272 Strafrecht.

Eine dieser Etikette entsprechende F a h r i ko d e r Handelsmarke. ist
bei unserm Amt nicht eingetragen und zwar weder auf den Namen der. Firma
Gebrüder Bally A.-G. in Schönenwerd, noch überhaupt für Waren der Art
(Seidenund Baumwollbänder), für welche die Etikette laut M u s t e r
hinterlegung Nr. 27,677 bestimmt ist,

Der Kassationshof zieht in Erwägung :

1. (Unzulässigkeit des Antrags auf Freisprechung.)

2. Die von der Anzeigerin eingelegte Bescheinigung des Eidgen. Amtes
für geistiges Eigentum liess von vorneherein annehmen, die als verletzt
bezeichnete Etikette geniesse nicht den durch Eintragung qualifi-zierten
markenrechtlichen Schutz, und das ganze Strafverfahren kranke an einem
Irrtum und einer Aktenwidrigkeit. Zur Aufklärung hierüber hätte der
Kassationshof wohl gemäss Art. 173 OG das Urteil aufheben und die Sache
an die Vorinstanz zurückweisen können. Doch schien es einfacher, und
ein gesetzliches Hindernis stand nicht entgegen, sich diese Aufklärung
direkt zu verschaffen.

3. Aus dem dem Kassationshof eingesandten Amtshericht erhellt nun, dass
die angedeutete Vermutung richtig war, dass also die fragliche Etikette
gar nicht markenrechtlich geschützt ist. Da aber ein Strafverfahren
nur wegen Verletzung e i n g e t r a g e n e r Marken erfolgen kann,
muss das ganze Strafverfahren als null und nichtig erklärt werden, mit
Folge der Rückweisung an die Vorinstanz zur Freisprechung und zu neuem
Kostenentscheid (Art. 172 II OG).

Demnach erkennt der Kassaiionshof :

Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. April 1926 wird
in vollem Unfange aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an diese
Instanz zurückgewiesen.mramsmzs néumzs s. A. Uns-kamstA. STAATSBECHT
DROIT PUBLIC.

I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ {RECHTSVERWEIGERUNG)

EGALITÉ DEVANT LA LOI

(DÉNI DE JUSTICE)38. Urteil vom 12. November 1926 i. S. Fursorgefonds der
Sauser A..-G. gegen Solothurn. Steuerfreiheit wohltätiger Stiftungen. Es
bildet keine RechtsVerWelgerung, wenn einer Stiftung, die der
Inhaber eines Unternehmens zu Gunsten seiner Arbeiter und Angestellten
errichtet. hat, die Steuertreiheit deshalb nicht gewährt _erd, weil sie
vom Stifter beherrscht und verpflichtet ist, ihm das Stiftungskapital
darlehenSWeise zu überlassen.

A. Am 8. Juni 1923 errichtete der Verwaltungsrat der A.. G. Sauser
in Solothurn die rekurrierende Stiftung, die am 8. August 1923 ins
Handelsregister eingetragen wurde. Aus der Stiftungsurkunde sind folgende
Bestimmungen hervorzuheben: Diese (die Stiftung) folgt dem rechtlichen
Schicksal des Unternehmens, sofern nicht Gesetz oder Stiftungsurkunde
dem entgegen stehen. Das Stiftungskapital beträgt 121,824 Fr. 40 Cts. Es
kann durch nicht verwendete Kapitalzinse sowie weitere Zuwendungen der
Stifterin oder Dritter geäufnet werden und ist der Sauser A. G. oder
deren Rechts-

