204 . Strafrecht.

war, anzugeben, was eigentlich die Verbindung der Ursprungsbezeichnung
mit dem Worte Typ bedeute. Dass damit nur die Farbe des Weines beschrieben
werden solle, ist ohne weiteres ausgeschlossen, wird doch der Wein nicht
in erster Linie nach der Farbe gekauft. Es bleibt daher nur die Annahme,
die Angabe eines andern als des dem verkauften Weine entsprechenden
Ursprungslandes sei gewählt worden, weil diese Bezeichnung vermöge des
guten Rufes des Burgunderweines den Absatz erleichterte, wogegen die
Angabe des wirklichen Produktionsortes, oder die biosse Bezeichnung als
Rotwein diesen Zwecken nicht gedient

hätte. Ein solches Geschäftsgebahren aber, das übrigens

auch vom Berufsverband der Schweizerischen Weinhändler als nicht reell
abgelehnt wurde, will der · Gesetzgeber ausschliessen-

Die Freisprechnng des Beschwerdegegners verletzt daher in der Tat sowohl
Art. 173 als Art. 3 LMV.

Demnach erkennt der Kassationshof :

'Die Kassationsbeschwerde wird gutgeheissen und die Sache zu neuer
Entscheidung an die kantonale Instanz zurückgewiesen.

OFDAG Offset-, Formularund Fotodruck AG 3000 BernA. STAATSRECHT DBOIT
PUBLIC

[. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ (RECHTSVERWEIGERUNG)ÉGALITÉ DEVANT LA LOl
{DÉNl DE JUSTICE)

31. Urteil vom 6. Mai 1921 i. S. Baumann gegen Bern Appellationshof.

SchKG Art. 171. Die Berufung gegen die Konkurseröfinung kann weder mit
einem im Berufungsverfahren erfolgenden Rückzug des Konkursbegehrens
noch mit dem Zugeständnis des Gläubigers begründet werden, dass er,
wenn er eine die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners
siartnende Tatsache damals schon gekannt hätte, auf der Konkurscröffnung
nicht bestanden haben würde (sich im lrrtnm hierüber befunden habe. )

L In der 011 V icente Salleras Camps 111 F1gue1 as Spanien, gegen
Wilhelm Baumann in Bern durch Zahlungshekehl vom 15. Dezember 1920
angehobenen und mit Konkursandrohung vom 11. Januar 1921 für 165,85?. F1
90 Cts. nebst 5 % Zinsen seit 15. Dezember 1920 Betrag, hinsichtlich
dessen der Schuldner den ursprünglich erhobenen Rechtsverschlag hatte
fallen lassen fortgesetzten Betreihung stellte der Gläubiger am 1. Februar
1921 das Konkursbegehren. An der Verhandlung vor dem Gerichtspräsidenten
Il vou Bern vom 8. Februar 1921, zu welcher der Vertreter des Gläubigers,
Fürsp1eche1 Pulver in Bein und der Schuldnm Baumann persönlich erschienen,
behauptete dieser, die

betriebene Summe liege bei der Spaiund Leihkasse as 47 1 _ 1921 14

20(i Staatsrecht.

Bern, der er schon Auftrag zur Auszahlung an den Betreibungsgläubiger
gegeben, bereit, _der Vertreter des Glüubigers Oder der Richter möchten
ihn zur Abhebung dorthin begleiten. Fürsprecher Pulver lehnte es Jedoch
ab, sich darauf einzulassen und in einen Aufschub der Verhandlung
einzuwilligen und beharrte auf dem Konkursbegehren. In Erwägung, dass
der Schuldner eine Quittung, wonach die Forderung bezahlt ware, nicht
vorweisen könne , eröffnete der Gerichtspräsident deshalb den Konkurs. .

