S. 255 Erw. 2). Deshalb
ist es als zulässig erklärt worden, dass einzelne Waren vom Hausierhandel
ausgeschlossen werden und dass dieser der Patentpflicht unterstellt
wird, die einerseits durch die damit verbundene persönliche Kontrolle
dazu dient, den mit dem Hausierhandel besonders verknüpften Gefahren,
insbesondere der der Übervorteilung des Publikums, zu begegnen, und
wodurch es anderseits ermöglicht wird, diese Art Handelsbetrieb steuerlich
zu erfassen. Dies sind die Gesichtspunkte, aus denen die Patentpflicht
zu betrachten und die Zulässigkeit von Beschränkungen zu beurteilen
ist. Die Nichtzulassung zum Hausierhandel und die Auferlegung von
besondern Bedingungen muss sich demnach, um als zulässig zu erscheinen,
mit Gründen des öffentlichen Wohls rechtfertigen lassen. Solche Gründe
stehen der in Frage stehenden Bedingung, dass keine Motorfahrzeuge zum
Nachführen der .Ware verwendet werden dürfen, nicht zur Seite. Die Gefahr
der Übervorteilung des Publikums bleibt sich gleich, ob die Ware vom
Hausierer selber von einem Orte zum andern getragen werde, oder ob er
sich dazu eines T ransportrnittels bediene; höchstens quantitativ wird
sie erhöht, was aber auch mit emsigerem Betrieb oder mit der Benützung
eines andern Transportmittels, z. B. der Eisenbahn, verbunden ist
und deshalb nicht zum Ausschluss nur des einen Transportmittels, der
Motorfahrzeuge, führen kann. Und in Hinsicht auf den steuerpolitischen
Zweck des Patentzwanges ist der Betriebsart richtiger-weise durch die
Bemessung der Taxe Rechnung zu tragen. Der Regierungsrat beruft

300 Staatsrecht.

sich denn auch zur Rechtfertigung der Einschränkung nicht auf Gründe
der angegebenen Art, sondern in erster Linie auf das Bestreben,
den ansässigen Kleinund Mittelgewerbebetrieb vor einer lästigen
Konkurrenz zu schützen. Ein solches Bestreben mag volkswirtschaftlich
sich rechtfertigen lassen; allein rechtlich sind solche Einschränkungen
mit dem Grundsatz-e der Handelsund Gewerbefreiheit nicht vereinbar,
sowenig wie die gänzliche Unterdrückung des Hausierhandels. Denn durch
die Handels-und Gewerbefreiheit wird das System der freien Konkurrenz
gewährleistet, die es ausschliesst, dass Beschränkungen aufgestellt
werden, die lediglich den Schutz einer bestimmten Betriebsart gegen die
Konkurrenz einer andern, an sich erlaubten und zulässigen, bezwecken
(s. die vom Rekurrenten angeführte Stelle in BURCKHARDTS Kommentar
zur BV). Dasselbe gilt für die im angefochtenen Entscheid angezogene
Rücksichtnahme auf die zu Fuss wandernden Hausierer; auch damit vermag
die in Frage stehende Beschränkung nicht begründet zu werden, weil es
zum Wesen der freien Konkurrenz gehört, dass jeder die Betriebsmittel
verwenden kann, die ihm zur Verfügung stehen, soweit sie nicht an
sich unzulässig sind. Der sozialpolitischen Erwägung endlich, dass
die Hausierbewilligung vorab ärmeren Leuten gegeben werde, denen die
Möglichkeit eines andern Erwerbs fehlt, mag bei der Behandlung von
Patentgesuchen eine gewisse Rücksicht getragen werden ; sie kann aber
nicht dazu führen, Bewerber deshalb nicht zuzulassen, weil sie sich auf
andere Weise durchschlagen könnten. Das ist einmal schwer festzustellen
und wäre ohne Willkür kaum durchzuführen, und sodann widerspricht auch
eine solche Scheidung dem Grundsatze der freien Gewerbeausübung. Ob
das solothurnische Gesetz einen solchen Hausierhandelsbetrieb nicht im
Auge habe, ihn vielmehr ausschliesse, ist unerheblich; denn auch eine
gesetzliche Beschränkung des Gebrauchs von Motorfahrzeugen wäre nach
dem Ge-Handeisund Gewerbefreiheit. N° 41. 301

sagten verfassungswidrig. Übrigens beruhen die diesbezüglichen
Ausführungen des Regierungsrates auf der Annahme, dass der Hausierhandel
an sich verboten und nur im Rahmen des Gesetzes erlaubt sei, während
die rechtliche Lage Vielmehr die ist, dass der Hausierhandel unter
die bundesrechtlich gewährleistete Handelsund Gewerbefreiheit fällt
und lediglich aus Gründen des öffentlichen Wohls in persönlicher und
sachlicher Beziehung beschränkt werden darf.

Demnach erkennt'das Bundesgericht :

Der Rekurs wird abgewiesen, soweit der Rekurrent die Aufhebung des
Entzuges des Hausierpatentes verlangt, aber insofern gutgeheissen, als
festgestellt wird, dass einem neuen Patent das Verbot der Verwendung
von Motorfahrzeugen nicht beigefügt werden darf.

41. Arrèt du 12 novembre 1927 dans la cause Déme'triadäs contre Cour de
cassation pénale du canton de Neuchätel. Art. 3! Const. féd. Lots-qu'une
liquidation a été autorisée par I'autorité compétente du canton où elle
s'opere et où les liquidations sont l'objet de mesures restrictives,
l'annonce de cette liquidation dans un journal qui parait dans un autre
canton, ne peut étre soumise à l'autorisation préalable

des autorités de ce dernier canton.

A. La Société Générale pour le Commerce des Tapis S. A., à Lausanne, a
fait insérer dans Ia Suisse Libérale , à Neuchätel, le 8 février 1926,
une annonce contenant les passages suivants : Du 3 an 20 février,
liquidation partielle après inventaire. Nous liquidons, avec de gros
sacrifices, toutes nos fins de séries en tapis d'Orient et tapis moquette
Rabais de 20 à 40 0/0... 31 rue de Bourg, Lausanne.

Un rapport de police fut dressé contre la Société, le 9 février, à
Neuchätel pour ne pas avoir sollicité préa--
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 52 I 293
Datum : 17. März 1926
Publiziert : 31. Dezember 1926
Quelle : Bundesgericht
Status : 52 I 293
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 292 Staatsrecht. zu den gebotenen Reservestellungen ausreicht. Dieses Wesen der


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BGE Register
42-I-249
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
hausieren • bedingung • regierungsrat • automobil • bundesgericht • frage • weisung • weiler • barkauf • dauer • unternehmung • entscheid • benutzung • transportmittel • bundesrat • richtigkeit • lausanne • aufhebung • verfassungsrecht • berechnung
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BBl
1874/III/889