54 Schuldhetreibnngsund Konkursrecht (Zivilahteilungen). N° 14.
Zahlungen an sie soll er sich von den Verpflichtungen Neumann gegenüber
befreien können. Trotzdem wird dann aber auch in diesen Sehriitstücken
festgestellt, die Klägerin und Dr Neumann sollen Kren bis zu einem
gewissen Betrage helangen können. Bei dieser Verwirrung in den rechtlichen
Beziehungen ist es begreiflich, wenn Neumann sich nicht klar war, ob er
für sich
oder für die Klägerin den Anspruch auf die 45 % Be'
triebseinnahmen anmelden sollte, und wenn auch seine Kenntnis der Klägerin
angerechnet werden muss, so handelte es sich auch für sie nicht um eine
Kenntnis, die sie als Laiin in die Lage versetzt hätte, zu ersehen,
welche rechtlichen Konsequenzen sie zu ziehen hatte. Die Voraussetzungen,
von denen die Praxis des Bundesgerichts ausgeht, dass der Drittensprecher
aus bösem Willen oder eigentlicher Nachlässigkeit die Abklärung der
Eigentums-frage hinauszieht, waren also für sie nicht gegeben.
Es hätte sieh für die Gesellschaft allerdings darum handeln können,
neben derjenigen Neumanns selber noch eine eventuelle Ansprache
anzumelden. Hiezu bestand jedoch um so weniger Veranlassung, als ja der
Gläubiger schon durch die 'Vindikation Neumanns ' darüber aufgeklärt
wurde, dass das Eigentum des Schuldners bestritten werde.
Das angefochtene Urteiljst daher aufzuheben und die Sache zu materieller
Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird zugesprochen, die Verspätungseinrede abgewiesen und
die Sache zu neuer Entscheidung über die materiellen Streitpunkte an die
Vorinstanz zurückgewiesen.Sanierung von Eisenbahnunternehmungen. N° 15. 55
B. Sanierung Yun Eisenhahnunternehmungen. Assaînissement des entreprises
cle 'chemins de fer.-
BESCHLUSSE DER ZIVILABTEILUNGEN
DÉCISIONS DES SEGTIONS CIVILES
15. Beschluss der n. ziehtqu vom 1. März 1922
i. S. Jungfraubahn-Gesellschafh.
Sanierung einer Eisenbahnunternehmung gestützt auf die Verordnung über
die Gläubiger-gemeinschaft bei Anleihensohligaticnen; Genehmigung der
Gläubigerheschlüsse:
GGV Art. 13 : Zulässigkeit der Beschlussfassung über erst in der
Versammlung eingebrachte Anträge, welche nicht Eingriffe in die
Gläubigerrechte zum Gegenstand haben (Erw. 1).
GGV Art. 10: Vom Schuldner verpfändete Obligationen können durch den
Faustpiandgläubiger in der Versammlung vertreten werden (Erw. 1).
GGV Art. 22, 29 (in der Fassung vom 25. April 1919), VZEG Art. 68 Ziff. 2
: Wahrung der Interessen der Obligationen-e durch die gefassten Beschlüsse
(Angemessenheit derselben) im allgemeinen.Im besonderen :
Voraussetzungen, unter denen einem unversicherten Gläubiger eine
Vorzugsstellung eingeräumt werden darf.
Voraussetzungen, unter denen Anleihen verschiedenen Ranges gleich
behandelt werden dürfen (Erw. 3).
A. Die Jungfraubahngesellschaft mit einem in Aktien von 500 Fr. zerlegten
Grundkapital von 4,500,000 Fr. hat drei durch Eisenhahnpiandrecht
versicherte, zu 5 % .Verzinsliche Obligationenanleihen ausgegeben,
nämlich:
a) ein Anleihen 1. Ranges auf der Strecke ScheideggEismeer von 2,
500,000 Fr., eingeteilt in 5000 Obligationen zu 500 Fr. ,
b) ein Anleihen 2. Ranges auf der Strecke ScheideggEismeer von 1,500,000
Fr., eingeteilt in 1500 Obligationen zu 1000 Fr.;
c) ein Anleihen 1. Ranges auf der Strecke EismeerJungfraujoch von
3,000,000 Fr., eingeteilt in 3000
56 Sanierung von Eisenbahnunternehmungen. N° 15.
Obligationen zu 1000 Fr., wovon sie 840 Obligationen der Kantonalbank
von Bern und der Sparund Leihkasse in Bern verpfändet hat.
