150 Steam-echt.

22. Urteil vom 25 Juni 1921 i. S. König gegen St. Gallen.

Eine kantonale Gesesstzesbestîmmung, wonach Ehefrauen, die mit dem Ehemann
in ungetrennter Haushaltung leben, in der Regel kein Wirtschaftspatent
erhalten dürfen, ist mit der Garantie der Gewerbefreiheit und der
Rechtsgleichheit unvereinbar. .

A. Die Rekurrentin hat sich am 11. April 1921 mit Paul König, der ein
Gärtnereigesrhäft betreibt, verheiratet; sie ' selbst führte schon vor
der Heirat die Wirtschaft Torino in Rorschach. 'Das Patent hiezu hatte
sie im April 1920 für 5 Jahre erhalten und sie stellte bei den Behörden
das Gesuclnes ihr auch nach der Verheiratung weiter zu lassen. Der
Regie-rungsrat des Kantons St. Gallen entschied jedorh am 12. März 1921:
Das Wirtschaftspatent der ledigen Wirtin Nazzarena Dallevedove werde
bei deren Verheiratnng hinffillig, und es sei deren Ehemann pflichtig,
ein neues Patent auf seinen Namen zu lösen. Der Entscheid ist wie
folgt begründet: Der Artikel 3 des Wirtsehaftsgesetzessagt wörtlich:
Ehefrauen, welche mit ihren Ehemännern in ungetrennter Haus haltung
leben, soll nur ausnahmsweise. wenn besondere Verhältnisse dafür sprechen
und die in Artikel 2'des Gesetzes aufgestellten Bedingungen erfüllt sind,
ein Patent erteilt werden. Das Gesetz verlangt also ganz besondere
Ausnahmeverhältnisse, um ein Patent an solche Ehe-krauen abgeben zu
können. Die blosse Verheiratung der Patentinhaberin kann aber nicht
als ausschlaggebender Grund gehalten werden, um das Patent erwirken
zu können, sonst stünde dies im Widerspruch mit Art. Los-Absatz 4 des
Wirtschafts gesetzes, der mit der Wiederverheiratnng einer Witwe deren
Patent als hinfällig erklärt, beziehungsweise ... von deren Ehemann die
Lösung eines neuen PatentesHandelsund Gewerbefreiheit. N° 22. 151

fordert. Es ist denn auch nach steter Praxis und im Sinne und Geist
der angeführten Gesetzesbestirnmun gen immer verlangt worden, dass
bei Verheiratnngen lediger Wirtinnen ' deren Ehemänner ebenfalls
ein neues Patent zu lösen haben. v B. Gegen diesen Entscheid hat Frau
König am Mai 1921 die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag, er sei aufzuhehen und ihr zu gestatten, das
Wirtschaftspatent auf das Restaurant Torino n auf ihren jetzigen Namen
umzusehreiben ohne Verpflichtung zur Lösung eines neuen Patentes auf
den Ehemann Paul König'lautend. Zur Begründung wird ausgeführt : Art. 3
des Wirtschaftsgesetzes habe offensichtlich den Zweck, .zu verhindern,
dass ein Ehemann, der eine Wirtschaft betreiben wolle, seine Ehefran
als Betriebsinhaberin vorschieben könne, um für sie ein Patent zu
erhalten. Um einen solchen Fall handle es sich aber hier nicht, da die
Rekurrentin ihre Wirtschaft schon seit einigen Jahren geführt habe und
ihrem Ehemann das Patent erteilt wiirde, wenn er es verlangte. Zudem
sei Art. 3 leg. cit. auch deshalb nicht anwendbar, weil er sich nur
auf Fälle beziehe, in denen eine Ehefrau Während der Ehe sich um ein
Patent bewerbe. Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV sei daher verletzt. Auch vor Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV halte
die angefochtene Verfügung nicht stand. Die Ehefrau habe nach dieser
Verfassungsbestimmung das Recht zur Gewerbeausübung. Allerdings könne es
aus gewissen Gründen, im Interesse des öffentlichen Wohles, beschränkt
werden; solche Gründe lägen jedoeh hier nicht vor. Die Rekurrentin könnte
sich zwar dann nicht auf Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV berufen, wenn sie das Patent nur
verlangte, um ihrem Ehemann die Führung der Wirtschaft zu ermöglichen ;
diese Voraussetzung treffe aber eben nicht zu, Soweit durch Art. 3 und
20 Abs. fl des Wirtschaftsgesetzes etwa allgemein bestimmt werden wolle,
dass mit ihren Männern in angetrennter Haushaltnng lebende Ehe-

