SGS . Staatsrecht.

amt sei bisher dureh'die Kirchencrdnung, nicht durch die Verfassung
ausgeschlossen gewesen, so ist es nunmehr Sache der Staatlichen
Gesetzgebung, die Wähl' barkeit einzuführen. Dabei stünde wohl
nichts entgegen, .dass das Gesetz die Kompetenz dazu den kirchlichen
Behörden delegieren würde. Es bedürfte dazu aber einer besonderen
neuen gesetzlichen Vorschrift. Das Kirchengesetz, das in § 54 die
Vählbarkeitsbedingungen der Pfarrer der Kirchenordnung zuweist, ist zu
einer Zeit entstanden, da von einer Zulassung der Frauen zum Pfarramt,
' die wenigstens für schweizerische Verhältnisse eine durchaus neue
Tendenz darstellt, noch keine Rede war. Selbst wenn man daher die darin
enthaltene Ermächtigung nicht nur auf die berufliche Befähigung, sondern
auch auf die sonstigen Voraussetzungen der Wählbarkeit bezieht, so kann
sie doch nicht auf die Frage der Zulassung der Frauen erstreckt werden,
an die man damals nicht dachte und für die eine solche Ermächtigung
gewiss nicht (I'teilt worden wäre. Von dieser Auffassung sind denn auch,
wie aus Fakt. HI obenhervorgeht, bisher alle Teile, bis zumvstreitigen
Beschlüsse vom 2. März 1921 auch die Kirchensynode ausgegangen.

"6. Wenn 'die Rekurrenten demgegenüber auf die abweichende Behandlung
der Lehrerinen verweisen, so ist einmal festzustellen, dass hier die
Rechtslage von'vorneherein insofern eine'andere war, als schon vor der
Verfassung von 1869 die Verwendung weiblicher Lehrkräfte wenigstens in der
Stadt Zürich üblich und für das Gebiet dieser durch das Unterrichtsgesetz
von 1860 ausdrücklich gebilligt worden war. Es liess sich daher die
Ausdehnung der Zulassung auch auf den Kanton schon mit dem Gebote
der Rechtsgleichheit rechtfertigen, da für eine verschiedene Lösung der
Frage in Bezug auf die Stadt und die übrigen Gemeinden des Kantons inder
Tat innere Gründe nicht ersichtlich sind. Wollte man aber dieser Argumen--

Interkant. Verkehr mit Motorfahrrädern u. Fahrzeugen. N° 62. 509

tation nicht beistimmen, so wäre "zu sagen, dass man in dieser Beziehung,
da die Gründe, welche dafür sprechen, das Pfarramt zu den Aemtern im
Sinne der Art. 16 bis 18 KV zurechnen, an sich in gleichem, wenn nicht
in verstärktem Masse für das Lehramt zutreffen, vor einem anormalen,
formell mit der Verfassung nicht übereinstimmenden Zustande steht. Aus
einem solchen kann aber ein Anspruch darauf, dass die gleiche Entbindung
von den verfassungsreehtlichen Beschränkungen und Erfordernissen auch
noch für weitere öffentliche Stellen gewährt werde, nicht hergeleitet
werden. Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV gibt dem Bürger nur ein Recht auf gleiche Be-handlung
gemäss und nicht entgegen dem Gesetz.

Demnach erkennt das Bundesgerirhi : Die Beschwerde wird abgewiesen.

VI. INTERKANTONALEB VERKEHR MIT MOTORFAHRZEUGEN UND FAHRRÄDERN

CIRCULATION INTERCANTONALE DES VÉHICULES AUTOMOBILES ET DES CYCLES

62. Urteil vom 17. Dezember 1921 i. S. Luzern gegen Aargau.

Art. 20
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
Konkordat betr. den Verkehr mit Motoriahrzeugen vom 7. April
1914, 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV. Zuständig zur Ausstellung der Verkehrsbewilligung
für ein Motorfahrzeug und damit zunächst auch zu dessen Besteuerung
ist der Kanton des ordentlichen Standortes des Fahrzeuges und nicht des
Vohnsitzes des Eigentümers. ·

A. Die Aktiengesellschaft Ziegelwerke Horw-'Gett--

nau-Muri mit Sitz in Horw und Fabriken in Gettnau und Muri wurde anfangs
1921 vom Bezirksamt Muri