Seit dem 15. Oktober 1914 konnten diese Anleihen nicht mehr verzinst
werden. Ausserdem schuldet die
Gesellschaft versehiedenen Krediteren, hauptsächlich
Banken, rund 5.000.000 Fr. Ihre Bilanz per 31. Dezember 1920 erzeigt
einen Passivsaldo von 3,614,434, Fr. 04 Cts.
B. Am 5. Januar 1921 stellte die Gesellschaft das Gesuch um Einberufung
einer Gläubigerversammlung. Durch Beschlüsse vom 30. Juni und 8. Oktober
entsprach die _Schuldbetreibungs und Konkurskammer dem Gesuch unter der
Bedingung, dass die übrigen Gläubiger die ihnen laut jenen Beschlüssen
zugemuteten Opfer auf sich nehmen, was in der Folge geschehen ist. Dabei
wurden die nachfolgend im wesentlichen wiedergegebenen Anträge an die
Gläubigerversammlung festgestellt:
0) Erlass der von Mitte April 1915 bis Mitte Oktober 1919
(einschliesslich) verfallenen Anleihenszinsen ;
b) Umwandlung der Mitte April und Oktober 1920 und 1921 verfallenen
Anleihenszinsen in Prioritàtsaktien bezw. Anteilseheine auf solche;
c) Umwandlung des festen Zinskusses der Anleihen von Mitte Oktober 1921
bis Mitte Oktober 1925 in einen vom Betriebsresultat abhängigen variabeln
und kunmIativen Zinsfuss von maxiinal 5 1/2 %, unter Vorrang der Anleihen
I. Hypothek;
d) Erhöhung des Zinsiusses der Anleihen auf 5 1/2 % von Mitte Oktober
1925 an für die ganze Anleihensdauer; '
e) Zustimmung zur Aufrechterhaltung des Kapitalbetrages des von
der Bankaktiengesellschaft Guyer-Zeller im Jahre 1919 gewährten
Kreditvorsehusses gegen Stundung bis Ende 1925 und Umwandlung des
festen Zinsiusses vom 1. Juli 1921 an bis Ende 1925 in einen variabeln
kumulativen von maximal 6 % im 3. Range.-.___._ .____._.cmm.si*
Sanierung von Eisenbahnunternehmungen. N° 15. 57
C. ss An der unter Beobachtung der Vorschriften
der Art. 6, 9, 11, 13, 20 und 29 (in der Fassung vom
25. April 1919) GGV einbemienen und abgehaltenen Gläubigerversanmflung
vom 26. November waren die Inhaber bezw. deren Vertreter von
3802 Obligationen l. Hypothek Scheidegg Eismeer,
1275 II. '
2535 I. v Eismeer-.Joch, anwesend. Sämtliche stimmten den vorgelegten
Anträgen zu und beZeichneten ferner als Vertreter der Obligationäre
im Sinne der Art. 23 bis 25 GGV Herrn Häuptli, Vizedirektor der
Kantonalbank von Bern. Um als gültig anerkannt zu werden, beduriten
jedoch die Legitimationen _für 655 bezw. 103 bezw. 203 Obligationen
gewisser Ergänzungen. Diese wurden bis zum 20. Dezember für 567 bezw. 88
bezw. 203 Obligationen beigebracht und zudem beglaubigte nachträgliche
Zustimmungserklärungen für 42 Obligationen des Anleihens I. Hypothek auf
der Strecke Seheidegg Eismeer, sodass die Beschlüsse als mit Zustimmung
der Inhaber von 3756 bezw. 1260 bezw. 2535 Obligationen gefasst anzusehen
sind.
D. und E. ...................
F. Am 28. Februar beschloss die Generalversammlung der Aktionäre
die Herabsetzung des bisherigen Grundkapitals auf 1,800,000 Fr. durch
Abschreibung der Aktien auf 200 Fr., die Schaffung von Priorität-saktien
in dem durch die Sanierung ericrderten Umfange, a. h. bis zu 16,000 Stück
zu 200 Fr. = 3,200,000 Fr., und änderte die Statuten entsprechend ab.
Das Bundesgericht ziehi in Erwägung :
1. Die Prüfung des vom Instruktionsrichter geleiteten Verfahrens ergibt,
dass die Vorschriften der GGV und des BRB vom 25. April 1919 über die
Gläubigerbeschlüsse, Speziell bei Eisenbahnunternehmungen, beobachtet
worden sind. Das Traktandum: Bezeich-
58 Sanierung von Eisenbahnunternehmungen. N° 15.
nung eines Gläubigervertreters ist freilich nicht schon bei der
Einberufung der Versammlung, sondern erst im Laufe derselben bekannt
gegeben worden, Was mit Art. 13 Abs. 3 GGV im Widerspruch zu stehen
scheint.