Baumann zog das Konkurserkenntnis durch Berufung nach Art. 174
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 174 Konfrontation - Zeuginnen und Zeugen können einander und den Parteien gegenübergestellt werden.
schKG,
336 und 317 Ziff. 8
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 317 Neue Tatsachen, neue Beweismittel und Klageänderung - 1 Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie:
1    Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie:
a  ohne Verzug vorgebracht werden; und
b  trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten.
2    Eine Klageänderung ist nur noch zulässig, wenn:
a  die Voraussetzungen nach Artikel 227 Absatz 1 gegeben sind; und
b  sie auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln beruht.
der bermschen ZPO an den Appellationshok weiter. Er
legte zwei Bescheinigungen der Sparund Leihkasse Bern vom 10. und
15. Februar 1921 vor, dass sie in der Tat schon vor dem 8. Februar 1921
dem Betriebenen auf gestellte sicherheiten hin die Zusicherung erteilt,
ihm zur Bezahlung der Forderung Vicente Salleras Camps einen Kredit
von 167,351 Fr. 10 cts. zur Verfügung zu stellen, der Betriebene auch
ebenfalls vor dem 8. Februar wiederholt davon gesprochen habe, der
Betrag werde. dann an salleras Camps Zu überweisen sein, und ,Sledie
Ueberweisung nur wegen Ausbleibens der schriftlichen Bestätigung dieses
Auftrages einstweilen unterlassen habe, und machte geltend, der Vertreter
des'Glaubigers habe lediglich aus Irrtum, weil er den dahingehenden
Erklärungen des Appellanten an der erstinstanzuchen Verhandlung keinen
Glauben geschenkt, auf dem Konkursbegehren bestanden, während er
sonst ohne weiteres zu dessen Rückzug oder doch zu einem Aufschub der
Verhandlung bereit gewesen Ware. Fürsprecher Pulver seinerseits teilte
dem Appellationshok am 16. Februar mit, dass er das Konkursbegehren
zurückziehe, indem er beifügte : Vicente Salleras ist Vorläufig in dem
Sinne zufriedengestellt, als die sparund Leihkasse Bern ihm gegenüber
folgende Verpflichtung emgmg î allhi- verpflichten uns hiermit, an Herrn
Vicente SallerasGleichheit vor dem Gesetz. N° 31. 207

Camps, Figueras, Spanien, den Betrag von 167,351 Fr. 10
Cts. (Hundertsiebenundsechzigtausenddreihundert einundfünfzig und
10/100) zu zahlen, sobald die Auf hebung des Konkurserkenntnisses
des Gerichtspräsi deuten II von Bern gegenüber Herrn W. Baumann,
Schauplatzgasse 39, Bern, durch die Zuständige Rechts mittelinstanz
rechtskräftig verfügt ist. Die Auszahlung der oben erwähnten Summe von
167,351 Fr. 10 Cts. hat an sie als Vertreter des Herrn Vicente Salleras
Camps, Figueras, zu erfolgen. Wird dem Begehren auf Konkursaufhebung
nicht Folge geleistet, so wird natürlich im Konkurs Baumann die ganze
Forderung geltend gemacht, da in diesem Fall die Verpflichtung der
Sparund Leihkasse dahinfällt.

. Nach dieser Erklärung der Bank ist anzunehmen, dass Baumann wohl
am 8. Februar noch nicht zahlungs unfähig war. Aus seinem Verhalten
während des Be treibungsverfahrens und auch in der Verhandlung über
das Konkursbegehren konnte ich aber diesen Schluss damals noch nicht
ziehen. Das Verhalten Baumanns liess mich vielmehr auf das Gegenteil
schliessen. Hätte mir Baumann oder dessen Anwalt

oder die Bank verbindliche Zusicherungen über das

Vorhandensein des Geldes und dessen Auszahlung gegeben, so hätte ich
selbstverständlich auf der Kon kurseröffnung nicht beharrtIn diesem
Sinn befand ich mich also in einem Irrtum über die Vermögens lage des
Baumann. Der Irrtum war aber durch das Verhalten der Gegenpartei selbst
in mir erregt worden

Ich habe also das Konkursbegehren aufrecht er halten, weil ich mich
inbezug auf'einen bestimmten Sachverhalt die Zahlungsfähigkeit des
Schuldners Baumann _im Irrtum befand. '

Dieser Umstand bestand vor der Konkurserklärung

. vom 8. Februar 1921. Es handelt sich also nicht um

ein novum. Das bereits ergangene Konkurserkenntuis ist deshalb meines
Erachtens, weil aus einem irrtüm-

208 . staatsrecht.

