deponiert? auch, Giulia habe den Bruder wiederholt auigefordert zu
arbeiten und bei einer dieser Gelegenheiten ihm gesagt: va lavorare,
porco, asino. Es muss daher angenommen werden, der Ton, der zwischen
.den beiden Brüdern herrschte, sei im allgemeinen ein grober gewesen, auf
beiden Seiten seien die Worte nicht auf die Goldwage gelegt worden. Dazu
kommt aber dass der Kläger nach der Feststellung der Vorinstanz, nur
beschränkt zurechnungsfähig ist. So ungehörig daher an sich sein Verhalten
dem Erblasser gegenüber war, so kann es ihm unter diesen Umständen doch
nicht als. schwere Verfehlung gegen seine familienrechtlichen Pflichten
angerechnet werden, wie denn auch aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte
dafür hervorgehen dass der Erblasser sich infolge der Schimpfereien des
Klä ers liegender s verletzt gefühlt hätte. g
. Ist daher das Urteil hinsichtlich des punktes zu bestätigen, so gibt es
auch bezügliläfugr Folgen, die es an die Aufhebung der Enterbungsverfugung
knüpft, zu keinen Aussetzungen Anlass und Txarftlcarän inAdieÎer Beziehung
in allen Teilen auf die
re en en us üh · Wiesen werden rungen des Kantonsgerlchts ver--
Demnach erkennt das'Bundesgericht :
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des
Kantonsgen'chts von Graubünd ' " ' bestätigt. en vorn b. Marz 1922
txf.-
Obligationenrecht. N° 68. 439
IV. OBLIGATIONENRECHT
DROIT DES OBLIGATIONS
68. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1922
i. S. Schlotter'beek und Genossen gegen Haller & 01°. Einfache
Gesellschaft, Konventionalstrafe-. Bei einer Gesellschaft, deren Zweck
die Durchführung einer Straiklage gegen einen Dritten ist, steht der
Rücktritt jedem Mitglied jederzeit frei, Art. 27 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
|
1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
Konventionalstrafe für den Fall des Rücktritts ist ungültig. ' ,
A. Die Kläger C. Schlotterbeck in Basel und Segessemann & Cie in
St. Blaise und die Beklagten Haller & Cie in St. Gallen, sowie einige
andere schweizerische Unteragenten der Automobili'abrik Fiat in Turin
beschlossen im März 1921 in einer Konferenz, zur Wahrung ihrer Interessen
si gegenüber- dem Generalagenten Carfagni in Genf gegen diesen eine
Strafklage wegen Betruges durchzuführen; sie vereinbarten dabei, dass
keine Partei einseitig zurücktreten dürfe, bei einer Konventionalstrafe
von 10,000 Fr. Die bezügliche Bestimmung in der Übereinkunft vom 29.
März 1921 lautet-s
Celui ou ceux des contractants qui traiteraient personnellement avec
M. A. A. Carfagni ou se retireraient avant que les six Agents soussignés
aient pu faire valoir leurs droits, reconnaissent par avance devoir
aux contractants demeurés fide-les à la présente convention la somme de
10,000 fr., à titre de peine eontractuelle. Conformément aux articles
160 et suiv. C. O., cette somme serait exigible sans délai, et payable
en l'étude de l'un des mandataires désignés.
Advokat Haldenwang in Genf, einer der drei gemeinsam bestellten Anwälte,
reichte am 4. Mai 1921 die
440 si Obiigationenrecht. N° 68.
Strafklage bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf ein.
In der Untersuchung bestätigte ein ehemaliger Sekretär Carfagnis,
namens Oestreicher, die in der Strafklage erhobenen Anschuldigungen,
indem er behauptete, Carfagni habe die Unterschrift des Direktors der
FiatWerke, Soria, nachgemacht. Soria widersprach dieser Behauptung,
und erklärte weiterhin, dass Carfagni in eigenem Namen und auf eigene
Rechnung verkaufe, und den Fiat-Werken keine Rechnung abzulegen habe
; er könne die Preise ansetzen, wie er wolle, und unterliege keiner
Kontrolle seitens der Fiat-Werke.
Mit der Untersuchung der Verhältnisse zwischen Carfagni und den
Unteragenten betraute der Unter-' suchungsrichter den Experten Chapon. Die
Korrespondenz zwischen Carfagni und den Fiat Werken wurde aber nicht
beigezogen.
Am 7. Juli 1921 ersuchte Haldenwang, welcher die Streitparteien jeweilen
auf dem Laufenden hielt, die
'Beklagten um Einsendung ihrer Verträge mit Carfagni.
