122 Sachenrecht. N° 24.

Daraus folgt aber, dass sie auch zeitlich nur vom Eintrag ihren
Ausgang nehmen und nicht schon vorher beginnen kann. Ein früherer
Beginn ist regelmässig schon wegen des dannzumal noch vorhandenen
älteren Eintrags nicht möglich, weil die Publizität des Grundbuchs
eine Ersitzung im Widerspruch zu demselben (Kontratabularersitzung)
schon im Entstehen verhindert, und ebenso kann, vom Gesichtspunkt der
Verjährung der Löschungsklage aus betrachtet, von einem Verjährungsbeginn
nicht die Rede sein, so lange der ungerechtfertigt-e Eintrag noch
gar nicht existiert. Ist ausnahmsweise, wie hier, ein früherer
Eigentümer nicht eingetragen, so steht allerdings das Grundbuch dem
Beginn der Ersitzung sofort mit dem Besitzerwerb nicht entgegen, aber
die so beginnende Ersitzung stützt sich auch nicht auf das Grundbuch
(Extratabularersitzung) und führt gemäss Art. 662
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
1    Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
2    Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war.
3    Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist.
ZGB erst nach dreissig
Jahren zum Eigentumserwerb und auch dann nur, wenn der wirkliche
Eigentümer sich im Ausschlussverfahren nicht meldet. Eine begonnene
Extratabularersitzung kann aber auch nicht etwa, nachdem der Ersitzende
einen ungerechtfertigten Eintrag zu seinen Gunsten erwirkt hat, einfach
als T abularersitzung f o r t g e s e t z t werden, da eine Kombinierung
der beiden Ersitzungsmöglichkeiten in der Weise, dass vonder einen
der frühere Beginn und von der andern die kürzere Frist entlehnt wird,
selbstverständlich nicht angängig ist.

Aus diesen Erwägungen muss die behauptete Ersitzung des Eigentums am
Ösehinensee durch die Beklagten verneint werden. '

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Agpellationshofes
des Kantons Bern vom 18. Januar 1924 bestätigt.Obligationenrecht. N°
25. , 123,

V. OBLIGATIONENRECHT

DROIT DES OBLIGATIONS

25. Urteil der I. Zîvflabteilung vom 4. März 1924 i. S. Bank in
Schaffhausen gegen Firma. E. Stromeyer.

P r o k u r a. Stillschweigende Einränmung einer Einzelproknra. Art. 459
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 459 - 1 Der Prokurist gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann.
1    Der Prokurist gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann.
2    Zur Veräusserung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist.

OR. Guter Glaube des Dritten.

A. Die Klägerin, Kommanditgesellschaft Stromeyer mit Sitz in Konstanz,
führt seit 1891 in Kreuzlingen eine Filiale. Die Eintragung im
Handelsregister des Kantons Thurgau vom 7. November 1891 erwähnt,
dass die genannte Kommanditgesellschaft aus Wilhelm Stiegeler in
Konstanz, als unbeschränkt haftendem Gesellschafter, und mehreren
(näher bezeichneten) Kommanditisten bestehe, dass sie am 1. Januar 1891
in Kreuzlingen eine Zweigniederlassung errichtet habe unter der Firma
M. Stromeyer, Lagerhausgesellsehaft, Filiale Kreuzlingen, und dass die
Firma Kollektivprokura erteile an Konrad Schilling, Kaufmann in Konstanz,
und Hermann Straubinger, Kaufmann in Kreuzlingen.

Der tatsächliche Leiter der Kreuzlinger Filiale war ein Heinrich Johann
Roth Frommherz, welcher zwar im thurgauischen Handelsregister nicht
eingetragen wurde, trotzdem aber bis 1917 die Einzelprokura für die
Zweigniederlassung in Kreuzlingen besass.

Am 27. November 1917 erliess die Kommanditgesellschaft Stromeyer von
Konstanz aus folgendes Zirkular, und sandte es 11. a. auch der beklagten
Bank in Schaffhausen, mit der sie in Geschäftsverkehr stand :

Wir beehren uns, Sie davon zu benachrichtigen, dass wir unser
provisorisches Büro in Kreuzlingen er weitert, bezw. zu einem Vollbetrieb
umgestaltet haben,

124 Obligatjonenrecht. N° 25.

und dasselbe unter der bisherigen, handelsgerichtlich eingetragenen
Firma M. Stromeyer, Lagerhausgesell schaft, Kreuzlingen, als selbständiges
Zweiggeschäft weiter-führen Werden.

Als Handelsbevollmäehtigte mit dem Recht zur Kollektivzeichnung in
Vollmacht mit den bisherigen Prokuristen, den Herren J. Roth und
H. Straubinger, oder unter sich selbst haben wir nen bestellt:

Herrn Jakob Wuest in Kreuzlingen, Karl Klaffschenkel in Konstanz,

Gustav Iseli in Kreuzlingen.

Die Unterschriften der Zeichnungsbereehtigten, aus genommen diejenige
des Herrn Roth, die Ihnen bereits bekannt ist, bringen Wir Ihnen in
der Beilage zur Kenntnis. '

Wir ersuchen Sie sodann, davon Notiz zu nehmen, dass die vorstehend
genannten Handelsbevolhnäch tigten durch Kollektivunterschrift ,zu zweien
beliebige Abhebungen bis zum Betrage von 5000 Fr. im einzelnen

H Falle aus unserem jeweiligen Guthaben vornehmen

können, während grössere Verfügungen nur dann Rechtsgültigkeit haben,
wenn dieselben die Einzel unterschrift unseres unbeschränkt haftenden
Gesell schafters Herrn Wilh. Stiegeler, oder die Unter schriften der
beiden Prokuristen oder eines Proku risten mit einem Bevollmächtigten
tragen.

Die Beklagte hat am 5. Dezember 1917 den Empfang dieser Mitteilung
bestätigt.

B. Der Prokurist der Klägerin, Roth, unterhielt mit der Beklagten
auch private geschäftliche Beziehungen, indem er in seinem Verkehr mit
ihr Devisenspekulationen in grossem Umfang betrieb. Er hatte bei der
Beklagten einen Kontokorrent, und schuldete ihr laut den bei den Akten
liegenden Auszügen aus demselben per 30. September 1919 164,891 Fr. und
per 31. Dezember 1919 170,191 Fr. Diese Verpflichtungen Roths waren
wegenObllgatlonenrecht. N° 25. 125

Rùckganges der deutschen Valuta nur mehr ungenügend gedeckt. .

Nun übersandte Roth, in seiner Eigenschaft als Prokurist der Klägerin,
am 24. September 1919 der Beklagten folgenden, auf ihn selber gezogenen
und von ihm akzeptierten Wechsel :

Kreuzlingen, den 24. September 1919.

Am 30. Dezember 1919, zahlen sie für diesen Prima Wechsel an die Ordre
von uns selbst die Summe von 100,000 Fr., den Wert in uns selbst,
und stellen ihn auf Rechnung laut Bericht.

