308 Erbrecht. N° 47.

II. ERBRECHT

DRO IT DES SUCCESSION S

47. Urteil der n. Zivilabteilung vom 5. Oktober 1922
i. S. Testamentsvallstrecker des Nachlasses Henneberg gegen Neumann.

Art. 518
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
, 595
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 595 - 1 Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
1    Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
2    Sie beginnt mit der Aufnahme eines Inventars, womit ein Rechnungsruf verbunden wird.
3    Der Erbschaftsverwalter steht unter der Aufsicht der Behörde, und die Erben sind befugt, bei dieser gegen die von ihm beabsichtigten oder getroffenen Massregeln Beschwerde zu erheben.
, ZGB. Beschwerde gegen Verfügungen_ des Testamentsvollstrekk
e r s : Zur Beurteilung materieller Fragen sind die ordentlichen Gerichte
zuständig. K o m p e t e n z e n des Testamentsvollstreckers: Er darf,
abgesehen von den ihm gesetzlich eingeräumten Befugnissen, nur den
formrichtig zum Ausdruck gebrachten

letzten Willen des Erblassers ausführen. Er hat kein Recht

sittliche Verpflichtungen des Erblassers zu erfüllen.

A. Am 15. Dezember 1918 starb in Zürich Gustav Henneberg von
Görlitz, Deutschland. In seinem Nachlasse fand sich ein Bild von
Prof. Piloty Heinrich VIII und Anna Boleyn . Wie sich aus einer Reihe
von Villensäusserungen des Erblassers ergibt, hatte er beabsichtigt
dieses Gemälde auf sein Ableben der Stadt Görlitz zuzuwenden. So
versprach er schon 1912 anlässlich eines Besuches des Direktors der
Görlitzer Kunstsammlung in Zürich, das Bild seiner ,Vaterstadt zu
vermachen. Mit Briefen vom 9. und 14, November 1912 dankten ihm Direktor
Feyerabend und Oberbürgermeister Snay von Görlitz für diese Zuwendung,
wobei Oberbürgermeister Snay gleichzeitig um die Erlaubnis hat, das
Vermächtnis öffentlich bekannt geben zu dürfen. Am 16. November 1912
erteilte Henneberg hiezu seine Einwilligung. Die Veröffentlichung erfolgte
in der von Direktor Feyerabend redigierten Festschrift: Die Oberlausitzer
Gedenkhalle mit Kaiser Friedrich-Museum 1902/12. Neben Geschenken,
die Henneberg der Stadts Erbrecht. N° 47. 309

sofort übermittelte, ist in dieser Festschrift erwähnt: Heinrich VIII und
Anna Boleyn, Gemälde von Prof.Karl von Piloty, München (testamentarisch).
Dieser Veröffentlichung, die dem Erblasser vorher im Wortlaut bekannt
gegeben worden war, entsprechen die Eintra-gungen in den Protokollen des
Magistrats von Görlitz vom September und November 1912. Im gedruckten
Katalog der Galerie Henneberg ist das Gemälde unter Nr. 218 aufgeführt
und daneben handschriftlich vermerkt: Görlitz ver-machtv Ebenso ist im
Geheimkassabuch des Erblassers, wo das Bild vermerkt ist,

_ in einer Randnotiz beigefügt: Görlitz gestiftet.

Endlich bezeugen der frühere Geschäftsführer Hennebergs, Böning, und
der Bilderhändler Neupert in Zuschriften an Dr. Fick, der Erblasser habe
sich ihnen gegenüber in gleichem Sinne ausgesprochen.

Gestützt auf diese Tatsachen verlangte die Stadt Görlitz Herausgabe des
Bildes an sie. Die Beklagten, die Testamentsvollstrecker des Erblassers,
beschlossen unterm 6. Januar 1920, den Eigentumsanspruch unter ' Vorbehalt
der Beschwerderechte der gesetzlichen Erben ' anzuerkennen, und setzten
den Erben eine zehntägige Frist an, um-gegen den Beschluss Beschwerde
zu führen. Die Erbin Frau Gebhard liess diese Frist ver-streichen; Der
Kläger Neumann dagegen erhob Beschwerde und erwirkte von den kantonalen
Beschwerdcinstanzen Aufhebung des Beschlusses. Die kantonalen Gerichte
nahmen an, die Frage, ob die Willensvollstrecker befugt seien, das
streitige Bild an die Stadt Görlitz herauszugeben, sei eine materielle
Rechtsfrage, deren Beantwortung dem ordentlichen Richter vorbehalten
bleibe. Inzwischen war das Bild seitens der Beklagten an die Stadt Görlitz
mit der Verpflichtung herausgegeben worden, es auf erstes Begehren der
Erbmasse wieder zur Verfügung zu stellen.

