an) Staatsreeht.

konnte aber hier auf alle Fälle auch wenn man die übrigen vom
Kantonsgericht angeführten Erwägungen für sich allein als nicht
genügend betrachten wollte in der Art gefunden werden, in der das SchKG
selbst in Art.. 304 die Mitwirkung der Gläubiger im Verfahren vor der
erstinstanzlichen Nachlassbehörde und ihre Ladung zur Verhandlung vor
dieser geregelt hat. Das Bundesgesetz hat damit selbst, im Interesse
einer raschen und billigen Erledigung in die Ordnung des Verfahrens nach
doppelter Richtung eingegriffen. Einmal indem es, um auch gegenüber den
Gläubigern giltig verhandeln zu können, nur die öffentliche Bekanntmachung
des Verhandlungstermins, nicht die persönliche Ladung der einzelnen
Gläubiger nach den Vorschriften des Zivilprozesses fordert. Sodann indem
es jene Bekanntmachung auch in der Beziehung als genügend behandelt,
dass gestützt darauf der Entscheid am angesetzten Verhandlungstermin ohne
Rücksicht auf das Erscheinen oder Nichterscheinen der Gläubiger getroffen
werden kann, selbst wenn dies nach kantonalem Zivilprozessrecht nicht
zulässig, sondern zunächst noch eine zweite Ladung unter Androhung
von Säumnisfolgen gegenüber der ausgebliebenen Partei erforderlich
wäre. Ist es demnach Sache des Gläubigers sich dadurch über den Tag
der Verhandlung zu unterrichten, dass er die amtlichen Anzeigen der
Nachlasshehörden in den bezüglichen Puhlikationsorganen verfolgt,
und hat er auf eine individuelle Mitteilung darüber keinen Anspruch,
so darf es aber auch nur als eine folgerichtige Durchführung desselben
Gedankens und der Stellung, die das Bundesrecht selbst dem Gläubiger im
Verfahren zuweist, angesehen werden, dass es ihm obliegt, sich über den
Inhalt des gefüllten Entscheides rechtzeitig zu erkundigen, wenn er vom
Weiterziehungsrechte des Art. 307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
1    Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
2    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt.
SchKG Gebrauch machen Will. Wenn das
Kantonsgericht daraus geschlossen hat, dass es nicht als im Willen des
Art. 21 EG zum SchKG gelegen angesehen werden könne, die

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 52. 371

Geltung der zivilprozessuaien Vorschriften im NachlassVertragsverfahren
auch auf den heute streitigen Punkt zu erstrecken, und dass für den
Beginn der Weiterziehungsfrist den Gläubigern gegenüber die mündliche
Verkündung des Dispositives am Verhandlungstage ausreichen müsse, so mag
diese Auffassung vielleicht nicht unanfechtbar sein. Als willkürlich kann
sie keinesfalls bezeichnet werden. Daran ändert auch der Umstand nichts,
dass dem Schuldner gegenüber die Frist nach der kantonalen Praxis erst
von der (mündlichen oder schriftlichen) Eröffnung des vollständigen,
motivierten Erkenntnisses berechnet wird. Auch die Erleichterung
der Ladung durch Zulassung einer blossen öffentlichen Bekanntmachung
in Art. 304
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 304 - 1 Vor Ablauf der Stundung unterbreitet der Sachwalter dem Nachlassgericht alle Aktenstücke. Er orientiert in seinem Bericht über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages.
1    Vor Ablauf der Stundung unterbreitet der Sachwalter dem Nachlassgericht alle Aktenstücke. Er orientiert in seinem Bericht über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages.
2    Das Nachlassgericht trifft beförderlich seinen Entscheid.
3    Ort und Zeit der Verhandlung werden öffentlich bekanntgemacht. Den Gläubigern ist dabei anzuzeigen, dass sie ihre Einwendungen gegen den Nachlassvertrag in der Verhandlung anbringen können.
SchKG gilt nur gegenüber den Gläubigern, und darf daher
nicht auf den Schuldner erstreckt werden, der nach den ordentlichen
prozessualen Regeln persönlich zu laden ist (JAEGER, Kommentar zu
Art. 304
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 304 - 1 Vor Ablauf der Stundung unterbreitet der Sachwalter dem Nachlassgericht alle Aktenstücke. Er orientiert in seinem Bericht über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages.
1    Vor Ablauf der Stundung unterbreitet der Sachwalter dem Nachlassgericht alle Aktenstücke. Er orientiert in seinem Bericht über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages.
2    Das Nachlassgericht trifft beförderlich seinen Entscheid.
3    Ort und Zeit der Verhandlung werden öffentlich bekanntgemacht. Den Gläubigern ist dabei anzuzeigen, dass sie ihre Einwendungen gegen den Nachlassvertrag in der Verhandlung anbringen können.
SchKG Nr. 4). Die verschiedenen Anforderungen, Welche an die
Form der Mitteilung des Entscheides gestellt werden, finden deshalb eine
Rechtfertigung in der verschiedenen Stellung, welche das Gesetz und zwar
das SchKG selbst auch sonst beiden-im Verfahren zuweist, sodass von einer
Verletzung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit nicht die Rede sein kann.