Herrn J . Roth-Frommherz ppa. M. Stromeyer in Kreuzlingen,
Lagerhausgesellschaft, zahlbar bei der Bank in Schaffhausen gez. Roth.

Dieser Wechsel trägt das Indossament: Ordre Bank in Schaffhausen,

ppa. M. Stromeyer Lagerhausgesellschaft, gez. Roth.

Das Begleitsehreiben vom 24. September 1919 an die Beklagte lautet :

Den Ihnen anbei zugehenden Abschnitt von 100,000 Franken per 30. Dezember
1919 zahlbar Schaffhausen belieben sie geil. direkt dem Konto des Herrn
J. Roth Frommherz in Kreuzlingen, unter direkter Anzeige

an denselben gutzubn'ngen. ppa. M. Stromeyer Lagerhausgesellschaft.
gez. Roth.

Einen gleichlautenden Wechsel auf Roth per 50,000 Franken, zahlbar bei der
Beklagten am 30. Januar 1920, stellte Both ppa. Stromeyer am 15. Oktober
1919 aus, sowie am gleichen Tage einen weiteren, am 15. Februar 1920
zahlbaren von 50,000 Fr.

Am jeweiligen Verfalltag liess die Beklagte die Wechsel
protestieren. Gestützt auf diese Proteste erhob sie gegen

126 Obllgationenrecht. N° 25.

die Klägerin als Indossantin der Wechsel die Wechselbetreibung für die
betreffenden Wechselbeträge samt Kosten. Die Klägerin schlug Recht vor,
mit der Begründung, Roth habe nur Kollektivprokura besessen; sie sei daher
durch dessen alleinige Unterschrift auf den Wechseln nicht verpflichtet
worden. Nach erteilter Rechtsöffnung löste aber die Klägerin, um den
Folgen der Betreibung zu entgehen, die 3 Wechsel ein, indem sie der
Beklagten die Summe von 200,000 Fr. nebst 2961 Fr. 19 Cts. an Zinsen und
Kosten bezahlte. Mit Klage vom 1. April 1920 forderte sie diese Beträge
zurück. Beide kantonalen Instanzen haben die Klage in vollem Umfang
geschützt. Gegen das Urteil des Obergerichts vom 2. ,Februar 1923 hat
die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit dem Antrag
auf Abweisung der Klage; mit Eingabe vom 30. Januar 1924 hat sie jedoch
die Berufung zurückgezogen.

C. Die Klägerin stand auch in Geschäftsverbindung mit der Kreuzlinger
Filiale der Thurgauischen Kantonalbank; und auch bei dieser Bank hatte
Roth ein 'Privatkonto.

Gegenstand des vorliegenden Prozesses bilden nachstehende Operationen : .

1. Am 25. September 1919 sandte Roth folgendes, mit ppa. M. Stromeyer,
Lagérhausgesellschaft, Roth unterzeichnetes Schreiben an die Beklagte:
Wir bitten Sie hòfl., für unsere Rechnung den Betrag von 50,000
Franken, Valuta 29. September 1919, an die Thurgau ische Kantonalbank in
Kreuzlingen zu vergüten und uns dafür in laufender Rechnung zu belasten.

Die Beklagtebestätigte der Klägerin am 26. September den Empfang
dieses Auftrags, und belastete sie im Kontokorrent mit dieser Summe per
26. September, Valuta 29. September.

Sie schrieb der Thurgauischen Kantonalbank, Filiale Kreuzlingen, am
26. September: Im Auftrag und für Rechnung der Firma M. Stromeyer,
Lagerhausgesell--Obligationenrecht. N° 25. 127

schaft in (Kreuzlingen, haben Wir Ihnen 50,000 Fr., Valuta 29. crv
zu vergüten, welchen Betrag wir Ihnen, wie ausgesetzt, durch Ihre
Zentrale in Weinfelden überweisen lassen , worauf die Thurgauische
Kantonal bank am 29. September antwortete: _Wir sind im Besitz Ihres
Geehrten vom 26. crt., sowie der uns damit avisierten Vergütung durch
unsere Hauptbank in Weinfelden von 50,000 Fr., Valuta 29. crt., welchen
Betrag wir weisungsgemäss für Rechnung der Firma

, M. Stromeyer in Kreuzlingen verwendeten.

Die Klägerin hat den Quartal-Rechnungsauszug der Beklagten per
30. September 1919, in welchem sie mit jenen 50,000 Fr. belastet War,
unterm 24. Oktober 1919 als richtig anerkannt; das Anerkennungsschreiben
ist namens der Klägerin von Roth unterzeichnet.

2. Am 3. Oktober 1919 gab die Klägerin (bezw. in ihrem Namen Roth,
ppa. M. Stromeyer zeichnend) der Beklagten den Auftrag, für ihre
Rechnung der Thurgauischen Kantonalbank in Kreuzlingen 100,000 Fr.,
Valuta 7. Oktober 1919, zu vergüten, und sie dafür in laufender Rechnung
zu belasten.

Am gleichen Tage schrieb Roth ppa. M. Stromeyer an die Thurgauisehe
Kantonalbank in Kreuzlingen: Wir lassen Ihnen durch die Bank in
Schaffhausen den Betrag von 100,000 Fr., Valuta 7. Oktober 1919, zu
gehen, wofür Sie uns in laufender Frankenrechnung er kennen wollen.

Die Beklagte teilte ihrerseits am 6. Oktober der Thurgauisohen
Kantonalbank, Filiale Kreuzlingen, mit, sie habe ihr im Auftrag und für
Rechnung der Klägerin 100,000 Fr., Valuta 7. crt, zu vergüten, und werde
ihr diesen Betrag durch ihre Zentrale in Weinfelden überweisen lassen.

Mit Postkarte vom 8. Oktober bestätigte die Kreuzlinger Filiale der
Thurgauisehen Kantonalbank den Empfang dieses Briefes und der mit
demselben avif sierten Vergütung von 100,000 Fr., Valuta 7. oft., mit

128 Obligationenrecht. N° 25.

dem Beifügen, sie habe diesen Betrag auftragsgemäss verwendet .

Inzwischen, am 6. Oktober, hatte die Beklagte der Klägerin auf deren Brief
vom 3. Oktober geantwortet, sie habe auftragsgemäss für ihre Rechnung
100,000 Fr., Valuta 7. ert., an die Thurgauische Kantonalbank, Filiale
Kreuzlingen vergütet, indem sie hiefür die Klägerin, wie ausgesetzt,
belaste.

3. Am 3. November 1919 schrieh die Klägerin (bezw. in ihrem Namen Roth
ppa. M. Stromeyer n) an die Beklagte: Wir bitten Sie hòfl., für unsere
Rech nung den Betrag von 60,000 Fr., Valuta 5. November 1919, und 40,000
Fr., Valuta 8. November 1919, zu samtnen 100,000 Fr., an die Thurganische
Kantonal bank in Kreuzlingen _zu vergüten, und uns dafür in laufender
Rechnung zu belasten.

