1 38 St aatsrecht.

VII. KULTUSFRE IHE IT

LIBERTÉ DES CULTES

22. Urteil vom 8. März 1923 i. S. Vogel gegen Zürich Regierungsrat.
BV Art. 50 Abs. 1 und 2 : Katholische Prozessionen

in Gemeinden mit überwiegend protestantischer Bevölke-

rung. Wieweit müssen sie aus ,Gründen der Kultusfreiheit zugelassen
werden ? Die einfache Erneuerung eines bereits im Vorjahre von der
Gemeindepolizeibehörde erlassenen, formell rechtskräftig gewordenen
Verbotes gegenüber einer in Aussicht stehenden eigenmächtigen Übertretung
kann nicht wegen Verletzung dieses Verfassungsgrundsatzes angefochten
werden, wenn die Interessenten es unterlassen haben, neuerdings um die
Bewilligung der Veranstaltung einzukommcn und eine nochmalige materielle
Prüfung der Frage zu verlangen.

A. In der vorwiegend reformierten zürcherisehen Gemeinde Wald befindet
sich eine dem römisch-katholischen Kultus dienende Kirche. Nach der
Volkszählung vom 1. Dezember 1920 gehören von 7519 Einwohnern 1720 diesem
Bekenntnis an.

· Während früher die Fronleichnamsprozession in der Kirche abgehalten
werden war, stellten im Jahr 1920 der katholische Männerverein Wald
und namens der kath. Pfarrgemeinde der Pfarrer Magnus Vogel an den
Gemeinderat das Gesuch, es möchte die Abhaltung im Freien gestattet
werden, wobei als Weg Kirche-Hotel Schwert-B ahnhofstrasse-Fortunastrasse
bezeichnet wurde. Als Grund war angegeben, dass die räumlichen
Verhältnisse der Kirche für den Umgang nicht genügten. Auch werde darauf
aufmerksam gemacht, dass in VVetzikon und Winterthur die Abhaltung der
Fronleichnams-Kultusfreiheit. N° 22. 139

prozession im Freien gestattet werden sei. Der Gemeinderat von Wald
wies das Gesuch mit Beschluss vom 10. Mai 1920 ab, weil der Verkehr
auf den betreffenden Strassen die ,Durchführung einer Prozession nicht
gestatte und weil die Bewilligung voraussichtlich zu Unzukömmlichkeiten
und eventuell zu Kollisionen führen könnte. Auf ein Wiedererwägungsgesuch
der christlich-sozialen Partei Wald hielt er am 31. Mai an seinem früheren
Beschlusse fest. Ebenso wurde ein erneutes Gesuch des Pfarrers Vogel
am 4. Juni abgelehnt. Die Prozession wurde dann Sonntag den 6. Juni
gleichwohl abgehalten, immerhin auf einem andern, kürzern und dem
zuerst in Aussicht genommenen entgegenge-setzten Wege _: Rüti Garten
Laupenstrasse. Eine deshalb gegen die katholische Kultusgenossensehaft
erlassene Bussenverfügung nahm der Gemeinderat selbst zurück, nachdem
er darauf aufmerksam gemacht _worden war, dass eine Genossenschaft nicht
gebüsst werden könne.

Am 27. Mai 1921 verfügte er, davon in Kenntnis gesetzt, dass die
Katholiken wieder die Abhaltung einer Prozession beabsichtigen : 1. Die
Benutzung von öffentlichen Strassen und Plätzen für die Durchführung
von Prozessionen ist untersagt; 2. Nichtbeachtung der Verfügung hätte
Überweisung an den Strafrichter zur Bestrafung wegen Ungehorsams im
Sinne von g 80 des züreherischen Strafgesetzbuches zur Folge; 3. Für
Zuwiderhandlungen werden Arrangeure und Leiter verantwortlich erklärt.
Der zweite Teil der Verfügung wurde später dahin abgeändert, dass auf
die Nichtbeachtung statt Überweisung an den Strafrichter nur

Polizeibusse enge-droht wurde. Trotz des Verbotes fand

am 29. Mai eine Prozession statt, die den gleichen Weg einschlug, wie
im vorhergehenden Jahre. Der Gemeinderat büsste deshalb den Pfarrer
Vogel mit 50 Fr. Auf das Begehren um gerichtliche Beurteilung hob das
Bezirksgericht Hinwil die Busse auf, weil die gemeinde-

140 Staatsrecht.

rätliche Verfügung durch Beschwerde angefochten worden und deshalb
noch nicht rechtskräftig sei. Dem Gemeinderat bleibe vorbehalten, die
Bussauflage zu erneuern, wenn die Beschwerde rechtskräftig abgewiesen
werden sollte.

In der Tat hatte inzwischen Pfarrer Vogel gegen die gemeinderätliche
Verfügung vom 27. Mai beim Statthalteramt Hinwil Beschwerde erhoben mit
der Begründung, dass sie gegen die Garantie der Kultusfreiheit, Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.

BV und 63 KV, sowie gegen § 1 des zürcherischen Gesetzes betreffend
das katholische Kirchenwesen verstosse, der den Katholiken überall
die freie Ausübung ihres Gottesdienstes und der damit verbundenen
kirchlich-religiösen Handlungen zugestehe mit dem Vorbehalte einzig
des Schutzes der öffentlichen Ordnung. Diese werde aber durch die
Abhaltung der Fronleichnamsprozession nicht gestört. Der Gemeinderat von
Wald erwiderte : Weder die Kultusfreiheit, noch § 1 des katholischen
Kirchengesetzes' gaben den Konfessionen Anspruch auf Benutzung der
öffentlichen Strassen und Plätze zu Kultushandlungen, da diese für den
Verkehr bestimmt seien. Im Kanton Zürich sei die protestantische Kirche
die Landeskirche und habe als solche ein Recht darauf, von den andern
Konfessionen in

ihrer Stellung respektiert zu werden. Das Fronleich .

namsfest und seine Prozessionen bezweckten die Demonstration wider die
Ketzer, worunter auch die Reformierten zu verstehen seien, wie sich aus
den Beschlüssen des Tridentiner Konzils ergebe. Das öffentliche Hemmtragen
und Zeigen des Abendmahls durch den katholischen Priester an der
Wirkungsstätte des Reformators diene nicht allein Kultuszwecken, sondern
solle zu kirchenpolitischen Demonstrationen benutzt werden. Hiegegen seien
die reformierten Auffassungen zu schützen Das treffe namentlich für das
,überwiegend reformierte Wald zu. Das Verbot sei auch wegen der mit der
Prozession verbundenen Verkehrsstörung begründet. DasKultusfreiheit. N°
22. . 141