Allein richtiger Auffassung nach bezieht sich diese Vor ·
schrift einzig auf solche Anträge, welche Eingriffe in die Gläubigerrechte
zum Gegenstand haben, und braucht daher nicht befolgt zu werden, wenn
es sich, wie bei dem in Frage stehenden Beschluss, im Gegenteil um
eine Erweiterung der Gläubigerbefugnisse handelt. Mit Recht hat der
Instruktionsrichter die Sparund Leihkasse in Bern für die ihr und der
Kantonalbank von Bern von der Gesellschaft verpfändeten Obligationen
I. Hypothek auf der Strecke Eismeer Jungfraujoch zur Abstimmung
zugelassen. Art. 10 GGV schliesst freilich die dem Schuldner selbst
gehörenden Obligationen von der Vertretung in der Gläubigerversammlung
aus. Allein auf Obligationen, die der Schuldner verpfändet hat, kann diese
Vorschrift keine Anwendung finden, wie sich aus der blossen Ueberlegung
ergibt, dass sonst gegebenenfalls die Inhaber nur eines kleineren
Teiles eines Anleihens dem Pfandgläubiger, welcher den grösseren Teil
besitzt, eine Deteriorierung seines Pfandes aufzuzwingen vermöchten,
was mit dem die GGV beherrschenden Prinzip der qualifizierten Mehrheit
schlechterdings nicht vereinbar wäre. Hievon abgesehen sprechen für
die Stimmberechtigung des Pfandgläubigers die gleichen Gründe wie
beim Nachlassvertrag, wo freilich eine dem Art. 10 GGV entsprechende
Vorschrift nicht besteht; vgl. AS. 47 III S. 174. Handelt es sich wie
vorliegend um Inhaberobligationen, so würde sich zudem in den meisten
Fällen der Ausschluss des Pfandgläubigers von der Gläubigerversammlung
gar nicht durchführen lassen.
2. Nach den snb Fakt. C mitgeteilten Abstimmungsergebnissen haben
sämtliche Anträge die Zustimmung der Vertreter von mehr als drei
ViertelnSanierung von Eisenbahnunternehmnngen. N° 15. 59
der Anleihenssumme auf sich vereinigt, wenn auch zum Teil nur unter
Zuhilfenahme des nachträglichen schriftlichen Abstimmungsverfahrens gemäss
Art. 19 GGV. Abgesehen von der Bezeichnung des Gläubigervertreters,
für welche es einer qualifizierten Mehrheit überhaupt nicht bedarf,
betreffen die Beschlüsse Eingriffe in die Gläubigerrechte, wie sie in
Art. 16 Ziff. 3, 4 und 10 vorgesehen sind. Sie sind infolgedessen auch
für die nichtzustimmende Minderheit verbindlich.
3. 'Die Interessen der Obligationäre scheinen durch die gefassten
Beschlüsse genügend gewahrt. Zunächst erfolgt die Sanierung wesentlich
auf Kosten der Aktionäre, die durch die Herabsetzung ihrer Aktien um
a15, insgesamt 2,7%,000 Fr., und ihre Hintanstellung hinter die neu
geschaffenen Prioütätsaktien, ein verhältnis-
'mässig bedeutend grösseres Opfer auf sich nehmen.
Andererseits haben auch die nicht in einer Gemeinschaft stehenden
Gläubiger ihre Forderungen in einem Umfange nachgelassen, welcher, unter
Berücksichtigung der ihnen zu Gebote stehenden Pfänder, in angemessenem
Verhältnis zu den den Anleihensobligationären zugemuteten Opfern steht. In
dieser Beziehung kann einfach auf die Ausführungen in den Beschlüssen
der Schuldbetreibungs und Konkurskammer vom 30. Juni und 8. Oktober 1921
verwiesen werden. Insbesondere lässt sich, nachdem die Obligationäre
ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt haben, nicht beanstanden, dass der
