370 Erbrecht. N° 57.

entgegenge'wirkt werden. Die fragliche Erklärung ist demnach ein
wesentlicher Bestandteil des Errichturigsaktes, dessen Fehlen die
Verfügung ungiltig macht (vergl. im gleichen Sinne auch § 2249 DBGB für
das Verwandte Doritestament des deutschen Rechtes). Im vorliegenden
Falle fehlt es daran aber auch dann, wenn man als an die Gerichtsbehörde
gerichtete Mitteilung der Zeugen nicht nur das Schreiben vom 30. April
1917, sondern, weil darin neben dem Inhalt der Verfügung zugleich deren
Zustandekommen dargestellt ist, auch die als letztwillige Verfügung
überschriebene Urkunde vom 29. April 1917 selbst betrachtet und deshalb
über die Tatsache, dass das erstere Schriftstück nur von e i n e m der
Zeugen her-rührte und unterzeichnet War, hinWeggeht. Denn auch dort wird
als Grund für die Errichtung einer mündlichen Verfügung nur erwähnt,
dass der Erblasser nicht mehr im Stande war, selber zu schreiben,
also eine Tatsache, die die Anwendung des eigenhändigen Testamentes
nach Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
1    Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
2    Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können.
ZGB ausschloss. Irgendwelche Tatsachen, aus denen sich
ergähe, dass auch die BenütZung der anderen ordentlichen Testamentsform,
der öffentlichen letztwilligen Verfügung, zu der es nach Art. 502 der
Unterschrift des Erblassers nicht bedarf , nicht möglich gewesen wäre,
werden in keinem der beiden Schriftstücke, weder in dem Schreiben Vom
30. April noch in der Urkunde vom 29. April angeführt. Art. 506 verlangt
aber als Bedingung für die Zulassung des mündlichen Testamentes, dass der
Erblasser verhindert sei, sich einer der anderen Errichtungsformen , also
irgend einer ordentlichen Veriügungsiorm zu bedienen. Es genügt nicht,
dass die eine oder andere derselben nach den Umständen ausgeschlossen war
(AS 44 II S 350 Erw. 2a, Schultze gegen Pizzorno).

Bei dieser Sachlage braucht nicht geprüft zu Werden, ob im übrigen die
F ormerfordernisse der Art. 506 u. 507 erfüllt Wären, insbesondere ob
die Mitteilung des letzten Willens durch den Erblasser an die Zeugen
auch so erfol-Erbrecht. N° 58. 371

gen könne, dass er lediglich auf von diesen an ihn gerichtete Fragen
mit Ja oder zustimmenden Zeichen antwortetferner ob die Zeugen die
durch Art. 507 verlangte Erklärung der Gerichtshehörde auch brieflich
übermitteln können oder ob sie dazu nicht unter allen Umständen,
auch dann, wenn der Inhalt der Verfügung selbst von ihnen durch
Niederschrift nach Abs. '1 ebenda festgelegt worden ist, persönlich vor
der Behörde erscheinen müssen, (so Tvon zu Art. 506 bis 508 Randnote 25)
usw. Entscheidend ist, dass die Erklärung hier jedenfalls, unabhängig
Von der Art ihrer Abgabe, inhaltlich den Anforderungen des Gesetzes
nicht entsprach.

Demnach erkenn-.t das Bundesgericht :

Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 19. April 1919 aufgehoben und die mündliche letztwillige
Verfügung des Fritz Rickli vom 29. April 1917 für ungiltig erklärt.

58. Urteil der II. Zivila'bteilung vom 17. Juni1919. i. S. Frau Bsuzgeler
Lötscher gegen Geschwister Lò'tscher. Obligatorischer Verpiründungsvertrag
i. S. von Art. 521 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 521 - 1 Durch den Verpfründungsvertrag verpflichtet sich der Pfründer, dem Pfrundgeber ein Vermögen oder einzelne Vermögenswerte zu übertragen, und dieser, dem Pfründer Unterhalt und Pflege auf Lebenszeit zu gewähren.
1    Durch den Verpfründungsvertrag verpflichtet sich der Pfründer, dem Pfrundgeber ein Vermögen oder einzelne Vermögenswerte zu übertragen, und dieser, dem Pfründer Unterhalt und Pflege auf Lebenszeit zu gewähren.
2    Ist der Pfrundgeber als Erbe des Pfründers eingesetzt, so steht das ganze Verhältnis unter den Bestimmungen über den Erbvertrag.
OR. Anspruch der Erben des Pfründers auf
Herabsetzung der dadurch getroffenen Zuwendung an den Pfrundgeber

