94 staatsrecht-

nicht geradezu hervorgerufen, so doch begünstigt Werden, nicht ohne
weiteres abzulehnen ist. Auch ein Eingreifen aus diesem Motive kann aber,
weil nicht gegen die wirtschaftlichen Wirkungen des Gewerbes sondern
gegen gewisse mit der Eigenart des Betriebes verbundene Gefahren für
die allgemeine Gesundheit gerichtet, nicht als unzulässig bezeichnet
werden. Die Frage, ob der von den Rekurrenten bekämpfte Grund der Störung
der Nachtruhe durch das Ausströmen der Besucher aus den Kinematographen
bei späterem Vorstellungsschlusse die Massnahme zu rechtfertigen
vermochte, braucht deshalb nicht untersucht zu werden. Ebenso nicht,
ob ihr nicht bei dieser Begründung der Einwand der Verletzung der
Rechtsgleiehheit wegen des Fehlens einer gleichen Beschränkung für
ähnliche, dieselbe Störung mit sich dringende Betriebe entgegenhalten
werden könnte. Dass ein Verstoss gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV auch dann vorlieg e, wenn
die Beschränkung auf die oben angeführten anderen Motive gestützt wird,
d. h. dass auch unter dieser Voraussetzung und nach diesen Richtungen
zwischen den Kinematographentheatern und den übri-gen in der Rekursschrift
erwähnten anderen Betrieben keine Unterschiede bestünden, welche eine
verschiedene Behandlung hinsichtlich der Zeit des Betriebsschlusses zu
stützen vermöchten, wird nicht behauptet.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Beschwerde wird, hinsichtlich § 19 Abs. 2 Satz 1 der angefochtenen
Verordnung im Sinne der Erwägungen, abgewiesen.Handelsund
Gewerbetreihcit. N° 11. 95

14. Urteil vom 24. März 1923 i. S. Gschwînd gegen Schwyz Regierungsrat

Beschränkt die kantonale Wirtschaftsgesetzgebung die Dauer der
Wirtschaftspatente auf ein Jahr, so kommt auch dem ein Patentgesuch
abweisenden Entscheide der kantonalen Virtschaftspolizeibehörde
bundesrechtlich Rechtskraft nur für das betr. Jahr zu. Alkoholfreie
Wirtschaften. Das Patent für eine Solche kann weder mangels Bedürfnisses
noch deshalb verweigert werden, weil die abgelegene Lage der Wirtschaft
die Kontrolle erschwere und deshalb die Gefahr bestehe, dass in dem
Betriebe doch alkoholhaltige Getränke abgegeben werden.

A. Die Rekurrentin Cölestine Gschwind von Therwil, Hebamme in Immensee,
ist Eigentümerin des Chalet Waldesruh im Tiefthal daselbst. im Jahre
1912 war ihr ein Patent zum Betrieb einer Wirtschaft in jenem Chalet
erteilt worden. Im Frühjahr 1920 bewarb sie sich um das Patent für den
Betrieb einer Pension mit Abgabe von Speisen und alkoholfreien Getränken.
Der Bezirksrat Küssnacht empfahl die Erteilung, da es sich um eine zwar
neue, aber nicht unter den Bedürfnisartikel fallende Wirtschaft handle
und Verweigerungsgründe nach Art. 3 des Wirtschaftsgesetzes nicht
vorlägen. Der Regierungsrat von Schwyz beschloss j edcch am 1. Mai,
auf das Gesuch nicht einzutreten, bevor die

Gesuchstellerin im Besitz einer bundesrätlichen Bewil-

ligung im Sinne der Verordnung vom 18. September 1920 sei. Hierauf kam
die Rekurrentin um das Patent für eine Speisewirtsehaft mit Ausschank
von alkoholfreien Getränken ein. Der Bezirksrat Küssnacht beantragte
Ablehnung mangels Bedürfnisses. Mit Beschluss vom 9. Juni 1922 wies der
Regierungsrat auch dieses Gesuch ab, weil nach der Zahl der Abstinenten
in Küssnacht ein Bedürfnis für eine eigene Wirtschaft fehle und mit
einigem Grund zu befürchten sei, dass die neue Wirtschaft nach und nach
ihrer ursprünglichen Bestim--

96 Staatsrecht.

mung untreu werden könne oder doch unter ständige Kontrolle zu stellen
wäre; es sei deshalb nicht angezeigt, einen solchen Betrieb ausser den
Bedürfnisartikel, ' § 15 des Wirtschaftsgesetzes, zu stelien, und in
Küssnacht sei die Zahl der Wirtschaften so gross, dass eine Vermehrung
für das öffentliche Wohl offenbare Nachteile bringen würde. Auf ein
Wiedererwägungsgesuch der Rekurrentin wurde durch Beschluss vom 2.August
1922 nicht eingetreten. Eine durch frühere Erhebungen veranlasste Anfrage
der Rekurrentin, inwiefern gegen die Lokalitäten Einwendungen erhoben
Würden, beantwortete der Bezirksrat Küssnacht dahin, das Lokal sei von
ihm nie beanstandet worden.