, lichen, deshalb unverbindlichen Begehren heraus entstanden, aufzuheben.

Der Appellationshof bestätigte jedoch am 1'.?. Fe; bruar 1921 das
Konkurserkenntnis mit der Begründung : aus der von Fürsprecher Pulver
angeführten Erklärung der Sparund Leihkasse Bern gehe hervor, dass zwar

die. Zahlung für den Fall der Rückgängigmachung des"

Konkurses in sicherer Aussicht stehe, dass sie aber bis jetzt nicht
erfolgt sei. Eine Aufhebung des Konkurserkenntnisses wegen Befriedigung
des Gläubigers könne demnach nicht in Frage kommen. Der Rückzug des
Konkursbegehrens durch den antragsteilenden Gläubiger allein aber sei
rechtlich unerheblich, weil mit der einmal erfolgten Eröffnung des
Konkurses das Betreibungsverfahren aus dem Stadium, wo es nur Sache
des einzelnen Gläuhigers sei, heraustrete und zu einer gemein-samen
Angelegenheit aller Gläubiger geworden sei, die durch den Verzicht
eines einzelnen Gläubiger-s auf die Durchführung nicht mehr berührt
werden könne (Plenarentscheid des Appellationshofs vom 19. März 1919,
Zeitschrift des bernisehen Juristenvereins Bd. 53, S. 317, Praxis des
Bundesgerichts 9 Nr. 136). Daran hätte auch eine Verfügung, wodurch der
Berufung anfschiehende

Wirkung im Sinne von Art. 174 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
, 36
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 36 - Eine Beschwerde, Weiterziehung oder Berufung hat nur auf besondere Anordnung der Behörde, an welche sie gerichtet ist, oder ihres Präsidenten aufschiebende Wirkung. Von einer solchen Anordnung ist den Parteien sofort Kenntnis zu geben.
SchKG zuer si

kannt worden wäre, nichts zu ändern vermögen. Die Erteilung
aufschiehender Wirkung sei für die Fälle vorgesehen, wo die Richtigkeit
des _Konkurserkenntnisses nach der bei seiner Ausfällung vorhandenen
Sachlage bei vorläufiger Prüfung zweifelhaft erscheine, nicht um die
Berücksichtigung von nova zu ermöglichen und es so nachträglich zu einem
ungerechtfertigt-Zu zu machen. Die entgegengesetzte Auffassung Würde
dazu führen mit der Entscheidung über die Bewilligung

der Suspensivwirkung auch diejenige über die Be ,

stätigung oder Aufhebung der Konkurseröffnung selbst in das freie
Gutfinden des Präsidenten der Berufungsinstanz zu legen, eine Ordnung,
die bei richtiger Ueber-Gleichheit vor dem Gesetz. N° 31. 209

legung nicht in Betracht kommen könne. Dagegen müsste allerdings die
Berufung gutgeheissen werden, wenn das Konkursbegehreu auf einem Irrtum
beruht hätte, der Gläubiger dasselbe, so wie es tatsächlich gestellt
worden, nicht habe stellen wollen. Davon sei aber im vorliegenden Falle
nicht die Rede. Der Gläubiger wollte die ,Konkurseröffnung über seinen
Schuldner entsprechend seinem Antrage. Er ging dabei allerdings von
falschen Voraussetzungen aus. Der Irrtum betraf also den Beweggrund, der
aber hier noch weniger beachtlich sein kann als sonst, weil das Gesetz die
Konkursetjjkknung nicht vom Vorhandensein eines bestimmten Sachverhaltes,
insbesondere nicht von der Insolvenz des Schuldners abhängig macht,
sondern ohne Rücksicht hierauf bei Erfüllung gewisser Formalerforder--

nisse Zahlungshefehl, Konkursandrohung, Konkursbegehren ohne weiteres
gewährt. B. Am 21 Februar 1921 hat darauf Baumann

die staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrage, der Entscheid des Appellationshoks vom 17. Februar 1921 und das
über den Rekurrenten ausgefüllte Konkurserkenntnis seien aufzuhcben. Als
Besehwerdegrund wird Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV und

