166 Obligationenrecht. N° 30.

grande liegt, ist das Bundesgericht an dieselbe gebunden, und es muss
daher mit dem angefochtenen Urteil die erst am 9. Juli 1919 erhobene
Mängelrüge als verspätet betrachtet werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Zürich vom 28. Oktober 1920 bestätigt.

30. Urteil der I. Zivilabteilnng vom 19. April 1921 i. S. Markwald
gegen Vogel-Miller.

Auftrag : Für die Frage der Unsittlichkeit eines in Prozenten
des Vermögens gemachten Honorarverspreehens ist der Inhalt der
übertragenen Geschäfte von Bedeutung. Anwaltliche oder ausseranwaltliehe
Tätigkeit. Unentgeltliche Zwendung. Uebervorteilung ?

A. Im April 1910 kam die am 26. Oktober 1834 in Crossa a/O. geborne
Witwe Therese Meyerhof auf der Rückreise von San Remo nach Luzern, wo
sie ihres Gesundheitszustandes wegen in der Folge Wohnsitz nahm. Bald zog
sie den Kläger als Berater in Rechtssachen bei und übertrug ihm zunächst
die Ausrichtung einer Schenkung an ihre Pflegerin Fr. M. Kleymeyer.
Anfangs Juni machte sie ihn mit ihrer Absicht, ein Testament zu errichten,
vertraut und übertrug ihm die nötigen Vorarbeiten, die insbesondere im
Rückzug und in der Vernichtung einer beim Amtsgericht Hamburg hinterlegten
letztwilligen Verfügung vom 12. November 1903 und in der Aufnahme
eines Vermögensetats bestanden. Mit beglaubigter Vollmachtsurkunde vom
14. Juni 1910 ermächtigte sie ihn daher generell alle bisher errichteten
Letztwillensverordnungen, mögen die-Ohligationenrecht. N° 30. 167

selben lauten wie sie wollen und deponiert sein wo sie wollen, von
den bezüglichen amtlichen oder privaten Depotstellen herauszuverlangen
und zu vernichten , und mit Urkunde vom gleichen Tage erteilte sie ihm
unbeschränkte Vollmacht zur Vornahme aller zur genauen Feststellung ihres
Vermögens erforderlichen Erhebungen bei den Depotstellen. Gleichzeitig
mit dieser Vollmachtserteilung ordnete Frau Meyerhoi auch die Honorarfrage
und zwar in einem Nachtrag vom 15. Juni 1910 folgenden Inhalts :

Unter Bezugnahme auf die Herrn Dr. Vogel-Müller, Rechtsanwalt in Luzern
unterm 14. Juni "1910 ausgestellten Generalvollmachten betreffend
Feststellung meines Vermögensbestandes und Rückzug der errichteten
Testamente und Legate verpflichtet sich die unterzeichnete Frau Therese
Meyerhof, ihrem Bevollmächtigten für die demselben aus der Betätigung
der erteilten und noch weiter zu erteilenden Vollmachten erwachsenden
Mühewalt, Reisespesen und sonstigen Auslagen als Honorar 51/2 % meines
Bruttovermögens zu bezahlen. Sollte ich inzwischen mit Tod abgeben, so
ist das Honorar nach dem Brutto Nachlass zu berechnen und aus demselben
zu bezahlen. .

Am 25. Juni 1910 errichtete Frau Meyerhof das Testament, in
welchem sie ihre frühem letztwilligen Verfügungen widerriei und ihre
Geschwisterkinder, bezw. Nachkommen von, solchen, zu Erben einsetzte,
worunter auch den Beklagten. Als Testamentsvollstrecker bestellte sie
den Kläger und Bankdirektor W. Penzenburg in Königsberg, welchen sie
als Honorar je 2 % ihres Brutto-Nachlasses aussetzte. Im Anschlusse an
diese Testamentserrichtung ermächtigt-e Frau Meyerhof am 4. Juli 1910
in Abänderung der Vollmacht zur Vermögensermittlung vom 14. Juni den
Kläger, ihr Vermögen nach Luzern, ihrem Domizil, zu verbringen. Die
Vermögensverwaltung wurde der Bank in Luzern über-

tragen.

