192 Obligatlonem'echt. N° 28.

v. OBLIG'ATIONENRÈCHT

DROIT DES OBLIGATIONS

28. uma; des I. Zivîlabteilung vom 13. um 1919 i. s. Brenner und Nathan
gegen sung.

K r i e g s k l a u s e l : Infolge Nichtlieferung können ausser
Annullationsreeht keinerlei Ansprüche entstehen. Bedeutung
für die Schadenersatzklage wegen Nichtlieferung und für die
Leistungsklage. -Lieferungsmöglichkeit nach dem Krieg ?

'ssA. Laut Ordrebestätigung vom 4. Februar 1915 Ver?

kaufte die Beklagte der Klägerin :

600 Stück Voile, weiss, imit., Länge ca. 60 111, Qualität Dl, zu 68
Pf. pro m;

200 Stück Halbvoile, weiss, ca. 60 m lang, Qualität DZ, zu 81 Pf. pro rn;

200 Stück Vellvoile, weiss, ca. 60 m lang, Qualität DZ, zu 91 Pf. pro
in; alles lieferbar sukzessive April Mai Juni, eventuell etwas im März,
ohne Haltbarkeit für rechtzeitige Lieferung f ranko verzollt Berlin.

An diesen Kontrakt lieferte die Beklagte bis Sommer 1915 insgesamt 240
Stück Di, 140 Stück D2 und 20 Stück D3. Am 28. Juni 1915 schrieb ihr
die Klägerin, sie solle die restierenden 180 Stück DZ für die neue
Saison auf Abruf zurückstellen, in D1 und DL nur noch bis Juli 1915
Versend vornehmen und den Rest ebenfalls auf Abruf für die neue Saison
zurückstellen. Zugleich machte sie bei der Beklagten eine neue Bestellung
auf 350 Stück Dl und 350 Stück D2. Hierauf antwortete dieBeklagte
am 10. Juli 1915 mit einer neuen Ordrebestätigung, die einerseits die
Restanz des Kontraktes vom 4. Februar 1915 zu den ursprünglichen Preisen
gegen Streichung Ihres AuftragesObligationenreeht. N° 28. 193

vom 4. Februar 1915 anführt und sodann die neue Bestellung von 350 Stück
Dl zu 85 Cts. und 350 Stück DZ zu 1 Fr. 08 Cts. Am Fusse des Schreibens
findet sich der Vermerk : Lieferbar : März bis Juni ohne Garantie für
rechtzeitige Lieferung. Intolge ex entueller Nichtlieferung können ausser
Annullationsrecht keinerlei Ansprüche entstehen.

Laut Ordiebestätigung vom 5. August 1915 endlich verkaufte die Beklagte
der Klägerin nochmals 150 Stück DZ zu 1 Fr. 08 Cts. und zwar ebenfalls
zu den in der Bestätigung vom 10. Juli 1915 angeführten'Konditionen.

Von den in der zweiten und dritten Ordrebestätigung angeführten Waren hat
die Beklagte der Klägerin nichts mehr geliefert. Vielmehr schrieb sie
ihr am 26. Februar 1916, die Restlieferung könne infolge nachweisbar
amtlicher Verhinderung nicht mehr stattfinden, sie müsse daher die
Klägerin bitten, den Auftrag zu annullieren. Am 8. März 1916 antwortete
die Klägerin, sie anerkenne diese Annullierung nicht, und am 27. Januar
1917 liess sie der Beklagten durch ihren Anwalt zur Vornahme der
Restlieferungen N aehkristen von verschiedener Dauer ansetzen. Zugleich
wurde der Beklagten mitgeteilt, die Klägerin habe die Ware an die Firma
G. Theilheimer in St. Gallen verkauft, die der ESS, einem Untersyndikat
der SSS angehörte, die Beklagte könne die Stoffe dieser Firma liefern
und der Klägerin fakturieren. Am 10. März 1917 sodann schrieb der
klägerische Anwalt der Beklagten, er annulliere, nachdem an diesem
Tage die Nachfrist für 1,00 Stück Volk-cile, 60 Stück Halbvoile und 160
Stück Voile imit. aus der Bestellung vom 4. Februar 1915 abgelaufen sei,
den bezüglichen Auftrag und belaste dafür die Beklagte mit Schadenersatz.