510 Stimmrecht.

aufgefordert, pro 1921 die interkantonale Verkehrsbewilligung im Sinne
von Art. 7, 8, 20 des Automobilkcnkordates vom 7. April 1914 für einen im
Zweig betriebe Muri verwendeten Motorlastwagen dort zu lösen, weigerte
sich aber mit Briefen vom 6; und 20. Januar 1921 dies zu tun, indem sie
den Standpunkt einnahm, dass zuständig zur Ausstellung ihres Erachtens
der Kanton des Firmasitzes, aiso Luzern sei, wo sie die Bewiliigung
denn auch schon eingeholt habe, und beifügte: der Wagen werde übrigens
nur vorübergehend in Muri beschäftigt, seit der Zerstörung der Horwer
Fabrik durch Brand (im August 1920) allerdings etwas mehr als in Horw;
sobald diese Fabrik wieder aufgebaut ist, wird er sich aber zum grössten
Teile hier befinden _und auch schon während der Bauzeit. Auf Weisung
der aargauischen Polizeidirektion hielt das Bezirksamt Muri am 20. Mai
1921 die Firma nochmals an, unverzüglich dies Fahrbewiiligung im Kanton
Aargau zu lösen und die bezüglichen Taxen zu bezahlen, und verbot ihr
bis dahin die Verwendung des Wagens im Bezirk. Die Aktiengesellschaft
Ziegelwerke Horw Gettnau-Muri rekurrierte dagegen an den aargauischen
Regierungsratwobei sie in tatsächlicher Beziehung im ,Wesentlichen
übereinstimmend mit ihren früheren Erklärungen bemerkte: das streitige
Auto sei im April 1920 für Horw auge-: schafft, dann vom August 1920 an
zeitweise in Muri, vorübergehend aber auch wieder in Horw verwen-_ det
werden. Auch jetzt werde es noch immer in beiden Geschäften beschäftigt,
da die Fabrik in Horw erst im Wiederaufbau begriffen sei und darin
noch nicht fabriziert werde, allerdings etwas mehr in Muri. Nach
Inbetriebsetzung von Horw, etwa im Juli werde aber das Gegenteil der
Fall sein.

Der Regierungsrat wies durch Entscheid vom 26. Juli 1921 den Rekurs ab mit
der Begründung : Das Konkordat über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und

Interkant. Verkehr mit Motorfahrzeugen u. Fahrrädern. N° 62. 511

Fahrrädern vom ?. April 1914 spricht sich über die Lösung interkantonaler
Differenzen bei der Frage des Steuerresp. Gebührendomizils der
Motorfahrzeuge nicht aus. Es verpflichtet einfach die Besitzer der
Motor-fahrzeuge zur Einholung einer Verkehrsbewilligung bei der
zuständigen kantonalen Behörde, ohne sich darüber zu äussern, oh
derjenige Kanton zur Ausstellung dir Bewilligung befugt ist, in dem
der Autobesitzer seinen Wohnsitz hat, oder aber derjenige, in dem das
Automobil ,tatsächlich untergebracht und ,benutzt wird. Zweifellos muss
auf das letztere Moment abgestellt werden. Die Automobiigebühren sind
in erster Linie ein Entgelt für die überaus starke Inanspruchnahme der
Strassen durch die Automobiie, speziell durch die Lastautomobile. Es
wäre nicht verständlich, wenn die Gebühren in einem Kanton bezogen werden
könnten, wo das Automobil nur gelegentlich verwendet wird. Die revidierte
Verordnung vom 3. Dezember 1920 zum Automobilkonkordat bestimmt daher
auch, dass im Kanton Aargau domizilierte Motorfahrzeuge hier taxpflichtig
seien, wobei unter Domizil der Ort, wo das Automobil stationiert ist,
verstanden werden muss,

sonst hätte die Verordnung vom Domizil des Eigen-

tümers oes Motorwagens und nicht vom Domizil des Wagens gesprochen. Da
die Beschwerdeführerin nicht ernsthaft bestreiten kann, dass ihr
Motorlastwagen vorwiegend im Kanton Aargau verwendet wird, wenigstens
bis zur Wiederinbetriebsetzung der Ziegeiwerke in Horw, so rechtfertigt
sich die Besteuerung ihres Automobils im Kanton Aargau auch nach
der bundesgerichtlichen Doppelbesteuerungspraxis, wonach nicht das
Rechtsdomizil einer Firma zugleich auch Steuerdomizil ist, sondern
dieses da liegt, wo Vermögen und Erwerb vorhanden sind. Auf Grund dieser
Erwägungen muss die Beschwerde abgewiesen werden, umsomehr, als die
Beschwerdeführerin die luzernische Verkehrsbewilligung offensichtlich
nur einholte, weil die iuzeras 47 I 1921 34

51 2 si Stastsreeht.