168 Obligationenrecht. N! 30.

Am 25. August 1910 starb sodann Frau Meyerhof unter Hinterlassung
eines Bruttovermögens von 3,227,939 Fr. 60 Cts. Von diesem Nachlass
beanspruchte der Kläger 5% % als Honorar = 177,536 Fr. 15 Cts.
und belangte für diesen Betrag jeden einzelnen Erben im Verhältnis
seines Erbanteils. Auf den Beklagten, der Erbe zu 12/128 war, entfiel
eine Honorarquote von W = Fr. 16,644 Als der Beklagte in der Folge die
Anerkennung dieser Forderung verweigerte, erwirkte der Kläger einen
Arrest auf dessen in Luzern liegendes Guthaben und reichte Klage ein mit
dem Rechtsbegehren, der Beklagte habe dem Kläger Fr. 16,644 nebst 5 %
Zins seit 25. August 1913 zu bezahlen, und es sei der Kläger berechtigt
zu erklären, sich für diese Forderung'aus dem bei der Schweizerischen
Kreditanstalt in Luzern liegenden Erbbetreifnis des Beklagten aus dem
Nachlasse der Frau Therese Meyerhof bezahlt zu machen. Der Beklagte
bestritt die Klageforderung grundsätzlich und vorsorglich dem Masse
nach. Er erhob zunächst die Einrede der mangelnden Passivlegitimation
mit der Begründung, die Klage hätte gegen die Erbmasse gerichtet werden
miissen, da eine noch unverteilte Verlassenschaft vorliege. In der
Hauptsache stellte er sich aber auf den Standpunkt, dass Frau Meyerhof
die Vollmachten nicht in handlungsfähigem Zustande ausgestellt'habe,
und daher insbesondere der Verpflichtungsakt vom 15. Juni 1910 nichtig
sei. Selbst aber wenn ein rechtsgültiger Auftrag zustande gekommen Wäre,
so Würde er mit dem Tode der Vollmachtgeberin erloschen sein. Für die
auf die Vollmachten sich stützenden Arbeiten sei der Kläger angemessen
entschädigt werden. Im weitem machte der Beklagte geltend, dass das
Honorarversprechen nach Art und Umfang unsittlich sei und auch gegen
Art. 21
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
OR verstosse. Endlich erhob er noch vorsorglich die Einrede des
nichterfülllten Vertrages. Widerklageweise machte er

Obligatlonenrecht. ,N° 30. 169

sodann unter Anrufung des richterlichen Ermessens eine
Schadenersatziorderung von 5000 Fr. nebst 5 % Zins seit 1. August
1914 geltend. Zur Begründung führte er an, der Kläger habe, obwohl er
nach eigener Angabe an den Erben der Frau Meyerhoi nur noch 70,737 Fr.
zu gute hatte, im September 1913 drei Arreste von je 70,737 Fr. erwirkt,
die er in der Folge aber habe dahinfallen lassen. Im Oktober 1913 habe
er drei neue Arreste in der Höhe von je 37,449 Fr. erwirkt, gleichfalls
aber nicht prosequiert. Am 23. Mai 1914 endlich habe er

einen dritten Arrest von 33,288 Fr. genommen. Diese

Arreste seien grundsätzlich ungerechtfertigt gewesen, da der Kläger
wegen Ungültigkeit des Verpflichtungsaktes vom 15. Juni 1910 gar keine
Forderungen gehabt habe, auf alle Fälle aber wegen ihrer Höhe. Dem
Beklagten als Grosskaufmann sei durch diese Arrestlegungen ein erheblicher
Vermögensschaden entstanden, indem er das Geld nutzbringender hätte
verwenden können als bloss am Zinse liegen zu lassen ; zudem seien die
Titel Während der Arrestlegung im Werte gesunken.

Der Kläger beantragte Abweisung der Widerklage.