wegen Verletzung des Pflichtteils nach Art. 525 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 525 - 1 Ein Verpfründungsvertrag kann von denjenigen Personen angefochten werden, denen ein gesetzlicher Unterstützungsanspruch gegen den Pfründer zusteht, wenn der Pfründer durch die Verpfründung sich der Möglichkeit beraubt, seiner Unterstützungspflicht nachzukommen.
1    Ein Verpfründungsvertrag kann von denjenigen Personen angefochten werden, denen ein gesetzlicher Unterstützungsanspruch gegen den Pfründer zusteht, wenn der Pfründer durch die Verpfründung sich der Möglichkeit beraubt, seiner Unterstützungspflicht nachzukommen.
2    Anstatt den Vertrag aufzuheben, kann der Richter den Pfrundgeber zu der Unterstützung der Unterstützungsberechtigten verpflichten unter Anrechnung dieser Leistungen auf das, was der Pfrundgeber vertragsgemäss dem Pfründer zu entrichten hat.
3    Vorbehalten bleiben ferner die Klage der Erben auf Herabsetzung und die Anfechtung durch die Gläubiger.
OR, 527
ZGB. Voraussetzungen und Umfang.

A. Am 20. November 1917 starb in Gerliswil Ernmen

die am 18. Januar 1842 geborene Witwe Katharina

Lötscher geh. Fölmli, die Mutter der Beklagten Frau Rosa Baumeler Lötseher
und der Kläger Franz, Josef, Friedrich, Anton, Katharina Lötscher und
Frau Husmann-Lötscher. Zwölf Tage vor ihrem Tode, am 8. November'1917
hatte sie mit der Beklagten, zu der sie Ende September 1917 unter Aufgabe
ihres eigenen Haushalts

372hat-he N58.

gezogen war, eine als ErbV ertrag überschriebene, öffentlich beurkundete
Vereinbarung folgenden Inhalts geschlossen: Frau Rosa Baumeler
geb. Lötscher hat ihre Mutter, die Witwe Lötsch'er geh. Föhnliin gesunden
und kranken Tagen standesgemäss zu unterhalten Besonders hat die Tochte1
Frau Baumeler ihre Mutter so zu pflegen und zu behandeln, wie es einer
dankbaren Tochter der Mutter gegenüber geziemt. Auch hat Frau Baumeler
die Arztkosten sowie die Beerdigungsknsten zu übernehmen, überhaupt alles
zu bezahlen, was den Unterhalt und die Pflege ihrer Mutter betrifft,
Dagegen hat Witwe Lötscher geb. Föhnli ihr eigentümliches Vermögen der
Vorhenannten Tochter Frau Baumeler geh. Lötscher rechtsförmlich abgetreten
als Aequiv alent für die genossene und die neu zu ühemehmende Pflege.

Dieser ErbV'ertrag ist von beiden Kontrahenten gelesen, richtig bekunden
und in deren gleichzeitigei Gegenwart unterzeichnet werden.

(Folgen die Unterschriften der Vertragsparteien und des Urkundsbeamten).

Wir die unterzeichneten zwei Zeugen, Josef Suter, Kanzlist in 'Gerliswil
und Josef" Bühler, Fabrikarheiter in Gerliswil bestätigen hiemit, dass
Witwe Lötscher

, geb. Föhnli sowie deren Tochter Frau Baumeler unmittelbar nach
der Datierung und Unterzeichnung dieser Urkunde und in Gegenwart von
Gemeindeschreiber Sute1 (des Urkundsheamten) erklärt haben, sie haben
die Urkunde gelesen und sie enthalte den vereinbarten Parteiwillen.
Wir bestätigen ferner, dass Witwe Lötscher geb. Föhnli nach unserer
Wahrnehmung sich hie-bei bei V'oliem, gesundem Verstande und im Zustande
der Verfügungsfähigkeit befunden hat.

(Folgen die Unterschriften der Zeugen.)

Das auf Grund dieser Vereinbarung an die Beklagte übergegangene Vermögen
bestand, ausser einigem unbedeutenden Hausrat, nach deren Zugeständnis
aus Wert-