B. Diese Schadenersatzfor derung macht die Klägerin mit ihrem ersten
Rechts-begehren geltend, indem sie mit 22,760 Fr. die Differenz zwischen
Vertrags-preis und dem Tagespreis vom 10. März 1917 frankc Zürich
ersetzt verlangt.

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In ihrem zweiten Rechtsbegehren sodann fordert sie, es sei festzustellen,
dass die Beklagte weiter zu liefern habe :

a) 260 Stück Voile gemäss Kontrakt vom 4. Februar 1915;

b) 80 Stück Vollvoile gemäss Kontrakt vorn 4. Februar 1915;

c) 350 Stück Voile-Iniitat. gemäss Kontrakt vom 10. Juli 1915 ;

d) 150 Stück Halbvoile aus Kontrakt vom 5. August 1915 und zwar alles an
die Firma G. Theilheimer in St. Gallen und gemäss Inhalt der betreffenden
Ordrebestätigung.

In einem dritten Klagebegehren endlich wird die grundsätzliche
Feststellung verlangt, dass die Beklagten für den aus der verspäteten
Lieferung entstandenen und noch entstehenden Schaden verantwortlich und
haftbar sei.

Die Beklagte ihrerseits hat die Ansprüche der Klägerin bestritten und sich
auf die Klausel in den Ordrebestätigungen vom 10. Juli und 5. August 1915,
wonach jede Haftung aus Nichtlieierung weghedungen werden sei, und ferner
auf Lieferungsunmöglichkeit berufen. Ferner hat sie der Klägerin das
Recht bestritten, nach so langem anarten noch gemäss Art. 107 ;orzugehen,
und schliesse lich bezeichnet sie die Forderungen der Klägerin als im
Quantitativ übersetzt.

Alle diese Einwendungen .sind im Prozess von der Klägerin als
unstichhaltig bezeichnet und überdies geltend gemacht worden, die Beklagte
sei in jedem Falle zu verpflichten, ihr den aus der Nichterfüllung des
Vertrages gezogenen Nutzen herauszugeben.

C. Mit Urteil vorn 26. April 1918 hat das Handelsgericht Zürich
die Klage abgewiesen, davon ausgehend, die Beklagte sei zufolge
Leistungsunmöglichkeit von ihren sämtlichen Verpflichtungen der Klägerin
gegenüber dauernd befreit.

D. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen mit dem Antrag :Ohügationenrecnt. N° .. L=...

1. Es sei in Aufhebung des handelsgerichtlichen

. Urteiles die Klage gutzuheissen und zwar in Ziff. 1, 2

und 3 des Rechtsbegehrens.

2. Eventuell sei die Klage gutzuheissen in Ziff. 1 und mit Bezug auf
Ziff. 2 und 3 nur zur Zeit abzuweisen.

3. Eventuell sei der Prozess zur Abnahme der von der Klägerschait
angetragenen Beweise an das Handels gericht Zürich zurückzuweisen.

4. Für den Fall des grundsätzlichen Schutzes der Klage sei der Prozess
zur Abnahme der Beweise über das Quantitative an die Vorinstanz
zurückzuweisen, alles

. unter Kostenund Entschädigungslolge.

Die Beklagte hat auf Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils antragen
lassen.