.-rt. ?. Uebergaugsbestimmungen zur BV geltend ge--

macht und ausgeführt: die Konkurseröffnung durch den Gerichtspräsidenten
sei auf Grund eines enge setzlichen, eine Rechtsverweigerung in sich
schliessenden Verfahrens erfolgt ....... Eine solche liege ferner auch
in der Ablehnung der beantragten suspensinvirkung der Be_ rufuug. Aus
dem allgemeinen Grundsatze der =. Zurücknehmbarkeit prozessualer Anträge
folge, dass auch der Antrag auf Konkurseröffnung bis zur Rechtskraft des
Eröffnungsbeschlusses müsse zurückgenommen werden können. Die Rechtskraft
des Eröffnungshcschlusscs aber trete im Falle der Berufung erst mit dem
oder-instanzlichen Entscheide ein, woran die Rückdatierung der Wirkungen
der Eröffnung auf den Zeitpunkt des erst-

210 . Staatsrecht.

instanzlichen Entscheides nichts ändere. Habe es demnach die
Berufungsinstanz in der Hand, durch die Bewilligung aufsehiebender Wirkung
der Berufung die Berücksichtigung in der Zwischenzeit eingetretener
konkurshindernder Tatsachen, wie des Rück-Auges des Konkursbegehrens
oder der Erklärung des Gläubigers, befriedigt zu sein, zu ermöglichen, so
müsse sie aber dazu da, wo während der Berufungsfrist vom Gläubiger eine
solche Erklärung tatsächlich abgegeben worden sei, auch als verpflichtet
erachtet und in der Verweigerung der Suspensivverfügung ein Willkürakt
gesehen werden. Auch die übrigen Einwendungen der Appellation gegen
die Konkurseröffnung hätten im angefochtenen Entscheid eine willkürliche
Erledigung gefunden ...... Insbesondere sei das Gericht dabei der Berufung
des Gläubiger-s auf den bei ihm in der erstinstanzlichen Verhandlung
obwaltenden Irrtum in keiner Weise gerecht geworden ......

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. (Zurückweisung der gegen das Verfahren vor dem erstinstanzlichen
Richter erhobenen, auf das kantonale Prozessrecht gestützten Rügen.)

2. Ob derBerufung gegen dasKonkurserkenntniss auf-

schiehende Wirkung zuzuerkennen sei, ist durch Art. 174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
·

Abs. 2, 36 SchKG unzweideutig in das E r m e s s e n der Berufungsinstanz
gestellt. Die Ablehnung eines dahingehenden Antrages des Schuldners
vermöchte überdies naturgemäss die Anfechtung des zweitinstanzlichen
Entscheides über die Konkurseröffnung selbst nur dann zu

rechtfertigen, wenn di e s e r bei Bewilligung der aufschie

benden Wirkung anders hätte ausfallen können. Wenn der Rekurrent hier
einen solchen Zusammenhang deshalb behauptet, weil die Zuerkennung der
Suspensivwirkung den Appellatienshof in die Lage versetzt hätte, den vom
Gläubiger in zweiter Instanz erklärten Rückzug des Konkursbegehrens zu
berücksichtigen und die Verweigerung einer solchen Anordnung daher eine
willkür-Gleichheit vor dem Gesetz. N° 31. 211

liche Benachteiligung des Rekurrenten in sich schliesse, so genügt es
demgegenüber auf den Entscheid des Bundesgerichts in Sachen Schlumpf vom
24. September 1920 (A S 46 I S. 365 ff.) zu verweisen. Er stellt fest,
dass eine erst nach Erlass des erstinstanzlichen Konkurs-erkenntnisses
erfolgende Rücknahme des Antrages auf Konkurseröffnung rechtlich
unwirksam sei, da durch die rechtskräftige Konkurseröffnung ein über die
Beziehungen der Parteien des Konkurseröffnungsprozesses hinausgehendes
Rechtsverhältnis, das konkursrechtliche Beschlagsrecht der Gesamtheit
aller Gläubiger an den Aktiven des Gemeinschuldners begründet
werde und daher von jenem Momente an das Verfahren der Verfügung des
einzelnen antragstellenden Gläubigers entrückt sei : die Rechtskraft des
Konkurseröffnungserkenntnisses trete aber schon mit dem Zeitpunkte ein,
da es vom erstinstanzlichen Konkursrichter er-lassen werde, und der von
der Berufungsinstanz der Berufung dagegen zuerkannten aufschiehenden
Wirkung komme nicht sowohl die Bedeutung einer Hemmung der Rechtskraft,
als bloss der Hemmung der Volistreckung des an sich reehtskräftigen
Entscheides zu. Nachdem dadurch zu einer bekannten Streitfrage, die früher
wiederholt offen gelassen werden war, grundsätzlich Stellung genommen
werden ist, besteht kein Anlass, heute von neuem auf eine Widerlegung
der entgegengesetzten Auffassung des Rekurses einzutreten und darf so mit
der Beschwerde über willkürliche Verweigerung der srispensiMrkuIIg auch
die weitere über die Nichtberücksichtigung des nachträglichen Rückzuges
des Konkursbegehrens an sich als erledigt betrachtet werden.