Erbrecht. N° 58. 373

schriften imBetrage von 4167 Fr. In einer vor dem ,Prozesse an die
Teilungshehörde Emmen gerichteten Zuschriit hatte die Beklagte den Wert
der empfangenen &ülten ' und Obligationen etwas höher, nämlich 4800
Fr. angegeben Mit der vorliegenden Klage stellen die Kläger in ihrer
Eigenschaft als pilichtteilsberechügte Erben ihrer Wter das Begehren,
es sei der Vertrag ,vom 8. November 1917, weils-on der Erblasserin
zu einer Zeit, wo sie die Handlungsfähigkeit nicht mehr besessen,
abgeschlossen und entgegen Art. 501
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 501 - 1 Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
1    Der Erblasser hat unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung den zwei Zeugen in Gegenwart des Beamten zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte.
2    Die Zeugen haben auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe.
3    Es ist nicht erforderlich, dass die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten.
, 502
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 502 - 1 Wenn der Erblasser die Urkunde nicht selbst liest und unterschreibt, so hat sie ihm der Beamte in Gegenwart der beiden Zeugen vorzulesen, und der Erblasser hat daraufhin zu erklären, die Urkunde enthalte seine Verfügung.
1    Wenn der Erblasser die Urkunde nicht selbst liest und unterschreibt, so hat sie ihm der Beamte in Gegenwart der beiden Zeugen vorzulesen, und der Erblasser hat daraufhin zu erklären, die Urkunde enthalte seine Verfügung.
2    Die Zeugen haben in diesem Falle nicht nur die Erklärung des Erblassers und ihre Wahrnehmung über seine Verfügungsfähigkeit zu bezeugen, sondern auch mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass die Urkunde in ihrer Gegenwart dem Erblasser vom Beamten vorgelesen worden sei.
und 512
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 512 - 1 Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
1    Der Erbvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung.
2    Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig dem Beamten ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu unterschreiben.
ZGB nicht (uno aotu
errichtet, als ungiltig aufzuheben, eventuell nach Art. 527
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 527 - Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen:
1  die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;
2  die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;
3  die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke;
4  die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.
ZGB auf das
erlaubte Mass herabzusetzen Die Beklagte beantragt Äbweisung der Klage,
indem sie behauptet, dass die Mutter Lötscher heim Vertragsabschluss
geistig durchaus gesund gewesen sei, und sich auch körperlich in einem
ihrem Alter entsprechenden normalen Zustande befunden habe, so dass noch
mit einer längeren Lebensdauer habe gerechnet werden müssen. Lege man
die Zeit zu Grunde, Während deren dieselbe nach den Rententabellen noch
hätte leben können, so entspreche aber die von der Beklagten übernommene
Gegenleistung durchaus dem empfangenen Vermögen, zumal darin auch die
Zahlung der Arzt und Beerdigungskosten eingeschlossen gewesen sei,
die inbegriffen die üblichen religiösen Gedächtniskeiern nach einer der
Klage beigegebenen spezifizierten Aufstellung allein 1294 Fr. ausgemacht
hätten. Eventuell, bei Gutheissung der Herabsetzungs-klage, Wäre zum
mindesten dieser Betrag zuzüglich 254 Fr. für Vom 20. September 1917
bis zum Todestag tatsächlich gewährten Unterhalt der Beklagten vorab
aus dem Nachlass zu vergüten, beziehungsweise von der der Herabsetzung
unterliegenden Zuwendung abzurBechnen. Durch Urteil vom 18 Februar 1919
hat das Obergericht des Kantons Luzern 1. Kammer die gegen die Giltigkeit
des Vertrages gerichteten Einreden Yer-

374 Erbrecht. N° 58.

werfen, das eventuelle Klagebegehren dagegen grundsätzlich geschützt
und demgemäss erkannt :

1. Der Erbvertrag vom 8. November 1917 ist in seine gesetzlichen Schranken
zurückgewiesen, beziehungsweise auf das erlaubte Mass zurückzuführen.

2. Die weitergehenden Begehren der Parteien sind im Sinne der Motive
abgewiesen.

3. u. 4 (Kostenund Entschädigungsbestimmungen).

Die Gutheissung der Herabsetzungsklage stützt sich auf folgende
Erwägungen: der Abschluss eines Verpfründungsvertrages, als Welcher die
angefochtene Vereinbarung erscheine, durch eine fünfundsiebzigjährige
Frau unter Hingabe eines Vermögens von 4000 bis 5000 Fr. begründe an sich
noch keine Vermutung für eine beabsichtigte Umgehung der Bestimmungen
über die Testierfreiheit, da einer solchen Pfründerin nach den Tabellen
von Piccard immer noch eine wahrscheinliche Lebensdauer von 6 Jahren
beschieden sei. Im vorliegenden Falle komme indessen hinzu, dass Witwe
Lötscher, wenn auch nicht direkt krank und vor dem Tode stehend, doch
Spuren von AltersschWäche gezeigt habe . Ferner, dass der Urkundsbeamte
nach seiner Aussage ursprünglich zur Abfassung eines Testamentes gerufen
und dann erst auf seinen Rat die Form des Verpfründungsvertrages gewählt
werden sei. Dies habe doch wohl nur geschehen können, um nicht an die
für Verfügungen von Todes wegen geltenden Beschränkungen gebunden zu
sein. Dass erbrechtliche BeWeggründe mitgespielt hätten, beweise auch die
Bezeichnung der Vereinbarung als Erhvertrag . Wenn der Urkundsbeamte den
Vertrag so betitelt habe, müsse er jedenfalls der Aufiassu'ng gewesen
sein, es handle sich dabei mehr um die Ueberlassung der Erbschaft an
die Beklagte als Erbin denn um die Uebergabe von Vermögens'werten an
die Pfrundgeberin. Auch die Vertragsparteien selbst hätten, obwohl nicht
rechtsgebildete Leute, daraus zum mindesten soviel entnehmen miissen,
dass durch den Vertrag imErbrecht. N° 58. 375