Das Bundesgerichi zieht in Erwägung :

1. _ Wie schon vor kantonaler Instanz, streiten sich die Parteien auch
vor Bundesgericht in erster Linie über die Frage, ob dem Klag ebeg ehren
1 die in die Ordrehestätigung vom 10. Juli 1915 aufgenommene Klausel :
Infolge Nichtlieferung können ausser Animilationsrecht keinerlei Ansprüche
entstehen , entgegengehalten werden kann oder nicht.

Die Klägerin verneint dies schon deswegen, weil die Klausel für die
unterm 4. Februar 1915 verkauften Waren, die allein Gegenstand der im
ersten Klagebegehren enthaltenen Schadenersatziorderung seien, keine
Gültigkeit habe. Sie kann sich hiebei darauf stützen, dass in der Tat
in der Ordrebestatigung vom 4. Februar der streitige Vorbehalt nicht
figuriert. Allein demgegenüber macht die Beklagte mit Recht geltend,
sie habe in ihrer zweiten Bestätigung vom 10. Juli 1915 die Wirksamkeit
der Klausel auch auf die aus dem ersten Kontrakt noch zu liefernden
Gewebe ausgedehnt. In der Tat findet sich dort ganz allgemein, und ohne
Vorbehalt bezüglich dieser letztere ," die Bestimmung, es werde jede
Haftung aus Nichtlieferung abgelehnt. Ueberdies wird darin ausdrücklich

196 ' Obligationenrecht. N° 28.

bemerkt, die Hinausschiebung des Licfertermines für die aus dem ersten
Kontrakt noch nicht gelieferte Ware werde vorgemerkt, gegen Streichung
Ihres Auftrages vom 4. Februar 1915 . Mit Recht hat sodann die Vorinstanz
noch darauf hingewiesen, dass es bei Hinausschiebung des Liefertermines
hinsichtlich der Rückstände aus dem ersten Kontrakt für die Beklagte,
angesichts der Unsicherheit des Gewebemarktes, ausserordentlich nahe
gelegen habe, in diese Hinausschiebung nur unter Beschränkung ihrer
Haltbarkeit einzuwilligen. Unter diesen Umständen konnte die Klägerin
über die Absicht der Beklagten, die Anwendbarkeit der Klausel auf ihre
alten Verpflichtungen auszudehnen, nicht im Zweifel sein,

Nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr musste sie -

daher gegen diese Ausdehnung protestieren, Wenn sie nicht daran gebunden
sein wollte. Sie behauptet nun allerdings, dies mit Postkarte vom 22. Juli
getan zu haben, allein die Beklagte hat bestritten, je eine derartige
Mitteilung empfangen zu haben, und die Klägerin, die dafür beweispflichtig
gewesen wäre, hat diesen Beweis nicht leisten können. Sie hat allerdings
ein Kopierblatteingelegt, an dessen Fuss, unter einem an eine andere
Firma gerichteten Brief, eine entsprechende Verwahrung gegenüber der
Beklagten kopiert ist. Das genügt jedoch nicht. Entscheidend ist, nach
der gemäss OR unbestrittenennassen geltenden Emplangstheorie, für die
Wirksamkeit rechts-

geschäftlicher Erklärungen deren Zugang beim .Adressass

ten. Die Klägerin hätte daher nicht nur beweisen müssen,

dass sie die fragliche Karte geschrieben und kopiert habe, si

sondern auch, dass sie der Beklagten zugestellt werden-

Die Klägerin hat sodann behauptet, die Wirksamkeit der Klausel für die
Restanzen des ersten Kontraktes sei in einer Unterredung ihres Teilhabers;
Brenner, mit dem Vertreter der Beklagten, Löser, ausgeschlossen
worden. Allein hierauf kaundesWegen nicht abgestellt werden, weil nachher
die Parteien direkt miteinander verhandelt bezw. korrespondiert haben,
und weil daher

Obngation'enrecht. N° 28. 197

ihren direkten Abmachungen gegenüber den Verhandlungen Lösersmit der
Klägerin der Vorrang zukommt.

streitig ist unter den Parteien aber nicht nur, ob die fragliche Klausel
auf die Lieferungen aus dem ersten Kontrakt anwendbar ist, sondern
auch, ob sie inhaltlich der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen
entgegensteht. In. dieser Hinsicht können jedoch angesichts des klaren
Wortlautes ernstliche Zweifel nicht bestehen. Vorbehalten wird einzig das
Annullationsrecht, während alle übrigen Ansprüche, insbesondere also die
mit dem ersten Klagebegehren geltend gemachten Schadenersatzansprüche,
ausgeschlossen sein sollen.