B. Durch Urteil vom 4. Dezember 1920 hat das Obergericht des Kantons
Luzern in Bestätigung des 'Urteils der ersten Instanz die Klage in vollem
Umfa'nge geschützt und die Widerklage abgewiesen.

C. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit dem Antrag auf kostenfällige Abweisung der Hauptklage und
Gutheissung der Widerklage.

D. In der heutigen Verhandlung hat der Kläger auf Abweisung der Berufung
und Bestätigung des Urteils der Vorinstanz angetragen. Der Beklagte war
weder anwesend noch vertreten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Die vom Beklagten erhobene Einrede der mangelnden Passivlegitimation
ist von den kantonalen

170 Obngauoneurecht. N° 30.

Instanzen in Anwendung kantonalen (Edi-) Rechts abgewiesen worden. Dieser
Entscheid unterliegt der Nachprüfung des Bundesgerichts nur insofern,
als es sich trägt, ob dieses Recht wirklich anwendbar war oder nicht
vielmehr Bundeszivilrecht hätte zur Anwendung gebracht werden müssen;
ob das luzernische Recht als solches richtig ausgelegt werden sei,
entzieht sich dagegen der Nachprüfung des Bundesgerichts. Jene Frage
aber ist nach dem klaren Wortlaut von Art. 15 Scth ohne weiteres dahin
zu entscheiden, dass in der Tat kantonales Recht anwendbar war.

2. In der-Zeche selbst hat der Beklagte im wesentlichen den Standpunkt
eingenommen, dass sich Frau Meyerhof am 15. Juni 1910, d. h. bei
Ausstellung des Nachtrages zu den General-vollmaehten, nicht in
handlungsfähigem Zustande befunden habe. Die Vorinstanz hat diesen
Einwand auf Grund eines Gutachtens des Sanitätsrates des Kantons Luzern,
vom 4. November 1919, abgewiesen. Obschon dieser Entscheid für das
Bundesgericht nicht ohne weiteres verbindlich ist, da es sich nicht um
die Feststellung von Tatsachen handelt, ist die Ueberprüfungsbefugnis
der Natur der Sache nach insofern eine beschränkte, als'sie sich gemäss
Art. 57
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
und 81
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
OG nur auf die Frage erstreckt, ob die Annahme des
angefochtenen Urteils, Frau Meyerhof sei im Zeitpunkte der Ausstellung
descrwähnten Nachtrages nicht handlungsunfähig im Sinne von Art. 4 HfG
gewesen, auf Verletzung einer eidgenössischen Rechtsverschrift beruhe,
wahrend die Frage, welche Tatsachen vorgelegen, aus denen Experten und
Vorinstanz ihren Schluss auf die Handlungsfähigkeit gezogen haben, soweit
nicht Aktenwidrigkeiten vorliegen, der Ueberprüfung des Bundesgerichts
nicht untersteht. Das Bundesgericht hat danach nur zu untersuchen, ob der
vom kantonalen Richter in letzterer Beziehung festgestellte Tatbestand
den Schluss auf das Vorhandensein der Handlungsfähigkeit im Sinne der
angeführten Gesetzesbestimmung

Obfigatkmem'echt. N° 30. 171

begründe (vergl. AS 32 11748 ff.; 39 II 196 ff.; WEISS, Berufungan das
Bundesgericht S. 179).

