530 Strafrecht.

müssen, da nur für einen Passagier ein richtiger Sitz vorhanden ist,
für die Auffassung der Vorinstanz ; und mit derselben lässt sich auch die
unbestrittene Tat ' sache vereinbaren, dass der Kassationsbeklagte sei es
aus freien Stücken, sei es kraft einer kantonalrecht-lichen Vorschrift,
da nichtkonzessionierte'! Transportunternehmungen laut Art. 9 Abs. 2
PostG der Aufsicht der Kantone unterliegen eine Haitpflichtversicherung
abgeschlossen hat. Wie dem sei, verletzt bei dem gegenwärtigen Stande
der Bundesgesetzgebung über das Postregal und die Konzessionspflicht
das angefochtene Urteil keine bundesrechtliche Vorschrift.

Demnach erkennt der Kassationshof: Die Kassationsbeschwerde wird
abgewiesen.

C. BXPROPZHTIONSBECHT EXPROPRIATION

65. Urteil vom 29. Dezember 1921 i. S. Reinert gegen Einwohnergemeinde
Luzern. Rückforderung abgetretener Rechte nach Art. 47 ExprG. Bestimmung
des Enteignungszwecks. Die Rückforderung eines entcigneten Grundstücks,
das bereits dauernd dem Enteignungszweck gedient hat, ist ausgeschlossen,
auch wenn es nachträglich vom Exproprianten veräussert werden

Will. Enteignung einer Liegenschaft zum Zwecke der Ver-

wendung für Truppenühungen ; die Erreichung dieses Zweckes

wird durch eine Verpachtung der Liegenschaft nicht ausgeschlossen.

A. Am 30. April 1908 richtete der Stadtrat von Luzern eine Eingabe an
das eidgenössische Militärdepartement, worin er darauf aufmerksam machte,
dass für die in Luzern zu mobilisierenden Einheiten der Artillerie, des
Genie und der Kavallerie die nötigen Staliungen fehlten, und das Gesuch
stellte, der Bund möchte der Stadt Luzern die Anlagekosten der auf der
Alimenti (dem Exerzierfeid) zu erstellenden Pferdeund FourageKasernemente
verzinsen. Nachdem dann auch das kantonale Mihtärdepartement in
einem Schreiben vom 9. Mai 1908 die schon früher behandelte Frage
der Verlegung der dem Kanton gehörenden Militäranstalten nach der
Allmend bei den Bundesbehörden Wieder aufgeworfen hatte, erwiderte das
eidg. Militärdepartement dem Stadtrat am 30. Juni n. a. was folgt: Auf
Ihre Zuschrift vom 30. April abhin, beehren wir uns Ihnen mitzuteilen,
dass wir die Abteilung für Infanterie und das Oherkriegskommissariat
beauftragt haben, die Frage der Erweiterung der Allmend des Waffenplatzes
Luzern zu prüfen, damit eventuell für die Erstellung von Stal--

32 Exprepriationsrecht. N° 65.

(7!