Nach Erschöpfung des Instanzenzuges im Beschwerdeverfahren beschlossen
die Testamentsvollstrecker neuer-

310 Erbrecht. N° 47.

dings, das streitige Bild der Stadt Görlitz zu überlassen, falls der
Kläger nicht innert Frist im ordentlichen Verfahren Klage erhebe.'

Nunmehr reichte der Kläger beim ordentlichen Richter gegen die Beklagten
die vorliegende Klage ein :

]. auf Feststellung, dass eine letztwillige Verfügung, auf Grund deren
die Stadt Görlitz das Bild herausverlangen könne, nicht vorliege, und

2. auf Aufhebung des Beschlusses der Willensvollstrecker, wonach das
Bild Görlitz überlassen werden solle.

Die Beklagten beantragten Abweisung der Klage und führten zur Begründung
insbesondere aus (andere Einwendungen liegen vor Bundesgericht nicht mehr
im Streit) : Die Überlassung des Bildes an die Stadt Görlitz entspreche
dem Willen des Erblassers und sei, nachdem sich Henneberg noch zu
Lebzeiten habe dafür danken lassen, und da diese Zuwendung auch auf
die Erteilung eines Ehrentitels (Kommerzienrat) von" Einfluss ge-wesen,
eine sittliche Pflicht, deren Erfüllung in ihrer Kompetenz liege.

B. Während die erste Instanz die Klage abwies, hat das zürcherische
Obergericht mit Urteil vom 29. April 1922 die Beklagten angewiesen,
das Bild beim Nachlass zu belassen.

C. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung, mit der
die beiden Villensvollstreeker neuerdings Abweisung der Klage beantragen.

D. Die Stadt Görlitz hat vor den kantonalen Instanzen als Litisdenunziatin
am Rechtsstreite teilgenommen. ,

Das Bundesgericht zieht in Erwägung : l. Obschon Art. 518
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
in Verbindung
mit Art. 595
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 595 - 1 Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
1    Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
2    Sie beginnt mit der Aufnahme eines Inventars, womit ein Rechnungsruf verbunden wird.
3    Der Erbschaftsverwalter steht unter der Aufsicht der Behörde, und die Erben sind befugt, bei dieser gegen die von ihm beabsichtigten oder getroffenen Massregeln Beschwerde zu erheben.


ZGB den Erben gegen die Massnahmen der Willens ,

vollstrecker allgemein das Beschwerdeverfahren eröffnet, ist in
Übereinstimmung mit den kantonalen Instanzen davon auszugehen, dass
damit die Beurteilung mate-Erbrecht. N° 47. 311

-rieller Rechtsfragen, wie sie vorliegend streitig sind,

dem ordentlichen Richter nicht entzogen werden wollte. Mochte
es nahe liegen, zur Überprüfung des formellen Vorgehens und der
Angemessenheit der Massnahmen der Willensvollstrecker ein besonderes,
rasches Verfahren einzuführen, so fehlt jeder innere Grund dafür,
bei Beurteilung materiellreehtlieher Streitpunkte, je nachdem ein
Vollstrecker ernannt sein sollte oder nicht, verschiedene Behörden als
zuständig zu erklären. Dagegen hätte sich fragen können, ob nicht mit
Rücksicht darauf, dass letzten Endes die Rechte der Stadt Görlitz an
einem Gegenstande des Nachlasses im Streite liegen, der ganze Prozess
bei der Ver-Weisung in das ordentliche Verfahren auf seine eigentliche
Basis gestellt und die Stadt Görlitz zur Klageerhebung gegen den Nachlass
hätte veranlasst werden sollen. ss

Nachdem sich jedoch die Parteien mit dem Vorgehen der Beschwerdeinstanzen
abgefunden haben, hat auch das Bundesgericht keine Veranlassung, hierauf
zurückzukommen.

