44 Familienrecht. N° 8.

nicht mit der Absicht dauernden Verbleibens .,tat darf daraus geschlossen
werden, dass er keine von der Geschäftsadresse verschiedene Wohnadresse
angab, seine Heimatschriften nicht hinterlegte und sich überhaupt nicht
polizeilich anmeldete, vielmehr seinen Aufenthalt alsbald nach Basel
verlegte, wo er sich dann polizeilich anmeldete und die Heimatschriften
hinterlegte. So ist denn auch die städtische Polizeidirektion von
Bern in einem freilich erst vor Bundesgericht vorgelegten und daher
als Beweismittel nicht mehr in Betracht fallenden Bericht zum Ergebnis
gelangt, dass der Beschwerdegegner in Bern nie festen Wohnsitz hatte,
sondern Domizil in Basel bezog. Letzteres ist aber erst geschehen, nachdem
die vom Waisenamt Zürich veranlasste Einvernahme des Beschwerdegegne'rs
durch die Vormundschaftsbehörde Bern bereits stattgefunden hatte. War
aber die Zuständigkeit der Zürcher Behörden zur Entmündigung im Zeitpunkt
dieser Massnahme gegeben, so blieb sie auch, ungeachtet des späteren
Erwerbs eines neuen Wohnsitzes durch den Beschwerdegegner, bis zur
vollständigen Durchführung des Entmündigungsverfahrens bestehen (AS 50 II
S. 98 ff. E. 3). Daraus, dass das Vaisenamt und der Bezirksrat in einem
erst später liegenden Zeitpunkt, als ihnen übrigens die Verhältnisse noch
nicht näher bekannt waren, selbst glaubten, der Beschwerdegegner habe
nun in Bern Wohnsitz, wie aus der Übertragung der Vormundschaftsiührung
an die dortige Vormundschaftsbehörde geschlossen werden muss, kann der
Beschwerdegegner nichts herleiten.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Beschwerde wird begründet erklärt, der Entscheid des Obergerichts
des Kantons Zürich vom 20. September 1924 aufgehoben und die Sache Zu
materieller Beurteilung an dieses Gericht zurückgewiesen.Familienrecht. N°
9. , 45

_ 9. Urteil der II. Zivilabteilnng vom 2. April 1925 i. S. Baumgartner
gegen Frick. ZGB Art. 323 Abs. 2, Vaterschaftsklage: Das von einem
verheirateten Mann erzeugte aussereheliche Kind

kann jenem auch dann nicht mit Standesiolge zugesprochen werden, wenn
die Ehe inzwischen aufgelöst werden ist.

A. Mit der vorliegenden am 7. März 1924 angestrengten Vaterschaftsklage
verlangen Rosine Baumgartner und deren am 19. Dezember 1923
gehorenes aussereheliches Kind Gertrud, dass letzteres dem Beklagten
mit Standesfolge zugesprochen werde, der zur Zeit der Schwängerung
verheiratet war, dessen Ehe jedoch am 11. Februar 1924 geschieden
wurde. Die Erstklägerin macht geltend, sie habe dem Beklagten die
Beiwohnung erst auf dessen Eheversprechen hin gestattet und erst später
erfahren, dass er bereits verheiratet sei.

B. Durch Urteil vom 28. Oktober 1924 hat das Obergericht des Kantons
Zürich die Vaterschaftsklage abgewiesen, soweit sie auf Zusprechung mit
Standestolge gerichtet war, im übrigen jedoch gutgeheissen.

C. Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen die Berufung an das
Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag, die Zweitklägerin sei dem
Beklagten mit Standesfolge zuznsprechen;

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Nach Art. 323 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 323 - 1 Was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt, steht unter seiner Verwaltung und Nutzung.
1    Was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt, steht unter seiner Verwaltung und Nutzung.
2    Lebt das Kind mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft, so können sie verlangen, dass es einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leistet.
ZGB ist gegenüber einem Ehemanne die Zusprechung
mit Standesfolge ausgeschlossen, wenn er zur Zeit der Beiwohnung schon
verheiratet war. Vorliegend steht zur Entscheidung die Frage, ob die
Zusprechung mit Standesfolge auch ausgeschlossen sei, wenn die zur Zeit
der Erzeugung des ausserehelichen Kindes bestehende Ehe des Vaters zur
Zeit der Klageanhebung (oder der Urteilsfällung) aufgelöst war.