Statthalteramt wies die Beschwerde am 11. November 1921 ab, weil sich
die angefochtene Verfügung aus verkehrspolizeilichen Gründen und als
Massnahme zur Wahrung des religiösen Friedens rechtfertige und deshalb
die Kultusfreiheit nicht beeinträchtige-

Ebenso verwarf der Regierungsrat von Zürich am 25. Februar 1922
einen gegen den Entscheid des Statthalters gerichteten Rekurs mit der
Begründung: die Prozession sei zwar zweifellos eine gottesdienstliche
Handlung. Auch die Freiheit solcher werde aber in Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
Abs. l
BV nur in den Schranken der allgemeinen Rechtsordnung, d. h. unter
der Voraussetzung der Einhaltung der im Interesse der öffentlichen
Ordnung erlassenen allgemeinen Gebote gewährleistet, wobei immerhin die
Geltendmachung derartiger allgemeiner Gebote des kantonalen Rechts, wo
sie zur Beschränkung der Kultusfreiheit führe, nur statthaft sei, falls
sie sich durch hinreichende schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit
rechtfertigen lasse. Ferner bleibe den Kantonen nach Abs. 2 ebenda
vorbehalten weitergehende besondere Massregeln zu treffen, soweit sie
sich zur Wahrung der Ordnung und des öffentlichen Friedens unter den
Angehörigen der verschiedenen Religionsgenossenschaften als geboten
erweisen. Eine grössere Bewegungsfreiheit werde der katholischen Kirche
auch durch das kantonale Recht, insbesondere das Kirchengesetz von 1861
nicht zugestanden (was näher ausgeführt wird). Im vor liegenden Falle sei'
ein Einschreiten gestützt auf Vorschriften der allgemeinen Rechtsordnung
von zwei Gesichtspunkten aus denkbar. Einmal von demjenigen der Aufsicht
des Gemeinwesens über die Sachen im Gemeingebrauch. Letzterer sei zwar
im zürcherischen Recht nicht genau umschrieben. Das Gesetz über das
Strassenwesen §§ 41 ff. begnüge sich an einzelnen Beispielen zu zeigen,
was als solcher alles in Betracht kom men könne. Doch gelte auch für den
Kanton Zürich der Satz, dass der Gemeingebrauch sich auf die bestimmungs-

142 Staatsreeht.

gemässe Benutzung der Strasse zu beschränken habe. Was darunter zu
verstehen sei, hänge von der Übung, von Sitte und Gewöhnung ab (MAYER,
Deutsches Verwaltungsrecht II S. 147). Nun sei es in den protestantischen
Gemeinden des Kantons weder herkömmlich noch üblich, gottesdienstliche
Handlungen auf der Strasse auszuüben. Auch da, wo grosse katholische
Genossenschaften bestehen, hätten sie sich bis jetzt immer an diese Übung
gehalten. Erst in neuester Zeit sei neben Wald in Winterthur versucht
worden, Prozessionen auf einer kurzen Strecke einer öffentlichen Strasse
abzuhalten und damit dem Gemeingebrauch eine Ausdehnung zu geben, die
speziell der zürcherischen Auffassung darüber nicht entspreche. Im
Gegensatz zu der Behauptung des Rekurrenten erkläre der Gemeinderat
von Rüti, dass solange die katholische Kirche in Taundürnten steht, dort
niemals eine Prozession auf öffentlichen Strassen stattgefunden habe. Dass
es in andern Kantonen anders sei, falle ausser Betracht. Ebenso dass
andere Umzüge auf der Strasse stattfinden; denn die Benützung der Strassen
für gewöhnliche Umzüge sei eine alte Übung. Die Verfügungsgewalt über die
öffentlichen Sachen gestatte daher nach zürcherischer Rechtsordnung,
die Prozessionen als bestimmungs-widrige Verwendung der strasse zu
verbieten. Das durch die Praxis des Bundesgerichts dafür geforderte
schutzwürdige Interesse sei 'vorhanden; es liege in der Wahrung des
konfessionellen Friedens. Würde die Benutzung der Strasse zu Prozessionen
als bestimmungsgemässe Verwendung betrachtet, so wäre fraglich, ob nicht
die strassenpolizeiliche Vorschrift des § 43 des Strassengesetzes: Jede
den Verkehr auf den Strassen gefährdende Verrichtung oder Handlung ist
untersagt , das Verbot stützen würde. Doch könne dies da', hingestellt
bleiben, da andere Gründe zur Abweisung ssk des Rekurses führten: Die
Vorschrift des Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
. BV gestatte ein solches Hinaustreten
des Kultus in die

JEAN-WH-Kultusfreilieit. N° 22. 4 143

IgÖffentlichkeit in konfessioneu-gemischten Ortschaften ? Zauch abgesehen
hievon, schon aus Gründen der Rück-

siehtnahme auf den Glauben und die Gefühle anderer

auszuschliessen. Wenn der Gemeinderat Wald und das Statthalteramt Hinwil
erklären, dass die ,protestantische Bevölkerung von Wald durch den
demonstrativen Charakter der 'Prozessionen in ihren Religionsgefühlen
. verletzt werden, so habe der .Regierungsrat nach der Aufregung, 'dje
dieser Streit verursacht habe, keinen Grund, an dieser Behauptung zu
zweifeln. Die eigenmächtige, trotz des Verbotes und ohne vorhergehende
Austragung des Rechtsstreites erfolgte Abhaltung der Prozession habe
zur Beruhigung auch nicht beigetragen. Dass die Harmoniemusik Wald,
deren Mitglieder vorwiegend dem reformierten Bekenntnis angehören,
bei der Prozession mitwirkte, könne deshalb nicht ins Gewicht fallen,
weil es sich für die Harmonie dabei um ein Erwerbsgeschäft gehandelt
habe. Der Gemeinderat sei zum Erlass des Verbotes auch kompetent gewesen,
da nach zürcherischem staatsreeht die Ortspolizei Sache der Gemeinden
und der Gemeinderat Vollzugsbehörde sei (§ 94 des Gemeindegesetzes)..
Das Vereinsrecht werde den Angehörigen der katholischen Kirche Wald
nicht abgesprochen. Das Versammlungsreeht sei nur zum Zwecke der freien
Meinungsäusserung garantiert und unterliege zudem den Beschränkungen
der allgemeinen Rechtsordnung.

