93 Ohligationenrecht. N° 14,

14. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Februar1922 i. S. Schaufelberger
gegen Milz. Die Nichtvornahme von vertraglich dem Käufer obliegenden, zur
Ermöglichung der Ablieferung der Ware notwendigen Vorbereitungshandlungen
begründet Schuldnerverzug, der

den Verkäufer zum Vorgehen im Sinne von Art. 107
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
1    Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
2    Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten.
OR
berechtigt. Wahlrecht. Abstrakte Schadensberechnung.

A. Laut Vertrag vom 11. Juni 1920 verkaufte der Kläger dem Beklagten
6 Wagen à 25 ms Madriers und 6 Wagen à 25 m3 Bastings in bestimmter
Dimension und Qualität zum Preise von 123 Fr. per m3 franco Wagen
Basel B. B., zahlbar gegen Frachtbriefduplikat mit Volksbankanweisung
auf 30 Tage; Liefertermin: Juni, Juli, August 1920 auf Abruf. Der
Vertrag bestimmt ferner, dass die Ware übernommen und eingemessen
werde. Der Beklagte liess die Monate Juni und Juli verstreichen, ohne
abzurufen. Am 20. J uli teilte ihm der Kläger mit, es seien einige
Wagen Holz geschnitten; er erwarte umgehend die Versandpapiere. Unterm
31. Juli 1920 erneuerte er die Mahnung, worauf ihm der Beklagte am
2. August schrieb, dass sein Einmesser im Laufe der nächsten 14 Tage
die Ware übernehmen werde. Dieser Einmesser, ein gewisser Salvator,
erschien sodann beim Kläger, nahm aber die Ware nicht ab. Ueber die
Gründe äusserte sich der Beklagte mit Schreiben vom 24. August 1920
dahin, Salvator habe die für ihn geschnittenen Madriers alle ungehölzelt
und durchnässt auf dem Lagerplatz liegend angetroffen. Da eine Abnahme
unter diesen Umständen ausgeschlossen sei, ersuche er ihn den Kläger,
die Madriers sofort richtig zu stapeln, damit die Ware trocknen und eine
Uebernahme eventuell doch noch stattfinden könne.

In seiner Antwort vom 26. August 1920 wies der Kläger '

darauf hin, dass die Madriers und Bastings in den Monaten Juni bis August
zu beziehen waren. In der Annahme, dass die Ware sofort, sobald I oder
2 WagenObligationenrecht. N° 14. 99

geschritten seien, speoiert werden könne, habe er dieselbe daher, weil
aus trockenem Holz geschnitten, auch nicht aufgehölzelt. Wenn sie nun bei
dem langen Liegenlassen durch Nässe gelitten habe. so habe der Beklagte
diesen Schaden selbst verschuldet und auch an sich zu tragen. Wörtlich
fügte er sodann bei : Ich fordere Sie zum letzten Mal auf, unverzüglich
die geschnittenen zirka 7 Wagen abzunehmen, andernfalls werde solche
anderweitig ,zu verkaufen suchen und sie für den allfällig entstehenden
Verlust und für Umtriebe haftbar machen. Weitere Ware werde ich nicht