Zur Beurteilung der Gegenstand tatsächlicher Feststellung bildenden Frage,
welches der Geistes-Zustand von Frau Meyerhoi im kritischen Zeitpunkte
war, haben sich die kantonalen Instanzen, wie erwähnt, der medizinischen
Expertise bedient. Die dabei an die Experten gerichtete Fragestellung
entspricht genau dem hier zur Anwendung kommenden Art. 4 des HÎG von
1881, und es deckt sich auch die Schlussantwort mit der Fragestellung. Das
erstattete Gutachten, das das sehr umfangreiche Beweismaterial erschöpfend
berücksichtigt und insbesondere auch die für die Rechte des Beklagten
sprechenden Aussagen und Privatgut-achten kritisch gewürdigt hat, ist
nach Anlage und Darstellung durchaus überzeugend, soweit hierüber dem
Bundesgericht überhaupt ein Urteil zukommt. Wenn die ,Vorinstanz dieser
Expertise, die mit Bestimmtheit und aus rein tatsächlichen medizinischen
Gründen zum Ergebnis gelangt, dass Frau Meyerhof am 15. Juni 1910 bei
Ausstellung des Nachtrages zu den Generalvollmachten einen bewussten
Willen hatte und des Vernunftgebrauches nicht beraubt war, gefolgt
ist und in rechtlicher Würdigung derselben auf das Vorhandensein der
Handlungsfähigkeit der Genannten geschlossen hat, so kann hierin eine
das Bundesgesetz verletzende unrichtige Auffassung des Rechtsbegriffs
der Willensfähigkeit nicht erblickt werden.

3. Ist demnach ohne Rechtsirrtum festgestellt, dass Frau Meyerhof
am. 15. Juni 1910 gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 22. Juni
1881 handlungsfähig war, so ist weiter zu prüfen, ob der eingegangene
Verpflichtungsakt nicht nach Inhalt und Zweck unsittlich und daher nichtig
sei. Hiebei fällt vorerst in Betracht, ob der Kläger in anwaltlicher
oder ausseranwaltlicher Eigenschaft seine Dienste zu leisten hatte. In
dieser Hinsicht ergibt sich aus den Akten, dass er zwar seine

172 Ohllgationenrecht. N° 30.

Vollmachten anlässlich seines Beizuges als juristischer Berater erhalten
hat, dass sich aber der mit diesen Vollmachten begründete Auftrag nicht
auf Rechtssachen, insbesondere nicht auf die Geltendmachung streitiger
Ansprüche bezog. Die spezielle Tätigkeit, mit der er betraut wurde,
bestand im wesentlichen in der Ermittlung des Vermögens und dessen
Verbringung nach Luzern, war mithin keine mit der Rechtspflege
zusammenhängende und dem Anwaltsberufe zukommende Aufgabe. Die
Verrichtungen hätten ebenso gut von einer nicht rechtskundigen, in
Geschäften der Vermögensverwaltung erfahrenen Person besorgt werden
können. Es rechtfertigt sich daher nach den konkreten Verhältnissen die
Annahme, dass es sich um einen ausserhalb der advokatorischen Tätigkeit
des Klägers liegenden entgeltlichen Auftrag gehandelt habe.

Von einer letztwilligen Verfügung kann schon deshalb keine Rede sein, weil
die Auftraggeberin in den Vollmachten nicht über ihr Vermögen verfügte,
und von einer Schenkung von Todeswegen nicht, weil das Honorar dem Kläger
wesentlich für Arbeitsaufwendungen und Auslagen zuerkannt war.

Ein Erlöschen des gedachten Auftrages durch den Tod der Auftraggeberin,
wie der Beklagte geltend macht, war nach Sinn und Zweck des Mandate
ausgeschlossen.

Dass der Kläger den ihm erteilten Auftrag richtig erfüllt habe, wurde
vor den kantonalen Instanzen vorsorglich bestritten. Ob diese Einrede
auch vor Bundesgericht noch aufrechterhalten werden will, ergibt sich
aus der Aktenlage nicht klar; jedenfalls aber wäre sie mit der Vorinstanz
als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

Im wesentlichen liebt der Beklagte den Auftrag an mit der Begründung,
dass die Honorierung nach Art und Mass das Rechtsgeschäft zu einem
unsittlichen mache.