Die Vorinstanz hat angenommen, dass die Zusprechung

46 Familienrecht. N° 9.

mit Standesfolge ungeachtet der nachträglichen Auflösung der Ehe
unzulässig sei, entsprechend der von ihr ausder Entstehungsgeschichte der
angeführten Vorschrift entwickelten ratio legis, die verhüten wolle, dass
ein verheirateter Mann während des Bestehens der Ehe von einer andern Frau
als von der Ehefrau Kinder habe, welche die Stellung von ehelichen haben.

Richtig ist, dass die ersten Bestrebungen, die im Vorentwurf unter
den in Art. 323 Abs. 2 des Gesetzes genannten Voraussetzungen ohne
Ausnahme zugelassene Zuspreehung mit Standesfolge zu beschränken, auf
den Gedanken zurückzuführen sind, dass dem ausserehelichen Kind eines
verheirateten Vaters der Eintritt in dessen Familie verwehrt werden solle,
also den Schutz der aus der Ehefrau und den ,ehelichen Kindern bestehenden
Familie des Beklagten bezweckten (vgl. Protokolle der Expertenkommission I
S. 317 ff.). Freilich war dieser Schutz nach dem bundesrätlichen Entwurf
unvollkommen, indem er bei Verbrechen oder Gewaltsmissbrauch durch den
Vater nicht gewährt werden wollte und auch bei Ehe-versprechen nur,
wenn der Mutter bekannt war, dass der Konkumbent bereits verheiratet
sei. Indessen schloss dann der Nationalrat die Zusprechung mit
Standesfolge gegenüber einem Ehemann schlechthin aus auf Antrag
seiner vorberatenden Kommission, der vom deutschen Berichterstatter,
Professor Huber, wie folgt begründet Wurde : Wir hätten dann (d. h. bei
Zulassung der Zusprechung mit Standesfolge gegenüber einem Ehemann) das
eigentümliche Ergebnis, dass ein solcher Ehemann einmal eheliche Kinder
haben könnte und dann wiederum in seinem Stande auch uneheliche Kinder,
die ihm, trotzdem er verheiratet ist, unter besonderen Voraussetzungen
des Art. 328 (323 des Gesetzes) zugesprochen würden, ja es würde damit
eine Sachlage geschaffen, als ob ein Ehemann neben seiner Ehefrau ein
Kebsweib hätte ...... , indem er ohne jede Rücksicht auf die Ehefrau
neben seinen ehelichen Kin-Familienrecht. N° 9. , 47

dem in seinem Status auch solche jener ausserehelichen Mutter gerichtlich
zugesprochen erhalten könnte. Sodann machte der französische Referent
Gottofrey si darauf aufmerksam, dass dieser Antrag mit dem Verbot der
Anerkennung der im Ehebrnch gezeugten Kinder harmeniere. Der Ständerat
fügte bei: ...... , wenn er zur Zeit der Beiwohnung schon verheiratet
war , und zwar ebenfalls auf Antrag seiner vorberatenden Kommission,
deren Berichterstatter Hoffmann dazu ausführte : Der Konflikt zwischen
dem Interesse des getäuschten Mädchens einerseits und dem inneren Frieden
der Ehe, den Interessen der legitimen Frau und der legitimen Kinder auf
der andern Seite wird zugunsten der letzteren gelöst , abgesehen von
der neu eingeführten Einschränkung, der dann auch der Nationalrat ohne
weiteres beistimmte (vgl. Stenograp'hisches Bulletin der Bundesversammlung
1905 S. 777, 783, 787, 840, 1192, 1199, 1218 und 1277 ; 1907 Nationalrat
S. 263, 271 und 273).