mehr für Sie schreiden, aa Sie sowieso die Lieferfrist

verpasst haben. Mit Schreiben vom 28. August 1920 berief sich der
Beklagte darauf, dass es überall üblich sei, die Madriers und Bastings
sofort aufzutischen. Geschnittenes Holz, auch trockenes, das 8 Tage
aufeinander liege, werde blau und unansehlich. Ich weise Ihre Aufforderung
ganz energisch zurück und fordere Sie nochmals auf, diese Madriers und
Bastings unverzüglich aufzutischen. Ich mache Sie heute schon darauf
aufmerksam, dass ich Vv'are, welche verdorben und blau ist, nicht brauchen
kann. Sollte Ihnen dies nicht belieben, dann teile ich Ihnen in aller
Form mit, dass ich auf Ihre Lieferung verzichte und Sie. für den mir
entstehenden Scheden verantwortlich ma che. Ich erwarte Ihre Mitteilungen
bis zum 1. September, sollte ich bis dahin ohne Ihre Nachrichten sein,
so nehme ich an, dass Sie auf meine Aufforderung nicht eintreten wollen.
Der Kläger liess diesen Brief unbeantwortet. Erst am 6. Dezember 1920
schrieb er dem Beklagten unter Hinweis auf den abgeschlossenen Vertrag
und die trotz wiederholter Aufforderungen nicht erfolgte Abnahme des
Holzes unter anderem; Habe von dieser Ware 7 Wagen geschnitten und
aufgehölzelt und fordere Sie zum letzten M? le auf, die Ware endlich zu
beziehen. Sollte nicht innert 4 Tagen bezügliche Versandorures erhalten,
Werde Sie wegen Nichteinhaltung des Ver-

100 Obligationen-echt N° 14.

trages für Schadenersztz, zirka 20 Fr. per in", gerichtlich belangen.
Laut Mitteilung seiner Firma vom 7. Dezember war der Beklagte damals
für 8 bis 10 Tage landes-

abwesend. Mit Zuschrift vom 18. Dezember 1920 sodann erklärte er dem
Kläger, dass er auf die Lieferung verzichtet habe, da er auf die am
28. August 1920 erfolgte Fristansetzung hin ohne Antwort geblieben sei.

Am 29. März liess ihm der Kläger durch seinen damaligen Vertreter
neuerdings eine Frist zur Abnahme der bereitgestellten 7 Wagen Schnittholz
bis 2. April ansetzen welcher Aufforderung gegenüber der Beklagte unterm,
30. März abermals die Erklärung abgab, dass er laut seinem Schreiben
vom 28. August 1920 auf die Lieferung ausdrücklich verzichtet habe.

B. Daraufhin reichte der K " ' · den Rechtsbegehren: lag-el' Klage an mit

1. Der Beklagte sei schuldig und zu verurteilen dem Kläger einen Betrag
von 21,525 Fr. nebst Zins zu, 6 % seit 26. August 1920 zu bezahlen.

.cc 2. Der Beklagte sei ferner schuldig und zu verurteden, eine
angemessene richterlich zu bestimmende Geldsumme als Schadenersatz
zu bezahlen.

b ln der Replik fügte er das weitere eventuelle Begehren

ei :

Der Beklagte sei schuldig und zu verurteilen, dem Kläger einen
angemessenen richtet-lieh zu bestimmenden Betrag als Ersatz des ihm aus
der Nichterfüllunc des Vertrages entstandenen Schadens nebst Verzugszins
zu bezahlen.

_Zur Begründung führte er aus, der Beklagte habe die Annahme der ihm
vertragsgemäss angebotenen Ware (7 Waen), bezw. die Vornahme der ihm
obliegenden Vorbereitungshandlungen, ohne die die Erfül--

lung nicht möglich gewesen sei, ungerechtfertigter _

weise verweigert. Dadurch sei er in Annahmeverzug gemäss Art. 92 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 92 - 1 Wenn der Gläubiger sich im Verzuge befindet, so ist der Schuldner berechtigt, die geschuldete Sache auf Gefahr und Kosten des Gläubigers zu hinterlegen und sich dadurch von seiner Verbindlichkeit zu befreien.
1    Wenn der Gläubiger sich im Verzuge befindet, so ist der Schuldner berechtigt, die geschuldete Sache auf Gefahr und Kosten des Gläubigers zu hinterlegen und sich dadurch von seiner Verbindlichkeit zu befreien.
2    Den Ort der Hinterlegung hat der Richter zu bestimmen, jedoch können Waren auch ohne richterliche Bestimmung in einem Lagerhause hinterlegt werden.42
. OR
gekommen. Infolgedessen habe eine Fnstansetzung seitens des Klägers mit
der in Art. 107Obligationenrecht. N° 14. 101