B. Gegen den Entscheid des Regierungsrats hat Pfarrer Vogel
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erhoben mit dem Antrag,
es sei die dadurch geschützte Pelizeiverfügung des Gemeinderates von
Wald vom 27. Mai 1921 aufzuheben. Den strassenpolizeilichen Motiven der
untern Instanzen gegenüber wird auf die Rekursschrift an den Regierungsrat
verwiesen und sodann geltend gemacht: Es sei nicht Sache der Gemeinden,
sondern ausschliesslich der Kantone und des Bundes, Massnahmen im Sinne
von Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
Abs. I

144 Staatsreeht.

und namentlich Abs. 2 BV zu treffen. Die abweichende Auffassung des
Regierungsrates wirke nicht überzeugend. Auch materiell ziehe der
Regierungsrat die Grenzen der im Interesse der öffentlichen Ordnung
und zur Wahrung des religiösen Friedens zulässigen Massnahmen Viel zu
weit. Dies gelte namentlich von der Umschreibung des Gemeingebrauchs der
Strassen. Dass ProzeSsionen bis jetzt nicht üblich waren, mache die Be-

nutzung der Strasse dazu noch nicht zu einem bestim -

mungswidrigen Gebrauch. Gleich verhalte es sich mit den

Ausführungen über die Wahrung des konfessionellen'

Friedens. Im vorliegenden Falle seien keinerlei konkrete Voraussetzungen
für eine Verletzung der öffentlichen Ordnung oder für Massnahmen im Sinne
von Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV vorhanden. gewesen. Schon seit einigen Jahren seien
im Kanton Zürich Prozessionen in mehrheitlich protestantischen Gemeinden
abgehalten worden, so in Winterthur und Rüti, ohne dass es zu Störungen

gekommen wäre. Auch in Wald "sei die Prozession _

anstandslos durchgeführt worden. Eine Störung des religiösen
Friedens werde auch durch die Erklärung des Gemeinderates Wald und
des Statthalteramtes nicht nachgewiesen, dass die protestantische
Bevölkerung von Wald durch den demonstrativen Charakter der Prozession in
ihren religiösen Gefühlen gekränkt werde. Das Verbot verletze nicht nur
Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV, sondern auch das durch Art. 3 KV gewahr-leistete Vereinsund
Versammlungsrecht. Es verstosse ferner gegen die Rechtsgleichheit. Es sei
notorisch, dass die Maifeier in Wald durch öffentliche Umzüge begangen
werde. Auch die Heilsarmee dürfte für ihre Veranstaltungen völlige
Freiheit besitzen. (SALIS, Religionsfreiheit S. 38.)

C. Der Regierungsrat von Zürich und der Gemeinderat von Wald haben im
Wesentlichen aus den im angefochtenen Entscheide angeführten Gründen
die Abweisung der Beschwerde beantragt. In der Vernehmlassung des
Gemeinderates wird überdies bestritten,

,.-. nm. __-. siKultusfreiheit. N° 22. 145

dass die Verlegung der Fronleichnamsprozession auf die Strassen zum
Wesen des katholischen Kultus gehöre. Es werde dies von den örtlichen
Verhältnissen abhängig gemacht.

D. Auf die Ergebnisse eines vom Instruktionse riehter angeordneten
Augenscheines wird in den nachstehenden Erwägungen Bezug genommen
werden. Vom Vertreter des Rekurrenten wurden dabei die Vorgänge aus dem
Jahre 1920 dargelegt, die bisher nicht aktenkundig gewesen waren und auch
dem Regierungsrat von Zürich nicht bekannt gewesen zu sein scheinen. Auch
erklärten der Rekurrent und die Vertreter der katholischen Kirchgenossen
von Wald, dass nur die Fronleichnamsprozession in Betracht komme, die
an einem Sonntag Vormittag mit etwa einstündiger Dauer abgehalten wird,
und. dass sie für den Fall einer gütlichen Verständigung bereit Wären,
die Prozession bis zur Erstellung einer neuen Kirche auf den in den Jahren
1920 und 1921 benützten Weg zu beschränken. Der Gemeinderat von Wald,
dem dieser von der Instruktionskommission und -von dem am Augenschein
an; wesenden Vertreter der Regierung befürwortete Vor? schlag durch
seine Abordnung vorgelegt wurde, erklärte jedoch in der Folge darauf
nicht eingehen und die ZIP-. stimmung zu Prozessionen auf öffentlichen
Strassen! auch in dem noch beansPruchten begrenzten Umfange nicht erteilen
zu können.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. In Frage steht die veriassungsrechtliche Zu?lässigkeit des Verbots,
das der Gemeinderat von Wald am 27. Mai 1921 erlassen hat und wodurch
die Benutzung

von öffentlichen Strassen und Plätzen für die Durchführung von
Prozessionen untersagt, die Nichtbeachitung der Verfügung mit Überweisung
an den StrafZzrichter bedroht und für Zuwiderhandlungen Aman,genre und
Leiter verantwortlich erklärt wurden. Die nachträgliche Abänderung
jener Sanktion in die Be-

146 Staatsrecht.

drohung mit blosser Polizeibusse ist für die Beurteilung der Beschwerde
unerheblich, wie auch gegen die Verantwortlicherklärung bestimmter
Personen nichts besonderes vorgebracht wird. Das Verbot trifft die katho-

lischen Kirchgenossen von Wald und ihren Pfarrer,si

der deshalb zur Beschwerde legitimiert ist.

2. Die Bejahung der Zuständigkeit des Gemeinderates von Wald zum Erlass
des Verbots kann verfassungsrechtlich nicht angefochten werden. Dasselbe
bezieht sich auf die Benutzung der öffentlichen Strassen und Plätze in
der Gemeinde Wald. Die Verfügung darüber steht nach der Feststellung
des zürcherischen

_Regierungsrates gemäss § 94 Ziffer 6 des Gemeinde-

gesetzes den Gemeinderäten als Ortspolizeibehörde zu, wobei
diese freilich, wie der Regierungsrat ausführt, an die allgemein
geltenden Vorschriften, so auch an die Grenzen gebunden ist, die die
verfassungsmässigen Freiheitsrechte in sich schliessen. Dass in Art. 50
Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
der BV nur von Massnahmen der Kantone und des Bun-

des die Rede ist, ändert hieran nichts. Einmal ist in

Absatz 1 die öffentliche Ordnung in allgemeiner Weise

vorbehalten, und sodann wird damit einfach festgestellt, î: zdass neben
den Bundesbehörden auch die kantonalen {Î Gewalten zu Verfügungen in
der Materie kompetent bleiben, was die Delegation der entsprechenden
Kompe-tenzen an die Gemeinden und ihre Organe als Träger zgeines Teiles
der öffentlichen Gewalt durch das kanto-

nale Staatsrecht nicht ausschliesst. Die im Rekurse angerufene Bemerkung
bei LAMPERT, Bundesstaatsrecht S. 49 : Die zu ergreifenden Massnahmen
sind in erster Linie von den kantonalen Behörden zu treffen und erst,
wenn diese versagen, vom Bundesrat, betrifft nur das Verhältnis der
kantonalen zur Bundesgewalt und spricht sich darüber, was unter kantonalen
Behörden zu verstehen sei, nicht aus.