-

rungen und Kasernenbauten das erforderliche Land erworben werden
kann. Die beiden Abteilungen haben _ ausserdem zu prüfen, in welchem
Umfange den Bedürfnissen des Waffenplatzes Rechnung zu tragen sei und
was für Einrichtungen dringlich sind und zuerst zu er-stellen wären. Es
ist notwendig, dass alle Fragen vom Gesichtspunkte der Gesamtanlage aus
begutachtet werden. Am genannten Tage fand ausserdem eine Konferenz
zwischen Beamten des eidgenössischen Militärdepartementes und Mitgliedern
der kantonalen und städtischen Behörden statt. Hiebei einigte man
sich darüber, dass zum Zwecke der Erweiterung des Waffenplatzes das
an die Allmend anstossende Gelände zwischen der alten und der neuen
Horwerstrasse, darunter die damals dem Kläger gehörende Liegenschaft
Hubelmatt , enteignet werden solle. Es wurde betont, dass dies rasch
geschehen müsse, weil ein Verkauf der Hubelmatt in Aussicht stehe. Der
Vertreter des Kantons wies darauf hin. dass es am besten wäre, sämtliche
Militäranstalten, insbesondere auch die Kaserne, nach der Allmend
zu verlegen ; hierüber kam jedoch noch keine Einigung zustande. Der
Kreisinstruktor (Oberst Hintermann) erklärte, dass darüber später noch
verhandelt werden könne, und sprach die Ansicht aus, dass die Enteignung
die Möglichkeit feldmässiger Ausbildung der Truppen verbessere. Der
Stadtrat von Luzern ersuchte dann im November 1908 den Grossen Stadtrat um
die Ermächtigung zur Durchführung der Expropriation. Dabei berichtete er
über die Konferenz vom 30. Juni 1908 was folgt : Bei dieser Besprechung
wurde allgemein und namentlich auch von den Vertretern des Bundes die
Bedürfnisfrage bezüglich besserer Kasernemente in Luzern bejaht Aber als
der Erstellung der Neubauten vorgängig, wurde die absolute Notwendigkeit
einer Erweiterung des Waifenplatzgebietes auf der Allmend betont. Das
neue Exerzierreglement verlangt möglichst feldmässige Ausbildung der
Truppen und Will die Militärühnngen mehr und mehr ins Gelände verlegt wis-

Expropriationsrecht. N° 65. 533

sen. Neue Bauten auf dem bisherigen Gebiete der Allmend ohne eine
Erweiterung des letztem, würden die übenden Truppen noch mehr einengen ;
das Gebiet muss unbedingt erweitert werden. Ist einmal die Erweiterung
durchgeführt, so wird sich der Bund schlüssig machen über die zu
erstellenden Neubauten. Als Liegenschaften und Grundstücke, die dem
Waffenplatzgebiete angefügt und welche zum Teil für Erstellung der
neuen Kasernemente in Aussicht genommen werden sollen, wurden durch die
Konferenz bezeichnet Im übrigen ist aus dem Bericht des Stadtrates
folgendes hervorzuheben: Der Erstele lung von neuen Stallungen,
Mannschaftskantonnementen und Magazinen vorgängig, ist die Erweiterung des
Waffenplatzes auf der Allmend im vorbezeichneten Umfange nötig, einerseits
um dadurch die Möglichkeit feldmässiger Ausbildung der Truppen zu
schaffen, andererseits um der Gemeinde das Terrain zu sichern zur späteren
Erstellung von Neubauten. Die Frage der Erstellung von Neubauten auf der
Allmend zu militärischen Zwecken soll später ihre besondere Erledigung
finden. Schon mit Schreiben vom BI. Juli 1908 hatte der Stadtrat auf
Grund eines Beschlusses des Bundesrates vom 24. Juli dem Kläger angezeigt,
dass er von ihm im ausserordentlichen Yerfahren nach Art. 18 ff. ExpG zum
Zwecke der Erweiterung des Waffenplatzes die Abtretung des Eigentums
an der Liegenschaft Hubelmatt verlange. Diese liegt östlich der neuen
Strasse Luzern Horw und südöstlich der Moosmattstrasse im Winkel, den die
beiden Strassen mit einander bilden, und zwar da, wo die zuerst erwähnte
Strasse, von Luzern herkommend, damals das Exemierfeld des Waffenplatzes,
das sie in der Folge durchschnitt, in seinem westlichen Teile zu berühren
begann. Die a Hubelmatt war vom östlich der Strasse befindlichen
Teil des Exerzierfeldes durch das Land anderer Eigentümer getrennt,
das ebenfalls enteignet werden sollte, sodass dann die Allmend mit dem
neu erworbenen Gebiete zu einem abgerundeten Ganzen wurde. Die Hu-