Im übrigen stehen der Klage vom Standpunkt des Bundesrechts aus in
formeller Beziehung keine Bedenken, entgegen. Durch die Ernennung
eines Willensvollstreekers werden die Rechte der Erben am Nachlass
ähnlich wie durch eine Auflage eingeschränkt. Das Begehren des Klägers
auf Feststellung der Kompetenzen der Willensvollstrecker ist daher
nichts anderes, als ein Begehren aufs Feststellung der ihm zukommenden
Erbenrechte am Nachlass. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Rechte
angesichts der seitens der Vollstreeker geäusserten Absicht, das Bild
definitiv der Stadt Görlitz herauszugeben, unmittelbar und ernstlich
gefährdet waren. Nur durch Einreichung der Klage konnte der Kläger
insbesondere vermeiden, gegenüber Görlitz in die Klägerrolle gedrängt
zu werden.

Aber auch der Umstand, dass der Kläger einseitig, d. h. ohne Mitwirkung
seiner Miterbin Klage erhob,

312 Erbrecht N° 47.

kann ihm nicht entgegengehalten werden. Dadurch, dass Frau Gebhard auf
die Fristansetzung der Willensvollstrecker stillschwieg, hat sie deutlich
zu erkennen gegeben, dass sie sich in den Streit nicht einmischen und
ihrerseits keine Rechte an dem Bilde geltend machen wollte. In diesem
Falle musste es, trotz Art. 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB, dem Kläger freistehen, allein
vorzugehen, zumal er ja die Interessen des Gesamtnachlasses und nicht
etwa nur seine eigenen vertrat (vgl. BGB 5_ 2039).

2. In materieller Hinsicht hat der Kläger zunächst mit Recht darauf
hingewiesen, dass sich eine Befugnis der Willensvollstrecker, sittliche
Verpflichtungen des Erblassers zu erfüllen, jedenfalls nicht aus der
allgemeinen Bestimmung des Art. 518 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
ZGB ableiten lässt.Der
amtliche Erbschaftsverwalter, dem der Willensvollstrecker danach
gleichgestellt ist, hat lediglich die Verwaltung und gegebenenfalls die
Liquidation der Erbschaft zu besorgen, ein Recht dagegen, unentgeltliche
Zuwendungen nach Art der in Frage stehenden vorzunehmen, kommt ihm nicht
zu (Art. 544
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 544 - 1 Das Kind ist vom Zeitpunkt der Empfängnis an unter dem Vorbehalt erbfähig, dass es lebendig geboren wird.
1    Das Kind ist vom Zeitpunkt der Empfängnis an unter dem Vorbehalt erbfähig, dass es lebendig geboren wird.
1bis    Erfordert es die Wahrung seiner Interessen, so errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft.523
2    Wird das Kind tot geboren, so fällt es für den Erbgang ausser Betracht.524
, 595
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 595 - 1 Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
1    Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
2    Sie beginnt mit der Aufnahme eines Inventars, womit ein Rechnungsruf verbunden wird.
3    Der Erbschaftsverwalter steht unter der Aufsicht der Behörde, und die Erben sind befugt, bei dieser gegen die von ihm beabsichtigten oder getroffenen Massregeln Beschwerde zu erheben.
ff. ZGB). Ebensowenig können für den Standpunkt der
Beklagten die in Art. 518 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
ZGB aufgeführten , Einzelbeispiele von
dem Willensirollstrecker zustehenden Kompetenzen angerufen werden. Die
Erfüllung sittlicher

Verpflichtungen des Erblassers fällt unter keine der

dort aufgeführten Funktionen, insbesondere weder unter die Verwaltung
noch die Schuldenzahlung. Die Beklagten selbst haben sich denn auch
vor Bundesgericht nicht in erster Linie auf Art. 518 Abs. 1 und die
Aufzählung in Abs. 2 berufen. In Anlehnung an das Gutachten Reichel
legen sie vielmehr das Hauptgewicht darauf, dass Art. 518 Abs. 2 den
Willensvollstrecker allgemein anweise den Willen des Erblassers zu
vertreten . Sie

machen geltend, in dieser Anweisung liege (im Gegen

satz zu der Aufzählung der einzelnen Befugnisse) gewisser-messen eine
clausula genes-alis, die dem Willensvollstrecker in weitester Weise das
Recht gebe, alsErbrecht. N° 47. 313

Vertreter des Erblassers aufzutreten. Es müsse ihm daher auch zukommen,
in Erfüllung moralischer Verpflichtungen an Stelle des Erblassers zu
handeln, und zwar jedenfalls dann, wenn dieser deutlich erklärt habe,
seine Verpflichtung erfüllen zu wollen.