Es lässt sich nicht verkennen, dass die Fassung, welche die vorberatende
Kommission des Nationalrates ihrem Antrag gegeben hatte, dem damit
verfolgten Zweck nicht völlig entsprach. Denn nach dem klaren Wortlaut des
auf diesen Antrag zurückgehenden Art. 323 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 323 - 1 Was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt, steht unter seiner Verwaltung und Nutzung.
1    Was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt, steht unter seiner Verwaltung und Nutzung.
2    Lebt das Kind mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft, so können sie verlangen, dass es einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leistet.
ZGB ist die Zusprechung
mit Standesfolge nur gegenüber einem Ehemann ausgeschlossen, also
nicht unzulässig, wenn der Beklagte im Zeitpunkt sei es der Anhebung
der Vaterschaftskiage, sei es der Urteilsfällung infolge Auflösung der
Ehe aufgehört hat, Ehemann zu sein, und auch aus dem freilich weniger
kategorischen französichen Text ergibt sich nichts anderes. Danach würde
der Schutz der legitimen Familie nur zugunsten der Ehefrau durchgreifen,
dagegen nicht mehr zugunsten der ehelichen Kinder, sofern die Ehe
inzwischen aufgelöst worden ist. Ob mit der Vorinstanz entgegen diesem
klaren Wortlaut auch insoweit auf die bei der Schaffung des Gesetzes
zum Ausdruck gebrachte ratio

48 Familienrecht. N° 9.

legis abgestellt werden dürfte, als sie durch den Wortlaut _unbestreitbar
nicht gedeckt wird, mag indessen dahingestellt bleiben. Nachdem nämlich
durch Art. 304
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 304 - 1 Die Eltern haben von Gesetzes wegen die Vertretung des Kindes gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge.400
1    Die Eltern haben von Gesetzes wegen die Vertretung des Kindes gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge.400
2    Sind beide Eltern Inhaber der elterlichen Sorge, so dürfen gutgläubige Drittpersonen voraussetzen, dass jeder Elternteil im Einvernehmen mit dem andern handelt.401
3    Die Eltern dürfen in Vertretung des Kindes keine Bürgschaften eingehen, keine Stiftungen errichten und keine Schenkungen vornehmen, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke.402
ZGB die Anerkennung eines im Ehebruch erzeugten Kindes
ausgeschlossen worden ist, kann, wie schon die Vorinstanz angedeutet
hat, nicht zugelassen werden, dass ein im Ehebrucherzeugtes Kind dem
Vater mit Standesfolge zugesprochen werde. Jenes Verbot der Anerkennung
ist aufgestellt worden, um aus Gründen der öffentlichen Ordnung den
Eintritt der .an die Aner-kennung geknüpften Rechtsfolgen zu verhindern,
und nicht etwa nur, um dem Vater zu versagen, diese Rechtsfolgen durch
rechtsgeschäftliehe Willenserklärung herbeizuführen; dann muss es aber
ausgeschlossen sein, dass die Rechtsfolgen, die bei der Zusprechung mit
Standesfolge in gleicher Weise eintreten würden wie bei der Anerkennung,
durch richterliches Urteil herbeigeführt werden könnten. Andernfalls wäre
es bei Auflösung der Ehe vor Anhebung der Vaterschaftsklage (oder anfällig
auch erst vor der Urteilsfällung) möglich, das Verbot der Anerkennung,
welches ohne Ausnahme gilt, also die Auflösung der Ehe überdauert,
unter .deren Bruch das Kind erzeugt worden ist, dadurch zu umgehen,
dass die Kindsmutter ein Eheversprechen behauptet und der Beklagte es
zugesteht, mag dies dem wahren Sachverhalt auch widersprechen. Somit
kann dem Antrag auf Zusprechung des klagenden Kindes mit Standesfolge
an den Beklagten nicht Folge gegeben werden, auch wenn dieser es unter
Eheversprechen erzeugt haben sollte, wie die Erstklägerin behauptet.

Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. Oktober 1924
bestätigt.Erbrecht. N° 10. Disz-

II. ERBRECHT DROIT DES SUCCESSIONS

10. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Januar 1925
i. s. Schillîng-Goldschmîd gegen si-e. Leu & cia.

Letztwillige Verfügung, Ungültigkeitsund Herabsetzungsklage:

Passivlegitimation des Willensvollstreckers ? Verjährung, Fristbeginn
(Erw. 3).

Die Anordnung, wodurch einem Erben Besitz und Verwaltung seines Erbteiles
lebenslänglich entzogen und einem Willensvollstrecker übertragen wird (
E r b s c h a f t s v e rw a l t u n g auf Lebenszeit des Erben) ist im
Umfang des Pflichtteils ungültig (Erw. 4 und 5).

Hinterlegungsvertrag des Willensvellstreckers mit dem Erben : Auslegung,
Irrtum (Erw. 2).

ZGB Art. 517 f., 519 ff., speziell 521 Abs. 3, 522 ff., speziell 531,
533; OR Art. 24 Ziff. 4.

A. Am 5. September 1910 errichteten die Ehegatten Albert und Anna
Margaretha Goldschmid-Ulrich in Zürich, welche einen Sohn und eine
Tochter, die Klägerin im vorliegenden Prozess, hatten, ein gegenseitiges
Testament, welchem folgende Bestimmungen zu entnehmen sind:

II. Wir setzen uns daher hiemit gegenseitig zu Universalerben in unserer
Verlassenschaft ein, so dass der Überlebende von uns das gesamte
Vermögen des zuerst Versterbenden von uns zu allgemeinem Eigentum
erhält mit der Verpflichtung, den Intestaterben, unseren Kindern, den
Betrag des Pflichtteils zu hinterlassen. Auch an diesem Pfhchtteil hat
das Überlebende von uns lebenslängliche Nutzniessung und das Recht
der vollständig freien Verwaltung ohne Pflicht zur Sicherstellung.
Vorbehalten Bestimmung III 11. IV.

IV. Da wir begründete Besorgnis haben, dass unsere

ns 51 II 1925 ss 4
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 51 II 45
Datum : 02. April 1925
Publiziert : 31. Dezember 1925
Quelle : Bundesgericht
Status : 51 II 45
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 44 Familienrecht. N° 8. nicht mit der Absicht dauernden Verbleibens .,tat darf daraus


Gesetzesregister
ZGB: 304 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 304 - 1 Die Eltern haben von Gesetzes wegen die Vertretung des Kindes gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge.400
1    Die Eltern haben von Gesetzes wegen die Vertretung des Kindes gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge.400
2    Sind beide Eltern Inhaber der elterlichen Sorge, so dürfen gutgläubige Drittpersonen voraussetzen, dass jeder Elternteil im Einvernehmen mit dem andern handelt.401
3    Die Eltern dürfen in Vertretung des Kindes keine Bürgschaften eingehen, keine Stiftungen errichten und keine Schenkungen vornehmen, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke.402
323
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 323 - 1 Was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt, steht unter seiner Verwaltung und Nutzung.
1    Was das Kind durch eigene Arbeit erwirbt und was es von den Eltern aus seinem Vermögen zur Ausübung eines Berufes oder eines eigenen Gewerbes herausbekommt, steht unter seiner Verwaltung und Nutzung.
2    Lebt das Kind mit den Eltern in häuslicher Gemeinschaft, so können sie verlangen, dass es einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leistet.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ehe • beklagter • vater • bundesgericht • beschwerdegegner • aussereheliches kind • nationalrat • vaterschaftsklage • ehegatte • erbe • familie • vorinstanz • mutter • pflichtteil • berichterstattung • erbrecht • mann • sachverhalt • auf lebenszeit • testament
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