68 staatsrecht-

Steuer unterliegen sollte, sondern ebensosehr auf dem allgemeinem
Gedanken, dass die getrennte Familienniederlassnng einen dem Wohnsitz
des Familienhanptes gleichwertigen steuerort zur Entstehung bringen
kann, woraus sich die Teilung der Steuerbereehtigung nicht nur für das
Erwerbseinkommen, sondern auch in Bezug auf Vermögen und Vermögensertrag
ergibt. (So wurde im Falle Depuoz, BGE 44 I Nr. 5, die Teilung nicht
sowohl deshalb abgelehnt, weil ausschliesslich die Vermögensbesteuerung
in Betracht kam, sondern vielmehr wesentlich deshalb, weil die besondere
Familienniederlassung keinen' dauernden Charakter hatte.)

Demnach erkenn-? das Bundesgericht :

Der Rekurs Wird dahin gutgeheissen, dass der Rekurrent in Krattigen für
sein Einkommen Il. Klasse und in Dornach für Vermögen und Einkommen nur
je zur Hälfte besteuert werden kann. -

10. Urteil vom 23. März 1921 i. S. Streifi' gegen Zürich und Bern.

Verbot der Doppelbesteuerung: Steuerdomizil des sogenannten
Sommerbewohners. Ein solches entsteht regelmässig nicht durch einen
Aufenthalt von 4 bis 5 Wochen in einem eigenen Chalet an einem
Saisonkurort.

A. Der Rekurrent Fritz streikf wohnt in AathaL Seegräbrn, Kanton
Zürich. Er besitzt seit 1917 ein Chalet in Wengen, Kanton Bern, das {er
im Jahre während 4 bis 5 Wochen bewohnt. _ Auch im Sommer 1919 hielt
er sieh mit seiner Familie während 30 bis 35 Tagen dort auf, wobei die
Mahlzeiten im Hotel eingenommen wurden. Gestützt auf Art. 17 Ziff. 2
des _bernischen Steuergesetzes vom 7. Juli 1913, wonach steuerpflichtig
PersonenDoppelbesteuerung N° 10. 69

sind, die sich, ohne Ausweispapiere zu deponieren oder sonstwie
Niederlassung zu erwerben, über 30 Tage im Jahr auf eigenem Grundbesitz
im Kanton aufhalten, wurde der Rekurreut in Wengen pro 1919 (abgesehen
von der Besteuerung für die Liegenschaft) steuerpflichtig erklärt
für ein Einkommen II. Klasse (aus Kapitalzinsen) von 5% Fr., indem
angenommen wurde, von dem Gesamteinkommen dieser Art des Rekurrenten
entfalle zeitlich jener Betrag auf den Aufenthalt in Wengen. Eine vom
Bekurrenten hiegegen ergriffene Beschwerde wurde von der kantonalen
Bekurskommission am 23. Oktober 1920 abgewiesen. Andererseits lehnte
es das kantonale Steueramt Zürich am 12. Januar 1921 ab, die in Wengen
zur Steuer herangezogenen 5000 Fr. von dem am Wohnsitz des Rekurrenten
steuerpflichtigen Gesamteinkommen abzuziehen

B. Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 14. Januar 1921 hat sieh streift beim
Bundesgericht wegen Doppelbesteuerung beschwert. Er verlangt in erster
Linie, es sei die Besteuerung in Wengen mit 5000 Fr. Einkommen II. Klasse
als unzulässig zu erklären, da durch den kurzen Aufenthalt in seinem
dortigen Chalet kein Steuerdomizil in Wengen begründet werde. Eventuell
wird verlangt, dass Zürich der Besteuerung in Wengen Rechnung zu tragen
habe durch eine entsprechende Kürzung des steuerpflichtigen Einkommens.

C. Der Regierungsrat Bern hat auf Abweisung des Rekurses, soweit er
sich gegen die Besteuerung in Wengen richtet, abgetragen. Er verweist
auf die erwähnte Bestimmung des kantonalen Steuergesetzes, nach der die
enge fochtene Bæteuerung in 'engen habe erfolgen müssen und die mit der
bundesrechtlichen Praxis betreffend das Verbot der Doppelbesteuerung
übereinstimme. Nach dieser begründe ein Aufenthalt ausserhalb des
Wohnsitzlrantons auf eigener Liegenschaft ein Steuerdomizil für die Zeit
des Aufenthaltes, sofern dadurch nach den begleitenden Umständen gewisse
iestere Beziehungen

70 Staatsrecht.

zwischen Person und Aufenthaltsort geschaffen werden. Das treffe für
den Aufenthalt des Rekurrenten in seinem Chalet in Wengen zu.