3. (Zurückweisung 'der Behauptung, dass in den Vorgängen vor der
erstinstanzlichen Verhandlung ein der Zahlung der Schuld gleichkommender
Tatbestand i. S. von Art. 172 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab:
1  wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist;
2  wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist;
3  wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat.
SchKG liege.)

Auch der Vertreter des Gläubigers hat in seiner Eingabe an die
Berufungsinstanz nicht etwa erklärt., dass

21 2 staatsrecht-

er die Krediterteilung durch die Sparund Leihkasse Bern in Verbindung mit
den mündlichen Weisungen des Rekurrenten an diese, wenn der Rekurrent
beides an der erstinstanzlichen Verhandlung glaubhaft gemacht hätte,
als genügend betrachtet hätte, um sich im Sinne von Art. 172 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab:
1  wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist;
2  wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist;
3  wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat.

SchKG für befriedigt, die Forderung für getilgt zu erklären, sondern
nur. dass er angesichts der damit dokumentierten Zahlungsfähigkeit
und Zahlungswilligkeit des Schuldners alsdann auf der Eröffnung des
Konkurses nicht bestanden haben, m. a. W., einem Aufschub zugestimmt
haben Würde. Was er_ behauptet, ist also nicht ein Irrtum über einen für
die rechtliche Zulässigkeit des Konkursbegehrens erheblichen Umstand,
sondern einzig über die Opportunität dieses Begehrens, die, wie immer, von
der Einschätzung der Aussicht, auch ohne das Zwangsmittel des Konkurses
Zahlung zu erlangen, abhing. Um die Anfechtung der Konkurseröffnung aus
diesem Grunde auszuschljessen, ist es nicht nötig zu der allgemeinen
Frage Stellung zu nehmen, inwiefern eine Anfechtung der Giltigkeit
p r o z e s s u a l e r Erklärungen wegen lrrtums bei deren Abgabe
überhaupt möglich sei. Denn hier ist es nicht mehr bloss die Erklärung
der Partei, des Gläubigers, der Antrag auf Konkurseröffnung, sondern
die daraufhin vom Richter erlassene antragsgemässe E n t s c h e i d n
n g, deren Aufhebung in Frage steht. Und die Aufhebung soll nicht etwa
erfolgen, weil der Gläubiger jene Folge in Wirklichkeit nicht wollte,
versehentlich etwas anderes erklärte, als was seinem Willen entsprach,
sondern weil er bei Abgabe. der Erklärung von einer unri'chtigen
Abschätzung seiner Interessen, falschen Voraussetzungen hinsichtlich
ausser des Inhalts der Erklärung selbst stehender Tatsachen ausging. Die
Anfechtung einer el'stinstanzlichen Entscheidung aus diesem Grunde in
der Reehtsmittelinstanz würde aber notwendig voraussetzem dass dem Willen
der Partei, die. ihre ErklärungGleichheit vor dem Gesetz ." 31. 213