OR vorgesehenen Virkurg nicht erfolgen können. Dieser sei denn auch
tatsächlich vom Verträge nicht zurückgetreten. Bis zur Stunde habe das
Holz noch} keinen Schaden gelitten; jedenfalls aber halte der Kläger für
allrällige seit dem Verzuge des Beklagten eirgetretene Mängel nicht. Auf
dessen Brief vom 28. August hin sei die Ware aufgehölzelt worden. Dass
dem Beklagten hievon keine Mitteilung gemacht wurde, sei unerheblich ;
der Kläger habe damit rechnen dürfen, dass sich jener um den Sachverhalt
kümmern werde. Zur Histansetzung sei der Beklagte, weil selbst im Ver-

. zuge, nicht berechtigt gewesen. Uebrigens habe er den

Kläger zur Vertragserfüllung gar nicht. aufgefordert. Eventuell sei
der Rücktritt des Klägers durch den Verzug des Beklagten begründet
gewesen. Für diesen Fall werde festgestellt, dass mit der streitigen
Ware gegenwärtig kaum ein Verkaufspreis von 90 Fr. per Ins erzielt
werden könne. Im Dezember 1920 habe die Differenz mindestens 20 Fr. per
m3 betragen. An Hand dieses Preisunterschiedes sei der dem Kläger
entstandene Schaden nach richterlichem Ermessen zu bestimmen-,' Der
Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren 1 und 2 und Nichteintreten
auf das Eventualbegehren, eventuell auch Abweisung desselben. Der Kläger
sei mit seinem Brief vom 26. August 1920 vom Verträge zurückgetreten. Auch
habe er sich durch die widerspruchslose Entgegennahme des Schreibens des
Beklagten vom 28. August 1920 mit dessen Verzicht auf Lieferung der Ware
einverstanden erklärt. Ein Schaden sei dem Kläger daraus nicht erwachsen ;
eventuell wäre für die Berechnung der Entschädigung auf die Marktpreise
im Juni, Juli, August oder September abzustellen. C. Mit Urteil vom
21. September 1921 hat das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage
abgewiesen. D. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das
Bundesgericht erklärt unter Wiederholung seiner

102 Obligationenrecht. N° 14.

in der Vorinstanz gestellten Begehren und Beifügung eines Eventualantrages
auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Beweisergänzung.

E. In der heutigen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers diese
Anträge bestätigt.

Der Vertreter des Beklagten hat auf Abweisung der Berufung und Bestätigung
des angefochtenen Urteils angetragen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Der Kläger klagt in erster Linie auf Erfüllung des Kaufvertrages nebst
Ersatz des ihm durch die Erfüllungsverzögerung des Beklagten verursachten
Schadens. Nun hat er aber den Beklagten am 6. Dezember 1920 zur Abnahme
der Ware mit der Androhung aufgefordert, dass er nach fruchtlosem Ablauf
der hierzu angesetzten Frist Schadenersatz wegen Nichterfüllung in der
Höhe von zirka 20 Fr. pro m3 geltendmachen werde. Darin lag ein Vorgehen
im Sinne von Art. 107
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
1    Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
2    Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten.
OR, d. h. das Setzen einer Frist zur nachträglichen
Erfüllung seitens des Gläubigers gegenüber

dem im Verzuge befindlichen Schuldner und die gleich.

zeitige Ausübung des in Abs. 2 der genannten Bestimmung dem Gläubiger
zustehenden dreifachen Wahlrechts, die nach ständiger Praxis mit der
Nachfristsetzung als Androhung verbunden werden kann. Vorausgesetzt,
dass dem Kläger dieser Rechtsbehelf zustand, was bejaht werden muss
(vgl. Erw. 3 bis 6), so ist mit der Abgabe dieser Wahlerklärung sein
ursprüngliches Recht auf Realerfüllung erloschen und an dessen Stelle
bei fortbestehendem Vertrage der Anspruch auf Schadenersatz wegen
Nichterfüllung getreten. Hieran vermag weder die Tatsache etwas zu ändern,
dass der Beklagte

mit Schreiben vom 18. Dezember erklärte, bereits selbst _

auf die Lieferung verzichtet zu haben, noch der Umstand dass ihm
der Kläger im März 1921 nochmals Lieferung angeboten hat....,-_
,..-___.. .... .W. ..

