356 Staatsrecht

abzug hier nicht mehr in Betracht kommen. Es bleibt daher nur zu prüfen,
in welchem Umfange er bei der Bestimmung des Wertes der steuerpflichtigen
Objekte auf Grund (der Anlage-kosten zuzulassen sei. Grundsätzlich
kann auch hier eine Mitberiicksichtigung von Passiven nicht abgelehnt
werden, nachdem einerseits die Anlagen immerhin rechtlich einen Teil des
allgemeinen Vermögens der Stadt Zürich bilden, andererseits die Stadt das
Unternehmen der Natur der Sache nach nicht aus eigenen Mitteln finanzieren
konnte, sondern für deren Aufbringung Schulden eingehen musste. Nach den
früheren Erörterungen kann es dabei immerhin nicht auf ,das Verhältnis
der Gesamtpassivén der Stadt zu ihren Gesamtaktiven ankommen, noch
darf einfach darauf abgestellt werden, dass das Anlagekapital formell
in den Rechnungen der Wasserver'sorgung als eine Schuld gegenüber der
Gemeindekasse, die es vorgeschossen hat, erscheint und ' allmählich an sie
abgetragen werden muss,' da darin nur eine formelle buchhaltungstechnische
Massnahme liegt. Um zu einem billigen und den Verhältnissen entsprechenden
Ergebnis zu kommen, ist vielmehr davon auszugehen, welche dauernde
Belastung mit fremdem Gelde das Unternehmen als selbständiges gedacht
ertragen würde, oder in welchem Masse ein anderer Unternehmer zum Bau
und Betrieb dauernd den Kredit beanspruchen würde und dies zu tun in
der Lage wäre. Wird zu diesem Zwecke die Art, wie andere Unternehmungen
ähnlichen Charakters als private Gründungen finanziert zu werden pflegen,
zur Vergleichung benutzt, so dürfte es als angemessen erscheinen, wenn
etwa mit einer Hälfte eigenen und fremden Geldes gerechnet wird, was zu
einem steuerbaren Anlagewerte von 1,750,000 Fr. 875,000 oder 875,000
Fr. führt. Zieht man aus den beiden so gefundenen Summen von 1,114,000
Fr. (Ertragswert) und 875,000 Fr. (Anlagewert) das Mittel, so kommt man
zu einer steuerbaren Summe von rund 1 Million Franken. Die Experten haben
auf Grund einer anderen, von den Gestehungs-Doppelbesteuerung N° 17. 357

kosten ausgehenden Berechnung den Wert der Anlagen auf Zuger Gebiet auf
den gleichen Betrag angegeben, was eine Gewähr für dessen Angemessenheit
bietet.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und in Aufhebung
des Urteils des Obergerichts des Kantons Zug vom 31. Mai 1919

a) das nach Zug steuerpflichtige Vermögen der Rekurrentin für die in
Frage stehende Steuerperiode auf 1 Million Franken festgesetzt ; _

b) der Kanton Zug verpflichtet, die danach zu viel bezahlten Steuern
zurückzuerstatten.

47. Urteil vom 6. November 1920 i. S. Bernhardt gegen St. Gallen
und. Zürich; Steuerdomizil einer unselbständig erwerbenden Person, die

in einem Kanton ihren Haushalt hat und in einem andern während den
VVochentagen einen Bau beaufsichtigt-

A. J. Borchardt ist seit dem 1. Oktober 1911 in Zürich niedergelassen. Er
ist dort als Geschäftsleiter der Firma Braun A.-G. angestellt und führt
in einer Mietwohnung eigenen Haushalt, dem seit dem im September 1919
erfolgten Tode seiner Frau eine Verwandte vorsteht. Im Sommer 1919 wurde
Borchardt von seiner Firma mit der Beaufsichtigung eines von ihr in
Angriff genommenen Neubaues in St. Gallen beauftragt. Zu diesem Zwecke
hält er sich seit dem 1. Juli 1919 jeweilen in der Woche in St. Gallen
auf, kehrt aber regelmässig über den Sonntag . nach Hause zurück. Im
Frühjahr 1920 verlangten die st; gallischen Steuerbehörden von Borohardt,
dass er die Hälfte seines Einkommens dort versteuere. Borehardt erhob
hiegegen Einsprache, da er in Zürich steuerpflichtig