Dagegen ist weiter zu untersuchen, inwiefern dieser Vorbehalt rechtlich
zulässig ist. Auf diese Frage antwortet Art. 100
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 100 - 1 Eine zum voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, ist nichtig.
1    Eine zum voraus getroffene Verabredung, wonach die Haftung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen sein würde, ist nichtig.
2    Auch ein zum voraus erklärter Verzicht auf Haftung für leichtes Verschulden kann nach Ermessen des Richters als nichtig betrachtet werden, wenn der Verzichtende zur Zeit seiner Erklärung im Dienst des anderen Teiles stand, oder wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betriebe eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes folgt.
3    Vorbehalten bleiben die besonderen Vorschriften über den Versicherungsvertrag.
OR, der den vertraglichen
Haftungsausschluss nur verbietet, sofern rechtswidrige Absicht oder grobe
Fahrlässigkeit in Betracht kommen. Weder-die eine noch die andere sind
im vorliegenden Falle gegeben. Die Nichterfüllung ihrer kontraktlichcn
Pflichten ist weder auf eine rechtswidrige Absicht noch eine grobe
Fahr-lässigkeit der Beklagten zurückzuführen.

Nach den Ausführungen der Vorinstanz, denen ohne ,weiteres beizutreten
ist, waren Vertragsgegenstand erst noch in die Schweiz einzuführende
Voiles englischer Provenienz. Das Handelsgericht hat das geschlossen
aus dem Umstande, dass die Deckung eines so grossen Quantums, wie es die
Klägerin bestellt hat, in der Schweiz nicht möglich gewesen wäre, sodann
aus der nach den Umständen bei der Klägerin als bekannt vorauszusetzenden
Tatsache, dass der Geschäftsbetrieb der Beklagten in der Hauptsache die
Einfuhr englischer Ware zum Gegenstand habe, ferner aus der Preislage der
Abschlüsse, die derjenigen englischer Ware entsprochen, und endlich aus
der Korrespondenz der Parteien. Diese Umstände, sagt das Handelsgericht,
auf dessen eingehende Begründung hier verwiesen wird, lassen "es als
ausgeschlossen erscheinen, dass die Beklagte etwas anderes versprechen,