nischen Gebühren etwas niedriger sind, als diejenigen im Kanton
Aargau. Die Beschwerdeführerin wurde _nämlich sofort mit Jahresbeginn
durch das Bezirksamt Muri aufgefordert, im Aargau die Verkehrsbewilligung
für ihr Lastautomobil zu lösen. Sie antwortete unterm 6. Januar 1921,
sie habe eine solche bereits im Kanton Luzern gelöst. Laut Mitteilung
der luzernischen Automobilkontrolle wurde die dortige Bewilligung aber
erst am 10. Januar eingeholt. Die Mitteilung vom 6. Januar war daher
unrichtig. Offenbar sollte nur Zeit gewonnen werden zur Einholung
der billigeren luzernischen Verkehrsbewilligung. Es wird Sache der
Beschwerdeführerin sein, sich mit dem Kanton Luzern über die dort zu
Unrecht bezahlten Gebühren auseinanderzusetzen. .

Eine Ausfertigung des Entscheides wurde aueh dem luzernischen
Polizeidepartement, das bei der aargauischen Polizeidirektion zu Gunsten
der Firma interveniert hatte, zugestellt.

B. Durch Eingabe vom 29. September 1921 hat darauf der Regierungsrat von
Luzern gegen denselben beim Bundesgericht unter Berufung auf Art. 175
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
OG
Beschwerde geführt mit dem Antrage auf Aufhebung. Es wird zunächst zur
Erstellung der Legitimation auf das Interesse verwiesen, das Luzern wegen
des Gebührenbezuges an der Lösung der, Frage habe, und sodann ausgeführt,
die betroffene Firma besitze mehrere Motorlastwagen, die abwechslungsweise
nach Bedarf u. a. auch in Muri verwendet würden. Der betreffende Wagen
bleibe dort oft längere und kürzere Zeit stationiert und müsse von dort
aus die nötigen Fuhren besorgen. Disponiert werde über alle Wagen vom
Gesellschaftssitz Horw aus. Hier, im Kanton Luzern, seien deshalb bis
jetzt auch die Verkehrsbewilligungen eingeholt wo;-den und seien sie von
Rechtswegen zu lösen, da für die Zuständigkeit zur Ausstellung derselben
nach dem Konkordate grundsätzlich das Domizil des Besitzers

Intel-kam, Verkehr mit Motorfahrzeugen u. Fahrrädern. N° 62. 513

des Fahrzeuges massgebend sei . Die im angefochtenen Entscheide angerufene
Verordnung des aargauischen Grossen Rates vermöge hieran nichts zu
ändern, da sie dem Konkordate widerspreche. Es könnte sich höchstens
fragen, ob ein solches Domizil im vorliegenden Falle im Kanten Aargau
teilweise anzunehmen wäre , im Sinne des bundesgerichtlichen Entscheides
in Sachen Guillermin gegen Waadt und Genf vom 18. Februar 1918 (AS 44 I
S. 11 ff.). Auch dies sei indessen nicht der Fall. Voraussetzung dafür
wäre mindestens, dass der betreffende Wagen zu Beginn jedes Quartals im
Aargau stationiert gewesen wäre. Dass letzteres zutreffe, werde aber von
den aargauischen Behörden weder behauptet noch nachgewiesen. Die Wagen
wechselten im Gegenteil fortgesetzt ihren Standort und würden jeweilen
dort gebraucht, wo sich dafür ein Bedürfnis einstelle.

C. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat auf Abweisung der Beschwerde
angetragen und sieh in rechtlicher Hinsicht ebenfalls auf das Urteil in
Sachen Guillermin gegen Waadt und Genf berufen, das

,dazu führen müsse, die Berechtigung zur Ausstellung

der Verkehrsbewilligung im vorliegenden Falle dem Kanton Aargau
zuzusprechen. Die Angaben der Beschwerde über die tatsächlichen
Verhältnisse seien unrichtig und stünden mit den eigenen Erklärungen
der Fahrzeugbesitzerin im kantonalen Verfahren im Widerspruch. Die dem
angefochtenen Entscheid in dieser Beziehung zu Grunde liegenden Annahmen
seien übrigens nachträglich noch durch die amtliche Einvernahme des
Werkführers der Ziegelwerke in Muri, Gautsehi vor Bezirksamt bestätigt
worden.