Obligationenrecht. N° 14. 108

2. Mit dem Erfüllungsanspruch entfällt ohne weiteres auch das auf
ihn gegründete und nur mit ihm , haltbare Begehren um Ersatz des
Verspätungsschadens im Sinne von Art. 107 Abs. 2 GB (vgl. AS 43 II 510
und 45 II 277). ss

3. Die Zulässigkeit des erst in der Replik gestellten
Schadenersatzbegehrens, die sich ausschliesslich nach kantonalem
Prezessrecht beurteilt, ist heute vom Beklagten mit Recht nicht
mehr bestritten werden. Es bleibt daher lediglich zu prüfen, ob
dessen materielle Voraussetzungen vorhanden seien. Hiebei ist davon
auszugehen, dass eine Schadenersatzklage nach Art. 107 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
1    Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
2    Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten.
OR sich
auf Schuldnerverzug stützen muss. Gläubiger war nun der Kläger aus
dem Kaufvertrage insofern, als er den Kaufpreis zu fordern hatte und
berechtigt war, vom Beklagten Abnahme der ordnungsgemäss angebotenen Ware,
sowie Vornahme derjenigen Vorbereitungshandlungen (Abruf, Bereitschaft
zum Einmessen) zu verlangen, die zur Ermöglichung der Ablieferung
notwendig waren. Und Schuldner war danach der Beklagte insofern, als er
zur Bewirkung dieser ihm obliegenden Leistungen verpflichtet war.

4. seiner Abrufsund Uebernahmepflicht ist nun der Beklagte anfänglich
insoweit nachgekommen, als er auf die Mitteilung des Klägers vom
Juli 1920, dass einige Wagen geschnitten. seien und die Aufforderung,
die Abnahme zu vollziehen, im August 1920 seinen Einmesser Salvator
schickte, der jedoch sowohl die Einmessung, wie die Abnahme des Holzes
verweigerte. Die Entscheidung über die Verzugsfrage hängt somit davon
ab, ob der vom Beklagten für diese Weigerung angeführte Grund, dass
nämlich die Ware nicht richtig gestapelt, bezw. aufgehölzelt war, sich
als stichhaltig erweise.

Ueber die gegenseitigen Pflichten des Käufers und verkäufers bei der
Durchführung der Abnahme stellt das Gesetz keine besondern Rechtssätze
auf. Eine solche Regelung wäre der Natur der Sache nach auch gar
nicht mög-

104 Obligationenrecht. N° 14.

lich. Es ist daher hiebei auf die Lebensgewohnheiten abzustellen und
dem Geiste des Gesetzes entsprechend als leitendem Grundsatze davon
auszugehen, dass Käufer und Verkäufer dasjenige vorzukehren haben, was dem

einen und andern Teil nach Treu und Glauben im rechts

geschäftlichen Verkehr zugemutet zu werden pflegt. Wenn nun die Vorinstanz
auf Grund des Urteils der sachverständigen Richter feststellt, es bestehe
im Holzhandel allgemein die Uebung, dass geschnittenes Holz Madriers
und Bastings nur gehölzelt und aufgetischt abgenommen werde, es sei
denn dass die Ware sofort, d. h. innert wenigen Tagen nach dem Schnitt
angenommen werden müsse, so ist das Bundesgericht an diese tatsächliche
Feststellung gebunden. Zu Unrecht hat sie der Kläger mit der Einwendung
angefochten, dass im Prozessmaterial über diese Frage nichts enthalten
sei. Denn um eine Aktenwidrigkeit zu begründen, wäre gerade der Nachweis
eines Widerspruchs mit einer bestimmten Aktenstelle oder einem Aktenstück
erforderlich. Wenn die Vorinstanz von einer Expertise Umgang genommen
und auf das private Wissen ihrer Mitglieder abgestellt hat, so beurteilt
sich dieses Vorgehen ausschliesslich nach dem kantonalen Prozessrecht
und ist daher vom Gesichtspunkte des Bundesrechts aus nicht anfeehtbar.