Mit zutreffender Begründung hat schon die Vorinstanz diese Auslegung des
Abs. 2 von Art. 518 abgelehnt. Die Anweisung, den Willen des Erblassers
zu vertreten, bedeutet lediglich, dass der Willensvollstrecker, abgesehen
von den ihm von Gesetzeswegen zustehenden Funktionen, dazu berufen sei,
den in der Verfügung

von Todeswegen zum Ausdruck gebrachten Willen des

Erblassers auszuführen. Der Willensvollstrecker ist auch nach
schweizerischem Recht ein eigentlicher Test amentsvollstrecker und als
solcher weder befugt, von sich aus den Willen des Erblassers zu ergänzen,
noch Willensäusserungen des Erblassers, die nicht in formrichtiger
letztwilliger Verfügung enthalten sind, den Erben gegenüber durchzusetzen.

Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich schon aus der Einordnung
des Abschnittes über die Villensvollstreeker in das Kapitel über die
Verfügungen von Todeswegen, womit bewusst der Zusammenhang mit diesen
hervorgehoben werden wollte (Erläut. I S. 410). Sodann aber ist im
französischen und italienischen Text des Art. 517 die Aufgabe der
Vollstrecker deutlich dahin umschrieben, dass sie nicht schlechthin
den Willen, sondern nur den letzte n Willen des Erblassers (ses
derniéres'volontéa sua ultima volontà) auszuführen haben. Die Fälle, in
denen der Gesetzgeber ähnliche abgekürzte Ausdrucksweisen wählte, sind
denn auch keineswegs selten; 2. B. ist in Art. 504 und 507 von Verfügung
die Rede, wo zweifelsohne eine Verfügung von todeswegen gemeint ist,
und auch die hier in Frage stehende Abkürzung Wille für letzter Wille
findet sich wiederholt; so brauchen Art. 500 und 512 das Wort Wille in
Zusammenhängen, in denen über

314 Erbrecht N° 47.

die Bedeutung letzter Wille jeder Zweifel ausgeschlossen ist. Vor allem
aber entspricht die vertretene Auslegung des Art. 518 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
ZGB allein
auch dem inneren System des Gesetzes. Im Bestreben, für die Erbteilnug
eine klare Rechtslage zu schaffen und auch den Erblasser vor Übereilungen
zu schützen, erklärt das Zivilgesetzbuch für die Berechtigung am Nachlass
grundsätzlich die Bestimmungen des Intestaterbrechtes als massgebend,
sofern nicht derVerstorbene in bestimmten, strengen Formen einen anderen
Willen geäussert hat. Mit diesen Grundsätzen ist weder vereinbar, dass
der Willensvollstrecker im Namen des Erblassers Veriügungen vornimmt,
die dieser nicht angeordnet hat, noch dass er auch nur den Erben gegenüber
Anordnungen des Testators durchsetzt, die nicht in gesetzlicher

Form getroffen worden sind. Räumte man dem Willens

vollstrecker diese Befugnis ein, so hätte es der Erblasser in der Hand,
durch die blosse Ernennung eines Vollstreckers die für die letztwilligen
Verfügungen aufgestellten Formvorschriften zu umgehen und damit die in
seinem eigenen Interesse wie in dem der Erben angestrebten Garantien
aufzuheben. Dass die Beklagten im vorliegenden Falle geltend "machen,
die von ihnen in Aussicht genommene Aushingabe des Bildes bedeute die
Erfüllung einer sittlichen Pflicht, kann angesichts der vorstehenden
grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht fallen. in Frage käme dabei
übrigens nur eine sittliche Pflicht des Erhlassers, nicht der Erben.
Die Tatsache, dass der Erblasser die Zuwendung beabsichtigte, und dass
diese nur wegen einesv Formmangels nicht rechtsgültig wurde, vermochte
nicht, zu Lasten der Erben eine moralische Verpflichtung zu schaffen,
diese Zuwendung doch vorzunehmen. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen aber
gehen nur zivile nicht sittliche Pflichten des Erblassers auf die Erben
über. Auch wenn daher der Erblasser. moralisch verpflichtet gewesen sein
sollte, das Bild der Stadt GörlitzErbrecht N° 48. 315