Diese antworteten am 19. Juli, bevor sie hf; Zustimmung zu der Prozedur
geben, wollen sie einigermassen Gewissheit haben, ob der Zweck, die
Riickvergütung der durch Carfagni zu viel erhobenen Beträge zu erlangen,
auch erreicht werde. Und am 18. August ersuchten sie Haldenwang, bis zu
neuem Auftrag jede Aktion in dieser Angelegenheit für sie zu suspendieren.
Haldenwang wünschte nähere Erklärungen, und wies darauf hin, dass die
Konventionalstrafe von 10,000 Fr. fällig werde, wenn die Beklagten nicht
bis zum 16. September bestimmt antworten. '
Hierauf erwiderten die Beklagten am 20. September, sie wollen keineswegs
zurücktreten; sie äusserten aber Bedenken und bemerkten, man sollte
versuchen, mit Carfagni so rasch als möglich zu einem Abkommen zu
gelangen. I
Am 6. Oktober zogen die Beklagten dann ihre Strafklagc' gegen Carfagni
,zurück.Obugationenrecht. N° 68. 441
Nachdem am 18. Oktober der Experte Chapon sein Gutachten eingereicht
hatte, zogen die Kläger, denen inzwischen Cariagni Abfi'ndungssummen von
25,000 Fr. (an die Kläger Nr. 1) und £von 15,000 Fr. (an den Kläger Nr. 2)
versprochen und, laut Quittung des Haldenwang, auch ausbezahlt hatte,
am 11. November ihre Strafklage ebenfalls zurück.
B. Mit der vorliegenden, am 21. Februar 1922 beim St. Gallischen
Handelsgericht angehobenen Klage machen die Kläger die Konventionalstrafe
von 10,000 Fr.
(nebst 6 % Zins seit 18. August 1921) geltend, da die
Beklagten von der Vereinbarung vom 29. März 1921 zurückgetreten seien.
G. Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage und forderten
widerklageweise den ihnen prozentual zufallenden Anteil (im Betrag
von mindestens 5000 Fr.) an der von Carfagni den Klägern bezahlten Summe
von 40,000 Fr.
D. Durch Urteil vom 13. Juni 1922 hat das Handelsgericht des Kantons
St. Gallen die Hauptklage und die Widerklage abgewiesen.
E. Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf Schutz der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
1. (Widerklage). -
2. Die Vereinbarung vom 29. März 1921 stellt sich rechtlich
als Gesellschaftsvertrag dar. Es handelt sich um eine
Gelegenheitsgesellschaft, eingegangen zum Zwecke der gemeinsamen
Betreihung einer Strafklage gegen den gemeinsamen Gegner der
Gesellschafter, Carfagni.
Ein solcher Gesellschaftsvertrag ist an sich nicht als widerrechtlich
oder unsittlich zu bezeichnen, wenn er nicht von den Beteiligten gegen
besseres Wissen, oder gar in böser Absicht abgeschlossen wurde. Das
trifft bei der vorliegenden Übereinkunft nicht zu. Denn im Zeit-
442 _ Obligationenrecht. N° 68.
punkt, als sie zustande kam, waren alle Beteiligten der Auffassung, sie
seien durch betrügerische Handlungen Carfagnis geschädigt werden. Entgegen
dem von der Vorinstanz eingenommenen Hanptstandpunkt kann also
die Vereinbarung nicht etwa als von Anfang an nichtig betrachtet
werden. Es fragt sich aber, ob der an und für sich zulässige Vertrag
nicht angesichts seines Inhaltes das Recht des beliebigen Rücktritt-es
für dies Gesellschafter in sich geschlossen habe.