Im Herbst 1922 stellte dann Frl. Gschwind das Begehren um Erteilung des
Patents zum Betrieb einer alkoholfreien Wirtschaft für das Jahr 1923. Der
Regierungsrat erblickte darin ein Wiedererwägungsgesuch und beschloss am
27. Januar 1923, da für die Patenterteilung keine neuen Gründe geltend
gemacht würden, werde darauf nicht eingetreten und verbleibe es beim
Beschluss vom 9. Juni 1922.

B. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 16. Februar hat Frl. Gschwind beim
Bundesgericht das Begehren gestellt, es sei dieser Beschluss aufzuheben
und der Regierungsrat von Schwyz zu verhalten, auf das Patentgesuch
einzutreten und ihm zu entsprechen. Als Beschwerdegründe werden'
Rechtsverweigernng und Verletzung der Gewerbefreiheit geltend gemacht. ss

C. Der Regierungsrat von Schwyz erhebt gegenüber der Beschwerde die
Einrede der Vempätung, da der massgebende Beschluss derjenige vom
9. Juni 1922 sei und ein Anspruch auf Wiedererwägung desselben nur bei
Geltendmachung neuer Tatsachen oder Beweismittel bestanden hätte, welche
Voraussetzung nicht zugetroffen habe (Ad. P. 0. Art. 70). Materiell wird
angebracht: Bei der Behandlung des Gesuches seien weder der Leumund noch
die Lokalitäten in ersterHandelsund Gewefbeh-eiheit. N° 14. 97

Linie als Abweisnngsgrund in Frage gekommen, wohl aber die abgelegene
Lage des Chalet, welches ca. eine halbe Stunde vom Hauptort entfernt sei
und die Kontrolle über die richtige Führung der Wirtschaft erschwert
hätte. Es sei auf eine Umgehung des Gesetzes abgesehen, da die
Gesuchstellerin mit dem Betrieb einer alkoholfreien Wirtschaft allein
nicht bestehen könnte.

sissDasBundesgericht zieht in Erwägung :

1. Nach § 5 des schwyzerischen Wirtschaftsgesetzes vom QA. September 1899
wird das Wirtschaftspatent auf die Dauer eines Kalenderjahrs erteilt
und läuft auch ein während des Jahres erteiltes Patent mit Ende des
Kalenderjahres ab. Die Patentverweigerung vom 9. Juni 1922 konnte sich
danach nur auf das Jahr 1922 beziehen und stand der Erneuerung des
Gesuches für das Jahr 1923 nicht entgegen. Ein Eintreten auf dieses
neue Gesuch durfte um so weniger abgelehnt werden, als die Angabe
der Rekurrentin durchaus wahrscheinlich ist, sie habe den Beschluss
vom 9. Juni 1922 nur deshalb nicht an das Bundesgericht weitergezogen,
weil sie die Wirtschaft im Jahre 1922 doch nur noch für kurze Zeit hätte
betreiben können. In Wahrheit liegt demnach im Beschluss vom 27. Januar
1923 eine Abweisung des Patentgesuches für dieses Jahr, wobei hinsichtlich
der Gründe auf den Beschluss vom 9. Juni 1922 abgestellt wurde. So ist
er jedenfalls vom Standpunkte des Bundesrechts aus aufzufassen. Daraus
ergibt sich, dass einerseits die vom Regierungsrat erhobene Einrede der
Verspätung zu verwerten ist und dass anderseits die Beschwerde wegen
mangelnder Begründung des Beschlusses vom 27. Januar 1923 fehlgeht. .