3. Materiell fällt entscheidend in Betracht, dass das Verbot vom 27. Mai
1921 nicht die erste VerfügungKultusfreiheit. N° 22. 147

des Gemeinderates von Wald war, die sich mit der Benutzung der
öffentlichen Strassen und Plätze der Ortschaft für katholische
Prozessionen befasste, sondern dass schon im vorhergehenden Jahre das
vom Rekurrenten gestellte und von verschiedenen katholischen Vers einen
wiederholte Gesuch, die Abhaltung der Fronleich--

namsprozession im Freien zu gestatten, aus verkehrs-

polizeilichen und aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ordnung bezw. der Vermeidung von Kollisionen abgewiesen worden war. Diese
Verfügung,

die damals nicht angefochten worden ist, verlor ihre Wirk-

samkeit natürlich dadurch nicht, dass ihr zuwidergehandelt wurde,
mag auch bei der Prozession ein anderer, als der im Gesuch angegebene
Weg eingeschlagen worden sein. Denn die Begründung der Ablehnung des
Ge-suchs richtete sich gegen jede Inanspruchnahme öffentlichen Bodens,
und im letzten Beschluss vom 4. Juni 1920 war auch im Dispositiv
ausdrücklich beigefügt, es werden die Gesuchsteller zur Ausübung
ihres GottesYdienstes und der damit verbundenen kirchlich-religiösen
Handlungen auf ihr Kirchengebiet verwiesen., iEbenso konnte natürlich
der Weiterbestand der Verfü ,gung durch die nachträgliche Zurücknahme
der wegen ihrer Übertretung verhängten Busse aus f o r m e lle n Gründen
nicht berührt werden. Nachdem die Verfügung selbst nicht angefochten
und rechtskräftig geworden war, war der Gemeinderat von Wald schon
nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts berechtigt, sie auch
späterhin zur Geltung zu bringen und zu erneuern, nachdem er erfuhr, dass
ihr neuerdings zuwider-gehandelt werden solle. Wollten die Interessenten
dies vermeiden, so hätten sie rechtzeitig, bevor die frühere Anordnung
wieder praktisch wurde, ein neues Gesuch stellen und im Falle seiner
Ablehnung die Rekursinstanzen anrufen müssen, um auf diesem Wege die
materielle Frage neuerdings zur Entscheidung zu stellen und womöglich
eine andere Lösung derselben zu

148 Staatsreessht.

erwirken. Die einfache unbewilligte Inanspruchnahme der öffentlichen
Strasse zur Abhaltung einer Prozession auch im Jahre 1921 stellte schon
wegen der darin liegenden Missachtung der formell rechtsbeständigen
Verfügung vom Vorjahre auf alle Fälle eine unzulässige Störung der
öffentlichen Ordnung dar und es kann deshalb auch das dagegen gerichtete
Verbot vom 27. Mai 1921 ohne Rücksicht auf die sachliche Begründetheit
der ursprünglichen Verfügung nicht als ein Eingriff in die von den
Rekurrenten angerufenen Freiheitsrechte angefochten werden. Dass der
Gemeinderat von Wald und der Regierungsrat von Zürich beim Erlasse des
Verbots vom 27. Mai 1921 und bei Beurteilung des dagegen gerichteten
Rekurses nur nebenbei auf diese Seite der Sache hingewiesen .haben,
hindert das Bundesgericht nicht darauf abzustellen, nachdem die Tatsachen
vom Rekurrenten selbst vorgebracht worden sind und es in der Beurteilung
ihrer rechtlichen Bedeutung vom

Standpunkte des Verfassungsrechtes frei ist.

Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass

si das Recht der Benutzung der Strassen für Prozessionen

sich ohne weiteres aus Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV ergehe und dass es

einer Bewilligung der Polizeibehörden dazu gar nicht bejv dürfe, sodass
das Verfahren im, Jahre 1920 eine un nötige Weiterung gewesen wäre und
einfach ausser Acht

gelassen werden durfte. Abgesehen davon, dass der Rekurrent und die
katholischen lcultusvereine von Wald selber im Jahre 1920 noch eine
Bewilligung für nötig hielten, und dass, wie aus der Antwort des
Regierungsrates hervorgeht, in Winterthur die Benutzung eines Stückes
öffentlichen Bodens für die Fronleichnamspro-

, zession ebenfalls auf der Bewilligung eines entsprechenden

Gesuches beruht, ginge jene Folgerung auch sachlich si fehl. Die
Inanspruchnahme öffentlicher Strassen und Plätze für Kultushandlungen
stellt sich, jedenfalls da,

wo sie nicht hergebracht und gebräuchlich ist, nicht als blosse Ausübung
des Gemeingebrauchs, sondern

I 1Kmtussreiheit. N° 22. , 149

Hals eine neue besondere Benutzungsart dar. Schon Zaus dem Aufsichtsrecht
der Polizeibehörden über die strassenbenutzung im allgemeinen ergibt sich,
dass sie um eine Bewilligung angegangen werden müssen, wenn öffentliche
Wege regelmässig für einen neuen, bisher unbekannten Zweck benützt werden
sollen, der mit ihrer eigentlichen Zweckbestimmung dem öffentlichen
Verkehr zu dienen, nichts zu tun hat, sondern im Gegenteil diesen Zweck
unter Umständen zu beeinträchtigen geeignet ist. Zum mindesten müssen
solchen Wünschen gegenüber die Polizeibehörden verlangen dürfen, dass
ihnen über Umfang, Mass und Dauer der lnanspruchnahme Angaben gemacht
werden, bevor diese erfolgt. So ist auch die Benutzung öffentlichen
Bodens zum Ausbieten ,von Waren, zur Aufstellung von Markt-ständen und zu
schaustellungen polizeilicher Kontrolle unterstellt und von behördlicher
Erlaubnis oder Duldung abhängig-Bei der Benutzung zu Kultushandlungen,

j für die-bisher die Strasse nicht diente und die nur für ; einen Teil
der Einwohner einer Ortschaft bestimmt sind, tritt zu jenen allgemeinen,
insbesondere verkehrs--

polizeilichen Gründen für die Notwendigkeit der Er-

! laubnis noch das besondere Moment der Aufrechter£ haltung des religiösen
Friedens hinzu. Auch hier kann

deshalb Mass und Umfang der Beanspruchung schlech_ terdings nicht dem
Belieben der Beanspruchenden überlassen, sondern beide müssen von der
Behörde, die die

Kultuspolizei handhabt, bestimmt werden, die unparsisi, teiisch darüber
zu befinden hat, ob und in welchem U -

fang die Inanspruchnahme zulässig ist.