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und die Klägerin etwas anderes habe kaufen wollen, als erst noch
einzuführende Voiles englischer Herkunft. Nun hat die Vorinstanz aber
weiterhin in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, die Beklagte sei seit
Sommer 1915 in ihrer Einfuhr englischer Ware bedeutend eingeschränkt
werden. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich. Es
hat daher ebenfalls davon auszugehen, dass der englische Import
für Baumwollsgewebe vom Juli 1915 an bis nach Errichtung der sss
unmöglich war, und dass erst 1916 im Rahmen der SSS Kontingentierung
eine beschränkte Einfuhr wieder stattfinden konnte, wobei die Beklagte
pro 1916, und zwar erst wieder vom 18. Mai 1916 an, insgesamt nur
12,484 kg = 1759 Stück Bauinwollgewebe und darunter nur 4807,5 kg =
697 Stück Voile erhalten habe, während sie allein ihrer deutschen und
österreichischen Kundschaft gegenüber zur Lieferung von ca. 10,000 Stück
Voile verpflichtet gewesen sei, wozu noch Kontrakte init schweizerischen
und italienischen Abnehmern ungefähr im gleichen Umfang kommen. Geht
man nun aber von diesen Tatsachen aus, so kann davon, dass die Beklagte
die der Klägerin gegenüber eingegangenen Verpflichtungen absichtlich oder
grob fahrlässig nicht erfüllt habe, nicht die Rede sein. Die Klägerin kann
sich nicht etwa auf Prioritätsrechte an den eingeführten Stollen berufen,
denn nach der Von der Beklagten eingereichten und, wie die Vorinstanz
feststellt, unwidersprochencn Aufstellung über die annullierten Kontrakte,
hatte die Beklagte noch eine ganze Reihe zeitlich vor diejenigen,
die sie mit der Klägerin abgeschlossen, fallende Verträge zu erfüllen
gehabt. Aber auch. eine proportionelle Verteilung der importierten Ware
durfte der Beklagten nicht zugemutet werden, hatte doch die Klägerin
dabei nur ca. .Il/2% ihrer Bestellungen erhalten. Nun hat die Klägerin
allerdings noch behauptet, die Beklagte habe ihr Volle-Quantum dadurch
unrechtmassig vermindert, dass sie, trotzdem sie in dieser Hinsicht
keine Verpflichtungen gehabt, einen grösseren Teil

Obligationenrecht. N° 28. . 199

ihres Einfuhrkontingentos für den Bezug von Calico verwendet habe. Diese
Behauptung hat die Vorinstanz zurückgewiesenindem sie tatsächlich
feststellte, die Beklagte habe auch Aufträge in Calico erfüllen müssen,
und zudem hätte der Bezug von Voile an Stelle des Calico daran nichts
geändert, dass bei proportionaler Verteilung auf die Klägerin nur ein
kleiner Bruchteil der ton ihr bestellten Gewebe gekommen wäre.

Dass nach 1916 und bis zum Momente, in dem die Klägerin auf die Lieferung
der, Gegenstand des ersten Klagebegehrens bildenden, Waren verzichtete,
d. h. bis zum 10. März 1917, die Beklagte das Verhältnis von Waren und
Engagements wesentlich hätte verbessern können, ist von der Klägerin
nicht behauptet worden.

Danach hat sich die Beklagte gegenüber der klagerisehen
schadenersatzforderung init Recht'aul' die mehrerwähnte Klausel · berufen,
und es erübrigt sich, ihre weiteren Einwendungen auf ihre Begründetheit
zu prüfen. 2. Was das zweite Rechtsbegehr en anbelangt, so hat es die
Vorinstanz richtigerweise als Leistungs-nicht als Feststellungsbegehien
behandelt. Formel] geht es zwar auf Feststellung, effektiv aber will
ss damit die erpflichtung der Beklagten zu sofortige1 Lieferung erlangt
ei den

Damit erledigen sich die Einwände, die die Beklagte

gegen die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erhoben

hat. Materiell aber steht auch diesem Begehren die mehrerwähnte Klausel
entgegen. ihre grundsätzliche Anwendbarkeit zunächst kann für die hier
geforderten Lieferungen aus dem zweiten und dritten Kontrakt nicht
bestritten wei den. si

Nun behauptet die Klägerin abel, die Klausel wolle nur sagen, die
Beklagte könne solange nicht zur Lieferung angehalten werden, als die
Unmöglichkeit, die Ware zu beschaffen, andaure, nachher aber lebe die
Verpflichtung wieder auf. Allein diese Auslegung stünde darai-t' im
Widerspruch mit jedem vernünftigen Geschäftsgebahren, dass .