338 Slaatsrecht

sei. Die st. gallischen Behörden traten hierauf mit denjenigen von
Zürich in Verbindung, um sich. über die Verteilung der Steuerpflicht zu
verständigen. Da die zürcherische Finanzdirektion das ausschliessliche
Be·" steuerungsrecht für Zürich in Anspruch nahm, kam es nicht zu
einer Einigung. Am 23. August teilte die kantonale Steuerverwaltung
von St. Gallen dem Borchardt mit, dass sie an einer anteilsmässigen
(hälftigen) Steuer-

pflicht in St. Gallen festhalte. Anderseits erklärte die ,

Finanzdirektion von Zürich in einer Zuschrift vom 30. August, sie halte
ihrerseits daran fest, dass Borchardt sein ganzes Einkommen und Vermögen
in Zürich versteuere.

B. Mit Eingabe an das Bundesgericht vom 1?. September ersucht Borchardt
dieses, zu entscheiden, ob er, wie bisher, seine Steuern in Zürich zu
bezahlen habe oder je eine Hälfte nach Zürich und St. Gallen abführen
müsse. Er berief sich dabei auf die tatsächlichen Verhält-nisse, Wie sie
oben wiedergegeben sind, mit dem Beifügen, dass er nach Fertigstellung
des Neubaues in St. Gallen nach Zürich zurückkehren Werde.

Die kantonale Steuerverwaltung von St. Gallen stellt in der Vernehmlassung
den Antrag, es sei der steuer-mspruch des st. gallischen Fiskus
gutzuheissen. Sie macht in tatsächlicher Beziehung darauf aufmerksam,
dass der Aufenthalt des Borchardt ein länger dauernder sei und dass
sich derselbe in leitender Stellung befinde. In rechtlicher Beziehung
wird auf das bundesgerichtliche Urteil vom 23. April 1920 in Sachen
Goldinger verwiesen.

Der Regierungsrat von Zürich hält seinerseits die dortigen
Steueransprüche aufrecht, indem er bemerkt: der Aufenthalt in St. Gallen
sei ein vorübergehender und begründe kein Steuerdomizil. Im Falle
Goldinger habe es sich dagegen um eine dauernde Trennung der Familie
gehandelt. Der vorliegende gleiche eher dem Fall Schorno (AS 35 I
s. 37).Doppelbesteuerung. N° 47. 359

Das ssBundesgericht zieht in Erwägung :

Nach den unbestrittenen Angaben des Rekurrenten dient sein Aufenthalt
in St. Gallen lediglich einem zeitlich beschränkten Zwecke, und er wird,
wenn dies nicht schon geschehen ist, in absehbarer Zeit sein Ende nehmen.
Anderseits hat der Rekurrent seine Wohnung mit eigenem Haushalt in Zürich
beibehalten, und er bringt denn auch regelmässig seine freie Zeit dort
zu. Borchardt hat danach seinen Wohnsitz im zivilrechtlichen Sinne in
Zürich, was für die Steuerpflicht entscheidend ist. Abgesehen hievon'
sind die Beziehungen des Rekurrenten zu Zürich zweifellos die starkem,
als diejenigen zu St. Gallen, was wiederum dazu führt, steuerrechtlich
Zürich vor St. Gallen den Vorzug zu geben. In beiden Beziehungen
unterscheidet sich der vorliegende von dem Fall Goldinger, auf den
einzig St. Gallen seinen Anspruch stützt. Wie der Regierungsrat von
Zürich richtig hervorhebt, gleicht der vorliegende Fall in tatsächlicher
Beziehung dem Falle Schorno, in welchem dem Kanton des vorübergehenden
Aufenthalts ein Steuerrecht ebenfalls nicht zuerkannt worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs wird in dem Sinne gutgeheissen, das St. Gallen das Recht,
den Rekurrenten für das Jahr 1920 zu besteuern, nicht zuerkannt wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 46 I 357
Datum : 06. November 1920
Publiziert : 31. Dezember 1920
Quelle : Bundesgericht
Status : 46 I 357
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 356 Staatsrecht abzug hier nicht mehr in Betracht kommen. Es bleibt daher nur zu


Stichwortregister
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