Grunde erbrechtliche Verhältnisse geregelt Werden sollten. Haben sie
gleichwohl unterzeichnet,.so weise auch das darauf hin, dass das Vermögen
der Witwe Lötscher. schon bei Lebzeiten der Beklagten als Erbin habe
zugeschoben Werden sollen und nur deshalb ein Verpfründungs-vertrag
geschlossen worden sei, um auf diesem Wege die Beschränkungen der
Testierfreiheit zu umgehen Es liege demnach der Fall des Art. 527
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 527 - Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen:
1  die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;
2  die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;
3  die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke;
4  die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.
Zifi. 4
ZGB vor. Wie gross der Pflichtteilsbetrag der Kläger sei und welche
Ansprüche der Beklagten aus Aufwendungen für die Erblasserin zustehen,
sei nicht in diesem Verfahren, sondern bei der Erbteilung zu entscheiden.

C. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der
Beklagten Frau Bamneler Lötscher mit dem Begehren auf gänzliche
AbWeisung ,der Klage. Die Kläger, Geschwister Lötscher, haben im Wege
der Anschlussberufung Gutheissung der Klage im Sinne des Haupthegehrens
(Ungiltigerklärung des Vertrages) verlang-t.

Das Bundesgerichf zieht in Erwägung :

Das Gegenstand der Klage bildendeiAbkommen vom 8 November 1917 stellt
sich trotz seiner Ueberschrift nicht als erbrechtliche Vereinbarung,
sondern als gewöhnlicher obligatorischer Verpfründungsvertrag im Sinne von
Art. 521 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 521 - 1 Durch den Verpfründungsvertrag verpflichtet sich der Pfründer, dem Pfrundgeber ein Vermögen oder einzelne Vermögenswerte zu übertragen, und dieser, dem Pfründer Unterhalt und Pflege auf Lebenszeit zu gewähren.
1    Durch den Verpfründungsvertrag verpflichtet sich der Pfründer, dem Pfrundgeber ein Vermögen oder einzelne Vermögenswerte zu übertragen, und dieser, dem Pfründer Unterhalt und Pflege auf Lebenszeit zu gewähren.
2    Ist der Pfrundgeber als Erbe des Pfründers eingesetzt, so steht das ganze Verhältnis unter den Bestimmungen über den Erbvertrag.
OR dar. Von einem den Bestimmungen über den Erhvertrag
unterstehenden Verhältnis nach Abs. 2 ebenda könnte nur dann gesprochen
werden, wenn darin eine Verfügung erbrechtlicher Natur getroffen,
also z. B. die Beklagte als Erbin eingesetzt oder'mit einem Vermächtnis
bedachtrworden wäre. Die Fassung der Urkunde bietet aber keinen Anhalts
. punkt dafür, dass der Wille der Witwe Lötscher Fölmli bei der Errichtung
auf eine solche Erbeinsetzung oder Vennächtniserrichtung, verbunden mit
einer vorzeitigen

' Ueberlassung des davon betroffenen Vermögens an den

Vertragserben im Sinne von Art. 534
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 534 - 1 Überträgt der Erblasser sein Vermögen bei Lebzeiten auf den Vertragserben, so kann dieser ein öffentliches Inventar aufnehmen lassen.
1    Überträgt der Erblasser sein Vermögen bei Lebzeiten auf den Vertragserben, so kann dieser ein öffentliches Inventar aufnehmen lassen.
2    Hat der Erblasser nicht alles Vermögen übertragen oder nach der Übertragung Vermögen erworben, so bezieht sich der Vertrag unter Vorbehalt einer anderen Anordnung nur auf das übertragene Vermögen.
3    Soweit die Übergabe bei Lebzeiten stattgefunden hat, gehen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag unter Vorbehalt einer anderen Anordnung auf die Erben des eingesetzten Erben über.
ZGB, gerichtet.