Das Bundesgericht könnte daher, selbst wenn es _ grundsätzlich das
angefochtene Verbot als verfassungswidrig betrachten Würde, die Beschwerde
keinesfalls im Sinne des gestellten Antrages, d. h. der Aufhebung des
Verbotes schlechthin gutheissen, und damit den katholischen Kirchgenossen
den Anspruch auf beliebige Benützung der öffentlichen Strassen und
Plätze der

150 Staatsrecht.

Gemeinde für Prozessionen zuerkennen, sondern es müsste zugleich auch
Mass und Umfang der zulässigen Inanspruchnahme festsetzen, wofür in der
Beschwerde irgendwelche Vorschläge nicht gemacht werden. Die Entscheidung
darüber ist aber nach der verfassungsmässigen Ordnung zunächst Sache
der zuständigen Behòrden der Gemeinden und des Kantons, gegen deren
Anordnungen erst im Falle einer behaupteten Verfassungswidrigkeit
derselben die Bundesbehörde angerufen werden kann. Dem Rekurrenten muss
es anheimgegeben bleiben, vorerst, wie er es im Jahre 1920 getan hat,
sich von neuem mit einem Gesuche an die Gemeindebehörde zu wenden und
dabei über jene Punkte bestimmte Angaben zu machen, wenn er eine Änderung
des gegenwärtigen Zustandes herbeiführen wjll. Andererseits werden sich
die Behörden der Prüfung eines solchen neuen Gesuches nicht einfach unter
Berufung auf die früheren Beschlüsse entziehen können, da die Ansichten
in solchen Dingen sich ändern können und eine neue Erörterung der Natur
der Sache nach, nach Verfluss einiger Zeit stets muss verlangt werden
können. Erst auf eine wiederholte Ablehnung könnte das Bundesgericht zu
materieller Entscheidung angegangen werden, wenn darin eine Verletzung der
Kultusfreiheit erblickt würde. Dem Verbot vom 27. Mai 1921 gegenüber, das
sich nicht als Erledigung eines derartigen Begehrens, sondern lediglich
als Geltendmachung der auf das Gesuch von 1920 hin s. Z. getroffenen
und noch rechtsbeständigen Verfügung gegenüber in Aussicht stehender
Eigenmacht darstellt, kann diese Beschwerde nicht erhoben werden.

4. Im Interesse der Sache mögen immerhin die Richtlinien für die materiell
gerechte Lösung der Streitigkeit schon heute angegeben werden.

a) Mit dem Regierungsrat ist dabei davon auszugehen, dass der mit dem
Rekurse erhobene Anspruch auch in dem beschränkten Umfange wie er am
Augenschein für den Fall einer Verständigung noch aufrecht erhalten

Kultusfreiheit. N° 22. 151

wurde nur auf die bundesrechtliche Forderung der Kultusfreiheit gestützt
werden kann. Die Garantie des Vereinsund Versammlungsrechts kann daneben
nicht in Frage kommen, weil die freie Ausübung des Kultus und auch die ihr
gezogenen Schranken durch Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV besonders geordnet und umschrieben
sind (AS 15 S. 690). Die Feststellung des Regierungsrates aber, wonach
die k a n t o n a 1 e Kirchengesetzgebung den Katholiken hinsichtlich der
Kultusausübung keine weitergehenden Rechte gibt, als sie aus Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV
folgen, bindet als Auslegung kantonalen Gesetzesrechtes das Bundesgericht
und wird denn auch im Rekurse nicht als verfassungswidrig angefochten. '

ö) ProzesSionen, d. h. geordnete Aufzüge oder Um-

' züge des Klerus und der Gläubigen innerhalb oder ausserhalb des
Kirchengebäudes sind ein Bestandteil der katholischen Religionsübung
und damit gottesdienst-

liche Handlungen im Sinne von Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV. Als öffent-

liche Kundgebung der religiösen Überzeugung entsi'ss springen sie
(nach HERGENRÖTHER-KAULEN, Kirchenlexi-

kon) aus dem Drange der Glaubensfreude, der Bussgesinnung und dem
flehentlichen Gebete bei allgemeinen Bedrängnissen über die Grenzen
des Altars und der geschlossenen Kultstätte hinaus Raum zu geben
und sind nicht nur mit dem Zweck des Bittgangs, sondern auch als
Dankund Ehrenbezeugung und als besondere Feierlichkeiten schon früh
üblich geworden, wobei für die mit besonderer Solennität durchgeführte
Fronleichnamsprozession ein eigenes Ritual gilt. Der neue Codex juris
canonici von 1917 befasst sich damit in den Can. 1290 und 1291 unter der
Überschrift de sacris processionibus in einer Weise, welche die Natur
derselben als eines wesentlichen Bestandteils des Gottesdienstes ausser
Frage stellt.

. 6) Ihre Eigenschaft als in die Öffentlichkeit tretender ÎAkt gemeinsamer
Religionsausübung unterwirft sie anÎdererseits den m Art. 50 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
und
2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV vorbehaltenen

sssi"'*-v-u-s'*-.... sss' _,

152 Staatsrecht.

Beschränkungen des weltlichen Rechts. Die Abhaltung ikann danach nicht
nur, wo sich dies zur Aufrechterhaltung der Ordnung und des Friedens unter
den AnÎ gehörigen der verschiedenen Konfessionen als geboten erweist,
beschränkt werden, sondern ist auch abgesehen davon in die Schranken der
Rechtsordnung, d. h. des allgemeinen öffentlichen Rechts des Bundes und
der Kantone gewiesen, unter der aus dem verfassungs-mässigen Anspruch auf
freie Kultusausübungjich ergebenden Bedingung, dass Eingriffe, die sich
auf derartige allgemeine Vorschriften des kantonalen Rechts stützen,
. in von der Staatsgewalt zu wahrenden Interessen der ss Gesamtheit
eine hinreichende Begründung finden müsgezDarüber, ob eine bestimmte
kantonale Massriahine sich innert dieser Grenze und des zur Wahrung
der in s Art. 50 Abs. 2 vorgesehenen Zwecke Gebotenen halte, hat im
Streitfalle das Bundesgericht zu befinden. (BURCKHARDT, Kommentar
2. Auflage, S. 457 f.; BGE 38 S. 490 mit Zitaten).