Am gleichen Tage teilte die Klägerin (bezw. in ihrem Namen Roth
ppa. M. Stromeyer ) der Thurgauischen Kantonalbank mit, dass ihr durch
die Bank in Schaffhausen für Rechnung der Klägerin 100,000 Fr. (60,000
plus 40,000 Fr.) vergütet werden, wofür sie die Klägerin in laufender
Rechnung erkennen wolle.

Mit Zusehrift vom 5. November zeigte die Beklagte der Klägerin an, dass
sie den erhaltenen Auftrag ausführe und sie entsprechend in laufender
Rechnung belaste, und ersuchte die Klägerin, gleichlautende Buchunf gen
zu treffen. '

Die Beklagte schrieb gleichzeitig an die Thurgauische Kantonalbank in
Kreuzlingen, sie habe ihr im Auftrag und für Rechnung der Klägerin 60,000
Fr., Wert 5. November, und 40,000 Fr., Wert 8. November, zu vergüten
welche Beträge sie der Thurgauischen Kantonalbank bei deren Hauptbank
in Weinfelden zur Verfügung stelle.

In ihrer Empfangsbescheinigung vom 7. November 1919 bemerkte die
Filiale Kreuzlingen der Thurganischen Kantonalbank, sie habe diese
Summe weisungsgemäss im Auftrag und für Rechnung der Firma M. Stromeyer
verwendet . siObligationenrecht. N° 25. 129 '

In dem Quartalauszug des Kontokorrents per 31. Desember 1919, welchen die
Beklagte der Klägerin zustellte, ist diese mit den Vergütungen an die
Thurgauische Kantonalbank von 100,000 Fr., 60,000 und 40,000 Fr. belastet
(das zu diesem Quartalauszug gelegte Richtigbefundsformular ist von der
Klägerin nicht ' unterzeichnet), und in dem Kontokorrent, welche die
Klägerin führte, ist das Konto der Beklagten mit diesen Zahlungen an
die Thurgauische Kantonalbank, kreditiert.

Laut Angabe im Urteil des Sehaffhauser Obergerichts (die von der
Berufungsklägerin als aktenwidrig angefochten wird) ist zwischen den
Parteien nicht streitig, dass Roth dann sämtliche 4 Beträge von 50,000
Fr., 100,000, 60,000 und 40,000 Fr. bei der Thurgauischen Kantonalbank
sofort seinem eigenen Privatkonto bei derselben hat gutschreiben lassen.

Wegen dieser Manipulationen ist im Vorsommer 1920 durch die thurgauischen
Behörden Strafklage gegen Roth eingeleitet worden, die damit endigte,
dass er durch Urteil der Kriminalkammer des Kantons Thurgau vom 9. Juli
1921 wegen fortgesetzten Betruges zu einer Arbeitshausstrafe von zwei
Jahren verurteilt wurde.

D. Per 19. Februar 1920 schloss die Beklagte die Rechnung der Klägerin
definitiv ab; der Auszug erzeigt auf diesen Tag einen Saldo zu Lasten
der Klägerin im Betrag von 92,035 Fr.

Die Beklagte leitete für diesen Kontokorrentsaldo

gegen die Klägerin Betreibung ein. Laut Zuschrift des

Anwalts der Beklagten an denjenigen der Klägerin vom 8. April 1920
vergütete diese der Beklagten a konto der in Betreibung gesetzten
Forderung die Summe von 92,000 Fr.; in der Quittung ist bemerkt, dass
durch diese Zahlung die Rechte der Schuldnerin im Prozess der Bank
in Schaffhausen gegen sie aus Kontokorrentforderung in keiner Weise
präjudiziert werden sollen .

Am 17. April 1920 bescheinigte der Anwalt der Beklagten der Klägerin
den Empfang eines Checks über

130 Obligationenrecht. N° às;

200,000 Fr. zum' Zweck des Ausgleiches der 'Kontokorrentforderung der
Bank in Schaffhausen , mit dem Beifügen, die Zahlung erfolge seitens der
Klägerin unter ausdrücklicher Wahrung ihrer Regressrechte auf die Bank
in Schaffhausen, und ohne jedes Präjudiz auf den Rückforderungsprozess .

E. Im April 1920 erhoh die Klägerin gegen die Beklagte beim Bezirksgericht
Schaffhausen die vorliegende (lI.) Klage, mit dem Bechtsbegehren, die
Beklagte sei zu verpflichten, ihr zu bezahlen 252,695 Fr. 15 Cts. nebst
Zinsen zu 5 % von 50,000 Fr. seit 25. September 1919, von 200,000 Fr. seit
17. April 1920 und von 2695 Fr. 15 Cts. seit 29. April 1920.

Diese Forderungssumme setzt sich aus folgenden Einzelposten zusammen :

Fr. 50,000.laut Belastung der Klägerin vom 25. September 1919 (Ver-gütung
an die Thurg. Kantonalbank).

Fr. 100,000.laut Belastung der Klägerin vom 3. Oktober 1919 (Vergütung
an die nämliche Bank).

Fr. BODUM }

,Fr. 40,OOO_laut Belastung der Klägerin

vom 3. November 1919 (Vergütung an die nämliche Bank) sowie Fr. 2.695.15
Zinsen und Kosten.

Total Fr. 252,695.15.

Zur Begründung der Klage macht die Klägerin geltend, Roth habe die in
Frage stehenden Aufträge in ihrem Namen der Beklagten ohne Vorwissen des
Geschäftsherrn Stiegeler erteilt, sei aber, da er nur Kollektivprokura
besessen habe, hiezu nicht bevollmächtigt gewesen. Roth habe die
betreffenden Beträge seinem Privatkonto bei der Thurgauischen Kantonalbank
gutschreiben lassen, sie seien also der Klägerin gar nicht zugekommen. Die
bezüglichen Anordnungen seienObligationenrecht. N° 25. 131

jeweils von Roth sofort vorgenommen worden. Stiegeler habe von diesen
Operationen, durch welche der Kredit der Klägerin bei der Beklagten
bedeutend überschritten werden sei, erst Ende Dezember 1919 Kenntnis
erhalten, bei Anlass einer Auseinandersetzung mit einem der Direktoren
der Beklagten über die Honor-ierung der Gegenstand des ersten Prozesses
bildenden Wechsel. Die Beklagte sei zur Rückzahlung der eingeklagten
Be-träge verpflichtet, weil die Überweisungen widerrecht lich erfolgt
seien, und die Beklagte bei Entgegennahme und Ausführung der Aufträge
die Grundsätze über Treu und Glauben missachtet habe; da Roth selbst ihr
schuldner gewesen sei, und sich in finanziellen Schwierigkeiten befunden
habe, hätte die Beklagte doppelte Vorsicht walten lassen sollen. Dafür,
dass die Beklagte sich in bösem Glauben befunden habe, sowie dass eine
Einzelprokura Roths nicht durch konkludente Handlungen begründet worden
sei, beruft sich die Klägerin ferner auf zwei von der Treuhand-Vereinigung
Fides in Zürich und Prof. Dr. Gmür in Bern eingeholte Gutachten. F. Die
Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Sie nimmt den Standpunkt ein,
Roth habe nach wie vor die Einzelprokura besessen, und daher die Klägerin
gültig verpflichtet, denn auch nach Erlass des Zirkulars vom 27. November
3917 seien fast alle Geschäfte der Kreuzlinger Filiale, auch solche
grossen Umfangs, durch ihn selbständig abgewickelt worden, ohne dass
der Geschäftsherr Stiegeler je hiegegen Einsprache erhoben habe. Auch
seien die periodischen Rechnungsauszüge der Beklagten von der Klägerin,
bezw. Roth, bis Ende Dezember 1919 anstandslos bestätigt worden. _ Die
Beklagte bestreitet, dass zwischen ihr und Roth eine Interessenkollision
bestanden habe; von den Beziehungen Roths zur Thurgauischen Kantonalbank
und dem Stande des betreffenden Kontos habe sie keine Kenntnis gehabt. Die
streitigen Überweisungen an die Thurgauische Kantonalbank haben nichts
Auffallendes