'nachfolgem auf deren Verlangen gegen angemessene

Verzinsung als Darlehen zu überlassen. Zweck der

Stiftung ist die Verwendung des Ertrages des stiftungs-

vermögens eventuell des Stiftungskapitals selber zu

Fürsorgeund Wohlfahrtszwecken zu Gunsten der An-

gestellten und Arbeiter der Sauser A..-G. oder deren AS 52 I 1926 20

274 staatsrecht-

Rechtsnachfolger, zu denen diese oder die Sauser A. G. nicht durch
gegenwärtige oder künftige eidgenössische oder kantonale Gesetze
verpflichtet sind. Im Liquidationsfall kann das nach Sicherstellung
der Ansprüche der Begünstigten verbleibende Stiftungsvermögen
auch zu allgemein wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken verwendet
werden. Ein von der Leitung des Unternehmens zu erlassendes Reglement
soll Verwaltung und Verwendung des Stiftungskapitals näher umschreiben.
Das Reglement kann im Rahmen der Stiftungsurkunde jederzeit frei geändert
werden. Einziges Organ der Stiftung ist der Stiftungsrat, der die
Stiftung nach aussen vertritt. Er wird von der Leitung des Unternehmens
frei gewählt. Diese bezeichnet auch diejenigen Personen, die für die
Stiftung die rechtsverbindliche Unterschrift führen. Der Betrag von
121,824 Fr. 40 Cts. wurde von der rekurrierenden Stiftung am 8. Juni 1923
der A. G. sauser als Darlehen gegen Verzinsung zum Sparkassenzinsfuss
gegeben. Die genannte Gesellschaft stellte bei den kantonalen
Steuerhehörden das Gesuch um Befreiung der Stiftung von den Steuern,
indem sie sich auf § 31itt. b des sol. Staatssteuerges. stützte,_wonach
gemeinnützige und wohltätige Vereine und Stiftungen Von der Steuer befreit
sind . Das Finanzdepartementdes Kantons Solothurn schrieb ihr darauf am
7. August 1924 : Im Einverständnis mit dem Regierungsrat teilen wir Ihnen
mit, dass mindestens % des stiftungskapitals von der Firma der Stiftung
tatsächlich übergeben werden sollen, also nicht bloss in einer Schuld-

anerkennung der Firma an die Stiftung, und ferner soll·

auch der Arbeiterschaft eine Vertretung in der Stiftung zugestanden
werden. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, so wird die Befreiung
der Stiftung von der Staatssteuer durch den Regierungsrat erfolgen.
Ein Gesuch der rekurrierenden Stiftung, hierauf zurückzukommen und sie
ohne weiteres von den Steuern zu befreien, wies der Regierungsrat am
10. November 1925 ab. Er ver-Gleichheit vor dem Gesetz. N° 38. MS

fügte infolgedessen auch am 1. Dezember 1925, dass derRekurrent für
das Jahr 1924 die Steuern bezahlen müsse. Die Oberrekurskommission des,
Kantons Solothurn entschied am 19. Februar 1926 auf Grund eines Rekurses
des Finanzdepartementes gegeneinen Beschluss der Bezirkssteuerkommission
ebenfalls, dass der Rekurrent für das Jahr 1925 steuerpflichtig sei,
indem sie ausführte: Zur Steuerhefreiung für derartige Stiftungen sind
vom Regierungsrat jeweilen die Ausscheidung des Vermögens und neben der
rechtlichen Verselbständigung auch die administrative Verselbständigung
verlangt worden. Dabei wird eine blosse Schuldanerkennung der betreffenden
Firma gegenüber ihrem Fürsorgefonds nicht als Vermögensausscheidung
betrachtet. Die administrative Verselbständigung ferner nimmt der
Regierungsrat als nicht gegeben an, wenn die Organe der Stiftung mit
der Leitung der Firma identisch sind, ohne dass eine Arbeitervertretung
d. h. eine Vertretungder Bedachten, eingeräumt ist. Diese Voraussetzungen
sind beim Fürsorgefonds der Sauser A.-G. nicht erfüllt.

B. Gegen diesen Entscheid hat der Fürsorgefonds der A.. G. Sauser am
19. Mai 1926 die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag, er sei wegen Willkür aufzuheben und die
ganze Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Oberrekurskommission
zurückzuweisen .