52. Auszug aus dem Urteil vom 5. Dezember 1925 i. S. Keller-Medan:gegen
Bezirksgericht Vox-dorma Appenzell e/Rh.

Anonymes Flugblatt. Klagerecht derjenigen, welche es verfasst oder, die
Drucklegung und Verbreitung veranlasst haben, gegenüber ehrverletzenden
Äusserungen einer in der Presse erschienenen Erwiderung.

Der Rekurrent Keller-Niederer in Heiden erhob gegen den Redaktor des
Appenzeller Anzeiger Alder und

372 Staatsrecht.

eine andere Person, Robert Weber Ehrverletzungsklage wegen verschiedener
Artikel, die in diesem Blatte erschienen waren und sich gegen ein in
der Gemeinde Heiden auf die Gemeindeversammlung vom 4. Mai 1924 hin
verbreitetes anonymes Flugblatt richteten. Er machte geltend, dass
dieses Flugblatt von ihm ausgegangen und er daher durch die Angriffe
der Beklagten in seiner Ehre betroffen sei. Das Bezirksgericht des
Vorderlandes ' Appenzell .cOl.-Rh.v wies die Klage wegen mangelnder
Legitimation des Klägers ab mit der Begründung :

Klageberechtigt kann nur ein Rechtssubjekt sein. Ein Anonymus
ist weder eine physische noch eine juristische Person, er besitzt
keine Persönlichkeit und damit auch keine Rechtsfähigkeit und kein
Klagerecht. Er kann auch nicht ins Recht gefasst werden, wenn er die
Maske nicht lüftet und dafür sorgt, dass, wie es hier geschehen ist,
Verleger und Drucker geheim gehalten werden und die Verteilung des
Elaborates mit der nötigen Sorgfalt geschieht. Denn das appenzellische
Gesetz kennt keine Bestimmung, wonach Presserzeugnisse den Namen des
Herausgebers oder des Verlegers, resp. Druckers unter Strafandrohung
enthalten müssen. Der appenzellische Kläger wäre deshalb einem Anonymus
gegenüber machtlos. Das Gericht muss sich also auf den Rechtsstandpunkt
stellen, dass einem solchen ein Klagerecht nicht zusteht. Aber selbst
dann, wenn man dem Kläger die Aktivlegitimation zur Klage zubilligen
würde, müsste diese abgewiesen werden. Die Beklagten haben wiederholt das
Begehren um Edition näher bezeichneter Dokumente gestellt. Der Kläger
hat die Editionspflieht bestritten mit der Begründung, er sei weder
Straf-_ noch Zivilbeklagter. Nun kann aber auch der Kläger, sogar ein
Dritter zur Edition angehalten werden. Im Bestrei_tungsfall entscheidet
das Gericht über die Editionspflicht (vgl. Art. 113
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 113 Schlichtungsverfahren - 1 Im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen. Vorbehalten bleibt die Entschädigung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin oder eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes durch den Kanton.
1    Im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen. Vorbehalten bleibt die Entschädigung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin oder eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes durch den Kanton.
2    Keine Gerichtskosten werden gesprochen in Streitigkeiten:
a  nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199539;
b  nach dem Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 200240;
c  aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht;
d  aus dem Arbeitsverhältnis sowie nach dem Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 198941 bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken;
e  nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 199342;
f  aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 199443 über die Krankenversicherung;
g  nach dem DSG45.
ZPO, der analoge
Anwendung findet). Wenn der Kläger die Editionspflicht bestreiten wollte,
hätte er hierüber einen gerichtlichen Entscheid