132 Obllgationenrecht. N° 25.

geboten, und seien der Klägerin angezeigt worden. In Bezug auf die erste
Überweisung vom 26. September 1919 sei ferner eine Anfechtung schon
deshalb ausgeschlossen, weil sie im Rechnungsauszug per 30. September
1919 figuriere, den die Klägerin unterschriftlich anerkannt habe;
dadurch sei gemäss Art. 117 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 117 - 1 Die Einsetzung der einzelnen Posten in einen Kontokorrent hat keine Neuerung zur Folge.
1    Die Einsetzung der einzelnen Posten in einen Kontokorrent hat keine Neuerung zur Folge.
2    Eine Neuerung ist jedoch anzunehmen, wenn der Saldo gezogen und anerkannt wird.
3    Bestehen für einen einzelnen Posten besondere Sicherheiten, so werden sie, unter Vorbehalt anderer Vereinbarung, durch die Ziehung und Anerkennung des Saldos nicht aufgehoben.
OR eine Neuerung eingetreten. -

G. Das Bezirksgericht Schaffhausen hat durch Urteil vom 15. Mai 1922
die Klage abgewiesen.

H. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat die von der Klägerin,
gegen dieses Urteil ergriffene Appellation begründet erklärt, und unterm
2. Februar 1923 die Klage gutgeheissen.

s Dieses Urteil beruht in der Hauptsache auf folgenden Erwägungen : Es
handle sich um eine Rückforderungsklage im Sinne von Art. 187
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 187 - Wer infolge der Unterlassung oder Nichtbewilligung eines Rechtsvorschlags eine Nichtschuld bezahlt hat, kann das Rückforderungsrecht nach Massgabe des Artikels 86 ausüben.
bezw. 86
SchKG ; eventuell könne die Klage auf Art. 62
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
OR gestützt werden.
Eine Genehmigung der Überweisung vom 26. September 1919 folge daraus,
dass die Klägerin den Rechnungsauszug pro 30. September 1919 als
richtig anerkannt habe, nicht : Art. 117 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 117 - 1 Die Einsetzung der einzelnen Posten in einen Kontokorrent hat keine Neuerung zur Folge.
1    Die Einsetzung der einzelnen Posten in einen Kontokorrent hat keine Neuerung zur Folge.
2    Eine Neuerung ist jedoch anzunehmen, wenn der Saldo gezogen und anerkannt wird.
3    Bestehen für einen einzelnen Posten besondere Sicherheiten, so werden sie, unter Vorbehalt anderer Vereinbarung, durch die Ziehung und Anerkennung des Saldos nicht aufgehoben.
OR stehe der Anfechtung
nicht entgegen. Der der Beklagten obliegende Beweis, dass Roth trotz
dem Zirkular vom 27. November 1917 durch konkludente Handlungen zur
Einzelzeiehnung bevollmächtigt gewesen sei, sei nach der Korrespondenz
als misslungen zu betrachten; denn der von Roth seit November 1917 mit
{Einzelunterschrift bewältigt-e Geschäftsverkehr mit der Beklagten
habe grösstenteils in Überweisungen, Gutschriften und Bestätigung
von Devisengeschäften bestanden, die für die Klägerin keine Belastung
bedeuteten und bei welchen die Beklagte der Unterschrift Roths im Hinblick
auf jenes Zirkular keine besondere Bedeutung schenken musste. Noch
weniger sei der Beklagten der Beweis gelungen, das Stiegeler mit Wissen
und Willen die Einzelunterschrift Roths geduldet habe. Ebenso müsse die
Einrede des Eigengeschäfts, bezw. der Kollusion geschützt werden. Bei
der PrüfungObligationenreeht. N° 25. 133

der Frage, ob die Beklagte bei Ausführung der Aufträge gutgläubig
gehandelt habe, seien die den beiden Prozessen zugrunde liegenden
tatsächlichen Verhältnisse in ihrem Zusammenhang zu beurteilen: wenn
nun die Beklagte den von Roth am 24. September 1919 ausgestellten
Wechsel über 100,000 Fr. in dem Bewusstsein entgegengenommen habe,
dass er als Deckung für die privaten Verbindlichkeiten Roths haften
solle, so sei klar, dass sie am folgenden Tage, bei Entgegennahme des
Auftrags, der Thurgauischen Kantonalbank 50,000 Fr. zu vergüten, und
die Klägerin dafür zu belasten, nicht gutgläubig habe sein können; sie
habe sich sagen müssen, dass wahrscheinlicher-weise diese Überweisung
demselben Zweck diene, wie der Wechsel vom 24. September, d. h. dass durch
sie das Privatkonto Roths bei der Thurgauischen Kantonalbank entlastet
werden solle, wie durch den 'Wechsel sein Privatkonto bei der Beklagten.
Ebensowenig könne angenommen werden, dass die Beklagte bei der Überweisung
vom 3. Oktober 1919 die redliche Überzeugung haben konnte, sie handle
gutgläubig, dagegen am 15. Oktober bei Zustellung der zwei Wechsel über
je 50,000 Fr. wieder bösgläubig war. Auf

die Frage der Kreditüberschreitung brauche demnach

nicht mehr eingetreten zu werden.

J. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Klage in vollem Umfange

'abzuweisen.