534 Expropriationsreeht. N° 65.

belmatt v besteht zum grossen Teil aus einem 20 bis 30 Meter hohen Hügel,
der gegen die Moosmattstrasse und die Hor _ werstrasse zu ziemlich
steil abfällt. Der Kläger bestritt, zur Abtretung seines Eigentums
verpflichtet zu sein; der Einspruch wurde jedoch vom Bundesrate am
5. Februar 1909 mit dem Hinweis darauf abgewiesen, dass die Enteignung
der Hubelmatt zur Erweiterung und zweckmässigen Ausgestaltung des
Waffenplatzes notwendig sei. Das Bundesgericht sprach dem Kläger für die
etwa 43,000 m2 umfassende Liegenschaft durch Urteil vom 13. Dezember
1910 eine Expropriationsentschädigung von ungefähr 230,000 Fr. zu;
dem an der Moosmattstrasse liegenden Teil von 3600 m2 wurde dabei ein
Wert von 14 Fr. für den Quadratmeter beigemessen. Die Hubelmatt wird
seit der Enteignung wie schon vorher von einem Pächter bewirtschaftet;
nach dem zwischen dem Stadtrat von Luzern und dem gegenwärtigen Pächter
abgeschlossenen Vertrage vom 14. Dezember 1912 (Ziff. 6) kann sie als
Bestandteil des Waffenplatzes jederzeit für Truppenühungen benützt
werden; für daraus entstehenden Kulturschaden hat der Pächter Anspruch
auf vollen Ersatz.

Am 18. Juni 1919 teilte der Stadtrat von Luzern dem eidgenössischen
Militärdepartement mit, dass infolge der Wohnungsnot von
Baugenossenschaften die Überhauung des an der Moosmattstrasse liegenden
Teiles der Hubelmatt in Aussicht genommen werde, und fragte, ob und
unter welchen Bedingungen Land aus dem Waffenplatzvertragsverhältnis mit
dem Bund Heutlassen werden und ins freie Verfügungsrecht der Gemeinde
übergehen könnte . Das Militärdepartement erklärte sich nur teilweise mit
der Überbauung des Landes an der Moosmattstrasse einverstanden; es erhob
Einspruch dagegen, dass der gegen die Horwerstrasse zu liegende Teil
dieses Landes dem Vaffenplatz ent-fremdet werde, indem es dem Stadtrat
am 4. August 1919 schrieb: solange für Luzern auf die neuen Militär-

Expropriationsrecht. N° 65. 585

bauten nicht definitiv verzichtet werden kann, müssen die hiefür
vorgesehenen Liegenschaften Hubelmatt und Hummelrütl, und zwar nach dem
bestehenden Projekt reserviert werden ; gleichzeitig kann aber auch
keine Rede davon sein, dass man den Raum zwischen der Westfront der
projektierten Kaserne und der Moosmattstrasse durch die vorgesehenen
neuen Bauten Nr. 4 und 5 absperrt. Dagegen erteilen wir hiermit die
Bewilligung für die Bebauung des für die in der Planskizze mit 1,
2 und 3 eingezeichneten Bauten benötigten Terrains. Am 23. August
erklärte dann das Militärdepartement nochmals, dass es die Bewilligung
erteile, die fragliche Bauparzelle im Ausmass von zirka 3250 m2 dauernd
zu Wohnbauzwecken in Anspruch zu nehmen. Infolgedessen verpflichtete
sich die Einwohnergemeinde Luzern durch Vertrag vom 22. November 1919,
dieses Land der Baugenossenschaft der Stadt Luzern zum Preise von 10
Fr. für den Quadratmeter abzutreten.

B. Am lli-Juli 1920 hat Reinert beim Bundesgerichte gegen die
Einwohnergemeinde Luzern Klage erhoben, indem er folgende Anträge stellt :
1. Die Beklagte

sei, gestützt auf Art. 47 des BG betreffend die Verbind-

lichkeitzurAbtretung von Privatrechten, schuldig und zu verurteilen, dem
Kläger gegen Rückerstattung eines richterlich zu bestimmenden Betrages der
dafür erhaltenen Entschädigungssumme zurückzugeben eine Parzelle Bauland
an der Moosmattstrasse, haltend 3600 m2, welche der Baugenossenschaft
der Stadt Luzern, für Erstellung von drei Doppelwohnhäusern gemäss
aufgelegten Plänen, zur Verfügung gestellt werden soll. 2. Der Kläger
sei, da die Beklagte diese Parzelle zu einem Einheitspreis von 10
Fr. weiterzuveräussem beabsichtigt, berechtigt, die Rückerstattung um
diesen niedern Preis zu verlangen. 3. Die Beklagte sei zu sämtlichen
gerichtlichen und aussergerichtlichen Kosten zu verurteilen.