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 52. 373

provozieren sollen. Statt dessen hater wenigstens einen Teil der zur
Edition verlangten Akten einfach vernichtet. Dieses Vorgehen eines
ehemaligen Gerichtspräsidenten ist befremdend. Er gibt zu der Vermutung
Veranlassung, dass in der Tat hinter dem Flugblatt als intellektuelle
Urheber Drittpersonen stehen. Diese Meinung wird verstärkt durch die
Weglassung des Druckortes, des Verlegers und Druckers des Flugblattes
und den Umstand, dass der Kläger vor der Verteilung sich bemüssigt
gefunden hat, Dritten gegenüber die Erklärung abzugeben, dass er das
Elaborat allein gemacht und auf seine Kosten habe drucken lassen. Man
gewinnt unwillkürlich den Eindruck, dass der Kläger alle erdenklichen
Vorsichtsmassregeln ergriffen hat, um die Urheber des'Flugblattes nicht
zu verraten. Durch Vernichtung einer zur Edition verlangten Urkunde hat
er den Beklagten den beantragten Beweis dafür abgeschnitten, dass nicht
er, sondern Drittpersonen die intellektuellen Urheber des Flugblattes
sind. , In Würdigung all dieser Tatsachen und Umstände gelangt das
Gericht zur Überzeugung, dass in Tat und Wahrheit der Kläger nicht der
eigentliche Verfasser des Flugblattes ist, sondern nur ein vorgesehobener.
Strohmann. Dass dieser kein Recht besitzt Strafklage anzuheben, leuchtet
ohne weiteres ein. Wenn aber durch die inkriminierten Artikel nicht der
Kläger, sondern Drittpersonendie vom Klagerecht keinen Gebrauch machen
wollen, beleidigt worden sind, so ist die Klage abzuweisen.

Einen gegen die freisprechenden Urteile gerichteten staatsrechtlichen
Rekurs wegen Verletzung von Art, 55 BV und Rechtsverweigerung hat das
Bundesgericht aus dem letzteren Grunde gutgeheissen.

Begründung :

1. Die Freisprechung der Beklagten kann jedenfalls nicht mit der
Berufung auf die Garantie der Pressfreiheit (Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV und 17 KV)
angefochten werden.