Es wird geltend gemacht: Das Finanzdepartement habe am 9. August 1923
im Einverständnis mit dem Regierungsrat die Steuerbefreiung lediglich
davon abhängig gemacht, dass der Fonds mit selbständiger juristischer
Persönlichkeit ausgestattet werde. Andere ähnliche Fonds seien vom
Regierungsrat als steuerfrei

erklärt worden, obwohl die Voraussetzungen, unter

denen er und mit ihm die Oberrekurskommission dem Reknrrenten Befreiung
von den Steuern zusicherten, bei ihnen ebenfalls nicht vorhanden gewesen
seien. Es herrsche somit eine unterschiedliche und willkürliche

276 Staatsrecht. -

Praxis hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der verschiedenen
Fürsorgefonds . Der Entscheid der Oberrekurskommission sei aber noch
aus andern Gründen willkürlich. Nicht die Anlage des Stiftungsvermögens
und dessen Verwaltung bestimmten nämlich den Charakter einer Stiftung,
sondern einzig deren Zweck. Dass die rekurrierende Stiftung keine
wohltätige sei, habe übrigens die Oberrekurskommission nicht behauptet.
Die beiden einzigen Voraussetzungen, woran das Gesetz die Steuerbefreiung
knüpfe, seien somit im vorliegenden Fall erfüllt; diese müsse daher
gewährt werden. Die Theorie, dass eine Stiftung nicht selbständig sei,
wenn die Personen, die die Stiftung verwalteten, zugleich die Leitung des
Unternehmens hätten, in dem das Stiftungskapital angelegt sei, verstosse
gegen die elementarsten Rechtsauffassungen und sei absolut unhaltbar.
Die rekurrierende Stiftung bilde ein von der ,A.-G. Sauser ganz
verschiedenes Rechtssubjekt-. Durch die Errichtung der Stiftung sei das
Stiftungsvermögen tatsächlich verselbständigt und ausgeschieden worden.

C. Die Oberrekurskommission hat Abweisung der Beschwerde beantragt
und u. a. ausgeführt: In der Stiftungsurkunde wird festgestellt,
dass das Kapital der Stiftung der Sauser A..-G. auf deren Verlangen als
Darlehen zu überlassen sei. Die Stiftung kann sich diesem Verlangen nicht
widersetzen. Die Stiftungsurkunde bestimmt ferner, dass das Vermögen der
Stiftung dem rechtlichen Schicksal der Unternehmung folge. Auch hiedurch
ist eine stete wirtschaftliche enge Verbindung der Stiftung mit dem
Firmavermögen gesichert. Die Firma hat wohl eine nach ZGB formgerecht
begründete Stiftung geschaffen. Sie hat ihr aber gleichzeitig eine
Organisation gegeben, durch welche die Organe der Stiftung ganz mit den
leitenden Organen der Sauser A.-G. identifiziert werden können. Hiedurch
und durch die Vorschriften über die Anlage der Gelder und das rechtliche
Schicksal der Stiftung sind die Entscheidungen bei derGleichheit vor
dem Gesetz. N° 38. 277

Stiftung in den wesentlichen Fragen ganz'in die Hände der Organe der
Firma gelegt, ohne Sicherung eines Mitspracherechts oder auch nur einer
Einsicht in die Verwaltung von Seiten des von der Stiftung erfassten
Personenkreises. In der Klageschrift wird darauf verwiesen, dass das
Stiftungsvermögen von der Firma der Stiftung ausgefolgert werden sei,
dass aber die Organe der Stiftung dieses ausgesonderte Vermögen'sofort
Wieder der Firma als Darlehen zur Verfügung gestellt hätten. Die Firma
will hier das Handeln der Organe der Stiftung und das Handeln der Organe
der Sauser A. G. auseinander gehalten wissen. In Tat und Wahrheit haben
aber dieselben Personen die Herausgabe des Geldes aus dem Firmavermögen
schon nur in der Absicht vollzogen, dasselbe sofort wieder als Darlehen in
die Firma, z urückgelangen zu lassen. Wirtschaftlich betrachtet reduziert
sich so die Herausgabe des Stiftungsvermögens auf eine einfache Umhuehung,
auf eine Übertragung desselben auf ein Spezialkonto, welches einem
besondern Zwecke dienen und steuerrechtlich vom Firmavermögen abgebucht,
dem Betriebe aber erhalten werden soll. Die Steuerinstanzen sind nicht
unbedingt an die zivilrechtliche Konstruktion eines Steuersubjektes
gebunden. Ihnen steht vorab die wirtschaftliche Würdigung zur