Zur Begründung wird ausgeführt : Die Hubelmatt sei deswegen enteignet
worden, weil man darauf eine

536 Expropriationsreoht. N° 65.

neue Kaserne mit Stallungen und Magazinen habe errichten wollen. Nun sei
aber dieses Projekt weder innert _ der in Art. 47 EXpG vorgesehenen Frist
von zwei Jahren noch seither ausgeführt, sondern offenbar fallen gelassen
worden. Eine Verwendung der Liegenschaft für den Expropriationszweck
habe somit nicht stattgefunden. Dies wäre zudem auch dann anzunehmen,
wenn sie zu beliebigen militärischen Zwecken, z. B. um als Übungsplatz
zu dienen, enteignet worden Wäre ; denn es finde darauf nach wie vor der
Expropriation ein landwirtschaftlicher Betrieb statt. Änderungen, die auf
eine Verwendung zu militärischen Zwecken schliessen liessen, seien daran
nicht vorgenommen worden. Wenn man hin und wieder auf der Liegenschaft
militärische Übungen abgehalten habe, so sei das nur vorübergehend
geschehen und in einer Weise, wie es sich jeder Grundeigentümer nach
Art. 33 der Militärorganisation gefallen lassen müsste. Schon vor der
Expropriation hätten solche militärischen Übungen auf der Hubelmatt
stattgefunden. Auf jeden Fall sei das Bauland an der Moosmattstrasse
durch die Verfügung des eidgenössischen Militärdepartementes vom August
1919 definitiv dem Expmpriationszweck entfrerndet Werden, weil man für
die Ausführung des Kasernenbauprojektes dessen nicht bedürfe. Dem Kläger
stehe somit in Beziehung auf dieses Land ein Rückforderungsrecht nach
Art. 47 ExpG zu, und zwar könne er die Rückgabezum Preise von 10 Fr. für
den Quadratmeter verlangen, da das Land um diesen Preis von der Beklagten
veräussert werden wolle.

C. Die Einwohnergemeinde Luzern hat Abweisung der Klage unter Kostenfolge
beantragt, indem sie ausführt : Die Hubelmatt sei nicht speziell
für die Errichtung von Bauten, sondern allgemein für militärische
Zwecke expropriiert und diesen auch dauernd dienstbar gemacht worden,
indem sie als Gelände für militärische Übungen Verwendung gefunden
habe. Infolgedessen sei eine Rückforderung ausgeschlossen, selbst wenn die

Expropriationsrecht. N° 65. 537

Liegenschaft heute nicht mehr dem Zwecke diente, für den sie enteignet
wurde.

D. Mit Eingabe vom 30. September 1921 hat der Vertreter der Beklagten
erklärt: Gemäss Erklärung der Baugenossenschaft der Stadt Luzern ist das
Bauprojekt betreffend Wohnhaushauten an der Moosmattstrasse, wozu der
im Streite liegende Baulandstreifen von der Stadtgemeinde Luzern an die
Baugenossenschaft abgetreten worden war, infolge Inanspruchnahme anderen
Baulandes fallen gelassen und der Kaufvertrag zwischen der Stadtgemeinde
und der Baugenossenschaft aufgehoben worden. Die vorliegende streitsache
ist daher gegenstandslos geworden, weshalb der Kläger aufzufordern ist,
seine Klage gegen die Einwohnergemeinde Luzern zurückzuziehen, eventuell
das Bundesgericht den Prozess abzuschreiben hat.

E. Der Kläger bestreitet, dass mit der Aufhebung des zwischen der
Beklagten und der Baugenossenschaft abgeschlossenen 'Vertrages die Klage
gegenstandslos geworden sei, und behauptet zudem, dass diese Aufhebung
als neue Tatsache nicht mehr berücksichtigt

werden dürfe.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

· 1. Das Bundesgericht ist zur Beurteilung der vorhegenden Klage nach
Art. 47 Abs. 4 ExpG und 50 Ziff. 8 OG zuständig.