374 Staatsrecht.

Der Grundsatz des Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV dient zum Schutz der Presse vor
nngerechtfertigter Verfolgung; er soll verhindern, dass ihr Schranken
auferlegt werden, die sich mit ihrer Aufgabe nicht vertragen. Auf
dem Gebiete des materiellen Strafrechts bestimmt er, was als erlaubte
Meinungsäusserung zu gelten habe; dagegen ist es, wenn diese Schranke
überschritten ist und eine Meinungsäusserung nicht als durch die
Pressfreiheit gedeckt erscheint, eine rein strafrechtliche Frage,
ob eine strafbare Handlung vorliege, und ein Anspruch auf Bestrafung
eines Presserzeugnisses kann aus der verfassungsmässigen Garantie
der Pressfreiheit nicht hergeleitet werden. Insbesondere lässt sich
daraus nicht folgern, dass dem anonymen Verfasser einer Druckschrift
ein Anspruch auf Verfolgung und Bestrafung eines gegen ihn gerichteten
Angriffs zustehe. Wohl wird etwa in der Literatur auf Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV ein
sog. Recht auf Anonymität gestützt (s. z. B. ENDERLIN, Begriff und Schutz
der Anonymität in der Presse). Allein damit wird doch nur der Schutz des
Redaktionsgeheimnisses und der Ausschluss des Zeugniszwangs gegenüber
der verantwortlichen Redaktion gefordert, was vom Bundesgericht als nicht
zum Wesen der Pressfreiheit gehörend erklärt worden ist (AS 32 I S. 455
ff.), aber in den letzten Entwürfen für ein schweiz. Strafgesetzbuch
aufgenommen worden ist (vgl. Art. 26 Ziff. 3 des bundesrätlichen
Entwurfes von 1918). Keinesfalls aber verleiht ein solches Recht der
Anonymität dem anonymen Verfasser eines Presserzeugnisses zugleich ein
Klagerecht gegenüber demjenigen, der ihn angegriffen hat. Die Frage,
ob dem Rekurrenten, der sich als Verfasser des anonym erschienenen
Flugblattes bekannte, ein Strafanspruch gegen die Beklagten zustehe,
beurteilt sich vielmehr ausschliesslich nach den allgemeinen Grundsätzen
des Strafrechts und Strafrechtsverfahrens. Und da hier . das kantonale
Recht von Appenzell A.-Rh. in Betracht ss fällt, hat das Bundesgericht
nur zu prüfen, ob die in

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 52. ' 375

Anwendung desselben erfolgte Freisprechung der Beklagten eine
Rechtsverweigerung und damit eine Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV hedeute,
wie der Rekurrent in mehrfacher Beziehung behauptet.

2. Entscheidend für die Freisprechung war nach der Urteilsbegründung neben
der grundsätzlichen Verneinung des Klagerechts des anonymen Verfassers
auch noch die Annahme, es sei nicht bewiesen, dass der Kläger das
Flugblatt, gegen das sich die eingeklagten Artikel richteten, verfasst
habe. Beide Erwägungen halten einer sachlichen Prüfung nicht stand.

a) Nachdem der Kläger das Begehren auf Bestrafung der Beklagten
gestellt hatte, war vom Standpunkt des Strafrechts und -verfahrens
aus lediglich zu untersuchen, ob ihm gegenüber eine strafbare Handlung
begangen worden sei, die ihn zur Stellung eines Strafantrags berechtigte
(Art. 109 und 54 litt. c des Strafgesetzbuches). Mit der Feststellung,
nur ein Rechtssubjekt könne klageberechtigt sein, ein Anonymus besitze
aber keine Rechtsfähigkeit und keine Persönlichkeit, ist daher für
die Entscheidung nichts gewonnen. Denn nicht ein Anonymus ist als
Kläger aufgetreten, sondern der Rekurrent. Die Frage konnte deshalb
einzig die sein, ob, weil die eingeklagten Angriffe der Beklagten sich
gegen das anonym erschienene Flugblatt richteten, er nicht als durch
dieselben betroffen und in diesem Sinne nicht als klageberechtigt zu
betrachten sei. Eine solche Auffassung lässt sich aber schlechterdings
nicht vertreten. Zunächst ist es offensichtlich unrichtig, dass einem
Anonymus gegenüber der appenZellische Kläger machtlos sei. Nach Art. 33
des appenzellischen StrG haftet für Vergehen, welche durch das Mittel der
Druckerpresse begangen werden, zunächst der Verfasser der Druckschrift,
wenn die Herausgabe und Verbreitung ohne sein Wissen und seinen Willen
stattgefunden hat oder wenn er nicht ausgemit'rclt'werden kann oder sich
ausser dem Bereiche der kantonalen Strafgewalt be-