D. Der Regierungsrat Zürich hat beantragt, der Rekurrent sei als pro
1919 in Wengen nicht einkommenssteuerpflichtig zu erklären.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Nach der bundesrechtlichen Praxis betreffend das Verbot der
Doppelbesteuerung kann der Aufenthalt einer Person auf eigener
Liegenschaft ausserhalb ihres Wohnsitzes insieinem andern Kanton ein
Steuerdomizil in Bezug auf das bewegliche Vermögen und dessen Ertrag
zur Entstehung bringen. Es ist dann der Fall, wenn der Aufenthalt nach
seiner Dauer in Verbindung mit den begleitenden Umständen gewisse festere
Beziehungen Zwischen Person und Aufenthaltsort schafft, denen gegenüber
der Zusammenhang mit dem ordentlichen Wohnsitz mehr in den Hintergrund
tritt (BG-ESB I Nr. 115. vgl. auch 39 I Nr. 57). Dieses Steuerdomizil des
sogenannten Sommerhewohners bildet eine Ausnahme von der Regel, wonach
sich der allgemeine Steuerort einer Person im Kanton des bürgerlichen
Wohnsitzes befindet. Die bisherige Praxis hat ein festes zeitliches
Kriterium für die Besteuerung des Sommerhewohners nicht aufgestellt,
Während die neuem Entwürfe für ein Bundesgesetz gegen Doppelbesteuerung
einen ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens 90 Tagen verlangen
(Entwurf SPEISER vom Jahre 1901, Art. 4 Zeitschr. f. schweiz. Recht,
N. F. 21 S. 589; Entwurf BLUMENSTEIN vom Jahre 1914, Art. 3 Abs
2). Gewichtige Erwägungen der Rechtssicherheit würden dafür sprechen,
dass auch die Praxis das Steuerdomizil des Sommerbewohners von {einer
scharfen zeitlichen Grenze abhängig mache, wie 'denn auch schon in anderer
Beziehung für den Übergang des Steuerrechts von Kanton zu Kanton eine
feste zeitliche Minimaldauer der massgebenden örtlichen Beziehung

Doppelbesteuerung N° 10. 71

von der Praxis bestimmt worden ist (44 I 16 ff.). Und es dürfte dabei
für den Steuerort des Sommerbewohners die in den erwähnten Entwürfen
enthaltene Frist von 90 Tagen wohl unbedenklich übernommen werden. Doch
ist es im vorliegenden Fall nicht notwendig, diesen Schritt zu tun,
weil der Aufenthalt des Rekurrenten in Wengen schon nach den Merkmalen
der bisherigen Praxis dort kein Steuerdomizil begründen kann. Dazu
ist die Dauer des Aufenthaltes von nur 30 bis 35 Tagen von vornherein
viel zu kurz. Wenn das neue bernische Steuergesetz die Besteuerung
des Sommerbewohners auch für interkantonale Verhältnisse schon nach
einem Aufenthalt von 30 Tagen vorsieht, so ist es weit hinter dem
zurückgebliehen, was im Sinne der Praxis in zeitlicher Hinsicht
als Minimum verlangt werden muss. Schon wegen der kurzen Dauer des
Aufenthalts sind denn auch die übrigen Umstände des Falles durchaus
nicht geeignet, festere, dem Verhältnis zum Wohnsitz gegenüber
hervortretende Beziehungen des Rekurrenten zu Wengen und damit eine
dortige eigentliche wirtschaftliche Zugehörigkeit herzustellen, wie sie
allein das keineswegs unangefochtene und unanfeehtbare (s. die Kritik
SPEISER, Zeitschr. f. schweiz. Recht, N.F. 17 s.72 f.) Steuerdomizil
des Sommerbewohners zu rechtfertigen vermögen. Der kürzere Aufenthalt
einer Person an einem Saisonkurort steht, auch wenn dabei ein eigenes
Chalet benutzt wird, dem blossen Hotelanfenthalt nahe ; dies um so mehr,
wenn, wie es hier geschah, die Mahlzeiten im Hotel eingenommen werden,
und somit nur ein ganz beschränkter eigener Haushalt geführt wird. Ein
in solcher Weise im eigenen Chalet wohnender Sommeraufenthalter gehört
doch mehr nur zu der Kategorie wiederkehrender Knrgäste, und wirkliche
nähere Bande zum Orte werden durch den Aufenthalt, sofern er nicht sehr
lange dauert, erfahrungsgemäss und aller Regel nach nicht geknüpft. Dass
es beim Rekurrenten ausnahmsweise der Fall gewesen wäre, wird vom Regie-