2.Derjenige der ein Recht nach Art. 1 ExpG abtreten musste, kann dieses
nach Art. 47 dann zurücktordérn, wenn es zu einem andern Zwecke als zu
demjenigen, zu dem es abgetreten worden ist, verwendet werden will oder
binnen zwei Jahren nach der Abtretung zu dem mit dieser verfolgten Zweck
ohne hinreichende Gründe nicht benützt werden ist oder das öffentliche
Werk, für das die Abtretung erfolgte, überhaupt nicht ausgeführt wird.
Der Zurückfordernde muss für die Wiedererlangung seines Rechtes die
erhaltene Entschädigung zurückgeben ;

538 _Expropriationsrecht. N° 65.

wenn aber das Recht um einen niedrigem Betrag vom Exproprianten veräussert
werden wollte, braucht er bloss diesen Betrag zu bezahlen. Dieser Regelung
liegt der · Gedanke zu Grunde, dass nur aus Gründen des öffentlichen
Wohles Privatrechte enteignet werden dürfen und daher, wenn sich nach
einer Expropriation das zu ihrer Begründung angeführte öffentliche
Interesse, also ihr wesentlicher Grund und Zweck, als hinfällig erweist,
der Expropriat unter gewissen Voraussetzungen berechtigt sein muss,
das enteignete Recht zurückzufordern.

Zweck der Enteignung der Hubelmatt war nach der Anzeige des
Stadtrates an den Kläger, womit diesem gegenüber nach Art. 18 ExpG das
Enteignungsrecht geltend gemacht und das hiefür vorgesehene Verfahren
eingeleitet wurde, die Erweiterung des Waffenplatzes ; diese Angabe
entsprach dem Schreiben des eidgenössischen Militärdepartements
vom 28. Juli 1908, wodurch dem Stadtrat mitgeteilt wurde, dass der
Bundesrat die Gemeinde Luzern ermächtigt habe, für den angegebenen
Zweck das ausserordentliche Expropriationsverfahren anzuwenden. Auch in
seinem Entscheid vom 5. Februar 1909 über die Pflicht des Klägers zur
Abtretung hat der Bundesrat deren Zweck in wesentlich gleicher Weise
bestimmt. Dem Kläger gegenüber war damit in verbindlicher Weise erklärt
worden, dass die Hubelmatt allgemein für die militärischen Bedürfnisse
des Waffenplatzes verwendet werden solle ; eine Eröffnung, dass sie für
bestimmte spezielle Zwecke zu dienen habe, nämlich für die Verlegung der
dem Kanton gehörenden Militäranstalten (Kaserne, Stallungen, Zeughaus,
Magazine) oder zum Bau von Unterkunftsräumen für die Mobilisierungen,
die von der Stadt zur Verfügung zu stellen waren, erhielt der Kläger
nicht, und es stand auch unter den Beteiligten entgegen seiner Behauptung
keineswegs fest, dass die Liegenschaft lediglich deshalb enteignet wurde,
damit man darauf die erwähnten Bauten errichten könne. Allerdings geht
aus den Akten, insbesondere auch