d) Die Benützung öffentlicher Strassen und Plätze zu Prozessionen kann
nun zunächst mit den Erfordernissen des Verkehrs in Kollision geraten. Wo
dies der Fall ist, muss das besondere Interesse der Kultusausühung vor
dem allgemeineren _der Verkehrsfreiheit auf den öffentlichen Strassen und
Plätzen weichen, soweit nicht ein Ausgleich beider möglich und deshalb
geboten ist. Ob eine solche Köllision das Verbot. der Inanspruchnahme
für den religiösen Sonderzweck rechtfertigt, hängt von den örtlichen
Verhältnissen, dem Umfang des Verkehrs einerseits, dem Mass jener
Inanspruchnahme andererseits ab. Beschränkt sich die Prozession auf die
einmalige jährliche Benutzung eines bestimmten Strassenzuges während
kürzerer Zeit, so können verkehrspolizeiliche Gründe in einer ländlichen
Ortschaft mit den Strassenund Bebauungsverhältnissen, wie sie Wald
aufweist, der Abhaltung nicht entgegengehalten werden: Die katholische
Kirche ist amKultusfreiheit. N° 22. 153

Rande des Dorfes gelegen, in einem wenig überbauten Viertel. Falls sich
die Prozession in der Nähe der-Kirche bewegt, kann sie für den Verkehr
auf den Strassen kein ernsthaftes Hindernis bilden, wenn sie nur einmal
im Jahr an einem Sonntag Vormittag abgehalten wird. Es genügt in dieser
Beziehung auf den Lageplan und den Bericht der kant. Polizeidirektion an
die Direktion des Innern vom 2. Februar 1922 zu verweigern, wo es heisst:
Von einer Störung des lokalen Verkehrs, die ein allgemeines Verbot von
Prozessionen rechtfertigt, lässt sich nicht sprechen, indem sich-der
Strassenverkehr der genannten Landgemeinde innerhalb mässiger Grenzen
bewegt. Ferner finden solche Prozessionen nicht häufig und im vorliegenden
Fall nur zu einer Zeit statt, wo der Strassenverkehr ein geringer ist
(am Sonntag Vormittag); auch beschränken sie sich auf die Umgebung
der Kirche, die Kirchenbesucher und eine verhältnismässig kurze Zeit.
Der Polizeirapport, auf den sich der Gemeinderat von Wald für seine
entgegengesetzte Behauptung stützt, kann demgegenüber nicht in Betracht
fallen, Wie denn auch der Regierungsrat es dahingestellt sein liess, ob
das Verbot auf verkehrspolizeiliche Gründe gestützt werden könne. Dass
andererseits auch der Gess-si sichtspunkt einer über den Gemeingebrauch
im bisher üblichen Sinne des Wortes hinausgehenden Inan-

s , spruchnahme der Strasse allein die Massnahme ebenfalls E 'nicht zu
stützen vermöchte, anerkennt der Entscheid I des Regierungsrates wiederum,
selbst, indem er deren

}Zulässigkeit aus diesem Grunde von dem Vorhandensein eines allgemeinen
staatlichen Interesses an der Ge'brauchsbeschränkung abhängig macht
und es in der ÎErhaltung des religiösen Friedens findet. Damit wird
aber der Streit von dem Gebiete der staatlichen Aufsicht über den
bestimmungsgemässen Gebrauch der öffentlichen Sachen in Wahrheit auf ein
anderes, nämlich ; auf dasjenige einer Massnahme nach Art. 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
,Abs. 2
BV hinübergeleitet. 'ASlxII 1923si U

154 Stimmrecht. ' EUR Kultusireiheit. N° 22. 155

:.! e). Qb -Erwàg__mgen dieser Art, dk HPI t u signed; . 70er Jahre
in verschiedenen Kantonen, in Bern unter z e 1 1 1 c h e Grunde der
Verlegung er rozess Abweisung einer dagegen gerichteten Beschwerde durch

.

î} öffentlichem Boden entgegengehalten werden können,

. . den Bundesrat Bl 1877 II S. 17 11. 18 erlassen worden ;_ ist weniger
einfach zu entscheiden. Dass dieselbe Wie (B )

EURsind, in Zeiten aussergewöhnljcher konkessioneller Auf-

FTFTSS Issinfflfssseuîn eines bestiminten kuätus ;an: Eregung unter
Umständen wohl rechtfertigen lassen, inentllchkeithgeeignet {St,
unbetelhîtî n 635g, Tukäkn EURso dürften sie doch heute normalerweise
nicht mehr "am ihrem rehgiosen Empfinden zu vere zen un m 0 zulässig
sein. so ist denn auch die erwähnte bernische

?auf sie stossend zu wirken, ist nicht ohne weiteres zu bestreiten. Allein
in Staaten, in denen die Kultusfrei heit gewährleistet ist, muss von
allen Religionsgenossen,schaften und ihren Angehörigen ein gewisses
Mass von EURDuldung, auch gegenüber den äussern Manikestationen
ider Andersgläuhigen gefordert werden, wie für letztere sdaraus die
Verpflichtung fliesst, auf die andern bei der

Bestimmung, durch das Gemeindegesetz vom 19. September 1917 aufgehoben
werden mit der Begründung, es werde dadurch ein alter Zankapfel aus der
Welt geschafft und es sei die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung
Sache der Ortspolizei, sodass gegen wirkliche Friedensstörungen das
Gemeindegesetz den Gemeindebehörden die nötigen Befugnisse an die
Hand gehe.