5376 Erbrecht. N° 58.

' gewesen Wäre. Sie geht auf eine gewöhnliche Uebertragung bestimmter
Vermögensobjekte auf. die Beklagte gegen

_ ,Leistung eines Gegenwert-es durch diese, alsoauf _,ein

'entgeltliehes Rechtsgeschäft unter Lebenden. Die eventuell erhobene
Herabsetzungsklage kann demnach nicht wie bei einem Erbvertrage einfach
damit begründet werden, dass der Wert des der Beklagten durch den Vertrag
Zugewendeten mehr als das ausmache, worüber Wittwe Lötseher-Fölmli Von
Todes wegen frei verfügen konnte (Art. 481
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 481 - 1 Der Erblasser kann in den Schranken der Verfügungsfreiheit über sein Vermögen mit letztwilliger Verfügung oder mit Erbvertrag ganz oder teilweise verfügen.
1    Der Erblasser kann in den Schranken der Verfügungsfreiheit über sein Vermögen mit letztwilliger Verfügung oder mit Erbvertrag ganz oder teilweise verfügen.
2    Der Teil, über den er nicht verfügt hat, fällt an die gesetzlichen Erben.
, 522
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 522 - 1 Die Erben, die dem Werte nach weniger als ihren Pflichtteil erhalten, können die Herabsetzung der folgenden Erwerbungen und Zuwendungen verlangen, bis der Pflichtteil hergestellt ist:
1    Die Erben, die dem Werte nach weniger als ihren Pflichtteil erhalten, können die Herabsetzung der folgenden Erwerbungen und Zuwendungen verlangen, bis der Pflichtteil hergestellt ist:
1  der Erwerbungen gemäss der gesetzlichen Erbfolge;
2  der Zuwendungen von Todes wegen;
3  der Zuwendungen unter Lebenden.
2    Enthält eine Verfügung von Todes wegen Bestimmungen über die Teile der gesetzlichen Erben, so sind sie als blosse Teilungsvorschriften aufzufassen, wenn kein anderer Wille des Erblassers aus der Verfügung ersichtlich ist.
ZGB) : sie setzt Voraus,
dass einer ,der Tatbestände vorliege, bei denen das Zivilgesetzbuch
den Anspruch auf Herabsetzung auch gegenüber Rechts.geschäften unter
Lebenden gibt. Ebenso beurteilt sich die Giltigkeit der Vereinbarung als
solcher nicht nach den Vorschriften des Erbrechts, sondern ausschliesslich
nach denjenigen des Obligationenrechts. Die ersteren kommen ,höchstens
insoweit in Betracht, als es sich um die beim Abschluss zu beachtende
F o rm handelt, Weil nach Art. 522 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 522 - 1 Der Verpfründungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit, auch wenn keine Erbeinsetzung damit verbunden ist, derselben Form wie der Erbvertrag.
1    Der Verpfründungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit, auch wenn keine Erbeinsetzung damit verbunden ist, derselben Form wie der Erbvertrag.
2    Wird der Vertrag mit einer staatlich anerkannten Pfrundanstalt zu den von der zuständigen Behörde genehmigten Bedingungen abgeschlossen, so genügt die schriftliche Vereinbarung.
OR der Verpfründungsvertrag,
auch wenn damit keine Erbeinsetzung verbunden ist, zu seiner Gütigkeit
der Form des Erbvertrages bedarf.

2 und 3. (ZurückWeisung der Einreden der Formungiltigkeit und der
mangelnden Handlungsfähigkeit der Erblasserin). _

4. Wenn endlich in der Anschlussberufungsschrift noch die Einrede der
Simulation erhoben und damit begründet wird, dass die Verrilögensabtretung
an die Beklagte tatsächlich sehen vollzogen gewesen sei, als man den
Urkundsbeamten gerufen habe und der Verpfn'in-dungsvertrag von diesem
nur aufgesetzt worden sei, um ihr den Schein des Rechtes zu geben und
sie der Anfechtung zu entziehen, während es sich in Wirklichkeit nach
der Auffassung beider Parteien ums-seine unentgeltliche Ueberlassung
hätte handeln sollen, so ist darauf zu emidern, dass auch dieser
Sachverhalt, Wenn er zuträfe, die Zuwendung als solche'nicht nichtig
machen könnte. ,Denn auch nach der Darstellung der Kläger würde
deshalbErbrecht. N° 58. 377