Dagegen muss sich fragen, ob das angefochtene Urteil nicht eine
rechtsirrtümliche Anwendung der hiernach massgebenden Regeln über die
Ablieferung insoweit enthalte, als es annimmt, der gedachte Ausnahmefall
(wonach der Verkäufer das Holz nicht aufzutischen braucht) treffe hier
nicht zu.

Laut Vertrag waren die 12 Wagen Holz in den Monaten Juni, Juli und August
abzurufen. Nun liess der Beklagte die beiden ersten Monate verstreichen,
ohne innerhalb dieser Zeit in monatlich gleichen Raten Ware abzufordern,
d. h. insgesamt zirka 8 Wagen. Als daher der Kläger Ende Juli 7 Wagen
als zur Abnahme bereit meldete, durfte er in guten Treuen damit rechnen,
dass sie sofort abgenom-

"WOhligationenrecht. N° 14. 105

men würden; dies umsomehr als bereits zwei Monate der Abrufsfrist
unbenützt verstriehen waren. Die Aufforderung zur Aufhölzelung seitens
des mit dem Abruf si säumigen Beklagten bedeutete demgegenüber eine dem
Kläger nicht zuzumutende Mehrarbeit, deren Vornahme er mit Schreiben vom
26. August mit Recht verweigerte. War aber der Beklagte nicht berechtigt,
seine Mitwirkung bei der Uebernahme und der Einmessung der Ware von der
Anfhölzelung abhängig zu machen, so entbehrte auch seine Fristansetzung
vom 28. August 1920 der Rechtswirksamkeit, zumal er darin lediglich
dieses Auffischen der Bretter ais Bedingung der Abnahme erklärt und sich
nicht auf Mangelhaftigkeit der Ware als Grund der Abnahmeverweigerung
berufen hat. Denn Wenn er in diesem Schreiben auch darauf hinwies, dass
er Ware, weiche infolge Nässe blau und verderben sei, nicht abnehme,
so kann hierhin eine Erklärung, dass er die gesamte Ware wegen nicht
vertragsgemässer Beschaffenheit. zurückweise, nicht erblickt werden. Dies
schon deshalb nicht, weil alsdann ein Grund für das den Gegenstand der
Nachfristsetzung bildende Begehren um Aufhölzelung unerfindlieh wäre. .

5. Der Einwand des Beklagten, der Kläger habe durch die widerspruchslose
Entgegennahme des Schreibens vom 28. August auf Abnahme verzichtet,
geht fehl. Eine Antwort auf das unberechtigte Ansinnen durfte der Kläger
umsomehr unterlassen, als er bereits in seinem Briefe vom 26. August
1920 mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hatte, dass er der
Aufforderung keine Folge leisten werde. _

6. Hat somit nach dem Gesagten der Beklagte die ihm vertraglich obliegende
Mitwirkung zur Ermöglichung der Ablieferung ungerechtfertigt verweigert,
so ist er dadurch mit seinen Verpflichtungen in Verzug gekommen. Denn
nach dem Vertrage war er auf Ende jeden Monats (Juni [August) zum
Abrufe eines verhältnismässigen Teils der gegen Frachtbriefduplikat
durch Anweisung zahlbaren

106 Obligationenrecht. N ° 14.

Ware verpflichtet. Indem er auf diese Zeitpunkte nicht nur nicht abrief,
sondern die Ausführung des Vertrages dadurch überhaupt hinderte,
dass er seine Mitwirkung zu der Erfüllung des Verkäufers versagte,
machte er sich auch der Zahlungsverweigerung schuldig (vgl. Entsch.
des Reichsger. Bd. 53 S. 12). si