si Prüfung der Frage der Einreihung oder Befreiung von

der Steuerpflicht zu. Es ist bei der Frage zu beachten, dass die
Mehrzahl dieser industriellen Fürsorgestiftungen Erscheinungen der
Kriegsund Nachkriegszeit sind, dass also auch die Rechtsprechung zur
Frage erst in der Entwicklung begriffen ist. Es frägt sich überhaupt,
ob der Firma und der Stiftung angesichts der früheren Entscheide (vom
10. November und 1. Dezember 1925) noch ein Rekursrecht zustehe, oder
ob dasselbe nicht durch Zeitablauf verwirkt sei.

Der Regierungsrat hat sich dieser Beschwerde-antwortangeschlossen. s

.................. ........

278 Staatsrecht.

E. Aus der Duplik der Oberrekurskommission ist folgendes hervorzuheben:
Wir glauben uns deutlich genug dahin ausgesprochen zu haben, dass
es sich bei diesen Fihsorgeund Wohlfahrtsfonds, welche zumeist aus
den abgabepfiichtigen Kriegsgewinnen begründet worden sind, wohl um
humanitäre Institutionen handle, dass das Moment der Wohltätigkeit aber
nicht das alleinige sei, sondern 'dass ebenso gewichtige Wirtschaftsund
geschäftspolitische und auch steuerrechtliche Motive obwalten. Der
kantonale Gesetzgeber wollte zweifellos nur reine Wohltätigkeitsund nur
allgemeine Gemeinnützigkeitsanstalten und Stiftungen ganz ohne weiteres
steueri'frei geben. Durch die Ablehnung jedes Mitspracherechtes der
Arbeiter und Angestellten in der Organisation und Verwaltung der Stiftung
des Fürsorgefonds der Sauser A. G., sowie durch die Vorschriften, dass
die Leitung der Firma die Übergabe des Fonds als Darlehen an die Firma
verlangen könne und dass der Fonds das rechtliche Schicksal der Sauser
A.-G. zu teilen habe, ist u. E. auch dem von den eidg. Steuerinstanzen zu
beobachtenden Erfordernis der vollständigen, tatsächlichen Ausscheidung
nicht vollauf Genüge geleistet worden. Wenn die Firma derart das
schuld-verhältnis tatsächlich und rechtlich beherrschen kann, ohne
irgendwelche Einsprache und Kontrollmöglichkeit der Beteiligten, darf
die steuerpolitische Beurteilung kaum als willkürliche angenommen
werden, welche angesichts dieser wirtschaftlichen, rechtlichen und
tatsächlichen Bindungen des Fürsorgefonds an das Schicksal und an
die Wirtschaft der Firma, diesen Fonds nicht als ausschliesslich
wohltätig beurteilt hat. Wenn auch zugegeben ist, dass die Praxis
des Regierungsrates angesichts der Neuheit der Materie keinenfalls
feststehend war, so wird anderseits ebenso zugegeben werden müssen,
dass die Oberrekurskommission mit ihrem ersten Entscheide zur Frage eine
prinzipielle Stellung bezogen hat.