derselben der Rechtsgrund nicht fehlen ; er wäre in der Vertragsurk'unde
nur unrichtig bezeichnet werden, indem die Form des entgeltlichen
Rechtsgeschäftes, der Verpfrung gewählt worden wäre, um die in
Wirklichkeit vorliegende unentgeltliche Entäusserung zu verdecken
Die Folge wäre demnach einfach die, dass an Stelle des simulierten
Rechtsgeschäftes das dadurch verdeckte

ss wirklich geWollte (dissimulierte), die Schenkung treten

würde (Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR). Diese wäre aber wegen der Unentgeltlichkeit den
Erben gegenüber nicht ungiltig, sondern wiirde lediglich, soweit sie
eine Verletzung des Pilichtteils enthält, nach Art. 527 Ziff. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 527 - Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen:
1  die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;
2  die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;
3  die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke;
4  die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.
ZGB
der Herabsetzung unterliegen. Nun lässt sieh aber aus dem Zeugnis
des Urkundsbeamten Gemeindeschreiber Suter, auf das sich die Kläger
berufen, überhaupt nicht entnehmen und auch die Vorinstanz hat es daraus
nicht geschlossen , dass die Vermögensabtretung als unentgeltliches
Rechtsgeschäft bereits rechtlich perfekt gewesen wäre, als er gerufen
wurde. Was daraus hervorgeht, ist lediglich soviel, dass die Erblasserin
offenbar ursprünglich die Absicht hatte, ihr Vermögen der Beklagten
durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) unentgeltlich
zuzuwenden und ihr die Titel tatsächlich auch schon übergeben hatte,. dass
dann aber dieser Boden auf den Rat des Zeugen verlassen wurde und, um
der Erblasserin einen Rechtsanspruch darauf zu geben, dass ihr die in
Aussicht gestellte Pflege bis zu ihrem Tode auch wirklich zu Teil werde ,
dem Geschäft der Charakter des Verpkründungsvertrages gegeben wurde. Mag
nun auch jener Rat Vom Urkuhdsbeamten vielleicht weniger im Interesse
der Mutter als in demjenigen der Tochter erteilt werden sein, um die
Anfechtung durch die Erben auszuschliessen, die bei einer Verfügung Von
Todes wegen oder Schenkung unter Lebenden ohne weiteres gegeben gewesen
wäre, so berechtigt dies noch nicht dazu, die Vereinbarung, so wie sie
Vor-liegt und 'beurkundet Wurde, schlechthin als sinniliert zu betrachten:
Es wäre dazu der Nachweis nötig, dass

378 Erh recht. N° 58.

sich die Mutter die Uebeinahme von Pflege und Unte1halt nur zum Schein
hätte versprechen lassen, während sie in Wirklichkeit nicht im Sinne
hatte, den Anspruch darauf tatsächlich auszuüben oder Von vornherein
klar war, dass darin eine effektive Belastung für die Beklagte nicht
liegen könne, Weil das Ableben der Pfründerin ohnehin in nächster Zeit
zu erwarten war. Hieiür fehlen aber hinreichende Anhaltspunkte. Wenn die
Vorinstanz erklärt, dass die Mutter Lötseher Fölmli wenn schon nicht
direkt krank und vor dem Tode stehend, doch Spuren von Alterssehwäehe
gezeigt habe , so ist dies bei einer fünfundsiebzigjährigen Frau
selbstverständlich und lässt noch keinen schluss darauf zu, dass mit einem
umnittelbar bevorstehenden Hinschiede oder doch einer bedeutend kürzeren
Lebensdauer habe gerechnet werden müssen, als sie die Sterblichkeitstaieln
für Personen dieses Alters ergeben.

Geht man hievon aus, d. h. nimmt man an, dass die der Beklagten
durch den Vertrag überbundene Leistungspklicht nicht bloss simuliert
war, so ist aber ausgeschlossen, dass die zu ihren Gunsten erfolgte
Vermögens-verschiebung in ihrer Gesamtheit als verdeckte unentgeltliche
Zuwendung der Herabsetzung unterstellt werden könnte, sondern kann von
der letzteren höchstens die--

jenige Summe betroffen werden, um Welche die der Be

klagten zugekommenen Vermögenswerte die von ihr als Pkrinidgeberin
übernommene Gegenleistung überstiegen. Wenn und insoweit eine solche
Differenz zwischen der Leistung der Erblasserin und den voraussehbaren

Aufwendungen der Beklagten für die Erfüllung ihrer ,

Verbindlichkeiten als Pfrundgeberin bestand, liegt ein sogenanntes
gemischtes Rechtsgeschäft (negatium mixtum cum donatione), eine Verbindung
zwischen einem entgeltlichen Verpfrungsvertrag, der als solcher
der Herabsetzung nicht unterliegt, und einer unter der Verpfründung
versteckten (dissimulierten) Schenkung lvor, der gegenüber nach Art. 527
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 527 - Der Herabsetzung unterliegen wie die Verfügungen von Todes wegen:
1  die Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind;
2  die Erbabfindungen und Auskaufsbeträge;
3  die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke;
4  die Entäusserung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.