___ _ Yes--

L__Kultusausübung Rücksicht zu nehmen. Sache der nnparEbenso hat in Basel
der Regierungsrat das auf einer teiischen Organe d'Î'r Kultuspohzel mt
es, hier in BeVerordnung vom Jahre 1822 beruhende Prozessionszug auf
die an die Öffentlichkeit tretenden Kultus-_ verbot am 18. Januar 1911
beseitigt. Schon die beim handlungen den Ausgleich ZF treffen 'fd das zur
fxflf' Auftreten der Heilsarmee von verschiedenen Kantonen rechterhaltnng
der bürgerlichen Gemeinschaft Notige gegen ihre Versammlungen und Übungen
erlassenen _ fanzuordnen. Der Umstand allem, dass eine m der ÒFnun überall
wohl wieder dahingefalienen -Verfügungen fentlichkeit sich abspielende
Kultushandlung ,das rel]; wurden zwar vom Bundesrate geschützt, allein
nur mit . z .sssssisigiòse Empfinden Anderer _verletzen konnte, 'Î'ssd
dabei ' der Einschränkung, dass sie vom bundesrechtlichen 7 Im der
Regel flieht hmrerchen, _um gme. Stornng des ' Standpunkt aus bloss als
,provisorische gelten können. . ';religiösen Friedens anzunehmen. Damit
sie aus diesem ' (BBl. 1885 III S. 407);Äus der mit der Glaubensund i..-Î
Gesichtspunkte verboten werden konnte, rnusste ,hinzu;"Kultusfreiheit
verbundenen Möglichkeit, dass verkommen, dass durch das Auftreten m der
Offenthchkelt H ,schiedene Konfessionen am gleichen Orte nebeneinander
das Zusammenleben gestort' oder gefahrdet oder m Î} bestehen und ihren
Kultus ausüben können, folgt wohl einen, der Gemeinschaft schädlichen
Spannungszustand die ärgerlich? Pflicht jeder Religionsgenossenschaft,
versetzt würde, was nur dann anzunehmen-warm Wenn si; in der äussern
Knltusausübung auf Andersgläubige die Art des Auftretens bei objektiver
Yurdlguflg als I angemessene Rücksicht zu nehmen und die Öffentf [
eine aufdringliche erscheint, nach den orthchen Ver ; , z'iljchkeit
in Anspruch nehmende Zeremonien auf das hältnissen, dgr Weise und dem
Zweck der InanÎPNÎCh' Ljenige zu beschränken, was zur Erfüllung der
Glaubensnahme der 0ffenthehke1t, der Zeit oder den x gregel
, geboten ist; ja es wird ihr unter Umständen Umständen aufreizend
wirken oder wenn dann elnsiMlt. sogar ,zuzumuten sein, auf bestimmte
äussere Kultus, tel religiöser Werbetätigkeit erblickt werden musste.
EUR handlungen oder andere .Äusserungen konfessioneller EW... Sleh
demnach allgemeine Prozessionsverbote, EUR Eigenart im Interesse eines
geordneten und ungestörten

EWIS Sie im AHSChhlSS an die religiösen Streitigkeiten der
. Zusammenlebens überhaupt zu verzichten. Anspruch . ;

xiäö staatsrecht-

i, auf Schutz kann die in der Öffentlichkeit sich abspie-

f lende religiöse Zeremonie danach nur erheben, soweit sie

g als Ausfluss eines innern Bedürfnisses erscheint, und Î ähch in der
Art der Durchführung den Gefühlen anderer

T gebührend Rechnung trägt. Für Veranstaltungen, die Î nach Zeit,
Ort und Art der Inanspruchnahme der Öffent" lichkeit als ein unnötiges
zur Schaustellen oder gar als = ss Herausforderung oder als Werbemittel
erscheinen, kann die Garantie des Art. 50 nicht angerufen werden. Soweit
aber jene Voraussetzungen als erfüllt erscheinen und ein solcher
Missbrauch nicht vorliegt, haben auch die FAndersgläubigen sich mit
der Veranstaltung abzuifinden und darf vonihnen wegen des staatlichen
Gegbots der Duldung aller Bekenntnisse verlangt werden,

si dass sie ihre aus abweichenden religiösen Überzeugungen hervorgehende
innere Abneigung dagegen überwinden. Im vorliegenden Falle dürfte
bei dieser richtigen Betrachtungsweise eine Inanspruchnahme der
Öffentlichkeit, wie sie nach den Angaben des Rekurrenten bei der
Augenscheinsverhandlung ins Auge gefasst ist, THEnicht als störend
für den religiösen Frieden von Wald IF und somit als durch die
Kultusfreiheit gedeckt angesehen werden. Es handelt sich danach nur urn/
die Fron-leichnamsprozesswm die jeweilen an einem Sonntag stattfinden
soll und etwa eine Stunde dauert. Die kath. Kirche und ihr Umschwung
ist im Verhältnis zu der Zahl der kath. Bevölkerung-so klein, dass
eine gehörige Prozession dort nicht abgehalten werden kann, und es _ist
deshalb diekath. Gemeinde, will sie dem kirchlichen Gebote, die Prozession
abzuhalten, folgen, auf die öffentliche Strasse angewiesen. Dass das
Hinaustreten auf diese von der reformierten Mehrheit von Wald nicht
gern gesehen Wird und sie in ihrem religiösen Empfinden treffen muss,
ist klar. Und wenn die Katholiken daran festhalten wollten, den Weg der
Prozession in der Richtung des Mittelpunktes des Dorfes zu nehmen, wie

sie es ursprünglich wollten, so dürfte dies als unnötige
siKultusfreiheit. N° 22. ' 157 Verletzung der Gefühle der Andersgläubigen
wohl ver-

· boten werden. Begnügen sie sich aber mit einem Um-

gang in der Richtung nach dem Dorfausgang, wie er in den Jahren 1920 und
1921 stattfand, so tritt der demonstrative Charakter der Zeremonie derart
in den Hintergrund, dass berechtigterweise daran kein Anstand genommen und
_von einem aufreizenden oder propagandistischen Vorgehen nicht gesprochen
werden kann. Der Einwand, dass speziell die Fronleichnamsprozes-

sion den Charakter einer ausgesprochenen Demonstration ,

gegen die Ketzer habe, mag in einem Beschlusse des tridentinischen
Konzils vom Jahre 1551 (wiedergegeben in einem Urteile der bernischen
Polizeikammer vom 11. April 1901, Zschr. für schweiz. Strafrecht 15
S. 72) eine gewisse Stütze finden. Heute, nach den seither verflossenen
Jahrhunderten ist offenbar dieser NebenzWeck denn die Feier selbst geht
auf viel ältere Zeit als die Kirchenspaltung zurück auch im Bewusstsein
der Katholiken verblasst und es bleibt auf der anderen _ Seite nur
der Gegensatz der religiösen Lehren und Gebräuche, insbesondere der
Auffassungen über die sog. Transsubstantiation, der nach dem Gesagten
ein absolutes Prozessionsverbot nicht zu rechtfertigen 'vermag. Auch
die Gefahr, dass die Prozession Anlass zu Störungen der Ordnung gehen
möchte, könnte für ein solches nur angerufen werden, wenn die Ursache
der befürchteten Störung in der Kultushandlung selbst; ihrem übermässig
aufdringliehen oder aufreizenden Charak-

.. ter läge, nicht wenn sie eine Folge der Unduldsamkeit

Andersgläubiger, rechtswidriger Handlungen dieser ist (AS 20
S. 280). selbstverständlich müssen dabei, wie schon oben bemerkt,
Zeiten besonderer Stòrungszu-si stände vorbehaan bleiben, die in den
Prozessionens' gleich wie in anderen öffentlichen Veranstaltungen
überhaupt eine Gefahr für die öffentliche Ruhe er blicken lassen. _
Tatsächlich hat denn auch die Abhaltung in den

158 ' 'Staatsrecht.