152 ss Stantsreeln.

frauen kein Wirtschaftspatent haben könnten, stünden sie mit Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV
im Widerspruch.

C. Der Regierungsrat beantragt Abweisnng der Beschwerde. Seinen
Ausführungen ist folgendes zu entnehmen: u Massgebend für unsere
Schlussnahme war Art. 3 des kantonalen Gesetzes über die Betrei bung
von Wirtschaften. bezüglich welcher Regelung der Geschäftsbericht des
schweizerischen Justizund Polizeidepartements über das Jahr 1907 bemerkt,
dass gegen die im Kanton St. Gallen bestehende Praxis, dass Ehefrauen,
die mit ihren Ehemännem in un getrennter Haushaltung leben, in der Regel
Virt schaftspatente nicht auf ihren eigenen, sondern auf den Namen ihres
Ehemannes erhalten, vom Stand punkte des Bundesrechtes nichts einzuwenden
sei, da hiefür sachliche Gründe geltend gemacht werden können
(Bundesblatt Jahrgang 1908 Bd. I Seite 519). Wenn nun die Reknrrentin
in der Verweigerung eines Wirtschaftspatentes an eine Ehefrau nur dann
nicht einen Verstoss gegen Art. 31 der Bundesver fassung erblicken will,
wenn damit ein Missbrauch durch vorgeschohene Patentinhaber verhindert
wer den wolle, so geht sie in ihrer Gesetzesauslegung fehl.

Art. 3 will allerdings einer solchen Umgehung des

Gesetzes entgegentreten. Die Nichterteilnng von Wirt schaftspatenten
an Ehefrauen, welche mit den Ehen männem in gemeinsamem Haushalte
leben, soll aber keineswegs auf diese Fälle beschränkt sein. Das
kan tonale Wirtschaftsgesetz will überhaupt Ehefrauen, die in
ungetrennter Haushaltung mit den Ehemännern leben, grundsätzlich kein
Wirtschaftspatent erteilen... Diese grundsätzliche Nichterteilung von
Wirtschaits patenten an in gemeinsamer Haushaltung lebende Ehefrauen
ergibt sich aus der Natur des Wirtschafts betriebes einerseits und der
persönlichen Verantwort lieldcejt des Patentinhabers anderseits. Wenn
daher der Ehemann selbst inder Lage ist, wie im vorlie-Handelsund
Gewerbeireiheit. N° 22. 153

genden Falle, das Patent zu erwerben, so soll er der verantwortliche
Inhaber des Wirtschaftsbetriebes sein und nicht dessen Ehefrau. Dies
geht des weitem auch aus Art. 20 Absatz 4 des Wirtschaftsgesetzes
hervor, welcher bestinnnt, dass, wenn eine Witwe wieder heiratet,
deren Ehemann ein neues Patent zu lösen habe. Das gilt natürlich auch
für ledige Frauens personen, die die Ehe eingehen .....

Das Bundesgerichf zieh! in Erwägung :

Nach der Vernehmlassung des Regierungsrates hat Art. 3 des
st. gall. Virtschaftsgesetzes wie auch Art. 20 Abs. 4 den Sinn,
dass die mit dem Ehemann zusammenlebende Ehefrau in der Regel kein
Wirtschaftspatent erhalten kann und damit grundsätzlich von der Ausübung
des Wirtschaftsgewerbes auf eigene Rechnung ausgeschlossen wird. Diese
Gesetzesauslegung ist zweifellos nicht willkürlich. Aber vor der Garantie
der Gewerbefreiheit und der Rechtsgleichheit können die genannten
Bestimmungen, soweit sie diesen Sinn haben, nicht standhalten.

Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV gewährleistet allen jedenfalls allen handlungsfähigen
Schweizerhürgern die Zulassung zu jeder gewerblichen Tätigkeit,
deren Ausübung nicht dem Staate vorbehalten ist oder von einer
Konzession abhängt, innert den von der Verfassung gezogenen oder
zugelassenen Schranken. Dabei handelt es sich auch um ein Gebot der
Rechtsgleichheit. Die Frauenapersonen haben somit grundsätzlich gleich
den Männern ein Recht auf die Ausübung des Virtschaftsgewerbes, die,
obwohl sie regelmässig von einer Polizeierlaubnis abhängt, doch eine freie
Tätigkeit bildet, soweit demnicht eine gesetzliche Bedürfnisklausel im
Wege steht (vergl. BB] 1888 Il S. 783). Das st. geil. Wirtschaftsgesetz
befindet sich denn auch insofern im Einklang mit diesem Grundsatz,
als es das Recht auf ein Wirtschaftspatent nicht etwa bloss männlichen

154 ss_ ss Staatsrecht.

Personen vorbehält. Nur verheirateten Frauen versagt es nach der Auslegung
des Regierungsrates dieses Recht, dann, wenn sie mit dem Ehemann in
ungetrennter Haushaltung leben. _

In der besondern stellung einer mit dem Ehemann zusammen wohnenden
Ehefrau kann nun aber ein genügender Grund dafür, sie von der Ausübung des
Wirtschaftsgewerbes auf eigene Rechnung auszuschlies-sen. nicht gefunden
werden. Mochte die Ehefrau früher auch vielfach unter der Vormundschaft
des Mannes stehen, so ist sie doch nunmehr voll handlungsfähig. Allerdings
gilt der Ehemann immer noch nach Art. 160
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 160 - 1 Jeder Ehegatte behält seinen Namen.
1    Jeder Ehegatte behält seinen Namen.
2    Die Verlobten können aber gegenüber der Zivilstandsbeamtin oder dem Zivilstandsbeamten erklären, dass sie einen ihrer Ledignamen als gemeinsamen Familiennamen tragen wollen.221
3    Behalten die Verlobten ihren Namen, so bestimmen sie, welchen ihrer Ledignamen ihre Kinder tragen sollen. In begründeten Fällen kann die Zivilstandsbeamtin oder der Zivilstandsbeamte die Verlobten von dieser Pflicht befreien.222
und 162
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 162 - Die Ehegatten bestimmen gemeinsam die eheliche Wohnung.
ZGB als Haupt und
Vertreter der Gemeinschaft, und ist je nach dem ehelichen Güter-recht
auch zur Verwaltung und Nutzung des der Frau gehörenden Vermögens
berechtigt. Deshalb bedarf diese nach Art. 167
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 167 - Bei der Wahl und Ausübung seines Berufes oder Gewerbes nimmt jeder Ehegatte auf den andern und das Wohl der ehelichen Gemeinschaft Rücksicht.
ZGB der Bewilligung des
Ehemannes, wenn sie ein Gewerbe ausüben will. Sobald die Bewilligung
aber erteilt oder durch diejenige des Richters ersetzt ist, besitzt die
Ehefrau gleich wie der Ehemann die volle. privatrechtliche Fähigkeit
zur selbständigen Ausübung eines Gewerbes auf eigene Rechnung; ihre
Vermögenswerte, mit denen sie dieses betreibt, und der daraus erzielte
Erwerb gelten nach'Art. 191
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 191 - 1 Sind die Gläubiger befriedigt, so kann das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Wiederherstellung der Gütergemeinschaft anordnen.
1    Sind die Gläubiger befriedigt, so kann das Gericht auf Begehren eines Ehegatten die Wiederherstellung der Gütergemeinschaft anordnen.
2    Die Ehegatten können durch Ehevertrag Errungenschaftsbeteiligung vereinbaren.
ZGB als Sondergut, woran dem Ehemann ein
gesetzliches Verwaltungsoder Nutzungsrecht nicht zusteht. Der Umstand,
dass die Ehefrau im gewissen Sinn dem Manne noch untergeordnet ist,
könnte also höchstens dazu führen, ihr den Schutz der Gewerbefreiheit
für die Ausübung eines Gewerbes, wozu der Ehemann oder der Richter
seine Zustimmung nicht gegeben hat, zu versagen. Das kommt aber im
vorliegenden Fall nicht in Frage, da nicht bestritten ist, dass der
Ehemann der Rekurrentin dieser die Weiterführung der Wirtschaft bewilligt
habe. Auch im übrigen lässt sich in der normalen Stellung einer mit dem
Manne zusammenlehenden Ehefrau ,kein genügender Grund finden, ,sie von der
Ausübung eines Gewerbes, speziell vom selb-Handelsund Gewerbetreiheit. N°
22. 155