376 ' Staatsrecht.

findet, der Herausgeber, bezw. Druckereibesitzer oder Verleger. Dass
die kantonale Gesetzgebung eine Vorschrift, die für Presserzeugnisse
unter Strafandrohung die Angabe des .Namens des Verlegers, Herausgebers
oder. Druckers fordert, nicht kennt, mag der Ermittlung des Verfassers
unter Umständen praktische Schwierigkeiten bereiten, 'ändert aber an
seiner grundsätzlichen Haftbarkeit nichts. Und keinesfalls ist unter
diesen Umständen der Schluss e contrario zulässig, dass ein Anonymus,
weil er nicht belangt werden könne, auch nicht klagen könne. Wenn das
anonyme Auftreten vom moralischen Gesichtspunkte aus, namentlich im
privaten Leben, als etwas Ungehöriges angesehen werden und in gewissem
Masse mit Recht der Kritik ausgesetzt sein mag, so ginge es doch
zweifellos zu weit, denjenigen, der ungenannt handelt, deshalb jedem,
auch einem sachlich unerlaubten Angriff auf seine Person preiszugeben.
Es kann insbesondere nicht allgemein gesagt werden, dass er sich durch
diese Art des Vorgehens der Gewährung eines rechtlichen Schutzes seiner
Persönlichkeit von vorneherein unwürdig gemacht habe. Insbesondere
im öffentlichen Leben liegen dem anonymen Auftreten durchaus nicht
immer verwerfliehe Motive oder eine verwerfliche Gesinnung zu Grunde,
wie denn dasselbe bei Presserzeugnissen aller Art in weitem Umfange
üblich ist, ohne dass es als unzulässig empfunden würde. Wie bei jeder
anderen Injurienklage kann es sich vielmehr auch bei derjenigen des aus
seiner Anonymität heraustretenden Verfassers einer Drucksehrift nur
fragen, ob durch die Äusserung, die Gegenstand der Klage bildet, er,
der Kläger, wirklich getroffen sei. Mit diesem Beweise mag es streng
genommen werden. Im weiteren wäre zu prüfen, ob nicht dem Beklagten in
einem solchen Falle die Einwendung zu gestatten sei, dass er bei seinem
Angriffe einen anderen als denjenigen, der in Wirklich-' keit hinter
dem anonymen Presserzeugnis stand, im Auge hatte und den Kläger nicht
treffen wollte. Auch

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 52. 377

fmag vielleicht der Tatbestand einer strafbar-en Be-

leidigung da ausgeschlossen werden, wo nur für den Kläger selbst
erkennbar war, dass der Angriff ihm galt ; es kann wohl gesagt werden,
dass er in diesem Falle auch die darin liegende Kränkung hinzunehmen
habe und, nachdem er zuerst seine Persönlichkeit verborgen hat, nicht
aus der Anonymität heraustreten solle bloss um sich eine p e r s ö n I
i c h e Genugtuung zu verschaffen. Ihm einen Strafanspruch schlechthin
zu versagen, selbst wo ein Irrtum des Beklagten der erwähnten Art
nicht in Betracht kommt und die Beziehung des Angriffs auf den Kläger
auch für Dritte ersichtlich war, geht nicht an, wie denn die positive
appenzellische Gesetzgebung für eine solche Rechtsauffassung keine Stütze
bietet. "b) Danach erweist sich auch die zweite vom kantonalen Richter
für die Freisprechung angeführte Erwägung als nicht haltbar. Wenn die
kantonalen Gerichte hinsichtlich der Frage der Verfasserschaft des
Flugblattes nicht auf die Angaben des Klägers abzustellen brauchten,
sondern die Frage auf Grund des ganzen Untersuchungsergebnisses zu
prüfen hatten, so ist es doch schon schwer verständlich, wie dem
Kläger jene Eigenschaft abgesprechen werden konnte angesichts der
Aussagen der Zeugen Büchler, Manser und Lutz, wonach er ihnen" schon
vor der Verbreitung des Flugblattes gesagt habe, e r sei der Verfasser,
und des Buehdruckers Indermaur, dass der Kläger ihm das Manuskript
für das Flugblatt zugestellt, den Druckauftrag erteilt, den Probeabzug
korrigiert und die Kosten bezahlt habe. Demgegenüber vermag die Weigerung
des Klägers, gewisse Akten herauszugeben einen Garantieschein für die
Kosten des Flugblattes und das Manuskript desselben Wle das Zugeständnis,
dass er letzteres vernichtet habe wohl eine gewisse Vermutung dafür zu
begründen, dass noch andere Personen bei der Abfassung beteiligt waren ;
aber dass der Kläger dennoch dabei'nicht wenigstens mitgeholfen habe,
kann daraus kaum geschlossen werden.