Die betreffende Zeugenaussage vom 17. Oktober 1921 lautet: Der Lastwagen
der Ziegelfabrik Muri wurde nach dem Brande der Ziegelfabrik in Horw
nach Muri stationiert. Damals nur provisorisch. Der Wagen blieb aber
seither stets in Muri stationiert. Es wurde

514 .' Staatsrecht.

hier eine Autogarage erstellt und wird der Wagen hauptsäohlieh zum
Transport von Ziegeln und Backsteinmaterialien an die Abnehmer in hiesiger
Gegend verwendet, ebenso zur Herbeischaffung von Lehm aus der Grube in
Anglikon bei Wohlen. Der Chauffeur hat im Hotel Adler ein ständiges Zimmer
zur Verfügung. Von einer vorübergehenden Stationierung des Lastwagens in
Muri kann also nicht gesprochen werden, denn der betreffende Lastwagen
ist stets in Muri stationiert und steht hier fast ausschliesslich der
Filiale, d. h. der Ziegelfabrik in Muri zur Verfügung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. In Frage steht, welcher von mehreren Kantonen zur Ausübung gewisser
.hoheitlicher Befugnisse gegenüber einem bestimmten Rechtssubjekte
befugt sei, also eine staatsrechtliche Streitigkeit zwischen Kantonen,
derenEntscheidung nach Art. 175 Ziff. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
OG in die Kompetenz des
Bundesgerichts fällt.

2. Art. 7 und 8 des Konkordates betreffend den Verkehr mit Motorfahrzeugen
und Fahrrädern vom 7. April 1914, demsowohl Aargau als Luzern beigetreten
sind, verlangen für die Zulassung eines Motorwagens zum öffentlichen
Verkehr die Einholung einer Verkehrsbee willigung, die jeweilen für das
laufende Kalenderjahr erteilt wird und jährlich zu erneuern ist. Und
Art. 20 lautet :

Für Motorwagen und Motorfahrräder kann der die Verkehrsbewilligung
ausstellende Kanton alljährlich eine Steuer beziehen.

Ueberdies hat er das Recht behufs Deckung der Kosten für die Prüfung
der Führer und Wagen, für Schilder, für Ausstellung der Bewilligungen
und für sonstige Leistungen Gebühren zu erheben. ,

Es wird darin also an die Befugnis zur Ausstellung der Bewilligung die
weitere zur Erhebung gewisser Abgaben vom Wageneigentümer geknüpft,
ein Kri-

Interkant. Verkehr mit Motortahrzeugen u. Fahrrädern. N° 62. 515

terium für die örtliche Zuständigkeit zur Erteilung der Bewilligung selbst
dagegen nicht aufgestellt. Insbesondere findet sich eine Bestimmung,
welche dafür den Wohnsitz des Fahrzeugeigentümers als massgebend erklären
würde, weder in Art. 20 noch sonstwo im Konkordate. Die Frage muss
demnach im Wege der Auslegung gelöst werden.

sie ist grundsätzlich im Sinne der von Aargau vertretenen Rechtsauffassung
zu entscheiden. Dafür spricht nicht nur die Eigenschaft der
sog. Automobilsteuer als einer reinen, auf die sonstigen allgemeinen
Vermögensund Einkommensverhältnisse des Besteuerten keine Rücksicht
nehmenden Objektssteuer, die es nahelegt, auch für die Frage der
Steuerhoheit eher auf die territorialen Beziehungen des Steuerobjektes als
auf diejenigen des Trägers der Steuerpflicht abzustellen, sondern auch die
Natur der Verkehrsbewilligung selbst als einer polizeilichen Erlaubnis zur
Benützung der öffentlichen Strassen mit einem bestimmten Verkehrsmittel,
die es. rechtfertigt, die Kompetenz zur Erteilung in erster Linie dem
Kanton zuzusprechen, wo das Fahrzeug seinen regelmässigen Standort hat und
dessen Strassen es infolgedessen vorab und notwendiger Weise für seine
Fahrten benützen muss. In' diesem Sinne hat denn auch das Bundesgericht
bereits in dem von beiden Parteien angeführten Rekursstreite Guillermin
entschieden, wo das Konkordat, weil ihm nur einer der beteiligten Kantone
angehörte, nicht in Betracht kam, und die Steuerhoheit dem Kanton des
ordentlichen Standortes des Wagens zuerkannt, unter Vorbehalt einer
verhältnismässigen Teilung der Steuerberechtigung für den Fall, dass
während des Steuerjahres der Standort für längere Zeit, mindestens ein
Vierteljahr ununterbrochen anderswohin verlegt wird. Dem Wohnsitz des
Eigentümers wurde dabei Bedeutung nur insofern beigemessen, als in der
Regel die Vermutung dafür sprechen werde, dass hier auch

516 , smtsmm.