Expropriationsrecht. N° 65. 539

aus denjenigen, die das kantonale Militärdepartement vorgelegt hat, sowie
aus den Aussagen der Zeugen Regierungsrat Walther und Oberst Hintern-rann
hervor, dass schon vor dem Jahre 1908 die bisher für militärische Zwecke
dienenden Gebäude in Luzern denAnforderungen, die in Beziehung auf
Hygiene, Grösse und Verteilung der Räume an sie gestellt werden mussten,
nicht genügten und dieser Umstand, der zu Vielen Klagen Anlass gab,
das kantonale Militärdepartement und den Kreisinstruktor veranlasste,
die Verlegung der Kaserne und der andern Militäranstalten nach der
Allmend auzuregen. Dieses Projekt, sowie der Plan des Stadtrates, auf der
Allmend Pferdeund Fouragekasernemente für die mobilisierenden Truppen
zu erstellen, gaben den unmittelbaren und hauptsächlichen Anstoss zur
Konferenz vom 30. Juni 1908, die sich mit Rücksicht auf den drohenden
Verkauf der Hubelmatt für deren sofortige Enteignung zum Zwecke der
Erweiterung des Waffenplatzgebietes aussprach. Auch im Schreiben des
eidgenössischen Militärdepartements an den Stadtrat vom gleichen Tage
wird von dieser Erweiterung zum Zwecke der Erstellung von Stallungen und
Kasernenbauten gesprochen. Allein das Protokoll der erwähnten Konferenz,
sowie der Bericht des Stadtrates an den Grossen Stadtrat vom 19. November
1908 zeigen deutlich, dass man sich damals über die Erstellung von
Neubauten auf der Allmend noch nicht vollständig einigen konnte und
deshalb dieses Projekt nicht der einzige Zweck der Erweiterung des
Waffenplatzgebietes und damit der Enteignung war. Vielmehr wurde betont,
dass diese sich schon deshalb rechtfertige, weil sie das Übungsgelände
vergrössere und damit die Möglichkeit feldmässiger Truppenausbildung
verbessere. Das wird auch durch die Aussagen der Zeugen Regierungsrat
Walther, alt Stadtrat Schnyder, Oberst Hintermann (früher Kreisinstruktor
in Luzern) und Oberst Mezener bestätigt. Es liegt übrigens auf der Hand,
dass die Vergrösserung des Übungsgeländes durch Erwerhung der

549 Expropriationsrecht. N ° 65.

Hubelmatt für taktische Übungen der Infanterie und der Mitrailleure
erhebliche Vorteile hot, weil die ge_ nannte Liegenschaft einen Hügel
bildet, der die daneben liegende ebene Allmend beherrscht.

3. Ist somit davon auszugehen, dass die Enteignung der Hubelmatt
allgemein zur Erweiterung des militärischen Bedürfnissen dienenden
Waffenplatzgebietes erfolgte, und man dabei nicht bloss die Gewinnung
des für Neubauten nötigen Areals, sondern zugleich eine vorteilhafte
Vergrösserung und Abrundung des Übungsgeländes als zunächst liegenden
Zweck im Auge hatte, so ergibt sich weiter, dass die Hubelmatt auch
tatsächlich dem Enteignungszweck dauernd gewidmet worden ist.

Aus den Aussagen der Pächter (Wey, Koller und Gut; mann) und der
Instruktionsoffiziere, die in der in Frage stehenden Zeit in Luzern
tätig waren (l-lintermann, Käppeli und Hartmann), ist zu schliessen,
dass auf der Hubelmatt seit der Enteignung alljährlich oft militärische
Übungen vorgenommen wurden. Wenn auch mit der Zeit die Benützung zu diesem
Zwecke etwas zurückging, so steht doch fest, dass die Liegenschakt in
den ersten Jahren nach der Expropriatjon häufig für Truppenübungen diente
und dass insbesondere auch jeweilen über das Land an der Moosmattstrasse
Infanterie gegen den Hügel der Hubelmatt entwickelt wurde. Zudem gingen
die Mitrailleure, so oft sie in Luzern waren, zu ihrer feldmässigen
Ausbildung meistens auf die Hubelmatt . Es ist somit anzunehmen, dass
diese, insbesondere auch der an der Moosmattstrasse liegende Teil,
vom Zeitpunkt der Enteignung an dauernd, nicht bloss vorübergehend,
als Gelände für militärische Übungen Verwendung gefunden hat. Allerdings
wurde sie infolge der Verpachtung und der damit verbundenen intensiven
Bewirtschaftung nicht gleich häufig wie das übrige Exerzierfeld von den
Truppen betreten; hieraus lässt sich aber nicht schliessen, dass sie
dem Zwecke, als Übungs-