nicht mehr gelten las-en will, in diesem Stadium des Verfahrens überhaupt
noch irgendwelcher Einfluss auf dessen weiteren Gang zukommen könnte,
was, wie in Erw. 2 ausgeführt, im Konkurseröffnungsverfahren nicht
zutrifft. Erscheint infolgedessen ein Rückzug des Konkursbegehrens nach
dem erstinstanzlichen Konkurserkenntnisse als unwirksam, so muss dasselbe
aber auch gelten für die nachträgliche Anfechtung der Gilligkeit des
Begehrens wegen Irrtums über die Zahlungsbereitschaft des Schuldners,
Ein solcher Irrtum wird in den Fällen, wo der Gläubiger nachträglich zum
,Verziehte auf die Konkurseröffnung bereit ist. stets vorgelegen haben
und es würde auch der Gläubiger, wenn ihm an der Rückgängigmachung jener
gelegen ist, zur Anerkennung desselben stets gewillt sein, sodass bei
Zulassung dieses Aufhebungsgrundes der im Entscheide in Sachen Schlumpf
aufgestellte Grundsatz, wonach mit der Ausfälluug des erstinstanzlichen
Konkurs erkenntnisses das Konkursverfahren der Verfügung der Parteien des
Konkurseröffnungsprozesses entrückt ist, illusorisch würde. Der Rekurrent
ist denn auch, wasallein schon zur Abweisung der Beschwerde aus Art I
BV genügen Würde, nicht imstande, eine positive Gesetzesbestimmung oder
einen allgemeinen anerkannten Rechtsgrundsatz anzuführen, der durch den
Entscheid desAppellationshofes über diesen Punkt verletzt worden wäre. Die
Vorschriften des OR Art. 23 ff., die er im Auge hat, beziehen sich
ausschliesslich auf die Anfechtung privatrechtlicher rechtsgeschäftlicher
Willenserkla rungen, zu denen das Konkursbegehren nicht gehört, und das
SchKG oder eidgenössische Prozessrecht enthält irgendwelche Vorschrift
über die Frage nicht. Sie muss deshalb auf dem Wege der Auslegung gelöst
werden, sodass angesichts des grundsätzlichen Unterschieds zwischen der
Anfechtung einer blossen privatrechtlichen Willenserklärung und eines
durch eine prozessuale Handlung des Anfechtenden ausgelösten richterlichen

214 Staatsrechi.

Aktes die Annahme der Unerheblichkeit eines Irrtums, der psychologisch
nicht den Inhalt der Erklärung, sondern die Beweggründe dazu betrifft,
auf diesem Gebiete, auch abgesehen von dem oben für den speziellen Fall
des Konkurserkenntnisses Ausgeführten, aus dem Gesichtspunkte des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

BV unmöglich beanstandet werden kann.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Beschwerde wird abgewiesen.

32. Urteil vom 8. Juli 1921 i. S. Einwohnergemeinde Nidau gegen Bern
Grossen Rat.

Bestimmung einer kantonalen Verfassung (Bern, Art. 83), wonach die Bildung
neuer, Vereinigung und Aenderung in der Umschreibung bestehender Gemeinden
durch Dekret des Grossen Rates erfolgt. Rechtliche Natur eines solchen
Dekretes. Angebliche Verletzung der Gemeindeautonomie und von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

BV durch einen die von zwei Gemeinden begehrte Vereinigung ablehnenden
Beschluss des Grossen Rates. Ausschluss einer Beschwerde der Gemeinde
oder einzelner Gemeindeeinwohner wegen materieller Rechtsverweigerung
(Willkür), wenn die Vornahme der Vereinigung zugleich eine Aenderung
der Amtsbezirke, d. h. der staatlichen Verwaltungsorganisatiop mit
sich brachte.

A. Infolge eines Initiativbegehrens von 71 Einwohnern bestellte die
Gemeindeversammlung von Nidau am 21. Mai 1919 eine sog. Fusionskommission,
die die Frage der Vereinigung der Gemeinde mit Biel prüfen und zu
diesem Zwecke mit den Behörden der letzteren Gemeinde in Verbindung
treten sollte. Die Verhandlungen führten zum Abschluss eines
sog. Vereinigungsvertrages, der in der Gemeindeabstimmung von Nidau am
26. September 1920 mit 309 gegen 244 stimmen und in derjenigen von Biel
am 30.11.31. Oktober 1920

*.*Gleichheit vor dem Gesetz. N° 32. 215

mit 4509 gegen 839 stimmen angenommen wurde. Eine Beschwerde gegen die
Gültigkeit der Abstimmung in Nidau wiesen sowohl der Regierungsstatthalter
von Nidau als der Regierungsrat des Kantons Bern ab.