ZGB wie gegenüber einerErbrecht. N° 58. 379

Verfügung von Todes wegen die Herabsetzung verlangt werden kann. Ob
darauf Ziff. 3 oder 4 des Art. 527 zutreiîe, d. h. für die Herabsetzung,
insoweit das Geschäft

sich als unentgeltliches darstellt, die objektive Tatsache

der Verletzung des Pflichtteils genfige oder esss im weiteren s des
Nachweises der Absicht einer Umgehung der erb--

rechtlichen Verfügungsbeschränkungen bedürfe (vergl.

dazu einerseits Home-133111311, Verpiründungsvertrag 5.152

it., andererseits Toon, Kommentar zu Art. 527 Randnote

18), kann dahingestellt bleiben. Denn für die Erfüllung

dieses Erlordemisses genügt es, dass der Erblasser Wissen

musste, die in der streitigen Zuwendung liegende Be-

günstigung des Empfängers sei nicht ohne Verletzung ss des Pflichtteils
anderer Erben möglich, was bei der

Entäusserung des gesamten Vermögens, wie sie hier

vorliegt, stets der Fall sein wird. Es ist dazu nicht nötig

dass die Benachteiligung der Pflichtteilserben der eigent-

liche primäre Zweck (das leitende Motiv) des Ge-

schàftes sei.

Fest-zuhalten ist dabei lediglich, dass ein Mehrwert der' Leistung des
Pfründers nicht nur gegenüber demjenigen,_ was der Pirundgeber in der
Folge tatsächlich geleistet hat, sondern was er beim Vertragsabschluss zu
leisten sich : verpflichtet hatte, bestehen muss. Nicht jedes Missversi
si hältniszwischen Leistung und Gegenleistung macht ein Geschäft zu
einer gemischten Schenkung. Es muss dazu der Schenküngswille treten,
d. h. das MissVerhältnis den Parteien beWusst und ihre Absicht gewesen
sein, dass die Leistung der einen nurzum Teil das Aequivalent für
diejenige der anderen bilden, während der Rest ohne

'Gegenleistung bleiben soll. Dies setztgaber Voraus, dass

schon nach den Verhältnissen beim Vertragsschluss voraussehbar war,
dass die Leistungen des Pimndgebers das ihm überlassen-z Kapital nicht
erreichen werden. Mit anderen Worten, für die Entscheidung darüber, ob
eine partielle Schenkung vorliege, kann es nicht auf die Zeit, während
deren der Pfründer tatsächlich noch gelebt hat

380 Erbrecht. N° 58.

und die Leistungen, die Während derselben tatsächlich an ihn
gemacht werden mussten, sondern einzig auf die _ im Zeitpunkte des
Vertragesehlusses 'w a h r s c h e i n lie h e fernere Lebensdauer und
die AufWendungen, die danach nötig gewesen waren, ankommen (vergl. in
diesem Sinne auch Tvon a. a. 0. Nr. 18 am Ende, HonBERGER a. a. O. S. 148
H.). Eine andere Lösung wäre auch offenbar unbillig, weil dabei das
Risiko, das der Pfrundgeber infolge der Ungewissheit des zeitlichen
Endes seiner Leistungspflicht übernimmt, das dem Verplründungsver-trage
anhaltende aleatorische Moment ausser Acht gelassen würde. Als Masstab
für die Bemessung des Wertes der Pfrundleistung in diesem Sinne wird
dabei regelmässig die aus den Sterblichkeitstafeln für Personen vom
Alter des Pfründers sich ergebende fernere Lebenswahrscheinlichkeit
dienen müssen. Behaupten die die Herabsetzung betreibenden Erben,
dass nach dem Gesundheitszustande des Erblassers schon beim Vertrags_
schlusse mit einem rascheren Ableben zu rechnen gewesen sei, so liegt
ihnen dafür der Beweis ob und wird, wenn er Sei-bracht werden kann,
diesem Umstande durch eine nach richterlichem Ermessen vorzunehmende
entsprechende Minderbewertung der Gegenleistung des Pfrundgebers Rechnung
zu tragen sein. . _ Die Frage der Pflichtteilsverletzung kann demnach
Î nicht, wie es die Vorinstanz getan hat, so erledigt werden,