zuzuwenden, so trifft diese Voraussetzung jedenfalls für die Erben
nicht zu.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 29. April 1922

bestätigt.

48. Urteil der II. Zivils'nteilung vom 12. Oktober 1922 i. S. Herzog
gegen Herzog. Art.633ZGB: Ausgleichung von Zuwendungen mündiger Kinder
an den Haus--

li a l t. Der Anspruch auf Ausgleichung wird erst mit der Teilung existent
und kann vorher nicht Gegenstand

einer Feststellungsklage sein.

A. -Am Is. März 1918 starb in Veinfeiden unter Hinterlassung einer Witwe
und dreier Kinder, Heinrich Herzog, Landwirt. Über sein Vermögen wurde
ein Inventar im sinne von Art. 551
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
ZGB aufgenommen, das ein Reinvermögen
beider Ehegatten von 15,049 Fr. 20 Cts. aufweist. Eine Teilung des
Nachlasses fand nicht statt.

Mit der vorliegenden Klage verlangte der Sohn Heinrich Herzog. Sticker
in St. Gallen, Aufnahme eines Entschädigungsanspruches im Sinne von
Art. 633
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 633
ZGB im Betrage von 6400 Fr. in das Inventar, indem er zur
Begründung geltend machte, er habe bis zu seinem 28. Altersjahr seinen
gesamten Verdienst, Wöchentlich zirka 40 Fr., den Eltern, mit denen er
im gleichen Haushalt gelebt, zugewendet und ausserdem auch regelmässig
für sie auf dem Heimwesen gearbeitet.

Die Beklagten, die Mutter und die beiden Schwestern des Klägers,
beantragten Abweisung der Klage.

B. Mit Urteil vom 20. April 1922si'sshat das Ober--
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 48 II 308
Datum : 05. Oktober 1922
Publiziert : 31. Dezember 1922
Quelle : Bundesgericht
Status : 48 II 308
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 308 Erbrecht. N° 47. II. ERBRECHT DRO IT DES SUCCESSION S 47. Urteil der n. Zivilabteilung


Gesetzesregister
ZGB: 518 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 518 - 1 Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
1    Die Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters.
2    Sie haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen.
3    Sind mehrere Willensvollstrecker bestellt, so stehen ihnen diese Befugnisse unter Vorbehalt einer anderen Anordnung des Erblassers gemeinsam zu.
544 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 544 - 1 Das Kind ist vom Zeitpunkt der Empfängnis an unter dem Vorbehalt erbfähig, dass es lebendig geboren wird.
1    Das Kind ist vom Zeitpunkt der Empfängnis an unter dem Vorbehalt erbfähig, dass es lebendig geboren wird.
1bis    Erfordert es die Wahrung seiner Interessen, so errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft.523
2    Wird das Kind tot geboren, so fällt es für den Erbgang ausser Betracht.524
551 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
595 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 595 - 1 Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
1    Die amtliche Liquidation wird von der zuständigen Behörde oder in deren Auftrag von einem oder mehreren Erbschaftsverwaltern durchgeführt.
2    Sie beginnt mit der Aufnahme eines Inventars, womit ein Rechnungsruf verbunden wird.
3    Der Erbschaftsverwalter steht unter der Aufsicht der Behörde, und die Erben sind befugt, bei dieser gegen die von ihm beabsichtigten oder getroffenen Massregeln Beschwerde zu erheben.
602 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
633
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 633
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
erblasser • wille • erbe • beklagter • erbrecht • frage • bundesgericht • sittliche pflicht • frist • inventar • ordentliches verfahren • festschrift • stelle • funktion • weisung • begünstigung • entscheid • zivilgesetzbuch • form und inhalt • zuständigkeit
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