Im Januar 1921 unter-breitete sodann der Regierungsrat dem Grossen Rate
nachstehenden Dekretsentwurf :

cc § 1. Die Einwohnergemeinden Biel und Nidau werden in der Weise
vereinigt, dass Biel die Gemeinde Nidau in sich aufnimmt. Sämtliche
Verwaltungszweige der Einwohnergemeinde Nidau gehen auf die erweiterte
Einwohnergemeinde Biel über.

§ 2. Dieses Dekret tritt auf einen vom Regierungsrat näher festzusetzenden
Zeitpunkt in Kraft .....

§ 3. Auf den im Sinne von § 2 hievor festgesetzten Zeitpunkt wird
die Einwohnergemeinde Nidau aufgelöst. Ihr bisheriges Gebiet wird auf
diesen Zeitpunkt vom Amtsbezirke Nidau losgelöst und demjenigen von
Biel zugeteilt. Alle bis zu diesem Zeitpunkte aus dem Gre-' meindehezirk
Nidau bei den Bezirksbehörden in Nidau anhängig gemachten bürgerlichen
oder verwaltungsrechtlichen Geschäfte sind von diesen Behörden, soweit.
es in ihrer Kompetenz liegt, zu erledigen. -_

54. _ § 5. Durch die Vereinigung der Gemeinden Biel und Nidau wird
bis auf weiteres inbezug auf den Amtssitz für den Bezirk Nidau nichts
geändert.

Der Grosse Rat beschloss jedoch am 2. März 1921 mit 102 gegen 35 stimmen
auf die Vorlage nicht einzutreten, d. h. die Verschmelzung der beiden
Gemeinden grundsätzlich abzulehnen.

B. Gegen diesen Beschluss des Grossen Rates haben der Gemeinderat Nidau
namens der Einwohnergemeinde Nidau und Ernst Bucher, Lokomotivheizer
in Nidau in seiner Eigenschaft als stimmberechtigter Gemeindeeinwohner
beim Bundesgericht staatsrechtliehe Beschwerde erhoben mit dem Antrage
auf Aufhebung. In der Begründung wird zunächst darauf verwiesen,
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 47 I 205
Datum : 06. Mai 1921
Publiziert : 31. Dezember 1921
Quelle : Bundesgericht
Status : 47 I 205
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 204 . Strafrecht. war, anzugeben, was eigentlich die Verbindung der Ursprungsbezeichnung


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SchKG: 36 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 36 - Eine Beschwerde, Weiterziehung oder Berufung hat nur auf besondere Anordnung der Behörde, an welche sie gerichtet ist, oder ihres Präsidenten aufschiebende Wirkung. Von einer solchen Anordnung ist den Parteien sofort Kenntnis zu geben.
172 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 172 - Das Gericht weist das Konkursbegehren ab:
1  wenn die Konkursandrohung von der Aufsichtsbehörde aufgehoben ist;
2  wenn dem Schuldner die Wiederherstellung einer Frist (Art. 33 Abs. 4) oder ein nachträglicher Rechtsvorschlag (Art. 77) bewilligt worden ist;
3  wenn der Schuldner durch Urkunden beweist, dass die Schuld, Zinsen und Kosten inbegriffen, getilgt ist oder dass der Gläubiger ihm Stundung gewährt hat.
174
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
1    Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO343 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind.
2    Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen:
1  die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist;
2  der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder
3  der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet.
3    Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen.
ZPO: 174 
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 174 Konfrontation - Zeuginnen und Zeugen können einander und den Parteien gegenübergestellt werden.
317
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 317 Neue Tatsachen, neue Beweismittel und Klageänderung - 1 Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie:
1    Neue Tatsachen und Beweismittel werden nur noch berücksichtigt, wenn sie:
a  ohne Verzug vorgebracht werden; und
b  trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz vorgebracht werden konnten.
2    Eine Klageänderung ist nur noch zulässig, wenn:
a  die Voraussetzungen nach Artikel 227 Absatz 1 gegeben sind; und
b  sie auf neuen Tatsachen oder Beweismitteln beruht.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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