ss dass einfach die im streitigen Vertrage liegende Ver-

'ss mögensübertragung an die Beklagte als solche der Herab setzung
unterstehend erklärt wird. Es muss dazu geprüft werden, welches der Wert
des übertragenen Vermögens einerseits und der von der Beklagten nach,
den Verhältnissen beim Vertragsschluss voraussichtlich zu bewir-kenden
Gegenleistung andererseits war, wobei als Bestandteil del" letzteren neben
der Gewährung Von Unterhalt und Pflege auch die ebenfalls übernommenen
Arztund Beerdigungskosten in Anschlag zu bringen sein werden. Nur soweit
sich danach eine Differenz zwischenErbrecht. N° 59. , 381

d'en beiderseitigen Leistungen ergibt, kann von einer

herab'setzbaren Verfügung gesprochen werden. Da die Î Vorinstanz nähere
Feststellungen hierüber nicht getroffen, ' insbesondere zu der Frage,
inwiefern ein rascheres Ableben

der Erblasserin, als es sich aus der Absterbestatistik

' ergehen Würde, vorauszusehen war, nicht bestimmt

Stellung genommen hat, ist deshalb die Sache zur Untersuchung nach
dieser Richtung und neuer Entscheidung zurückzuweisen.. Dabei wird der
kantonale Richter, was speziell die letzterWähnte Frage betrifft, nicht
nur die unmittelbaren Aussagen der einvernom menen Zeugen

über den Gesundheitszustand der Erblasserin, sondern

auch andere in den Akten enthaltene Indizien berücksichtigen dürfen,
welche allenfalls den Schluss zulassen, dass am 8. November 1918 mit
einem baldigen Tode jener gerechnet werden sei.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts
des Kantons Luzern I. Kammer vom 18. Februar 1919 aufgehoben und die
Sachezu neuerEnt' scheidung im Sinne der Erwägungen an die kantonalen
Instanzen zurückgewiesen wird. ss

59. Äuszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Juli 1919
i. S. Wasser gegen Meier. Art. 473 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 473 - 1 Unabhängig von einer allfälligen Verfügung über den verfügbaren Teil kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten, der überlebenden eingetragenen Partnerin oder dem überlebenden eingetragenen Partner durch Verfügung von Todes wegen gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung am ganzen ihnen zufallenden Teil der Erbschaft zuwenden.
1    Unabhängig von einer allfälligen Verfügung über den verfügbaren Teil kann der Erblasser dem überlebenden Ehegatten, der überlebenden eingetragenen Partnerin oder dem überlebenden eingetragenen Partner durch Verfügung von Todes wegen gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung am ganzen ihnen zufallenden Teil der Erbschaft zuwenden.
2    Diese Nutzniessung tritt an die Stelle des dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner neben diesen Nachkommen zustehenden gesetzlichen Erbrechts. Neben dieser Nutzniessung beträgt der verfügbare Teil die Hälfte des Nachlasses.
3    Heiratet der überlebende Ehegatte wieder oder begründet er eine eingetragene Partnerschaft, so entfällt die Nutzniessung auf jenem Teil der Erbschaft, der im Zeitpunkt des Erbgangs nach den ordentlichen Bestimmungen über den Pflichtteil der Nachkommen nicht hätte mit der Nutzniessung belastet werden können. Diese Bestimmung gilt sinngemäss, wenn die überlebende eingetragene Partnerin oder der überlebende eingetragene Partner eine neue eingetragene Partnerschaft begründet oder heiratet.
ZGB. Hat der Erblasser, der
dem überlebenden

Ehegatten die Nutzniessung am ganzen Nachlass vermachte, dadurch seine
Verfügungsbefugnis erschöpft?

A. Am 20. August 1915 starb in Hinterbrühlhalden bei Leibstadt der
Landwirt Josef Meier. Er hinterliess als Erben seine Ehefrau, die heutige
Beklagte Verena Meier-Meier und sechs Kinder, darunter den Beklagten
Johann Meier und die Klägerin Karolina Vasser Meier.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 45 II 371
Date : 19. April 1919
Published : 31. Dezember 1920
Source : Bundesgericht
Status : 45 II 371
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 370 Erbrecht. N° 57. entgegenge'wirkt werden. Die fragliche Erklärung ist demnach


Legislation register
OR: 18  521  522  525
ZGB: 473  481  501  502  505  512  522  527  534
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defendant • law of succession • mother • witness • heir • widow • testator • death • counter-performance • value • hamlet • contract of succession • lower instance • disposition in contemplation of death • question • 1919 • signature • testament • contract conclusion • contractual party
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