In der Berufungsschrift ficht die Beklagte die Feststellung der
Vorinstanz, es sei zwischen den Parteien nicht streitig, dass Roth
die Beträge von 50,000 Fr., 100,000, 60,000 und 40,000 Fr. sofort
seinem Privatkonto bei der Thurgauischen Kantonalbank habe gutschreiben
lassen, diese Beträge also effektiv nicht der Klägerin, sondern dem Roth
persönlich zur Deckung seiner privaten Schulden bei der genannten Bank zu-

si gekommen seien, sowie die Ausführung'i'über die Existenz

134 Obligationenreeht. N° 25.

eines Eigengeschäfts des Prokuristen Roth als aktenwidrig an: aus den
zwischen der Beklagten und der Kreuzlinger Filiale der Thurgauischen
Kantonalbank im September bis November 1919 gewechselten Briefen gehe
hervor, dass die streitigen Überweisungen seitens der Beklagten der
Thurgauischen Kantonalbank als solcher, nicht dem Prokuristen Roth
persönlich gemacht, und die Vergütungen ausnahmslos der Klägerin, und
nicht dem Prokuristen Roth in laufender Rechnung gutgeschrieben wurden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. In rechtlicher Beziehung ist es nicht ganz zutreffend, wenn die
Vorinstanz annimmt, es handle sich hinsichtlich des ganzen Streitbetrags
um eine Rückforderungsklage nach Art. 187
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 187 - Wer infolge der Unterlassung oder Nichtbewilligung eines Rechtsvorschlags eine Nichtschuld bezahlt hat, kann das Rückforderungsrecht nach Massgabe des Artikels 86 ausüben.
bezw. 86 SchKG. Denn -abgesehen
davon, dass die Betreihung, die im vorliegenden Prozess in Betracht
kommt, überhaupt keine Wechselbetreibung war hat die Klägerin infolge
der Betreibung nicht den ganzen Betrag an die Beklagte bezahlt, den
sie mit der Klage zurückfordert, sondern nur die Summe von 92,000 Fr.,
d. h. ungefähr den Saldo der Kontokorrentrechnnng pro 19. Februar
1920. Also hat man es nur hinsichtlich dieses Teils der Klagesumme
mit einer Rückforderungsklage im Sinne des Art. 86
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 86 - 1 Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
1    Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
2    Die Rückforderungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.
3    In Abweichung von Artikel 63 des Obligationenrechts (OR)171 ist dieses Rückforderungsrecht von keiner andern Voraussetzung als dem Nachweis der Nichtschuld abhängig.172
SchKG zu tun. In
Wirklichkeit läuft die Klage darauf hinaus, es habe eine andere
Abrechnung zwischen den Parteien stattznfinden, indem die 4 Posten
von 50,000, 100,000, 60,000 und 40,000 Fr., mit denen die Beklagte die
Klägerin infolge der Überweisungen an die Thurgauische Kantonalbank in
der Kontokorrentrechnung belastet hat, aus dem Haben der Beklagten zu
streichen seien, und die Frage, ob die Belastung zu Recht erfolgt sei oder
nicht, beurteilt sich im Wesentlichen damach, ob die Beklagte berechtigt
gewesen sei, die Aufträge auszuführen, welche ihr der Prokurist der
Klägerin, Roth, in deren Namen erteilt hat '? 'abus-comma:. N° 25. . 135

' '2. Aus der zufolge dieser Aufträge zwischen der

Beklagten und der Kreuzlinger Filiale der Thurganischen ' Kantonalbank
gewachsenen, unter C oben wiederge-

si gebenen Korrespondenz ergibt sie-indess die Beklagte,

die fraglichen Überweisungen an jene Bank im Gesamt-

, betrag von 250,000 Fr." für Rechnung der Klägerin, nicht

des Prokuristen Roth, bewerkstelligt hat,. und dass dementsprechend die
Empfängefin die-überwiesenen Beträge

{nicht etwa dem'PriVatkonto. Rothe, sondern der Kläge-

rin gutgeschrieben ( weisungsgemäss ,für'Rechnung der Firma M. Stromeyer
verwendet ) hat. Danach kann die in der Berufungsschrift als aktenwidrig
gen'igte Stelle im Urteil der Vorinstanz, es sei zwischen den Parteien
nicht streitig, dass Roth die Beträge von 50,000, 100,000, 60,000 und
40,000 Fr. sofort seinem Privat-konto bei der Thurgauischen Kantonalbank
habegutscbreiben lassen, diese Beträge also effektiv nicht der Klägerm,
sondern dem Roth persönlich zur Deckung seiner privaten Schulden bei
der genannten Bank Zuge-kommen seien,nur so verstanden werden, dass
die Thurgauische Kantonalbank die Überweisungen der Beklagten zwar der
Klägerin gutgebracht hat, nachher abery(freilich ohne weiteren Verzug)
Roth die Übertragung jener Beträge auf das Haben s e i n e s Kontos
angeordnet habe.

Ob nun die Beklagte die Klägerin mit dem-Betrag der Überweisungen an
die Thurgauische Kantonalbank in laufender Rechnung belasten durfte,
hängt von der Frage ab, ob sie den Prokuristen Roth in gutem Glauben
als bevollmächtigt habe ansehen dürfen,_ ihr namens der Klägerin die
Aufträge zu den streitigen Überweisungen zu erteilen ?

In dieser Beziehung ist zunächst nicht streitig, dass Roth, welcher nach
der Darstellung beider Parteien der Leiter der Kreuzlinger Filiale
war, bis im November 1917 die Vollmacht zur Einzelzeichnung besass,
die Klägerin aber durch das Zirkular vom 27. jenes Monats, welches die
Beklagte erhalten hat, diese Vollmacht,

136 Obligationenrecht. N° 25.

auf eine Kollektivprokura beschränkt hat. Es fällt zwar auf, dass im
Zirkular nicht ausdrücklich erklärt werden ist, dass in Bezug auf die
Vertretungsbefugnis des Roth eine Änderung gegenüber bisher eintrete. Das
Zirkular stellt sich in der Hauptsache als eine Einführung von drei
neuen Handlungsbevollmächtigten bei der Kundschaft dar und regelt deren
Zeichnungsbefugnis, und im Anschluss hieran findet sich die Bemerkung vor,
dass grössere Verfügungen als über 5000 Fr. nur dann Rechtsgültigkeit
haben, wenn sie die Einzelunterschrift des unbeschränkt haftenden
Gesellschafters Stiegeler, oder die Unterschriften beider Prokuristen,
oder eines Prokuristen mit einem Bevollmächtigten tragen. Immerhin war
hiemit implizite ausgesprochen, dass die bisherige Einzelprokura Roths
in eine Kollektivprokura umgewandelt sei, und so hat auch die Beklagte
die Sache verstanden. '

Wenn nun Roth sofort wieder (wie es tatsächlich geschah) in den
Rechtsgeschäften, die er namens der Klägerin mit der Beklagten auf dem
Korrespondenzweg vornahm, e i n z e 1 n per procura zeichnete, so durfte
zwar die Beklagte ihn hiezu vorderhand nicht mehr als bevollmächtigt
ansehen, und sie handelte auf eigene Gefahr, wenn sie darauf vertraute,
dass diese Geschäfte von der Klägerin genehmigt werden. Dagegen hatte
sie dieser gegenüber keine Pflicht, sie etwa von der Nichtbeachtung
des Zirkulars in Kenntnis zu setzen ; denn die Überwachung der Organe
und Angestellten der Klägerin war ausschliesslich deren Sache, und
die Überschreitung der mit Zirkular vom 27. November eingeschränkten
Vertretungsbefugnis stellte sich für die Beklagte nicht ohne weiteres als
eine Pflichtverletzung des Angestellten dar, die nach Treu und Glauben
einen Dritten hätte veranlassen müssen, den Prinzipal zu warnen. Nach
dem innern Verhältnis zwischen Prinzipal und Angestelltem war es ja an
sich möglich, dass jener nicht auf strenge Durchführung der Beschränkung
halte, zumalObligationenrecht. N° 25. 137

der betreffende Angestellte der Leiter der Filiale war, oder dass
wenigstens für einzelne Fälle der Prinzipal eine besondere Ermächtigung
erteilt hatte.