Der Regierungsrat hat in der Duplik noch bemerkt:Gleichheit Vor dem
Gesetz. N° 38. 279

Im Grunde genommen sind diese Hilfsund Pensionsfonds, auch wenn sie eigene
juristische Persönlichkeit haben, nicht gemeinnützig Die Leistungen
des Unternehmens an diese Fonds sind als Lohnzulage zu betrachten
und die Beteiligung der Versicherten hat SelbsthülfeCharakter. Die
Vorteile kommen Dritten nicht zugut. Obschon daher im Grunde genommen
§ 3 litt. b des solothurnischen Staatssteuergesetzes nicht zutrifft,
kam der Regierungsrat diesen Anstalten mit Steuerbefreiung entgegen,
machte aber seine Vorbehalte, zu denen er bei dieser Sachlage berechtigt
war, nämlich die, dass wenigstens % des Vermögens sichergestellt und
unab-hängig vom Unternehmen sei und dass die Beteiligten eine Vertretung
in der Verwaltung haben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Der Umstand, dass der Rekurrent die Entscheide des Regierungsrates
vom 10. November und 1. Dezember 1925 nicht mit der staatsrechtlichen
Beschwerde angefochten hat, beraubt ihn nicht des Rechtes, dieses
Rechtsmittel gegenüber dem Entscheid der Oberrekurskommission
wegen willkürlicher oder gegen die Rechtsgleichheit verstossender
Verletzung des § 3 litt. b des kant. Steuergesetzes zu ergreifen. Die
Oberrekurskommission hat sich nicht auf den Standpunkt gestellt, dass
sie an die erwähnten Entscheide des Regierungsrates gebunden sei,
und diese hatten denn auch nur für die Zeit vor 1925 Rechtskraft, da
Steuerverfügungen in der Regel, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes
bestimmt ist, bloss für ein Steuerjahr rechtswirksam sind.

2. Die Oherrekurskommission geht in ihrem Entscheid, indem sie sich an
die Auffassung des Regierungsrates anlehnt, davon aus, dass eine Stiftung
von der Art der vorliegenden nur dann Steuerfreiheit beanspruchen könne,
wenn ihr Vermögen von demjenigen des Stifters ausgeschieden und sie diesem
gegenüber rechtlich und administrativ selbständig sei. Im staatsrecht-

280 Staatsrecht.

lichen Beschwerdeverfahren hat sie dann diesem Standpunkt die rechtliche
Bedeutung gegeben, dass die Stiftung nicht nur zivilrechtlich, sondern
auch wirtschaftlich dem Stifter gegenüber selbständig sein müsse,
und beigefügt, dass, weil dies beim Rekurrenten nicht zutreffe,
dieser zudem nieht ausschliesslich einen wohltätigen Zweck habe und
daher auch aus diesem Grunde nicht von den Steuern befreit werden
könne. Der Rekurrent bestreitet nicht, dass unter gemeinnützigen und
wohltätigen Stiftungen im Sinne des § 3 litt. b des kant. Steuergesetzes
nur zivilrechtlich selbständige zu verstehen sind, also solche, die das
Recht der Persönlichkeit besitzen. Gegen diese Auslegung ist in der Tat
vom Standpunkt des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aus nichts einzuwenden; denn wenn eine Person
Vermögen einem wohltätigen Zweck widmet, ohne sich dessen zu entäussern,
so bietet dies nicht die gleiche Garantie für dauernde Verfolgung des
Zweckes, wie wenn sie hiefür eine selbständige Stiftung nach Art. 80
ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
. ZGB errichtet. Sodann gilt im Steuerrecht allgemein der Grundsatz,
dass, wenn die tatsächlichen Verhältnisse in einer zivilrechtlichen
Form erscheinen, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nicht entspricht,
mehr dieser Inhalt als jene Form für die Rechtsanwendung massgebend ist
(vgl. BGE 26 I S. 423 ; 40 I s. 139; 45 IS. 26; 46 I S. 184 und 234).
Dass die Oberrekurskommission sich auf diesen Grundsatz stützt, bildet
daher keine Willkür.