Die Schuldbetreibungs und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons
Luzern hat in ihrem Rechts-

Obligationenrecht. N° 30. 173

ökknnngsentscheid vom 23. April 4914 i. S. des Klägers gegen Ehrlich &
C.ie die Einrede der Unsittlichkeit als hinlänglich glaubhaft gemacht
angesehen und dem Kläger die Rechtsöffnung verweigert in Erwägung,
dass es in einem offenbaren Widerspruche mit dem allgemeinen sittlichen
Empfinden stehe, wenn ein Anwalt, wie vorliegend, nachdem ihm bereits im
Testamente ein Honorar von rund 65,000 Fr. (2 % des Bruttonachlasses)
als Testamentsvollstrecker angesetzt war, kurz nachher durch eine
besondere Vollmacht ein weiteres Honorar von [77,536 Fr. 15 Cts. (5% %
des Bruttonachlasses) sich msichern lasse.

Betrachtet unter diesem Gesichtspunkte des Verhältnisses von Leistung
und Gegenleistung ist es allerdings auffällig, dass der Kläger zwar
ein ungeheures Aktenmaterial eingelegt und unverhältnismässig grosse
Rechtsschriften eingereicht, aber in keiner seriösen Weise den Nachweis
seiner Tätigkeit im einzelnen,: besonders für diesen Auftrag angetragen
und erbracht hat. Die meisten im Prozesse gegen Ehrlich & Cle eingelegten
und auch im vorliegenden Verfahren angerufenen Aktenstücke beziehen
sich auf die Testamentsanfechtungsprozesse Reinach und Mitkläger und
Rosenbaum und Mitkläger gegen die Erbmasse der Frau Therese Meyerhof,
für welche Prozesse der Kläger, wie der'Beklagte zutreffend einwendet,
als Testamentsexeknto'r besonders entschädigt worden ist.

Die Vorinstanz hat über den Umfang der Arbeit des Klägers keine genauen
Feststellungen gemacht. Sie spricht sich im Entscheide bloss dahin aus,
dass es sich bei den dem Kläger übertragenen Geschäften um einen sehr
wichtigen und verantwortungsvollen Auftrag handelte, und die gegenwärtig
geltende Kostenverordnung auch die prozentuale Honorierung der Anwälte
vorsehe. Die erste Erwägung rechtfertigt aber eine Entschädigung in dieser
Art und Weise offensichtlich nicht, und daszweite Argument ist abgesehen

174 Obligationenrecht. N' 30.

davon, dass es sich bei ,dem gedachten Auftrag nicht um eine
Tätigkeit spezifisch anwaltlicher Natur gehandelt hat, aueh deshalb
nicht schlüssig, weil das Honorar vorliegend nicht als Quote eines
bestimmten. Streitwertes, sondern als Quote des Vermögens berechnet
wurde. Es bedeutet eine Vermögensabgabe, die den Vermögensertrag wenn
nicht übersteigen, so doch jedenfalls erreichen diirfte. Ist auch
bei VermögensVerwaltungen eine Kommission prozentual nach der Höhe
des Vermögens üblich (vergl. HUBER, Privatrecht I S. 732; KAUFMANN,
Kommentar ZGB Art. 416, Anm. 8 und 9), so bleibt doch vorliegend unter
diesem Gesichtspunkte die Tatsache einer dem Masse nach jedenfalls als
aussergewöhnlich erscheinenden Honorierung bestehen. Indessen genügt
grundsätzlich die Uebermässigkeit des Honorars im Sinne eines auffälligen
Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung für sich allein nicht,
das Versprechen zu einem die guten Sitten verletzenden und daher der
Rechtswirkung entkleideten 'Rechtsgeschäft zu stempeln; erforderlich ist
vielmehr das Hinzutreten weiterer Momente, die in Verbindung hiermit
den Vertrag nach Anlass, Inhalt und Zweck in seinem Gesamtcharakter
als'gegen die guten Sitten verstossend erscheinen lassen ,(vergl. AS
29 II S. 126; 30 II S. 77). Hiehei fällt nun als ausschlaggebend der
von der Vorinstanz als Hauptmotiv für ihren Entscheid herangezogene
weitere Umstand in Betracht, dass Frau Meyerhof dem Kläger mit dem
Honorar z'ugleich eine unentgeltliche Zuwendung machen wollte. Die
Frage, ob auf die Rechtsgültigkeit dieser Schenkung, die im Zeitpunkte
der Ausstellung der Vollmachten dem kantonalen Rechte unterstand,
in zwischenzeitlicher Hinsicht altes oder neues Recht anzuwenden sei,
kann auf sich beruhen bleiben, da materiell auf Grund der Akten in jedem
Falle in Uebereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil zu entscheiden
ist. Beweggrund der Schenkung auf Seite der Schenkgeberin war einerseits
Dankbarkeit

