158 Staatsrecht.

nicht. Ob der Erwerb eines ausländischen Bürgerrechts, der als Folge
der Entlassung eintreten wird, allenfalls nach internationalem Recht
ein Hindernis für die spätere Vollstreckung des militärgerichtlichen
Urteils gegen den Gesuchsteller zu bilden vermöchte-, ist heute so wenig
zu untersuchen wie im Falle Järmann. Solange Pfister sich nicht in der
Schweiz hätte betreffen lassen, wäre die Vollstreckung auch ohne die
Entlassung nicht möglich gewesen, weil die Dienstverweigerung nach dem
englisch-schweizerischen Auslieferungsvertrag kein Auslieferungsvergehen
ist. In diesem Zusammenhang genügt es festzustellen, dass weil
jener Grund nach dem Bürgerrechtsgesetz nicht zur Verweigerung der
Entlassung aus dem Staatsverband berechtigt, selbstverständlich auch in
dem die Entlassung aussprechenden Akte ein Verzicht auf den Strafoder
Urteilsvollziehungsanspruch nicht liegen kann. Der Gesuehsteller würde
sich also jedenfalls nicht unter Berufung darauf der Urteilsvollstreckung
widersetzen können, wovon er denn auch selbst ausgeht. Die urteilsmässige
Feststellung des Vergehens wird andererseits zur Folge haben, dass die
Verjährung erst nach 10 Jahren vom Urteil an eintreten wird, während sie
sonst schon 5 Jahre nach der allgemeinen Demobilisation vollendet gewesen
wäre (Art. 3 des Bundesratsbesehlusses vom 30. Nov. 1917); Ausschliesslich
zu diesem ZWecke hat auch offenbar das eidgen. Militärdepartement, nach
seinem Schreiben vom 13. Januar 1925 an die kantonale Militärdirektion,
die Durchführung des eingestellten Verfahrens vor dem Militärgericht
veranlasst.

3. Unter dem erwähnten Vorbehalte hinsichtlich der Wirkungen
des Entlassungsaktes auf den Strafanspruch, muss die Entlassung
bewilligt werden, da die Voraussetzungen des Art. 7 des Gesetzes dafür
un-bestrittenermassen vorliegen. Nach Art. 9 des Gesetzes erstreckt
sie sich auch auf die Ehefrau und die minderjährigen Kinder des
Gesuchstellers.

Letteriegesetz. N° 26. 159

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Einsprache gegen den Bürgerrechtsverzicht des Rudolf Emil Pfister
wird abgewiesen und der Regierungsrat des Kantons Zürich eingeladen,
die Entlassung des Pfister aus dem Kantons und Gemeindebürgerrecht,
die sich auch auf die Ehefrau und die minderjährigen Kinder erstreckt,
auszusprechen.

IX. ORGANISATION DER BUNDESRECHTSPFLEGE

ORGANISATION JUDICIAIRE FÉDÉRALE Vgl. Nr. 15, 18, 23 und 24. Voir n°
15, 18, 23 et 24.

B. STBAFREGHT DBOIT siPÉNAL

LOT'I'ERIEGESETZ LOI SUR LES LOTERIES

26. Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1925 i. S. Bundesanwaltschafi
gegen Wet.

Grundsätze der Auslegung gewerbepolizeilicher Vorschriften, insbesondere
bei Abweichungen der Texte verschiedener Sprache. R ä u mlicher G e l
t u n g s b e r e i ch derartiger Vorschriften.

Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerhsmässigen Wetten
vom 8. Juni 1923 Art. 4, 38:

Nicht strafbar ist die Vermittlung des Ankaufs oder Verkaufs von
Obligationen im Ausland ausgegebener Prämienanleihen, deren Durchführung
in der Schweiz vom Eidge-

-160 Strafrecht.

nössischen Finanzdepartement nicht bewilligt ist, an ausländischer
Börse durch Schweizer von der Schweiz aus. Begriff der Durchführung
einer Lotterie.

A. Die Eidgenössische Steuerverwaltung erstattete gegen das Basler
Bankhaus Paravieini, Christ & Cie bezw. dessen Mitinhaber Paul Christ
Strafanzeige, weil es im Auftrag der Schweizerischen Bankiervereinigung
im Herbst 1924 durch eine Pariser Bank an der dortigen Börse eine
4%-0bligation à lot Ville de Paris 1865 zunächst hatte kaufen und hernach
wieder verkaufen lassen.