Jahren 1920 und '1921 .obwohl sie gegen ein ausdrückliches Verbot geschah
weder zu solchen Störungen noeh zu irgendwelchen sonstigenAnständen
geführt, woraus wiederum geschlossen Werden darf, dass

ihr, solange sie sich in dem bisher beachteten Rahmen

hält und ihr nicht durch veränderte Durchführung ein anderer Charakter
gegeben wird, berechtigte Be-

denken der Wahrung des religiösen Friedens im Sinne Evon Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.

BV nicht entgegengehalten werden

'; können. Auch das Bedenken des Statthalteramts, dass

durch die Zulassung die reformierten Einwohner von Wald der Gefahr der
Verfolgung nach § 88 des StGB ( wegen Störung des Religionsfriedens )
in nicht zu billigender Weise ausgesetzt wurden, ist unbegründet. Wenn
die Zeremonie durch diese Vorschrift, wie recht, gegen Beschimpfungen
und eigentliche Störungen geschützt ist, so kann sie doch auf besondere
Ehrenbezeugungen von Seite Andersgläubiger natürlich keinen Anspruch
erheben und es werden die Veranstalter, für den Anfang wenigstens,
auch eine gewisse Neugier-in den Kauf nehmen miissen. '

f) Für die grundsätzliche Duldung der Prozessionen an paritätischen Orten
spricht auch die geschichtliche Entwicklung. Die hundesverfassungsmässige
Gewähr-' leistung der Glaubensund Kultusfreiheit ist aus der Ordnung
dieser Verhältnisse in den religiös gespaltenen gemeinen Herrschaften
hervorgegangen. Schon der zweite Landfrieden vom 20. bis 24. November
1531, der kreilich die'volle Glaubens-· und Kultusfreiheit nur den
Katholiken einräumte, hatte die freie Kultusübung in den gemeinen Vogteien
gewährleistet, insbesondere auch denen, welche die sieben sacrament,
das ampt der helgen mess und ander ordnung der helgen cristenlichen

kilchen, ceremonia wider ufrichten und haben welten,

, dass sy das auch tun söllen und mögen und das selb

als wol halten, als der ander teil die predicanten (Eidg.

Abschiede 4, 1. Abt; I) S. 1568 unten) ; und im viertenKultusfreiheit. N°
22. 159

Landfrieden (Eidg. Abschiede 6, 2. Abt. S. 2333) ist die Glaubensund die
Kultusfreiheit für die gemeinen Herrschaften folgendermassen geordnet :
Es solle auch kein Theil an des andern Religions Ceremonien und Gebräuchen
oder was immer seiner Glaubensbekenntnis nicht gemäss ist, insonderheit
auch nicht zu Haltung des anderen Theils Fest-und Feiertagen verbunden
sein, und gleichwie die Katholischen in ihrem Gottesdienst, Ceremonien und
Processionen nicht gehindert, beschimpft noch beleidigt werden, eben also
sollen auch die Evangelischen in ihrem Gottesdienst, Kirchengebräuchen und
Ceremonien nicht gehindert, beschimpft noch beleidigt werden. Da wo sich
unter der Herrschaft der Glaubensund Kultusfreiheit in einer Ortschaft
verschiedene Bekenntnisse zusammenfinden, muss die gleiche gegenseitige
Duldung geübt werden, wobei freilich, wenn es sich um die Einführung
neuer, bis jetzt unbekannter Ceremonien in die Öffentlichkeit handelt,
eine gewisse Zurückhaltung und die Innehaltung bestimmter Grenzen
und Schranken geboten ist und im Interesse der Aufrechterhaltung des
religiösen Friedens von den zuständigen Behörden verlangt werden kann
(vgl. hiezu auch S'rnnrrr, Religionsfreiheit S. 52) Demnach erkennt das
Bundesgericht :

Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen und mit

dem darin gemachten Vorbehalte abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 49 I 138
Datum : 08. März 1923
Publiziert : 31. Dezember 1924
Quelle : Bundesgericht
Status : 49 I 138
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 1 38 St aatsrecht. VII. KULTUSFRE IHE IT LIBERTÉ DES CULTES 22. Urteil vom 8.


Gesetzesregister
BV: 50
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
abweisung • angabe • angewiesener • aufregung • augenschein • ausmass der baute • ausserhalb • basel-landschaft • bedingung • begründung des entscheids • benutzung • berechnung • bern • beschimpfung • beschwerdeantwort • bestandteil • beurteilung • bewilligung oder genehmigung • bundesgericht • bundesrat • busse • charakter • dauer • duldung • eigenschaft • entscheid • evangelisch reformierte kirche • feiertag • frage • frieden • garten • geistlicher • gemeinde • gemeindegesetz • gemeinderat • gemeingebrauch • genossenschaft • geschichte • gesuch an eine behörde • gesuchsteller • gewicht • grund • grundrechtseingriff • hindernis • i.i. • innerhalb • kantonale behörde • kantonales recht • kantonales rechtsmittel • kenntnis • kirche • kirchenpolitik • konzil • kultusfreiheit • kv • leiter • mass • minderheit • ort • prozession • regierungsrat • religiöse handlung • richtigkeit • richtlinie • römisch-katholische kirche • sanktion • sitte • sonntag • staatsrechtliche beschwerde • statthalter • stelle • strafgesetzbuch • strasse • treffen • umfang • veranstalter • veranstaltung • verfassung • verfassungsrecht • verhalten • verhältnis zwischen • vogel • wahrheit • wald • weiler • weisung • widerrechtlichkeit • wiese • wille • zahl • zimmer • zitat • öffentliche ordnung
BBl
1885/III/407