3. Über den Austritt aus einer solchen Gelegenheitsgesellschaft enthält
das OR keine besondere Bestimmung. Die allgemeinen Vorschriften über die
Beendigung der einfachen Gesellschaft (Art. 545 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 545 - 1 Die Gesellschaft wird aufgelöst: |
|
1 | Die Gesellschaft wird aufgelöst: |
1 | wenn der Zweck, zu welchem sie abgeschlossen wurde, erreicht oder wenn dessen Erreichung unmöglich geworden ist; |
2 | wenn ein Gesellschafter stirbt und für diesen Fall nicht schon vorher vereinbart worden ist, dass die Gesellschaft mit den Erben fortbestehen soll; |
3 | wenn der Liquidationsanteil eines Gesellschafters zur Zwangsverwertung gelangt oder ein Gesellschafter in Konkurs fällt oder unter umfassende Beistandschaft gestellt wird; |
4 | durch gegenseitige Übereinkunft; |
5 | durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft eingegangen worden ist; |
6 | durch Kündigung von seiten eines Gesellschafters, wenn eine solche im Gesellschaftsvertrage vorbehalten oder wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen worden ist; |
7 | durch Urteil des Gerichts282 im Falle der Auflösung aus einem wichtigen Grund. |
2 | Aus wichtigen Gründen kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der Vertragsdauer oder, wenn sie auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden ist, ohne vorherige Aufkündigung verlangt werden. |
aus einem wichtigen Grunde vor. Allein zu den Austrittsmöglichkeiten
des Art. 545
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 545 - 1 Die Gesellschaft wird aufgelöst: |
|
1 | Die Gesellschaft wird aufgelöst: |
1 | wenn der Zweck, zu welchem sie abgeschlossen wurde, erreicht oder wenn dessen Erreichung unmöglich geworden ist; |
2 | wenn ein Gesellschafter stirbt und für diesen Fall nicht schon vorher vereinbart worden ist, dass die Gesellschaft mit den Erben fortbestehen soll; |
3 | wenn der Liquidationsanteil eines Gesellschafters zur Zwangsverwertung gelangt oder ein Gesellschafter in Konkurs fällt oder unter umfassende Beistandschaft gestellt wird; |
4 | durch gegenseitige Übereinkunft; |
5 | durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft eingegangen worden ist; |
6 | durch Kündigung von seiten eines Gesellschafters, wenn eine solche im Gesellschaftsvertrage vorbehalten oder wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer oder auf Lebenszeit eines Gesellschafters eingegangen worden ist; |
7 | durch Urteil des Gerichts282 im Falle der Auflösung aus einem wichtigen Grund. |
2 | Aus wichtigen Gründen kann die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der Vertragsdauer oder, wenn sie auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden ist, ohne vorherige Aufkündigung verlangt werden. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 27 - 1 Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
|
1 | Auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit kann niemand ganz oder zum Teil verzichten. |
2 | Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken. |
niemand sich im Gebrauch seiner Freiheit in einem, das Recht oder die
Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken könne. '
Nun bedarf es keines weiteren Nachweises, dass es sich bei dem in
Rede stehenden Gesellschaftszweck der gemeinsamen Durchführung einer
Strafklageum ein Geschäft handelt, das sich bezüglich der moralischen
Verantwortlichkeit von den Geschäften des gewöhnlichen Verkehrs in ganz
wesentlichem Masse unterscheidet ; denn wenn ein Privater eine Strafklage
erhebt, so tut er es nicht nur auf seine rechtliche, sondern insbesondere
auf seine moralische Verantwortlichkeit hin. Hinsichtlich dieser letztem
muss ihm aber sein eigenes Urteil unbeschränkt gewahrt werden. Es liesse
sich mit dem Persönlichkeitsschutz des ZGB nicht vereinbaren, dass
dem Befinden des Einzelnen in dieser Beziehung vertragliche Schranken
auferlegt würden; eine die freie Entschliessung hemmende vertragliche
Bindung erwiesesich als eine unzulässige Freiheitsbeschränkung Im Sinn
von Art. 27 Abs. 2. Hieraus folgt, dass der jederzeitige Rücktritt
von. einer solchen gesellschaftlichenObligationenrecht. N° 69. 443
Vereinigung dem Einzelnen zustehen muss, und zwar ohne dass er gehalten
wäre, die objektive Begründetheit dieses Schrittes nachzuweisen;
es genügt, das es mit seinem moralischen Empfinden nicht im Einklang
stand, an der gemeinsamen Durchführung der Strafklage in Anbetracht der
Umstände weiter mitzuwirken. Indem die Parteien eine Konventionalstrafe
für den einseitigen Rücktritt von der Vereinbarung vom 29. März 1921
stipulierten, verletzten sie also den Grundsatz der Freiheit des
persönlichen Entschlusses. Die Konventioualstrafe ist deshalb nicht
gültig. 4. (Weitere Anbringen).
Demnach erkennt das Bundesgericht :
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons St. Gallen vom 13. Juni 1922 bestätigt.
69. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. November 1922 i. S. Aargauisches
Elektrizitàtswerk gegen Schweiz. Seethalbahngesenschaft.
Stromlieferungsvertrag. Abwälzung eines vom Stromlieferer seinem
Energieverkäufer wegen Teuerungszuschlages bezahlten Mehrpreises auf
den Strombezüger. Vertragsauslegung; Begriff der Teuerungszuschläge
und der er Nötigung zur Bewilligung von solchen. Voraussetzungen der
Anwendbarkeit der clausula rebus sic sianlibus.
A. Durch Vertrag vom 22./24. Juni 1911 Verpflichteten sich die
Kraftwerke Beznau Löntsch zur Lieferung eigenen oder fremden Stromes an
die Beklagte, Schweizerische Seethalbahngesellschaft, zwecks Verwendung
zumv Bahnbetriebe. Art. 12 des Vertrages bestimmte, dass die Kraftwerke
berechtigt seien, eine im Lauf der Vertragsdauer auf die Stromabgabe oder