4 Familienrecht. N° 2.

2. Auszug aus dem Urteile der II. Zivilabteiluug vom 20. Februar 1924
i.' S. Lablm'd gegen Labhard-Ghomenko. E h e s c h e i d u n g : Nur eine
'rechtsgfiltige Ehe kann ge-

schieden werden. Beweis der Rechtsgültigkeit ist nur auf Grund einer
Feststellungsklage möglich.

Wer auf Scheidung seiner Ehe klagt, hat dem Richter in erster Linie
nachzuweisen, dass diese rechtsgültig abgeschlossen worden ist. Nur
wenn dieser Nachweis geleistet ist, kann eine Scheidung überhaupt in
Frage kommen, und es geht daher nicht an, mit der Vorinstanz unter dem
Hinweis darauf, dass die verlangte Scheidung mangels Vorliegens eines
seheidungsgrundes ohnehin abzulehnen sei, sich über die Frage nach der
Rechtsbeständigkeit der zu scheidenden Ehe hinwegzusetzen. · '

Hierbei darf der Richter, um der in Art. 158 Ziff. } ZGB für das
Ehescheidungsverfahren vorgeschriebenen Offizialmaxime zu genügen, nicht
einfach auf die übereinstimmenden Aussagen der Parteien abstellen, sondern
er hat sich von dem behaupteten Eheabschluss selbst zu überzeugen. Da nun
aber der Kläger Schweizer ist, kann der Nachweis der Rechtsbeständigkeit
seiner Ehe vom Scheidungsrichter solange nicht als geleistet betrachtet
werden, als sie in der Schweiz von den zuständigen Administrativbehörden
nicht anerkannt und im Eheregister seiner Heimatgemeinde nicht
eingetragen ist. Das ist hier nicht der Fall. Nach der Feststellung der
Vorinstanz liegt weder ein Ausweis ,über die Anerkennung der Ehe durch die
Heimatgemeinde des Klägers vor, noeh ist dargetan, dass sie im Eheregister
oder im Haushaltungsregister dieser Gemeinde eingetragen ist. Ob trotz
diesen formellen Mängeln .dennoch eine rechtsgültige Ehe bestehe, sei
es, dass die nach der Darstellung der Parteien am 9. September 1918 in
St. Petersburg stattgefundene kirchliche Trauung nach dem

Familienrecht. N° 2. 5

damals geltenden russischen Rechte auch vom Staate . anerkannt wurde,
oder sei es, dass die Litiganten daneben noch eine nach russischem
Rechte gültige Ziviltrauung eingegangen sind, sodass ihre Ehe im einen
wie im andern Falle gemäss Stahl.-Titel Art. 59 Ziff. 7 f
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.
. ZGB auch in
der Schweizssals gültig zu betrachten wäre, kann im Scheidungsverfahren
als solchem nicht geprüft werden. Ein Entscheid hierüber ist nur auf
Grund einer auf Gültigerklär'ung der Ehe gehenden Feststellungsklage
möglich. Diese Klage ist von der Ehefrau anzuheben, wenn der Ehemann die
aus der Tatsache des Eheabsehlusses sich für ihn ergebenden Pflichten
ihr gegenüber nicht erfüllt. Oder sie ist vom Ehemann einzuleiten,
wenn er die Ehe zwar anerkennt,sie aber scheiden lassen will; in diesem
Falle kann die Klage auf Gültigkeit der Ehe allerdings auch gleich mit
der Scheidungsklage verbunden werden. Immer aber lässt sich die Frage,
ob die Ehe trotz Nichteintragung zu Recht bestehe, und inwieweit beim
Nachweis darüber einem allfälligen Beweisnotstand der Parteien Rechnung
zu tragen ist, nur auf Grund der Gültigkeitsklage entscheiden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 50 II 4
Datum : 20. Februar 1924
Publiziert : 31. Dezember 1925
Quelle : Bundesgericht
Status : 50 II 4
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 4 Familienrecht. N° 2. 2. Auszug aus dem Urteile der II. Zivilabteiluug vom 20.


Gesetzesregister
ZGB: 59 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.
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Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
ehe • frage • vorinstanz • feststellungsklage • eheregister • entscheid • ehegatte • nichtigkeit • offizialmaxime • scheidungsklage • wille • gemeinde • trauung • stahl