Expropriationsrecht. N° 65. 541 s

gelände zu dienen, nicht dauernd dienstbar gemacht worden sei. Jedenfalls
wurde sie im allgemeinen für militarisehe Übungen mehr henützt, als das
Land anderer privater Eigentümer, das in der Regel nur ausnahms-weise
für Truppenübungen in Anspruch genommen wird, und das war auch im
Pachtvertrage vorgesehen, indem dieser das Land als Bestandteil des
Waffenplatzes, der jederzeit für militärische Übungen verwendet werden
könne, bezeichnet. Man fand es überdies mit Rücksicht . auf diese
Zweckbestimmung für nötig, den Pächter ausdrücklich zur Duldung solcher
Übungen gegen Entschädigung zu verpflichten, setzte aber dabei entgegen
der Behauptung des Klägers keineswegs fest, dass ihm jeweilen vorher eine
Anzeige gemacht werden müsse. Eine in gewissen Grenzen sich haltende
Verwendung der Hubelmatt zu militärischen Übungen ist auch mit einer
zweckmässigen und rentablen Bewirtschaftung durchaus vereinbar, zumal
da dem Pächter der allenfalls entstehende schaden ersetzt werden muss.

4. Da die Hubelmatt dauernd dem Enteignungszweck gedient hat, so steht
dem Kläger nach der bundes-

gerichtlichen Praxis ein Rückforderungsrecht im Sinne

des Art. 47 ExpG auch dann nicht mehr zu, wenn sie nachträglich für einen
andern Zweck verwendet, insbesondere hieiür veräussert werden Will, wie
es im vorliegenden Fall mit dem Bauland an der Moosmattstrasse geschehen
ist (vgl. AS5 8.255 ff. u.366;41 I s.345; KÖNIG, Rückforderungsrecht in
Zeitschr. des bern. Jun-Ver. XI S. 72 ff.; SIEBER, Expropriation S. 181
ff.). Hieran ändert der Umstand nichts, dass die Erwerbung derljegenschaft
auch zur Erstellung militärischer Bauten vorgesehen war, dieser Zweck
aber bis jetzt nicht erfüllt worden ist ; es genügt, dass der Zweck
der Expropriation wenigstens nach einer Richtung hin erreicht wurde
(vgl. AS 25 II

8
.737).

Übrigens hat man das Projekt der Erstellung von Neubauten auf der
Hubelmatt , wie sich aus dem

542 Expropriationsrecht. N° 65.

Schreiben des eidgenössischen Militärdepartementes an den Stadtrat
vom 4. August 1919 ergibt, nicht fallen _ lassen; seine Ausführung ist
hiess wegen des Krieges und der dadurch herbeigeführten Verschlechterung
der Finanzlage des Bundes vorläufig verschoben worden. Es könnte sich
zudem fragen, ob das Bauland an der Moosmattstrasse überhaupt jemals
für militärische Bauten in Aussicht genommen und daher diesem Zwecke
durch den beabsichtigten Verkauf entfremdet werden sei ; doch kann dies
angesichts der erwähnten Rechtslage dahingestellt bleiben.

Die Klage erweist sich demnach als unbegründet, und es braucht
nicht noch geprüft zu werden, ob die Beklagte der Klage, selbst wenn
diese ursprünglich wegen des zwischen ihr und der Baugenossenschaft
abgeschlossenen Vertrages über die Abtretung des Landes an der
Moosmattstrasse begründet gewesen wäre, doch dadurch den Boden entzogen
hätte, dass sie im Einverständnis mit der Baugenossenschaft den genannten
Vertrag aufhob.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Klage wird abgewiesen.

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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 47 I 531
Datum : 29. Dezember 1921
Publiziert : 31. Dezember 1921
Quelle : Bundesgericht
Status : 47 I 531
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 530 Strafrecht. müssen, da nur für einen Passagier ein richtiger Sitz vorhanden


Gesetzesregister
OG: 50
BGE Register
25-II-1
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
enteigneter • militärische übung • beklagter • frage • bundesgericht • bauland • weiler • 1919 • bundesrat • wille • gemeinde • infanterie • militärische anlage • terrain • entscheid • enteignung • bestandteil • zeuge • sprache • regierungsrat
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