0in gationenrecht. N° 30. 175

für geleistete gute Dienste, wobei genügt, dass nach Ansicht der
Schenkgeberin die Vorrichtungen des Klägers eine über das Mass
der eigentlichen Gegenleistung in Form des Entgeltes hinausgehende
Belohnung verdienten, anderseits eine gewisse Sympathie für den Kläger,
die die Schenkgeberin veranlasste, geradezu einen Grundstock zu seinem
Vermögen zu legen, was mit aller Deutlichkeit aus den von der Vorinstanz
als glaubwürdig erachtete-n Aussagen der Krankenpflegerin, Frau Berly,
hervorgeht. Eine Verletzung des rechtlichen Sittlichkeitsbegriffes liegt
hierin offensichtlich nicht. Aber auch das Verhalten des Beschenkten
kann nicht als sittenwidrig im Rechtssinne erscheinen, da Anhaltspunkte
dafür, dass Frau Meyerhof durch eine unzulässige Beeinflussung ihres
Willens seitens des Klägers zu ihrem Versprechen bestimmt worden sei,
in den Akten nicht enthalten sind. Aus den Zeugenaussagen von Fürsprech
Hinnen und Frau Berly ergibt sich gegen-teils, dass die Genannte dem
Kläger in freier Entschliessung die 5 % % ihres Vermögens zugedacht hat.
Was den Inhalt der dem Kläger übertragenen Ver-

si richtungen anbetriift, verstösst er in keiner Weise gegen

die guten Sitten. Frau Meyerhof war vollständig bei, ihr früheres
Testament von 1903 zu vemichten, wie auch ihr Vermögen nach Luzern
verbringen zu lassen. Angefoehten werden könnten diese Vorkehren nur unter
dem Gesichtspunkte der Handlungsunfähigkeit, der aber nach dem in Erwägung
2 Ausgeführten wegfällt. In der Annahme des Schenkungsversprechens
und der Art der Schenkung kann daher eine Verletzung der guten Sitten
in rechtlich relevantem Sinne nicht erblickt werden, und es gelangt
deshalb das Bundesgericht mit der Vorinstanz zur Abweisung der Einrede
der Unsittlichkeit.

4. Der vom Beklagten endlich angerufene Art. 21
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 21 - 1 Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
1    Wird ein offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung durch einen Vertrag begründet, dessen Abschluss von dem einen Teil durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern herbeigeführt worden ist, so kann der Verletzte innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen.
2    Die Jahresfrist beginnt mit dem Abschluss des Vertrages.
OR, der, wie die
Vorinstanz mit Recht annimmt, auf die vorliegende Streitsache in
zwischenzeitlicher Hin-

176 ss Obligationenrecht. N° 31.

sicht grundsätzlich anwendbar wäre, trifft, abgesehen von der objektiven
Voraussetzung eines offenbaren Missverhältnisses zwischen der Leistung
und der Gegenleistung, die für sich allein die Rechtsbeständigkeit
des Versprechens nicht zu beeinträchtigen vermöchte (AS 43 II S. 806),
jedenfalls schon deshalb nicht zu, weil die in subjektiver Beziehung
gesetzlich verlangten Tatbestandsmerkmale Notlage, Unerfahrenheit
oder Leichtsinn nach dem was in den Akten liegt, insbesondere nach
dem Gutachten des Sanitätsrates des Kantons Luzern bei Frau Meyerhof
vollends fehlten.