B. Durch Urteil vom 13. Dezember 1924 hat das Polizeigeiicht des Kantons
Basel Stadt den Verzeigten freigesprochen.

C. Gegen dieses Urteil hat die Bundesanwaltschaft Kassationsbeschwerde
eingelegt mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben.

Der Kassationshof zieht in Erwägung :

1. Die Kassationsklägerin macht gelten, das freisprechende Urteil des
Polizeigerichts von Basel-Stadt beruhe auf der Verletzung der Art. 4
und 38 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die
gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923. Nach der letzteren Vorschrift
wird bestraft, wer eine durch dieses Gesetz verbotene Lotterie ausgibt
oder durchkiihrt (Abs. 2 schliesst an: Straffrei ist das Einlegen'
lll eine Lotterie . L'acquisto dei biglietti non è punito ); nach der
ersteren Vorschrift sind untersagt die Ausgabe und die Durchführung einer
durch dieses Gesetz verbotenen Lotterie ( Il est interdit d'organiser
et d'exploiter une loterie ...... ) und umfasst die Durchführung einer
Lotterie, die dem Lotteriezweck dienenden Handlungen, wie die Ankündung
oder Bekanntmachung einer Lotterie, die Ausgabe der Lose, die Empfehlung,
das Feilbieten, die Vermittlung (a le placement) und den Verkauf von
Losen, Coupons oder Ziehungslisten, die Losziehung,Lotteriegesetz. N°
26 1651

die Ausrichtung der Gewinne, die Verwendung des

Ertrages.

Es ist davon auszugehen, dass das' in Frage stehende Prämienanleihen eine
durch das Lotteriegesetz verbotene Lotterie darstellt. Denn nach der in
Art. 1 Lc. gegebenen Definition der Lotterie fallen Prämienanleihen
-unter das dort grundsätzlich ausgesprochene Lotterieverbot, und
Art. 3 Lc. nimmt von diesem Verbot die Prämienanleihen nur aus, soweit
deren Ausgabe und Durchführung ' erlaubt sind ; im Ausland ausgegebene
Prämienanleihen aber dürfen gemäss Art. 24 Le. in der Schweiz nur mit
Bewilligung des eidgenössischen Finanzdepartements durchgeführt werden,
die für das in Frage stehende Prämienanleihen nicht erteilt werden ist und
wohl mangels der hiefür erforderlichenVoraussetzungen auch niemals wird
erteilt werden können. Danach hängt die Strafbarkeit der vom Angeklagten
begangenen Handlung davon ab, ob in ihr ein Akt der Durchführung des in
Frage stehenden Prämienanleihens im Sinne des Art. 4 des Lotteriegesetzes
erblickt werden könne.

Der Auslegung der letzteren Vorschrift kann entgegen der im Gutachten des
eidgenössischen Justizdeparteimentszum Ausdruck gebrachten Auffassung
nicht einfach der deutsche Gesetzestext zu Grunde gelegt werden mit
der Argumentation, dass er der Urtext sei-. Vielmehr verbietet der
Charakter der Vorschrift als gewerbepolizeilicher Freiheitsbeschränkung
jede ausdehnende, über den Wortlaut hinausgehende Auslegung (vgl. AS
33 I S. 733). Und zwar-ist bei Verschiedenheit der Texte auf den in
der Beschränkung am wenigsten weitgehenden Text abzustellen, da es
einerseits nicht angeht, den Bürger wegen einer Handlung zu bestrafen-;
deren Unzulässigkeit er aus dem Gesetzestext seiner Muttersprache
schlechterdings nicht ersehen kann, anderseits die Rechtsanwendung
einheitlich sein muss (vgl. AS 47 111 S. 5 f.). Auch kann den bei den
gesetzgeberischenVorarbeiten geäusserten Ansichten nur un-