der Wagen stationiert sei. Die nämlichen Ueberlegungen, die damals
bestimmend waren, müssen, weil der Natur der Sache entsprechend, auch
im Anwendungs gebiete des Konkordates zur gleichen grundsätzlichen
Lösung führen. Massgebend dafür, welcher Kanton danach als derjenige des
Standortes des Fahrzeuges zur Ausstellung der Verkehrsbewilligung und
damit zunächst auch zur Besteuerung zuständig ist, müssen notwendigerweise
die Verhältnisse in dem Zeitpunkte sein, wo die Bewilligung zu
lösen ist. Nach den Akten darf aber ohne Bedenken angenommen werden,
dass damals, im Januar 1921 als der dauernde Standort des in Betracht
kommenden Wagens Muri und nicht Horw erschien. Es braucht dazu nicht erst
auf die nachträglichen Aussagen des Werkführers Gautschi vor Bezirksamt
Muri abgestellt zu werden. Denn der Schluss ergibt sich schon aus der
Betrachtung, dass nach der Stillegung der Horwer Fabrik durch Brand im
August 1920 von einer einigermassen regelmässigen Verwendung des Wagens
dort von vorneherein nicht die Rede sein konnte, während in Muri für ihn
andauernd Verwendung war, in Verbindung mit dem unbestrittenen Umstand,
dass nach jenem Brand hier tatsächlich für ihn eine besondere Garage
erstellt wurde. Das Zugeständnis, dass es sich so verhalte-, liegt
überdies trotz der unverkennbar absichtlich gewundenen Ausdrucksweise
im Grunde auch in den Erklärungen der Ziegelwerke in ihren Briefen
vom 6. und 20. Januar "1921 an das Bezirksamt und in der Beschwerde an
den Regierungsrat selbst: durch die hier gemachten Angaben wird ferner
ohne weiteres die nachträglich vor Bundesgericht von Luzern gegebene
Darstellung widerlegt, als ob man e; in Wirklichkeit mit einer Mehrzahl
von Wagen zu tun hätte, die abwechselnd nach Bedarf nach Muri disponiert
würden.

Welchen Einfluss eine nachträglich im Laute des Jahres eingetretene
Aenderung in jenen Verhältnissen

Interkaut. Verkehr mit Materiali:-mugen u. Fahrrädern. N° 62. 517

auf die Ordnung der Steuerberechtigung auszuüben vermöehte, kann
dahingestellt bleiben, weil Luzern selbst nicht behauptet, dass
eine solche Veränderung hier tatsächlich stattgefunden habe, sondern
seine Beschwerde ausschliesslich darauf, dass der besteuerte Wagen
überhaupt nie regelmässig in Muri stationiert gewesen sei, und auf die
angebliche Berechtigung des Kantons des Domizils des Fahrzeugeigentümers
zur Ausstellung der Verkehrsbewilligung, stützt. Es braucht deshalb
nicht untersucht zu werden, ob auch in dieser Beziehung die im Urteile
Guillermin entwickelten Grundsätze gelten müssten (was unter Umständen
die Pflicht des Kantons, der mit der Verkehrsbewilligung die Steuer für
das ganze Jahr bezogen hat, zur nachträglichen Rückerstattung eines
Teiles nach sich ziehen Würde) oder ob nicht was damals der späteren
Prüfung vorbehalten wurde Art. 20 des Konkordates den Sinn habe, dass
der nach dem Tatbestande zur Zeit der Erteilung der Verkehrsbewilligung
zur Besteuerung berechtigte Kanton es für das ganze Jahr bleibe,
eine Vereinbarung, die selbst wenn sie dem Pflichtigen nicht sollte
entgegengehalten werden können, doch im Ver-

hältnis der Konkordatskantone unter sich natürlich

bindend wäre.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Klage wird abgewiesen und festgestellt, dass die Befugnis zur
Ausstellung der Verkehrsbewilligung für das streitige Automobil pro 1921
dem Kanton Aargau

zusteht.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 47 I 509
Datum : 02. März 1921
Publiziert : 31. Dezember 1921
Quelle : Bundesgericht
Status : 47 I 509
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : SGS . Staatsrecht. amt sei bisher dureh'die Kirchencrdnung, nicht durch die Verfassung


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
20 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 20 Wissenschaftsfreiheit - Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.
46
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
OG: 175
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aargau • bundesgericht • frage • automobil • fabrik • regierungsrat • weiler • lastwagen • verfassung • steuerhoheit • aktiengesellschaft • brief • bezogener • waadt • entscheid • unternehmung • stelle • beginn • bewilligung oder genehmigung • weisung
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