ständigen Betriebe einer Wirtschaft, auszuscl'riiessen, Die Ehefrau hat
zwar nach-Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
1    Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
2    Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.
3    Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.
-61
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
ZGB den Haushalt zu führen; das schliesst aber die
Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit nicht aus, wie sich ohne wei-;
teres aus Art. 167
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 167 - Bei der Wahl und Ausübung seines Berufes oder Gewerbes nimmt jeder Ehegatte auf den andern und das Wohl der ehelichen Gemeinschaft Rücksicht.
ZGB ergibt. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen
und sozialen Verhältnisse machen es geradezu zur, Notwendigkeit, dass
die Ehefrau zur selbständigen Ausübung der freien Erwerbstätigkeiten
grundsätzlich zugelassen werden muss. Dem kann sich das Recht nicht in
den Weg stellen. Dazu kommt, dass sich die. Ehefrau von jeher speziell
auch. im Wirtschaftsgewerbe betätigt hat, weil dieses in der Regel mit der
Führung des Haushaltes zusammengeht, und dass es für die Erfüllung dieser
ihrer speziellen Aufgabe, der Leitung des Hauswesens, keinen. erheblichen
Unterschied macht, ob sie wie eine Angestellte-im Wirtschaftsbetrieb
ihres Mannes mitwirkt oder einen solchen auf eigene Rechnung leitet. Der
Umstand, dass eine Ehefrau, wenn sie Inhaberin einer Wirtschaft ist,
sich möglicherweise im Betrieb von ihrem Manne beeinflussen oder ihn
mitwirken lässt, kann die angefochtenen Gesetzesbestimmungen ebenfalls
nicht stützen-; denn damit wird ihre Verantwortlichkeit für den Betrieb,
die sie mit der Erteilung des Patentes dem Staa'te gegenüber übernehmen
muss. nicht ausgeschaltet. Es fragt sich ailerdings, ob eine Ehefrau,
wenn sie die Leitung einer Wirtschaft ganz ihrem Manne überlässt,
das Patent dafür bekommen oder behalten könne; dies braucht aber hier
nicht entschieden zu werden, da derartiges nicht behauptet wird. Ferner
ist klar, dass das Patent einer Ehefrau verweigert oder entzogen werden
könnte, wenn in der Person des Ehemannes die Voraussetzungen des Art. 2
des Wirtschaftsgesetzes nicht vorhanden wären, wofür aber hier wiederum
nichts vorliegt. ' Der Bundesrat hat zwar, wie der Regierungsrat
bemerkt, im Jahre 1907 erklärt, dass gegen die Bestimmung des Art. 3
des st. gan. Wirtschaftsgesetzes