3. Die Frage, ob die rekurrierende Stiftung wirtschaftlich der
A.-G. Sauser gegenüber als selbständige erscheine, kann ohne Willkür
verneint werden. Allerdings hat die Stiftung ein eigenes Organ, den
Stiftungsrat. Da aber der Verwaltungsrat der Gesellschaft diesen
frei wählt, dessen Mitglieder also nach Belieben einsetzen und
absetzen kann, zudem die Personen bezeichnet, die für die Stiftung
die rechtsverbindliche Unterschrift führen, gleich als ob es sich um
Angestellte der Aktiengesellschaft handelte, und endlich durch den Erlass
des Stif--Gleichheit vor dem Gesetz. N° 38. 281"

tungsreglementes selbst Verwaltung und Verwendung des Stiftungsvermögens
f ür den Stiftungsrat verbindlich näher ordnet, so erscheint dieser in
Wirklichkeit nur als Strohmann oder Werkzeug des Verwaltungsrates der
A.-G. Sauser. Dazu kommt, dass das Stiftungskapital dieser Gesellschaft
auf Grund eines Darlehensvertrages überlassen worden ist und ihr auch nach
der Stiftungsurkunde gegen angemessenen Zins geliehen werden muss, solange
sie hierauf nicht verzichtet. Da der Verwaltungsrat der A. G. Sauser auch
die Stiftung beherrscht, so kann er zudem den Darlehensvertrag innerhalb
des Rahmens der Stiftungsurkunde nach seinem Ermessen regeln, und wenn
er auch rechtlich an den Fürsorgezweck der Stiftung, für dessen Wahrung
die nach Art-. 84 ZGB bestehende Aufsicht sorgen muss, gebunden ist,
so hat diese doch nach der Stiftungsurkunde noch den Nebenzweck, der
A. G. Sauser billigen Kredit zu gewähren, so dass deren Verwaltungsrat
diesen Zweck dem andern voranstellen kann und das auch voraussichtlich tun
wird, solange die Gesellschaft des Stiftungskapitals bedarf. Insbesondere
wird die Ausrichtung von Unterstützungen leicht von der Rücksicht auf das
Interesse der Gesell-schaft an der Verwendung des Stiftungskapitals und
seines Ertrages im Unternehmen beeinflusst werden. Bei dieser Sachlage
lässt sich ohne Willkür annehmen,. dass die A. G. Sauser wirtschaftlich
über das stiftungs-

vermögen wie über einen ihr gehörenden, unselbstän-

digen Fürsorgefonds verfüge. Es ist zweifelhaft, oh das auch dann
angenommen werden könnte, wenn die Stiftungsverwaltung zwar unselbständig
Wäre, das Stiftungskapital aber nicht der A. G. Sauser überlassen
würde oder wenn umgekehrt nur dieses Darlehensverhältnis bestünde,
der Stiftungsrat aber vom Verwaltungsrat der Gesellschaft unabhängig
wäre. Diese Frage braucht indessen hier nicht gelöst zu werden.

4. selbst wenn übrigens die rekurrierende Stiftung wirtschaftlich der
A. G. Sauser gegenüber selbständig