2. Als einziger Grund für die Verweigerung des Patentes erscheint
nach dem Beschluss vom 9. Juni 1922 und damit auch nach demjenigen
vom 27. Januar 1923 das mangelnde Bedürfnis. Dieser Grund kann aber,
Wie das Bundesgericht im Falle Spinnler gegen Aargau

93 Staatsrecht.

(AS 41 I S. 48 ff) ausgeführt und seither stets festgehalten hat
(vgl. die nicht veröffentlichten Urteile in Sachen Degen gegen Luzern
vom 24. April 1920 und in Sachen Abbt gegen Obwalden vom 7. Oktober 1922)
einem Gesuch um Bewilligung des Betriebs einer alkoholfreien Wirtschaft
ohne Verletzung des Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV nicht entgegengehalten werden, weil sich
die Ermächtigung der litt. c ebenda nach ihrem Zwecke (Bekämpfung des
Alkoholismus) auf solche Betriebe nicht bezieht. Auch was die Antwort
sonst vorbringt,um den Beschluss zu halten, reicht dafür nicht hin. Die
polizeiliche Kontrolle hat sich nach den ihr unterstellten Betrieben zu
richten und nicht umgekehrt. Sollte sich bei ihrer Ausübung ergeben, dass
von der Reknrrentin tatsächlich auch alkoholhaltige Getränke abgegeben
werden, so steht es den kantonalen 'irtschaftspolizeibehörden frei,
gegen diese Überschreitung der erteilten Gewerbebem'lligung mit den
ihnen durch die kantonale Gesetzgebung zur Verfügung gestellten Strafund
administrativen Zwangsmassnahmen einzuschreiten Die Verweigerung des
Patents kann mit der blossen Gefahr eines solchen Missbrauchs so wenig
begründet werden, wie es zulässig ist, den Betrieb einer Wirtschaft
in einem Hause wegen seiner Abgelegenheit zu verweigern (vgl. dazu AS
38 I S. 464 mit Zitaten, ferner die beiden oben angeführten Urteile
vom 24. April 1920 und ?. Oktober 1922, wo gegen das Patentgesuch die
nämlichen Einwendungen erhoben worden waren).

3. Die Verweigerung des nachgesuchten Patentes ist demnach als
verfassungswidrig aufzuheben. Da ferner weder die persönliche Eignung der
Rekurrentin, noch die Beschaffenheit der Lokalitäten beanstandet wird,
ist der Regierungsrat auch zu verhalten, dem Patentgesuch zu entsprechen;

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Rekurs wird gutgeheissen, der
angefochtenePolitisches Stimmund Wahlrecht. N° 1,5. 99

Entscheid des Regierungsrates von Schwyz vom 2?. Januar 1923 aufgehoben
und der Regierungsrat eingeladen, der Rekurrentin das nachgesuchte Patent
zu erteilen. '

Hl. POLITISCHES STIMMUND WAHLRECHTDROIT ÉLECTORAL ET DROIT DE VOTE

15. Arrèt du 23 mars 1923 dans la cause Balavoine et consorts contre
Conseil d'Etat du canton de Genève. R é f ö r e n d u m : loi cantonale
autorlsant le référendum contre les dispositions du budget instituant des
impöts nouVeaulx ou augmentant les impöts exlstants; question de saYoir
Sl, cela s'applique aussi aux centimes additionnels dejà prelevés
l'année précédente et confirmés par la loi

budgétaire pour l'exercice courant.

A. La loi constitutionnelle genevoise sur le référendum facultatif du
26 avril 1879, modifiée le 18 février 1905, institue à son art. 1 le
referendum facultatif contre les iois ou arrétés législatifs votés par
le Grand Conseil et dispose à son art. 2 ce qui suit : Le referendum ne
peut s'exercer contre la loi annuelle sur les dépenses et les recettes,
prise dans son ensemble.

Ne peuvent ètre soumises au référendum que les dispositions spéciales
de cette loi établissant:

a) Un nouvel impòt ou l'augmentation d'un impöt déjà existant;

b) Une émissiou de rescriptions on un emprunt sous une autre forme. ,

Le Grand Conseil indique, dans la loi budgétaire, les articles qui
doivent attendre le délai de 30 jours pour ètre promulgués. )

)

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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 49 I 95
Datum : 24. März 1923
Publiziert : 31. Dezember 1924
Quelle : Bundesgericht
Status : 49 I 95
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 94 staatsrecht- nicht geradezu hervorgerufen, so doch begünstigt Werden, nicht ohne


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
regierungsrat • weiler • referendum • bundesgericht • zahl • dauer • entscheid • verhalten • alkoholfreies getränk • frage • einwendung • bewilligung oder genehmigung • begründung des entscheids • staatsrechtliche beschwerde • unternehmung • beweismittel • wiese • richtigkeit • alkoholismus • aargau
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