Nun fallen aber die streitigen Aufträge in eine Zeit, zu welcher seit
dem fraglichen Zirkular bereits beinahe 2 Jahre verflossen waren,
innerhalb welcher weiterhin ein reger Geschäftsverkehr zwischen
den Parteien gepflogen worden war, bei dem Roth nahezu die gesamte
Korrespondenz als allein zeichnender Prokurist geführt hatte. Gegenüber
der Feststellung der ersten Instanz, dass von den 30 Korrespondenzen
der Periode vom 7. November 1917 bis Ende 1918 20 von Both allein, und
von den 49 Zuschriften des Jahres 1919 44 von Roth allein unterzeichnet
seien, hebt die zweite Instanz hervor, dass unter diesen, von Roth
unterzeichneten eine ganze Anzahl sich befinden, aus denen sich keine
Belastung der Klägerin ergebe. Sie zählt aber zu den eine Belastung
enthaltenden nur diejenigen Schreiben, in welchen Roth die Beklagte
anweist, die Klägerin in ihrem Konto zu belasten, welche Zuschriften
übrigens an sich schon einen Geschäftsverkehr von zusammen rund 1 %
Millionen Franken ergeben. Allein es ,ist nicht richtig, bloss diese
Rechtsakte als für die von Roth vorgenommenen Vertretungshandlungen
erheblich zu betrachten, sondern es gehören dazu auch die Anweisungen,
die rechtliche Verpflichtungen für die Klägerin erzeugten. Darnach sind
den von der Vorinstanz hervorgehobenen Briefen eine ganze Reihe anderer
aus der Zeit von Anfang 1918 bis zum 24. September 1919 beizufügen. Dazu
kommt, dass, nach den Aussagen Stiegelers in der Strafuntersuchung, Roth
in der Regel sogar die Kentokorrentauszüge der Beklagten entgegengenommen
und auch die Richtigbefundsanzeigen erstattet hat, sodass der ersten
Instanz beigepflichtet werden muss, wenn sie ausführt, es habe seit dem
Erlass des Zirkulars bis zur Vornahme der streitigen Überweisungen ein
sehr reger Geschäftsverkehr mit der Beklagten bestanden,

AS 50 II 1924 10

138 Obligationenrecht. N° 25.

welcher für die Klägerin von Roth mit Einzelunterschrift bewältigt
worden sei.

3. -Es fragt sich, ob in der Überlassung dieses Geschäftsverkehrs an
Roth, verbunden mit der Tatsache, dass er in demselben ausnahmslos
als Einzelprokurist aufgetreten ist, seitens der Klägerin ein
konkludenter Widerruf der am 27. November 1917 erfolgten Beschränkung,
bezw. eine konkludente abermalige Einräumung der ihm vorher übertragenen
Einzelprokura liege '? Nach schWeiz. OR kann, abweichend vom deutschen
HGB, nicht nur die gewöhnliche Handlungsvcllmacht, sondern auch die
Prokura durch konkludentes Verhalten des Prinzipals gültig eingeräumt
werden ; die Frage ist die, welche Anforderungen nach bestehendenRecht
an die Annahme eines solchen konkludenten Verhaltens zu stellen seien '?

Für die Annahme der Erteilung einer Handlungsvcllmacht genügt es
nach deutschem Recht, dass jemand sich einem Dritten gegenüber als
Bevollmächtigter benimmt, und der Prinzipal das in einer Weise geschehen
lässt, die im redlichen Verkehr nur als Bevollmächtigung aufgefasst werden
kann. So STAUB, Komm. z. d. HGB (8. Aufl.), Anm. 5 zu § 54 ; TrrzE,
in Ehrenbergs Handbuch des Handelsrechts II2 S. 956 f. Von einzelnen
Schriftstellern wird für die Annahme eines konkludcnten Verhaltens
des Prinzipals dessen Wissen von der Anmassung oder Überschreitung
der Vollmacht verlangt (vgl. Wn zLAND, Handelsrecht S. 374), im
allgemeinen auch, für das bürgerliche Recht, von v. TUI-IR (Allg. Teil
d. d. Bürgerlichen Rechts III s. 393 f.); allein auch er macht für den
Handelsverkehr eine Ausnahme : Unter Kaufleuten kann nach HGB § 346
auch einer auf Fahrlässigkeit beruhenden Duldung die Bedeutung einer
Vollmacht beigemessen werden. Denn einem Kaufmann ist eine festere
Organisierung seines Betriebes und strengere Beaufsichtigung seiner
Angestellten zuzumuten, als im gewöhnlichen bürgerlichen Verkehr. Diese
Auf-Ohligationemecht. N° 25. 139.

fassung über stillschweigende Bevollmächtigung im Handelsverkebr
ist auch in der Rechtsprechung zum Durchbruch gelangt; s. die bei T
rrzn a. a. O. angeführten Entscheidungen, insbesondere RGE 65 S. 295,
Seufferts Archiv 72 Nr. 131, Recht 1913 Nr. 2468 und 397 : Von dem
Satze, dass nach dem in die äussere Erscheinung getretenen Verhalten
eines Kaufmanns zu beurteilen ist, ob und inwieweit er einem Angestellten
Vollmacht zur Vornahme von Rechtsgeschäften erteilt habe, gilt auch
für Gesamtprokuristen keine Ausnahme, obwohl aus dem Handelsregister
hervorgeht, dass ihnen nur Gesamtprokura erteilt ist.

Umso eher durfte im vorliegenden Falle, wo die durch das
Zirkular getroffene Beschränkung der Prokura Roths nicht einmal
in das Handelsregister aufgenommen worden war, im Hinblick auf das
widerspruch'slose Gewährenlassen seiner Vertretungshandlungen während
des geschilderten Geschäftsverkehrs die Beklagte in dem Zeitpunkt, da sie
die streitigen Überweisungen an die Thurgauische Kantonalbank vor-nahm,
Roth als bevollmächtigt betrachten, ihr namens der Klägerin die Aufträge
zu diesen Überweisungen zu erteilen; m. a. W.: die Beklagte durfte
damach in guten Treuen annehmen, die Klägerin habe an der Beschränkung
seiner Einzelprokura ihrerseits nicht mehr festgehalten. Das Zirkular vom
27. November 1917 steht also der Annahme, die Beklagte sei gutgläubiger
Dritter im Sinne des Art. 459
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 459 - 1 Der Prokurist gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann.
1    Der Prokurist gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann.
2    Zur Veräusserung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist.
OR gewesen, nicht entgegen.