378 ss Staatsrecht.

Für die Frage einer ih 111 gegenüber begangenen Beleidigung kann es aber
überhaupt nicht auf jene intellektuelle Urheberschaft (V erfässerschaft),
sondern einzig darauf ankommen, ob er zu denjenigen gehörte, die
bei der Herstellung und Verbreitung (Herausgabe) der Druckschrift in
selbständiger, treibender Weise mitge-

wirkt hatten und infolgedessen für deren Inhalt verant '

wortlich waren. Gegen diese Personen waren jedenfalls die
Artikel, mit Ausnahme desjenigen des Beklagten Weber gerichtet,
in denen eine besondere Bezugnahme auf den Verfasser (nämlich des
Flugblattes) überhaupt fehlt. Sie und nicht derjenige, der den Text
des Flugblattes entworfen hatte, waren aber zweifellos auch unter dem
Verfasser beim Artikel Weber verstanden. Dass in diesem Sinne der Kläger
jedenfalls einer der Hauptbeteiligten war, kann nach dem Ergebnis der
Untersuchung nicht zweifelhaft sein. In tatsächlicher Beziehung ist
ganz abgesehen von seinen eigenen Angaben erstellt, dass er für die
Drucklegung sorgte (Zeugnis Indermaur) und den Auftrag zur Verteilung gab
(Zeugnis Geiger). Damit wurde er aber auch rechtlich für den Inhalt des
Flugblattes verantwortlich. In seiner Eingabe vom 27. Juni 1924 hatte
zudem der Rekursbeklagte Alder selbst erklärt : Nicht der Kläger, o d
e r wenigstens nicht er allein, hat sich an dem Flugblatt beteiligt.
Und in dem Artikel des Beklagten Weber war durch die Bemerkung, dem
Besitzer des alten Postlokals sei es nicht zu verargen, dass er sich für
seine Interessen wehre, sogar direkt auf den Kläger angespielt. Es kann
demnach darüber, dass er objektiv betrachtet durch die Artikel getroffen
worden ist, kein Zweifel bestehen. Was aber die subjektive Seite,
den Willen und die Absicht der Beklagten betrifft, so könnte darauf,
wen sie treffen wollten, höchstens dann etwas ankommen, wenn sie zu
beweisen vermöchtendass der Angriff nicht dem Kläger galt und auch nicht

auf ihn bezogen wurde, wovon aber nach dem ganzen

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 52.si 379

Sachverhalt keine Rede sein kann. Endlich liegen die Dinge auch nicht so,
dass nur der Kläger um die Herausgeber des Flugblattes wusste. Vielmehr
steht ausser Frage, dass seine Beteiligung bei der Herausgabe auch noch
einer ganzen Anzahl anderer Personen bekannt war, die daher die Angriffe
der Beklagten ohne weiteres auf ihn beziehen mussten, wie denn auch die
Zeugen Mauser und Lutz erklären, in Heiden sei man sich ziem-lich klar
darüber gewesen, dass der Kläger das Flugblatt verfasst habe und dass
die Angriffe ihm galten.