Bankaktiengesellschaft Guyet-Heller mit Bezug auf den in einem kritischen
Moment ohne Deckung gewährten Kreditvorschuss aus Billigkeitsgründen
eine Vorzugsstellung eingeräumt wird, auf welche sie freilich von Rechts
wegen keinen Anspruch machen könnte. Der von der Gläubigerversammlung
beschlossene Nachlass selbst endlich, der übrigens durch die Zinserhöhung
für den Rest der Anleihensdauer teilweise aufgewogen wird, kann nicht
umgangen werden, weil es der Gesellschaft an liquiden Mitteln fehlt,
um die Obligationen
60 Sanierung von Eisenbahnunternehmungen. N° 15.
für die Kriegsjahre zu verzinsen, und ihr auch für die nächsten Jahre
nicht Betriebseinnalnnen in einem Umfange in sicherer Aussicht stehen,
welcher die volle Verzinsung der Anleihen zuliesse. Freilich ist im
Jahre 1921
bereits wieder ein Betriebsüberschuss erzielt . werden,--
welcher mindestens eine teilweise Verzinsung ermöglichen würde; allein
er muss zunächst für die Bezahlung namhafter privilegierter Schulden
oder solchen aus dem laufenden Betrieb, für Reserveeinlagen und schon
längst zurückgestellte notwendige Bauarbeiten verwendet werden.
Andererseits sind diese Opfer der Obligationäre in Verbindung mit
denjenigen der Aktionäre und der übrigen Gläubiger auch zur Sanierung
der Gesellschaft, mindestens auf einige Jahre hinaus, geeignet,
indem sie nicht nur den Passivsaldo zu tilgen und den Fehlbetrag
des Erneuerungsfonds auszugleichen vermögen, sondern ausserdem die
Gesellschaft für die nächsten Jahre von jeglicher festen Zinsenlast
für die mit der Eisenbahnunterhehmung als solcher im Zusammenhang
stehenden Schulden befreien, während die Verzinsung des weiteren von ihr
ausgegebenen, das Elektrizitätswerk Burglauenen belastenden Anleihens
von 1,250,000 Fr. durch den Ertrag jenes Werkes gesichert ist. Darin,
dass sämtliche Anleihen mit Bezug auf die rückständigen Zinse gleich
behandelt werden, kann nicht etwa ein Verstoss gegen den Vorrang der
An-leihen I. Hypothek gefunden werden. Indem nämlich der Zinsiuss nur für
wenige Jahre variabel gestaltet wird, während nachher wieder ein fester,
gegenüber dem bisherigen sogar erhöhter Zinsfuss in Kraft treten soll,
wird davon ausgegangen, die Unternehmung werde alsdann dem regulären
Zinsendienst für sämtliche Anleihen wieder gewachsen sein, sodass der
jetzt verlangte Zinsnachlass weniger darauf zurückzuführen Wäre, dass
das Betriebsvermögen der Unternehmung ihre Schulden nicht mehr zu decken
vermöchte, als vielmehr
bloss auf die gegenwärtige Illiquidität. Dieser Auf '
fassung entgegenzutreten hat das Bundesgericht im.. ....____., _
___... ...__... ...,
Sanierung von Hotelunternehmungen. N° 16. 61
vorliegenden Verfahren umsoweniger Anlass, als es ihm eine Schätzung des
Vermögens der Unternehmung einzuholen nicht erlaubt, kein Obligationär
I. Hypothek gegen diese teilweise Gleichstellung Widerspruch erhebt und
den Rangverhältnissen mindestens für die Periode des variabeln Zinsfusses
durch dessen Rangabstufung Rechnung getragen werden ist.
4 und 5 ............... ......
Demnach àeschliesst das Bundesgericht :
Die von den Gläubigergemeinschaften
a) des Anleihens I. Hypothek auf der Strecke Scheidegg-Eismeer von
2,500,000 Fr. à 5% vom Jahre 1900,
à) des Anleihens II. Hypothek auf der genannten Strecke von 1,500,000
Fr. à 5 % vom Jahre 1906,
c) des Anleihens I. Hypothek auf der Strecke EismeerJungfraujoch von
3,000,000 Fr. à 5% vom Jahre 1909, in der Gläubigerversammlung vom
26. November 1921 gefassten Beschlüsse werden genehmigt.
E. Sanierung um Hohelunternehmungen. Assainissemenh des entreprises
hfltelières.16. Auszug aus dem Entscheid vom 23. März 1922
i. S. Binderknecht und Honegger gegen Gartner.
HPfNV Art. 41: Stellung des Bundesgerichts als Rekursinstanz bei Prüfung
der Fragen der Sanierbarkeit und der Wahrung der Gläubigerinteressen
(Erw. 1). Sanierbarkeit bejaht (Erw. 2). Angebot des früheren Eigentümers,
das Hotel zurückerwerben zu wollen (Erw. 3). Notwendigkeit der Abstimmung
in der Gläubigerversammlung (Erw. 3 am Ende).
1. Die Bestätigung des Nachlassvertrages mit Pfandnachlass setzt gemäss
Art. 41 HPfNV besonders