4. Es bleibt zu untersuchen, ob aus andern Gründen der Beklagten der
gute Glaube abzusprechen sei?

&) Die Vorinstanz scheint anzunehmen, dass es sich bei den fraglichen
Aufträgen Roths um Eigengeschäfte desselben gehandelt habe, denn sie sagt,
es ergehe sich aus ihren Ausführungen hinsichtlich der Bevollmächtigung
des Roth, dass auch die Einrede des Eigengeschäfts bezw. der Kollusion
geschützt werden müsse.

Diese Annahme traf hinsichtlich der Wechselgeschäfte

140 Obligationenrecht. N° 25.

Roths, welche den Gegenstand des ersten Prozesses bildeten, zu; aber sie
steht mit den Akten im Widerspruch, soweit sie auf die im vorliegenden
Prozess streitigen Überweisungen an die Thurgauische Kantonalbank
ausgedehnt wird. Es dürfen hier zwei verschiedene Operationen nicht
verwechselt werden, nämlich die Aufträge an die Beklagte, Zahlungen
für Rechnung der Klägerin an die Thurgauisohe Kantonalbank zu machen,
und die Aufträge Roths an die letztere Bank, die Zahlungen, die sie von
der Beklagten erhielt, vom Konto der Klägerin auf das Privatkonto Roths
überzuschreiben. Nur letzteres, zwischen Roth und der Thurgauischen
Kantonalbank vorgenommene Rechtsgeschäfl: ist ein Eigengeschäft Rothe;
das erstere nicht, da ja die Beklagte nicht an Roth, und nicht für
dessen Rechnung, sondern an die Thurgauische Kantonalbank, für Rechnung
der Klägerin, gezahlt hat. Freilich behauptet die Klägerin, dieses
Geschäft habe dazu gedient, die Voraus setzung für das Eigengeschäft
Roths herbeizuführen, und insofern steht es mit ihm im Zusammenhang ;
allein dieser Zusammenhang würde die Beklagte nur dann berühren, wenn
ihr vorgeworfen werden könnte, dass sie bei Ausführung der namens der
Klägerin erhaltenen si Aufträge hierum gewusst habe.

b) Die Annahme einer solchen Kollusion ist für die im vorliegenden Fall
streitigen Rechtsgeschäfte nach den Akten ausgeschlossen. Erstens hat
die Klägerin selber die Behauptung nicht aufgestellt, geschweige denn
bewiesen, dass die Beklagte etwas davon gewusst habe, oder habe Wissen
müssen, dass Roth auch bei der Thurgauischen Kantonalbank, Filiale
Kreuzlingen, ein Privatkonto unterhalte. Und sodann geht es zu weit,
wenn die Vorinstanz annimmt, weil Roth im Interesse seines Privatkontos
bei der B e k l a g t e n die Wechseloperation vom 24. September 1919
vorgenommen habe, so habe die Beklagte sich sagen müssen, wahrscheinlich
habe er auch bei der Thurgauischen Kantonalbank in

Obligationenreeht. N° 25. , 141

Kreuzlingen ein Privatkonto, welches ebenfalls notleidend sei, und
er werde nun, nachdem die Beklagte der Thurgauischen Kantonalbank am
26. September 50,000 Fr. für Rechnung der Klägerin übermittelt haben
werde, wahrscheinlicherweise die Thurgauische Kantonalbank veranlassen,
diese 50,000 Fr. in sein Privatkonto hinüberzuleiten. Wollte man den
Banken zumuten, ihren Verkehr mit den Kunden nach derartigen rein
hypothetischen Bedenken einzurichten, so würde ihr Betrieb auf eine
unerträgliche Weise gefährdet.

_c) Wenn die Klägerin ferner geltend macht, es habe sich bei den
Überweisungen an die Thurgauische Kantonalbank um beträchtliche Summen
gehandelt, welche den der Klägerin von der Beklagten eröffneten Kredit
überschritten haben, so ist hierauf zu erwidern, dass es auf diesen
Umstand nicht entscheidend ankommt. Aber ganz abgesehen hievon bieten jene
Überweisungen bei einem Geschäftsbetrieb, wie er hier vorliegt, nichts
Aussergewöhnliches, und sie sind auf die gleiche Linie zu stellen, wie
die früheren, ebenso hohen Vergütungen an den Schweizerischen Bankverein
Zürich und die Schweizerische Kreditanstalt, zu denen Roth im Namen der
Klägerin der Beklagten Auftrag gegeben hatte. Und hinsichtlich der Frage
der Kreditüberschreitung ist in Betracht zu ziehen, dass die Beklagte
der Klägerin einen Blankokredit von 200,000 Fr. eingeräumt hatte. Der
Beweis, dass die Beklagte sich beiAusführung der im Streit liegenden
Aufträge vom 25. September, 3. Oktober und 3. November 1919 in bösem
Glauben befunden habe, ist somit der Klägerin nicht gelungen.

5. Da aus diesen Gründen die 'Klage, in Übereinstimmung mit dem
erstinstanzlichen Urteil, hinsichtlich sämtlicher drei Überweisungen an
die Thurgauische Kantonalbank abzuweisen ist, braucht die Frage nicht
erörtert zu werden, ob in Bezug auf die erste Überweisung die Klage nicht
schon deshalb der Begründung entbehrt, weil der Quartalabrechnungsauszug
der Beklagten per

142 Obligationenrecirt. N° 26.

30. September 1919, in welchem diese Überweisung der Klägerin belastet
war, von dieser, allerdings Wiederum mit der alleinigen Unterschrift
Rothe, als richtig anerkannt werden ist. Immerhin mag bemerkt werden,
dass die Klägerin durch Anerkennung des ven der Beklagten gezogenen
saldes die Forderung der Beklagten aus jener ersten Überweisung von 50,
000 Fr. an die Thurgauische Kantonalbank durch Verrechnung getilgt hat
indem die einzelnen Forderungen laut Kontokorrentrechnung gegeneinander
mitgerechnet sind, und ein auf Novation beruhender neuer Rechtstitel,
das Saldoanerkenntnis, als abstrakte Schuldanerkennung entstanden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird begründet erklärt, und damit, in Abänderung des Urteils
des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 2. Februar 1923, die Klage
gänzlich abgewiesen.

26. Urteil der II. Zivilabteilnng vom 8. April 1924 i. S. Ealdimann
gegen Wäl'd.

OR Art. 216: Öffentliche Beurkundun g des Grundstückkaufes. Der
Liegenschaftskauf ist nicht nichtig, wenn die Parteien ursprünglich
formlos einen höhem Kaufpreis vereinbart haben, dann nach Leistung
einer Anzahlung nur noch den verbleibenden niedrigeren Preis öffentlich
verurkunden lassen.

Erw. 1: Legitimation, Bedeutung des Vergleichs. Erw. 2 : durch die mit der
Verurkundung des niedrigeren Kaufpreises verbundene Steuerhinterziehung
wird der Vertrag nicht unsittlicb. Art. 20
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
OR. Erw. 3 : in der
Verurkundung des niedrigeren Preises liegt keine Simulation. Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR. _
Erw. 4: ein Formfehler wird, zwar nicht schon durch die Eintragung ins
Grundbuch, wohl aber durch die Erfüllung des Vertrages geheilt. Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.