162 Strade-cm.

tergeordnete Bedeutung beigemessen werden; übrigens lässt sich dem
stenographischen Bulletin der Bundesversammlung bezüglich der vorliegenden
Streitfrage nichts entscheidendes entnehmen, und weiter kann nicht
zurückgegriffen werden angesichts der tiefgreifenden Veränderungen,
welche der Gesetzesentwurf und insbesondere gerade die französische
Uebersetzung des Art. 4 bei der parlamentarischen Behandlung erfahren
hat. Endlich kann der Kassationsklägerin auch insoweit nicht gefolgt
werden, als sie Spezialvorschriften des GesetZes, welche mit der a l l
g e m e i n e n Vorschrift des Art. 4 weder äusserlich noch innerlich
in irgendwelchem Zusammenhang stehen, wie insbesondere Art. 25 Abs. 1,
der ausschliesslich auf bewilligte ausländische Prämienanleihen, dagegen
nicht auf alle anderen Kategorien von Lotterien Bezug hat, zur Auslegung
jener allgemeinen Vorschrift herangezogen wissen will.

Kann nun zwar füglich von der Durchführung einer Lotterie bezw. eines
Prämienanleihens gesprochen werden, so lässt sich der Ausdruck
exploiter in Beziehung auf eine Lotterie bezw. ein Prämienanleihen
nur in uneigentlichem Sinne verwenden; doch ist die Bedeutung keine
andere. Nach dem laut Vorstehendem allein massgebenden allgemein üblichen
Sprachgebrauch können indessen zur Durchführung einer Lotterie bezw.
eines Prämienanleihens nur solche Handlungen gerechnet werden, welche
nach vom ,Veranstalter der Lotterie bezw. Ausgeber des Prämienanleihens
und ihren Hùlfspersonen aufgestelltem Plan darauf angelegt sind, die
Lose bezw. Obligationen im Publikum unterzubringen, zu placieren; danach
scheiden also Handlungen aus, welche in diesem Plan nicht vorgesehen sind,
insbesondere also solche, welche erst nach dessen Ausführung vorgenommen
werden. Diese Auffassung wird denn auch durch die angeschlossene
Umschreibung des Begriffs der Durchführung unter Heranziehung von
Beispielen für Durchfühmngshandlungen bestätigt: der Zweck der Lotterie

Lotteriegesetz. N° 23. . 163 besteht darin, dem Veranstalter Geldmittel
zu verschaffen und sie nutzbringend zu Verwenden; diesem Zweck dienen
die Handlungen, welche vom Veranstalter und seinen Hülfspersonen
vorgenommen werden, um das, erstrebte Ziel zu erreichen, nicht aber
die gelegentliche vereinzelte Handlung eines Privaten oder Bankiers,
welcher bereits placierte Lose bezw. Prämienobligationen später kauft
oder verkauft. Gegen diese Einschränkung kann nicht eingewendet werden,
Art. 4 Lc. verbiete den Verkauf von Losen schlechthin. Denn da dieses
Rechtsgeschäft dort ats Beispiel einer dem Lotteriezweck dienenden
Handlung aufgeführt ist, kann es auch nur als verboten erachtet werden,
solange es dem Lotteriezweck zu dienen geeignet ist ; dies trifft aber
auf den Verkauf von Losen nach erfolgter Plaeierung nicht mehr zu. Es
ist ja auch nicht ersichtlich, inwiefern der von der Stadt Paris durch
die Ausgabe des in Betracht kommenden Prämienanleihens verfolgte Zweck
der Beschaffung von Mitteln für ihre Bedürfnisse durch eine mehr als
ein halbes Jahrhundert später vorgenommene Handänderung einer einzelnen
Prämienobligation gefördertwerden könnte. Der Ankauf von Losen bezw.
Prämienobligationen endlich ist nach A 38 Abs. 2 l. c. überhaupt
straffrei, namentlich auch der nachträgliche Ankauf nach Art des hier
vorliegenden, wie insbesondere aus dem italienischen Text unzweifelhaft
hervorgeht; dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Ankauf, mindestens
während der Placierungsoperation, gleichwohl als verboten anzusehen
sei. Handelte es sich somit beim Ankauf und Wiederverkauf der Pariser
Prämienobligation durch die Bankiervereinigung nicht um verbotene
Rechtsakte, so könnte ein anderes für die sich in der Vermittlung
dieses erlaubten Ankaufs und Wiederverkaufs erschöpfende Tätigkeit des
Kassationsbeklagten nur dann gelten, wenn die Vermittlung unabhängig
davon verboten wäre, ob auch das Kaufgeschäft es ist, das ihr zufolge
zum Abschluss gelangt.