200 Obligationenrecht. N° 28.

sie, trotzdem der Wortlaut eher-für sie spricht, abgelehnt werden
muss. Es ist unzweifelhaft, dass die Beklagte durch Aufnahme der Klausel
sich dagegen sichern wollte, für die Folgen einer Verunmöglichung
der Rohmaterialhesehaikung einstehen zu müssen. Damm erklärte sie in
ihrer Kfiegsklausel, es sollen für den Fall der Nichtlieierung nur
Annullationsrechte sonst aber keinerlei Ansprüche entstehen. Streng
logisch ist damit allerdings nicht gesagt, auch der Anspruch auf
Erfüllung solle gegebenenfalls untergehen. Trotzdem aber muss dies die
Meinung der Parteien gewesen sein. Denn die Forderung der Erfüllung nach
Beseitigung der Lieferungsschwierigkeiten kann unter Umständen für den
Verkäufer viel schwereren Schaden bringen als die Geltendmachung Von
Schadenersatzansprücheu wegen Nichtlieferuug. Wer daher die letzteren
durch eine besondere Klausel ausschliesst, der will natürlich auch die ihn
möglicherweise noch mehr belastende Pflicht zur Lieferung beseitigen,
auch wenn das nicht ausdrücklich gesagt ist. Nach der Ansicht der
Klägerin wäre die Beklagte gezWungen, das grosse Warenquantum, das sie
seinerzeit in England zur Deckung der klägerischen Bestellungen nach
den vorinstanzlichen Feststellungen angeschafft hat, Jahr und Tag zu
behalten, ohne das investierte beträchtliche Kapital wiederum verwenden
zu können. Sie müsste die Lagerspeseu tragen

und untätig zusehen, wie die Preise der Gewebe sich.

zu ihren Ungunsten verändern, um endlich bei ganz anderen Verhältnissen
(schon zur Zeit der Auslällung des handelsgerichtlichen Urteils hatten
sich die Preise verdoppelt) die Käuferin zu den vertraglichen Konditionen
zu bedienen und ihr damit einen ungeahnten Spekulations-gewinn zu
verschaffen. Hätte dagegen die Klägerin Schadenersatz wegen Nichtlieferung
verlangt und verlangen können, so wäre das ganze Verhältnis unter
Berücksichtigung der bei Ablauf der Nachfrist herrschenden noch nicht
so hohen Marktpreise liquidiert worden. Dass daher die Beklagte nicht
diese letztere Lösung ausschlies--

Obligationenrecht. N° 28. 201

sen, die Möglichkeit der anderen, noch ungünstigeren, aber aufrecht
erhalten wollte, musste auch der Klägerin klar sein, als ihre
Gegenkontrahenten der 'streitigen Klausel Aufnahme in den Vortrag
verschailte. Auch sie musste annehmen, bei Verunmöglichung der
Lieferung innerhalb der Lieferfrist solle nach Ansicht der Beklagten
die gänzliche Befreiung der Beklagten eintreten. Danach aber muss das
zweite Rechts-begehren das Schicksal des ersten teilen.

3. Das dritteBegehren sodann fällt mit der Äbweisung des zweiten dahin,
denn wenn die Beklagte nicht lieferungspflichtig ist, so kann sie auch
wegen Nichtlieierung nicht zur Rechenschaft gezogen werden, Uebrigens
wäre in dieser Hinsicht das Bundesgericht an die Feststellung des
Handelsgerichts gebunden, wonach dieses Begehren vor kantonaler Instanz
nicht in prozessual richtiger Form gestellt worden ist. Eine gleiche
prozessuale Feststellung steht aber endlich auch dem Eventualantrag der
Klägerin entgegen, die Beklagte solle zum mindesten zur Herausgabe des
aus der Nichterfüllung gezogenen Nutzeus angehalten werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung _?in abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts Zürich
vom 26. April 1918 bestätigt

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Decision information   •   DEFRITEN
Document : 45 II 192
Date : 13. Januar 1919
Published : 31. Dezember 1920
Source : Bundesgericht
Status : 45 II 192
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : 192 Obligatlonem'echt. N° 28. v. OBLIG'ATIONENRÈCHT DROIT DES OBLIGATIONS 28.


Legislation register
OR: 100
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