ZGB, Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR. Erw. 5 : die Heilung wird auch durch das Interesse
der Öffentlichkeit an der Stabilität des Grundbuches verlangt. Art. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
,
661
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
und 973
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 973 - 1 Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
1    Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
2    Diese Bestimmung gilt nicht für Grenzen von Grundstücken in den vom Kanton bezeichneten Gebieten mit Bodenverschiebungen.704
ZGB.

A. Der Kläger kaufte mit seinem Schwager Emil

Rösti vom Beklagten am 9. April 1921 das in der Gemeinde

Obhgationenreeht. N° 26. . 143

Unterlangenegg gelegene Heimwesen Hintere Flühmatte.

Der Kaufpreis betrug 42,000 Fr. Daran bezahlte der Mitkänier Rösti vor
der Beurkundung des Kaufvertrages 12,000 Fr., und in der Beurkundung
wurden nur 30,000 Fr. als Kaufpreis angegeben. Die Käufer übernahmen
die auf dem Grundstück haftenden Schulden im Betrage von 25,118 Fr. 90
(its. und bezahlten durch den Kläger die Restanz des verurkundeten
Kaufpreises von 4881 Fr. 10 Cts. Nach Genehmigung des Kaufvertrages
durch den Regierungsrat wurde der Übergang des Eigentums an die Käufer
am 17. Mai 1921 ins Grundbuch eingetragen.

Da sich in der Folge die beiden Käufer, die das Heimwesen bis zum
Herbst 1921 gemeinsam bewirtschafteten, nicht vertragen und überdies
die Liegenschaft beide zusammen nicht zu erhalten vermochte, verkaufte
Rösti seinen Anteil dem Kläger. Bei der Auseinandersetzung hierüber,
an der auch der Beklagte teilnahm, verglichen sich die Beteiligten am
24. Januar 1922 in der Weise, dass Rösti für-seine vor der Beurkundung
geleistete Anzahlung von 12,000 Fr. 11,500 Fr. zurückerhielt, woran der
Beklagte 1500 Fr. und der Kläger 10,000 Franken leistete und zwar 5000
Fr. bar und 5000 Fr. durch Ausstellung eines Schuldscheines. Der Kläger
ver mochte diese Schuld jedoch nicht zu bezahlen, was ihn , veranlasste,
den ursprünglich mit dem Beklagten ab' geschlossenen Kaufvertrag als
nichtig anzufechten. Er verlangte die geleisteten Anzahlungen zurück
und beanstragte, der Beklagte sei schuldig zu erklären, ihm für die
auf dem Heimwesen gemachten baulichen AUfWendungen eine vom Richter zu
bestimmende angemessene Vergütung nebst Zins zu leisten.

B. Mit Urteil vom 1. Februar 1924 hat der Appel-. lationshof des Kantons
Bern die Klage 111 der Weise geschützt, dass er den angefochtenen
Grundstückkauf nichtig erklärte, den Grundbucheintrag aufhob, und, unter
ziffennässiger Feststellung der gegenseitigen Verrechnungsansprüche der
Parteien den Beklagten ver--
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 50 II 123
Datum : 18. Januar 1924
Publiziert : 31. Dezember 1925
Quelle : Bundesgericht
Status : 50 II 123
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 122 Sachenrecht. N° 24. Daraus folgt aber, dass sie auch zeitlich nur vom Eintrag


Gesetzesregister
OR: 18 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
20 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 20 - 1 Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
1    Ein Vertrag, der einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst, ist nichtig.
2    Betrifft aber der Mangel bloss einzelne Teile des Vertrages, so sind nur diese nichtig, sobald nicht anzunehmen ist, dass er ohne den nichtigen Teil überhaupt nicht geschlossen worden wäre.
62 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
1    Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten.
2    Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat.
117 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 117 - 1 Die Einsetzung der einzelnen Posten in einen Kontokorrent hat keine Neuerung zur Folge.
1    Die Einsetzung der einzelnen Posten in einen Kontokorrent hat keine Neuerung zur Folge.
2    Eine Neuerung ist jedoch anzunehmen, wenn der Saldo gezogen und anerkannt wird.
3    Bestehen für einen einzelnen Posten besondere Sicherheiten, so werden sie, unter Vorbehalt anderer Vereinbarung, durch die Ziehung und Anerkennung des Saldos nicht aufgehoben.
459
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 459 - 1 Der Prokurist gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann.
1    Der Prokurist gilt gutgläubigen Dritten gegenüber als ermächtigt, den Geschäftsherrn durch Wechsel-Zeichnungen zu verpflichten und in dessen Namen alle Arten von Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann.
2    Zur Veräusserung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist.
SchKG: 86 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 86 - 1 Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
1    Wurde der Rechtsvorschlag unterlassen oder durch Rechtsöffnung beseitigt, so kann derjenige, welcher infolgedessen eine Nichtschuld bezahlt hat, innerhalb eines Jahres nach der Zahlung auf dem Prozesswege den bezahlten Betrag zurückfordern.170
2    Die Rückforderungsklage kann nach der Wahl des Klägers entweder beim Gerichte des Betreibungsortes oder dort angehoben werden, wo der Beklagte seinen ordentlichen Gerichtsstand hat.
3    In Abweichung von Artikel 63 des Obligationenrechts (OR)171 ist dieses Rückforderungsrecht von keiner andern Voraussetzung als dem Nachweis der Nichtschuld abhängig.172
187
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 187 - Wer infolge der Unterlassung oder Nichtbewilligung eines Rechtsvorschlags eine Nichtschuld bezahlt hat, kann das Rückforderungsrecht nach Massgabe des Artikels 86 ausüben.
ZGB: 2 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
3 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
661 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 661 - Ist jemand ungerechtfertigt im Grundbuch als Eigentümer eingetragen, so kann sein Eigentum, nachdem er das Grundstück in gutem Glauben zehn Jahre lang ununterbrochen und unangefochten besessen hat, nicht mehr angefochten werden.
662 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 662 - 1 Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
1    Besitzt jemand ein Grundstück, das nicht im Grundbuch aufgenommen ist, ununterbrochen und unangefochten während 30 Jahren als sein Eigentum, so kann er verlangen, dass er als Eigentümer eingetragen werde.
2    Unter den gleichen Voraussetzungen steht dieses Recht dem Besitzer eines Grundstückes zu, dessen Eigentümer aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist oder bei Beginn der Ersitzungsfrist von 30 Jahren tot oder für verschollen erklärt war.
3    Die Eintragung darf jedoch nur auf Verfügung des Gerichts erfolgen, nachdem binnen einer durch amtliche Auskündung angesetzten Frist kein Einspruch erhoben oder der erfolgte Einspruch abgewiesen worden ist.
973
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 973 - 1 Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
1    Wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat, ist in diesem Erwerbe zu schützen.
2    Diese Bestimmung gilt nicht für Grenzen von Grundstücken in den vom Kanton bezeichneten Gebieten mit Bodenverschiebungen.704
Stichwortregister
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