Unter diesen Umständen war deshalb der Kläger sowohl auf der Grundlage
des Ahnahmewie des Zahlungsverzuges zur Setzung einer Nachfrist gemäss
Art. 107
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
1    Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
2    Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten.
OR und nach deren erfolglosem Ablauf zum Rücktritt im Sinne
des Verzichtes auf die nachträgliche Leistung unter Geltendmachung des
Erfüllungsinteresses berechtigt. Wenn er zuvor noch vergeblich versucht
hat, die Ware anderweitig zu verkaufen, so lag darin ein weitgehendes
Entgegenkommen für; den Beklagten. Jedenfalls aber kann darin nicht,
wie dieser einwendet, ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf
die nachträgliche Durchsetzung seiner Vertragsrechte gefunden werden.

7. Da es sich unbestrittenermassen um eine marktgängige Ware handelt, hat
der Kläger Anspruch auf Ersatz des abstrakten Schadens. Als solchen kann
er gemäss Art. 215 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
OR die Differenz zwischen dem Vertragspreis und
dem Marktpreis zur Erfüllungszeit fordern, ohne dass er weitere Tatsachen
zum Nachweise des erlittenen Schadens dartun muss. Für die Berechnung ist
dabei nach ständiger Praxis auf den Ablauf der Nachfrist als massgebenden
Zeitpunkt abzustellen, d. h. vorliegend auf den 10. Dezember, bezw. auf
die Preisverhältnisse Mitte Dezember 1920. Zur Ueberpriifung der vom
Kläger unter Berufung auf Expertise geltend gemachten Differenz von
20 Fr. per m3 fehlen nun die erforderlichen Grundlagen. Die Sache
ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit sie den Preis feststelle, zu welchem nach der
Marktlage vom 10. Dezember 1920 (resp. ungefähr Mitte Dezember 1920)
der Kläger das vom Beklagten noch abzunehmende Holz (7 Wagen) hätte
weiterverkaufen können, behufs neuer

HWObligationenrecht. N' 15. 107

Entscheidung auf Grund der so festgestellten Preisdifferenz.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird dahin begründet erklärt, dass das Urteil des
Handelsgerichts des Kantons Bern vom 21. September 1921 aufgehoben, das
eventuelle Begehren des Klägers um Schadenersatz wegen Nichterfullung
grundsätzlich gutgeheissen ,und die Sache zur Festsetzung der
Entschädigung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen
wird.

15. Auszug aus dem Urteil der II. Zivîlabbeîlung vom 2. März 1922
1. S. 23.13. gegen Joli-23.15. Erbteilungs'vertrag, Vergleich. Anfechtung

wegen Irrtums. Beginn der Verjährung der Forderung aus einem
Pfandausfallschein. Art. 158
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 158 - 1 Konnte das Pfand wegen ungenügenden Angeboten (Art. 126 und 127) nicht verwertet werden oder deckt der Erlös die Forderung nicht, so stellt das Betreibungsamt dem betreibenden Pfandgläubiger einen Pfandausfallschein aus.316
1    Konnte das Pfand wegen ungenügenden Angeboten (Art. 126 und 127) nicht verwertet werden oder deckt der Erlös die Forderung nicht, so stellt das Betreibungsamt dem betreibenden Pfandgläubiger einen Pfandausfallschein aus.316
2    Nach Zustellung dieser Urkunde kann der Gläubiger die Betreibung, je nach der Person des Schuldners, auf dem Wege der Pfändung oder des Konkurses führen, sofern es sich nicht um eine Gült (Art. 33a SchlT ZGB317) oder andere Grundlast handelt. Betreibt er binnen Monatsfrist, so ist ein neuer Zahlungsbefehl nicht erforderlich.318
3    Der Pfandausfallschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82.319


SchKG.