282 si staatsrecht-

wäre, so konnte doch die Oberrekurskommission ohne Willkür annehmen, dass
sie deshalb steuerpflichtig sei, weil sie nicht ausschliesslich einen
gemeinnützigen oder wohltätigen Zweck verfolge. Zwar lässt sich kaum
sagen, ein solcher Zweck liege deshalb nicht vor, weil die Stiftung aus
egoistischen wirtschaftspolitischen und geschaftlichen) Motiven gegründet
worden sei oder ihre Leistungen sich als Lohnzulagen darstellten. Wie
aber bereits hervorgehoben worden ist, wird mit der Bestimmung in der
Stiftungsurkunde, dass das Stiftungskapital auf Verlangen der A.-G. Sauser
als Darlehen gegen hillige Verzinsung überlassen werden müsse, der
Stiftung neben der Fürsorge für die Angestellten und Arbeiter der weitere,
weder gemeinnützige noch wohltätige Zweck gegeben, der A.-G. Sauser
billigen Kredit zu gewähren. Zudem kann nach der Stiftungsurkunde im
Liquidationsfall das nach Sicherstellung der Ansprüche der Begünstigten
bleibende Stiftungsvermögen auch für nicht wohltätige oder gemeinnützige
Zwecke verwendet werden. Dass einer Stiftung, die nicht ausschliesslich
solche Zwecke verfolgt, die Steuerfreiheit ohne Willkür versagt werden
kann, ist klar. Eine Ausnahme hievon liesse sich vielleicht für den
Fall machen, dass bei einer solchen Stiftung das Vermögen nach Zwecken
genau ausgeschieden wäre, indem es sich dann fragen könnte, ob der
für einen wohltätigen oder gemeinnützigen Zweck bestimmte Vermögensteil
steuerfrei zu lassen sei. Im vorliegenden Fall besteht jedoch eine solche
Ausscheidung nicht.

5. Dass die Oberrekurskommission in andern gleichartigen Fällen
anders entschieden habe, ist nicht behauptet werden. Daraus, dass der
Regierungsrat früher einen andern Standpunkt eingenommen hat, lässt sich
der Vorwurf der ungleichen Behandlung gegenüber der Oberrekurskommission
nicht ableiten. Übrigens kann auch ein gewisses Schwanken der Praxis
gegenüber neuen Erscheinungen des Wirtschaftslebens wie denGleichheit
vor dem Gesetz. N° 38. 233

industriellen Fürsorgestiftungen, nicht ohne weiteres den erwähnten
Vorwurf begründen.

Die Beschwerde muss somit abgewiesen werden.

6. Es steht dem Rekurrenten oder der A,-G. Sauser frei, die vom
Regierungsrat für die Gewährung der Steuerfreiheit gestellten Bedingungen
zu erfüllen, um von ihm diese Befreiung zu erlangen . Der Regierungsrat
fordert damit vom Rekurrenten sowohl die Ausscheidung des Vermögens,
d. h. die Aufhebung des Darlehensverhältnisses mit der ft.-G. Sauser,
als auch die Verselbständigung der Stiftungsverwaltung aber beides nicht
vollständig, indem er das Weiterbestehen des Darlehensverhältnisses für
,,; des Stiftungskapitals zulässt. und gegen die bestehende Organisation
der Stiftungsverwaltung nichts einwendet, sofern ein Vertreter der
Arbeiterschaft in den Stiftungsrat gewählt wird. Ob der Rekurrent auch
auf andere Weise steuer-freiheiterlangen könne, braucht das Bundesgericht
im vorliegenden Falle nicht näher zu prüfen; es ist denkbar, dass schon
entweder die vollständige Vermögensansscheidung oder dann die vollständige
Selbständigkeit der Verwaltung den Anspruch auf Steuerfreiheit begründet,
sofern die Hingabe eines Darlehens an die A.-G.

sauser nicht als Neben-Zweck der Stiftung aufrechter-

halten wird.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Rekurs wird abgewiesen.

' Vgl. auch Nr. 39. Voir aussi n° 39.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 52 I 273
Datum : 29. April 1926
Publiziert : 31. Dezember 1926
Quelle : Bundesgericht
Status : 52 I 273
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 272 Strafrecht. Eine dieser Etikette entsprechende F a h r i ko d e r Handelsmarke.


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG: 173
ZGB: 80
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
BGE Register
26-I-415
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
stiftung • regierungsrat • stiftungskapital • stiftungsurkunde • darlehen • frage • verwaltungsrat • stiftungsrat • bundesgericht • weiler • kassationshof • autonomie • entscheid • staatsrechtliche beschwerde • markenschutz • bedingung • geld • unterschrift • duplik • vorinstanz
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