164 . Strafrecht.

Dies trifft jedoch nicht zu; insbesondere gilt für die Erwähnung der
Vermittlung in Art.4 Lc. das oben mit Bezug auf den Verkauf Gesagte,
und überdies steht die Wiedergabe des Ausdrucks Vermittlung durch
placement der Subsumtion der Vermittlung bereits placierter Lose
bezw. Prämienobligationen unter Art. 4 1. c. entgegen.

Es lässt sich auch nicht etwa behaupten, dass dieses Ergebnis mit
der ratio legis geradezu im Widerspruch stehe. Freilich verfolgt
das Lotteriegesetz zum Schutze des Publikums den Zweck, Lotterien zu
verhindern, aber nicht dadurch, dass es den Erwerb von Lotteriewerten,
selbst nicht bewilligten, bei Strafe untersagen würde, sondern
hauptsächlich durch Unterdrückung des für die Ausgabe und Durchführung der
Lotterien geschaffenen Apparates oder doch besonders gefährlicher Arten
von Handänderungsgeschäften über Lose bewilligter Lotterien. Vorliegend
aber handelt es sich weder um ein Geschäft solcher Art, noch, wie
ausge-führt, um einen Akt der Durchführung eines Prämienanleihens.

Eine Unstimmigkeit besteht zwar insofern, als Lose von im Ausland
ausgegebenen Prämienanleihen, deren Durchführung in der Schweiz bewilligt
worden ist, nur gegen Stempelung zum Rechtsverkehr in der Schweiz
zugelassen werden, während, nach dem Ausgeführten die Zirkulation von
einmal plaeierten Lesen ausländischer in der Schweiz nicht bewilligter
Prämienanleihen keiner Beschränkung unterworfen ist. Indessen kann
daraus, dass auf die Umgehung der Stempelung eine Busse von höchstens
1000 Fr. gesetzt ist (Art. 41 l.c.), kein Schluss auf den Ausschluss von
Losen ausländischer, in der Schweiz nicht bewilligter Prämienanleihen
vom schweizerischen Rechtsverkehr gezogen werden, da die Ahndung der
Zuwiderhandlung hier in Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder
Busse bis zu 10,000 Fr., allfällig kumuliert, bestünde (Art. 38
l.c.). ,Lotteriegesetz. N° 26. 165

2. Selbst wenn Art. 4 des Lotteriegesetzes anders auszulegen wäre,
so würde er durch das angefochtene Urteil doch nicht verletzt, weil
für dessen räumlichen Geltungsbereich wie bei Polizeivorschriften
überhaupt das Territorialprinzip gilt, die verfolgte Handlung aber in
Paris begangen worden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der
Auftrag des Kassationsbeklagten an seinen Pariser Korrespondenten als
in Basel erteilt anzusehen sei, wo er ihn schrieb und versandte, oder
aber in Paris, wo der Auftrag zunächst dem Adressaten zugeben musste, um
überhaupt irgendwelche Rechtswirkungen entfalten zu können. Entscheidend
ist nämlich, dass die durch den Auftrag veranlassten und in Ausführung
desselben vorgenommenen Handänderungen in Paris stattgefunden haben und
daher der. schweizerischen Polizeihoheit entzogen sind, also nicht gegen
die im Lotteriegesetz ausgesprochenen Verbote verstossen. Sind aber die
Erwerbsund Veräusserungshandlungen selbst nicht verboten, so muss das
gleiche auch für die Handlung des Vermittlers gelten, auf dessen Zutun
hin sie erfolgt sind. Anders wäre es nur, wenn die Losvermittlung ohne
Rücksicht darauf verboten wäre, ob die Handänderung, welche ihr zufolge
stattfindet, erlaubt sei; dies trifft aber nach dem bereits Ausgeführten
nicht zu.

Demnach erkennt der Kassationshof :

Die Kassationsbeschwerde wird abgewiesen.

AS 51 I 1925 12
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 51 I 159
Datum : 13. Januar 1925
Publiziert : 31. Dezember 1925
Quelle : Bundesgericht
Status : 51 I 159
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 158 Staatsrecht. nicht. Ob der Erwerb eines ausländischen Bürgerrechts, der als


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