72 Staatsrecht

rungsrat Bern nicht behauptet und ist nicht ersichtlich. Die Annahme eines
Steuerdomizils des Rekurrenten in Wengen unter den vorliegenden Umständen
widerspricht der ganzen Tendenz der neuern bundesgericht-lichen Praxis in
Doppelhesteuerungssachen, die gegen die Zersplitterung im Steuer-wesen
gerichtet und die daher, was das Steuerdomizil des Sommerbewohners als
Ausnahme vom allgemeinen Steuerort am bürgerlichen Wohnort anlangt. viel
eher einer Beschränkung, als einer Ausdehnung günstig ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs (wird dahin gutgeheissen, dass der Rel-mrrent in Wengen für
1919 nicht einkommenssteuerpfliehtig ist und der Entscheid der kantonalen
Rekurskommission des Kantons Bern vom 23. Oktober 1920 aufgehoben wird.

V. PRESSFRE IHEIT

LIBERTÉ DE LA PRESSE

11. nme de l'an-Stin 21 janvier 1921 dans la cause Gav-ary contre Ferrier.

Liberté de la presse: Pour déterminer le lieu de la commission du délit
de presse, il faut rechercher le siège des facteurs essentiels qui
ont eoncouru au résultat de la publicité. C'est ainsi que l'auteur,
domicilié à Genève, d'un pamphlet diifamatoire, imprimé à Lausanne,
peut etre poursuivi à Fribourg, lorsque cette ville se révéle comme le
centre véritable de la publication (brochures envoyées en paquets fei-més
à Fribourg et livrées à la publicité dans cette ville d'ou partaient les
ordres et au public de laquelle elles étaient essentiellement destinées).

Le 5 juin 1920, quelques magasins de la ville de Fribourg on?: vendu un
pamphlet intitulé Le Nouveau.Pressfreikeit. N° li. 73"--

-Chalamala 1920 qui prend à partie plusieurs magistrats 'frihourgeois. La
première page de cette brochure porte

la mention Lausanne, édition Chalamala , 3 rue des Jumelles et la
dernière page de la couverture, celle de Lausanne, imp. Fr. Ruedi,
3 Jumelles .

S'estimant visé par un des articles, M. Ernest Ferrier, Conseiller d'Etat
à Fribourg, déposa le '? juin 1920, à la Préfecture de la Sarine, une
plainte pénale contre inconnus pour diffamation. L'enquète révéla que
l'auteur était Léon Savary.

Le Conseil d'Etat fribourgeois demanda son extra-dition a_u Conseil
d'Etat genevois, qui l'aecorda. Le procàs verbal de l'interrogation de
Savary porte sa signature et entre autres déclarations la suivante :
Je consens à mon extradition.

A la première audience du Tribunal correctionnei de la Sarine, I'accusé
souleva le déclinatoire, en alléguant que le for du délit se trouvait
au domieile de l'auteurss de l'article (Genève) ou au lieu de l'édition
du Chalamala (Lausanne).

Par jugement du 17 juillet 1920, le Tribunal correctionnel de la Sarine,
qui s'était declare competent parjugement ineident du '? juillet,
condamna Savary à trois mois d'emprisonnement pour calomnie publique.

" Savary recourut à la Cour de eassation fribourgeoise contre les
jugements des 7 et 1? juillet 1920. La Cour a réjeté le pourvoi par
arrét du 7 aoùt 1920.

Contre les jugements du Tribunal eorrectionnel et i'arrét de la courde
cassation, Savary a formé un recours de droit public au Tribunal fédéral.

Conside'raiion en droit :

4. Le principal moyen du recourant consiste à dire que, le for en
matière de délit de presse étant déterminé par le lieu où la brochure
en question a été imprimée et émise et d'où elle a été expediée, les
tribunaux fribourgeois, en se declarant competente, ont viole
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 47 I 68
Datum : 23. März 1921
Publiziert : 31. Dezember 1921
Quelle : Bundesgericht
Status : 47 I 68
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 68 staatsrecht- Steuer unterliegen sollte, sondern ebensosehr auf dem allgemeinem


BGE Register
44-I-11
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
doppelbesteuerung • tag • bundesgericht • lausanne • 1919 • presse • dauer • weiler • ausserhalb • aufenthaltsort • regierungsrat • kantonales steuergesetz • wirtschaftliche zugehörigkeit • entscheid • begründung des entscheids • berechnung • treffen • gewicht • bewegliches vermögen • gleichwertigkeit
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