156 Steam-echt.

nichts einzuwenden sei; eine nähere Begründung für diese Auffassung wurde
aber nicht gegeben. Das Bundesgericht sprach sich schon im Entscheid
i. S. Müller gegen St. Gallen vom 5. Dezember 1919 über die Frage
aus. Es erklärte die genannte Bestimmung auch als verfassungsmässig,
aber mit einer Begründung, die die ihr vom Regierungsrat gegebene
Auslegung nicht deckt. Der Inhalt des Art. 3 ist in jenem Urteil in dem
Sinne erläutert werden, dass danach den Ehefrauen. nicht grundsätzlich,
sondern nur ausnahmsweise, wenn sie vom Ehemann als Betriebsinhaber
vorgesehohen werden, das Patent zu verweigern sei, und bloss mit
dieser Beschränkung wurde in Art. 3 des Wirtschaftsgesetzes keine
Verfassungswidrigkeit gesehen. Schon durch diese Urteilsbegründung
gab daher das Bundesgericht zu verstehen, dass ein grundsätzlicher
Ausschluss der mit dem Ehemann in ungetrennter Haushaltung lebenden
Ehefrau von der selbständigen Ausübung des Wirtsehaftsgewerhes mit der
Bundesverfassung kaum im Einklang stehe. In jenem Urteil wurde übrigens
die Verweigerung des Wirtschaftspatentes an die Ehefrau Müller auch
auf Art. 2 des Wirtschaftsgesetzes gestützt, und insofern war dieselbe
bundesrechtlich nicht anfeehtbar, auch wenn und soweit die Berufung ani
Art. 3 nicht staudgehalten hätte. Um so weniger kann auf jenes Präjudiz
abgestellt werden.

Der Entscheid des Regierungsrates muss daher, weil er der Rekurrentin
lediglich wegen ihrer Verheiratung auf Grund einer als verfassungswidrig
zu betrachtenden Bestimmung das firtschaftspatent entzieht, aufgehoben
werden. -

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Regierungsrates des
Kantons St. Gallen vom 12. März 1921 aufgehoben,Doppelbesteuerung. N°
23. 157

III. DOPPELBESTEUERUNGDOUBLE IMPOSITlON

23. Urteil vom 16. April 1921 i. S. Bär gegen Luzern und Zürich.

Verbot der Doppelbesteuerung Steuerdomizil eines Lehrers ,an einer
landwirtsehaitlichen Winterschule, der den Sommer jeweilen in einem
andern Kanton auf eigenem Heimwesen zubringt.

A. Der Rekurrent ist Eigentümer eines bäuerlichen Heimwesens in Zürich,
das er von seinem Vater übernommen, diesem aber nach seiner Angabe
verpachtet hat. Den Sommer verbringt er regelmässig hier bei seinem Vater
; seit dem Herbst 1917 hat er sich dagegen über den Winter jeweilen
in Sursee aufgehalten, weil er an der dortigen landwirtschaftlichen
Winterschule als Lehrer angestellt ist. Dementsprechend war er auch
seither stets im Sommer in Zürich und im Winter in Sursee polizeilich
angemeldet. Für das Jahr 1920 wurde er an jedem dieser beiden Orte
für sein ganzes bewegliches Vermögen und das ganze aus der Anstellung.
fliessende Einkommen vom Staat und der Gemeinde besteuert.

B. Infolgedessen hat er sich am 14. Februar 1921 beim Bundesgerichte
wegen Doppelbesteuerung beschwert und um eine gerechte und prinzipielle
Steuerausscheidung ersueht. --

C. Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt, der Rekurrent
sei für das Einkommen aus seiner Anstellung ausschliesslich in Zürich
steuerpflichtig zu erklären. Er führt zur Begründung aus : a der dortige
Aufenthalt (jn sursee) vermag nach unserer Auf-

. fassung kein Steuerdomizil zu begründen, weil er
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 47 I 150
Date : 25. Juni 1921
Published : 31. Dezember 1921
Source : Bundesgericht
Status : 47 I 150
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 150 Steam-echt. 22. Urteil vom 25 Juni 1921 i. S. König gegen St. Gallen. Eine


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ZGB: 1  61  160  162  167  191
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cantonal council • household • man • life • hamlet • federal court • marriage • intention • double taxation • authorization • common household • holder of a patent • season • spouse • father • question • widow • decision • need • statement of reasons for the adjudication
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