1. . ................. · . . . 2. Gegenüber dem kantonalen Verfahren
ist so-

dann die Streitlage insofern vereinfacht, alsdie Kläger in der
hundesgerichtlichen Verhandlung die Ausfuhe rungen der Vorinstanz über
die formelle Gultlgkelt des Teilungsvertrages nicht bestritten.. Zu
untersuchen bleibt daher nur, ob die Vorinstanz mit Recht den Verwe en
Irrtums auf ehoben hat. .

tra]Îabeig ist davon ausgzugehen, dass der Vertrag sich rechtlich als
ein aussergerichtlicher Vergleich darstellt, durch den die Beteiligten
unter gegenseitigen Zugeständnissen die Beseitigung der bestehenden
Streitigkeiten herbeiführen wollten (AS 36 I S. _769).

Nach feststehender Doktrin und Praxis können aber Vergleiche nur
angefochten werden, wenn nachgewiesen
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 48 II 98
Datum : 27. Februar 1922
Publiziert : 31. Dezember 1922
Quelle : Bundesgericht
Status : 48 II 98
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 93 Ohligationenrecht. N° 14, 14. Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Februar1922


Gesetzesregister
OR: 92 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 92 - 1 Wenn der Gläubiger sich im Verzuge befindet, so ist der Schuldner berechtigt, die geschuldete Sache auf Gefahr und Kosten des Gläubigers zu hinterlegen und sich dadurch von seiner Verbindlichkeit zu befreien.
1    Wenn der Gläubiger sich im Verzuge befindet, so ist der Schuldner berechtigt, die geschuldete Sache auf Gefahr und Kosten des Gläubigers zu hinterlegen und sich dadurch von seiner Verbindlichkeit zu befreien.
2    Den Ort der Hinterlegung hat der Richter zu bestimmen, jedoch können Waren auch ohne richterliche Bestimmung in einem Lagerhause hinterlegt werden.42
107 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 107 - 1 Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
1    Wenn sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen im Verzuge befindet, so ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde ansetzen zu lassen.
2    Wird auch bis zum Ablaufe dieser Frist nicht erfüllt, so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, statt dessen aber auch, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrage zurücktreten.
215
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 215 - 1 Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
1    Kommt der Käufer im kaufmännischen Verkehr seiner Zahlungspflicht nicht nach, so hat der Verkäufer das Recht, seinen Schaden nach der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Preise zu berechnen, um den er die Sache in guten Treuen weiter verkauft hat.
2    Bei Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, kann er ohne einen solchen Verkauf die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Markt- und Börsenpreis zur Erfüllungszeit als Schadenersatz verlangen.
SchKG: 158
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 158 - 1 Konnte das Pfand wegen ungenügenden Angeboten (Art. 126 und 127) nicht verwertet werden oder deckt der Erlös die Forderung nicht, so stellt das Betreibungsamt dem betreibenden Pfandgläubiger einen Pfandausfallschein aus.316
1    Konnte das Pfand wegen ungenügenden Angeboten (Art. 126 und 127) nicht verwertet werden oder deckt der Erlös die Forderung nicht, so stellt das Betreibungsamt dem betreibenden Pfandgläubiger einen Pfandausfallschein aus.316
2    Nach Zustellung dieser Urkunde kann der Gläubiger die Betreibung, je nach der Person des Schuldners, auf dem Wege der Pfändung oder des Konkurses führen, sofern es sich nicht um eine Gült (Art. 33a SchlT ZGB317) oder andere Grundlast handelt. Betreibt er binnen Monatsfrist, so ist ein neuer Zahlungsbefehl nicht erforderlich.318
3    Der Pfandausfallschein gilt als Schuldanerkennung im Sinne von Artikel 82.319
BGE Register
43-II-505 • 45-II-274
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • holz • vorinstanz • schaden • monat • lieferung • tag • schadenersatz • bundesgericht • brief • obliegenheit • verzug • frist • weiler • schuldnerverzug • rechtsbegehren • erfüllung der obligation • irrtum • verurteilung • richtigkeit
... Alle anzeigen