3. Die beiden entscheidenden Erwägungen der angefochtenen Urteile
gehen demnach derart augenscheinlich fehl, dass die darauf gegründete
Freisprechung der Beklagten als willkürlich angesehen werden und
die Urteile aufgehoben werden müssen. Eine Weisung für die neue
Beurteilung ist damit, entgegen dem Antragedes Rekurrenten nicht
zu verbinden. Vielmehr wird die prozessuale Lage, abgesehen von der
Unzulässigkeit einer Freisprechung aus den vom Bundesgericht als nicht
haltbar erklärten Gründen, für das Bezirksgericht dieselbe sein, Wie
wenn eine Beurteilung in seiner Instanz überhaupt noch nicht erfolgt
Wäre. Es wird demnach hei der neuen Entscheidung in jeder Beziehung
frei und insbesondere auch durch die zu Eingang der Erwägungen des
angefochtenen Urteils ausgesprochene Ansicht nicht gebunden sein, dass
die eingeklagten Artikel, selbst unter Berücksichtigung der im Flugblatt
liegenden, vom Rekurrenten ausgegangenen Provokation den Rahmen einer
erlaubten und durch die Umstände entschuldigten Kritik und Erwiderung
überschritten. Vielmehr wird es den Fall auch nach dieser Richtung einer
neuen rechtlichen Prüfung unterziehen können.

Vgl. auch Nr. 56. Voir aussi n° 56. .
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 51 I 371
Datum : 05. Dezember 1925
Publiziert : 31. Dezember 1925
Quelle : Bundesgericht
Status : 51 I 371
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : an) Staatsreeht. konnte aber hier auf alle Fälle auch wenn man die übrigen vom Kantonsgericht


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
SchKG: 304 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 304 - 1 Vor Ablauf der Stundung unterbreitet der Sachwalter dem Nachlassgericht alle Aktenstücke. Er orientiert in seinem Bericht über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages.
1    Vor Ablauf der Stundung unterbreitet der Sachwalter dem Nachlassgericht alle Aktenstücke. Er orientiert in seinem Bericht über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt die Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages.
2    Das Nachlassgericht trifft beförderlich seinen Entscheid.
3    Ort und Zeit der Verhandlung werden öffentlich bekanntgemacht. Den Gläubigern ist dabei anzuzeigen, dass sie ihre Einwendungen gegen den Nachlassvertrag in der Verhandlung anbringen können.
307
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 307 - 1 Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
1    Der Entscheid über den Nachlassvertrag kann mit Beschwerde nach der ZPO553 angefochten werden.
2    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sofern die Rechtsmittelinstanz nichts anderes verfügt.
ZPO: 113
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 113 Schlichtungsverfahren - 1 Im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen. Vorbehalten bleibt die Entschädigung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin oder eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes durch den Kanton.
1    Im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen. Vorbehalten bleibt die Entschädigung einer unentgeltlichen Rechtsbeiständin oder eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes durch den Kanton.
2    Keine Gerichtskosten werden gesprochen in Streitigkeiten:
a  nach dem Gleichstellungsgesetz vom 24. März 199539;
b  nach dem Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 200240;
c  aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen sowie aus landwirtschaftlicher Pacht;
d  aus dem Arbeitsverhältnis sowie nach dem Arbeitsvermittlungsgesetz vom 6. Oktober 198941 bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken;
e  nach dem Mitwirkungsgesetz vom 17. Dezember 199342;
f  aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 199443 über die Krankenversicherung;
g  nach dem DSG45.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
flugblatt • beklagter • verfassung • frage • druck • presse • bundesgericht • wille • editionspflicht • urheber • sachverhalt • zeuge • veröffentlichung • leben • treffen • strafgesetzbuch • weiler • vermutung • rechtssubjekt • strafbare handlung
... Alle anzeigen