5. si Was die Widerklage anbetrifft, ist sie mit der Vorinstanz als
unbegründet abzuweisen, da ein durch die Arrestnahme verursachter
Vermögensschaden in keiner Weise nachgewiesen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Luzern vom 4. Dezember 1920 bestätigt. -

31. Urteil der II. Zivilabteilnng vom 20. April 1921 i. S. Grfinzweig
gegen Hürlimann. '

Art. 41
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR : Haftung des M ilit àr s für in Ausübung der Dienstpflicht
verursachten Schaden. Art. 27
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
MO.

A. Am 6. Juni 1917 übernahm die Dragonerschwadron 18 unter dem Beklagten,
Hauptmann Hürlimann. den Grenzdienst bei der Ortschaft Benken und
wurde hiefür dem Kommandanten des Grenzdetachement Nordostschweiz
unterstellt. Die Aufgabe des Detachementes b;stand in der Beobachtung
der Vorgänge über der Grenze, in der Unterstützung der Zollorgane und
in der Kontrolle des Grenzverkehres.

ss Obligationenrecht. N' 31. ' 177

Auf Grund von Meldungen über starken nächtlichen, offenbar dem Schmuggel
dienenden Automobilverkehr aus der Gegend von Marthalen und Laufen bis
nach Elli ' kon gegen den Rhein hin, erhielt die Schwachen 18 den Befehl,
diesen Verkehr zu überwachen. Hauptmann Hürlimann ordnete darauf am
2. Juli 1917 die Aufstellung eines Unteroffizierspostens bei der Kreuzung
der Strassen Benken thiesen und Benken-Daehsen an. Dieser Posten erhielt
den Befehl, sich in drei Staffeln von ca. 50 m "Ähstand aufzustellen
und allfällig vorbeifahrende Automobile aufzubalten, und zwar sollten
die erste Staffel durch lautes Rufen, durch Zeichen und eventuell durch
Schreckschüsse, die zweite Staffel ebenfalls durch Rufen und eventuell
durch Schüsse auf Räder und Motor versuchen, die Fahrzeuge zum Stehen
zu bringen. Die dritte Staffel sodann hatte den Befehl, durch Schüsse
auf den untern Teil der Fahrzeuge und nötigenfalls auf die Insassen
die Wagen unbedingt anzuhalten. Die Organisation des Postens wurde dem
Feldweibel Tanner, das Kommando dem Korporal Bühler übertragen.

Am gleichen Nachmittage war dem Beklagten Hùrli-

_ mann der Befehl des Generalstabschefs über den Waffen-

gebraneh im Grenzdienst, vom 30. Juni 1917, zugegangen. Hürlimann
übergab ihn dem Feldweibel Tanner, der ihn seinerseits dem Korporal
Bühler teilweise vorlas und sodann aushändigte. Der Befehl hält in
Ziff. 1 die Art. 202. ff. des Dienstreglementes für die schweiz. Armee
aufrecht und gestattet in allen Fällen von Notwehr, tätlichem Angriff,
Bedrohung der Bewegungsfreiheit und Widerstand bei Ausführung von
Befehlen den Waffengebrauch. Ziff 2 sieht vor, dass Grenzposten und
Patrouillen allgemein bei Nacht, sofern ihnen sich nähernde Personen
nicht erkennbar seien und dem Rufe Halt l nicht Folge leisten, von
der Schusswaffe Gebrauch zu machen haben. Dagegen sollen nach Ziff. 3
die im Polizei-und Zollwachtdienst tätigen Posten gegenüber als solchen
erkennbaren Zivilpersonen von der Schusswaffe nicht Gebrauch machen, son-
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 47 II 166
Date : 19. April 1921
Published : 31. Dezember 1921
Source : Bundesgericht
Status : 47 II 166
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 166 Obligationenrecht. N° 30. grande liegt, ist das Bundesgericht an dieselbe gebunden,


Legislation register
MO: 27
OG: 57  81
OR: 21  41
BGE-register
39-II-190
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
defendant • federal court • lower instance • remuneration • question • testament • counter-performance • heir • counterclaim • hamlet • measure • custom • nullity • death • intention • correctness • lawyer • interest • 1919 • assets of a deceased person
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