1 12 Erbrecht. N° 23.

gerichts des Kantons Solothurn vom 22. Mai 1918 aufgehoben und das am
14. Juli 1914 errichtete, öffentliche Testament des Josef Zihler Vater
für ungiltig erklärt.

23. Urteil der II. Zivilabteflung vom 11. Bär1919 i. S. Wtzelichwab gegen
Lützelsehwab. Vermächtnis oder Schenkung auf den Todesfall i. S. von
Art. 245
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 245 - 1 Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
1    Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
2    Eine Schenkung, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist, steht unter den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen.
, Abs. 2 OR? Materielle und formelle Voraussetzun-

gen der letzteren. Verhältnis zu einer späteren letztwflligen
Verfügung. Aufhebung oder blosse Ergänzung der früheren?

A. Am 14. April 1917 starb in Rheinfelden Anna Lützelschwab, die Schwester
des Klägers Franz und des Beklagten Julius Lützelschwab. Durch nctarielles
Testament vom 22. Dezember 1911 hatte sie als Universalerben für alles,
worüber sie nicht hienach (im Testament) besonders verfüge oder was
sie nicht schon zu Lebzeiten verschenkt habe ihre drei damals noch
lebenden Brüder Adolf seither am 6. November 1915 gestorben Franz und
Julius zu gleichen Teilen eingesetzt. Was dabei dem Bruder Adolf über den
Pilichtteil hinaus zukomme, also drei 'Vierteile seines Erbauspruehs
, sollte nach seinem Tode an Franz oder dessen Kinder als Nacherben
fallen. Zu dieser Verfügung, so bemerkte die Erblasserin im Testament,
werde sie durch die unbegreiflich fremde Behandlung getrieben, die ihr
von dritter Bruderseite (Julius) zu teil werde.

Zwei Tage vorher, am 20. Dezember 1911 hatte sie auf vier ihr
gehörenden, in ihrem Nachlass vorgefundenen Namensobligationen
der Basellandschaftlichen Kantonalbank in Liestal zu je 2000
Fr. nachstehende von Anfang bis zu Ende eigenhändig geschriebene,
datierte und unterschriebene Erklärungen angebracht : s

a) und b) auf den Obligationen Serie II Nr. 1348 und 1349 :Erbrecht. N°
23. 143

.ln Voraussicht eines raschen Ablebens geht diese Obligation auf meinen
Bruder Franz als Eigentum über.

Rheinfelden, den 20. Dezember 1911.

. Anna Lützelschwab.

c) und d) auf den Obligationen Serie II Nr. 139 und 140 : ,

cDiese Obligation ist bei meinem Tode auf Franz Lützelschwab übertragen.

Rheinfelden, den 20. Dezember1911.

Anna Lützelschwab. "Am 26.April 1917 liess sich der Beklagte Julius
Lützelschwab die zum Nachlass gehörenden Wertschriften von der
inventarisierungsbehörde (Gemeinderat) Rhemfelden aushändigen und
begab sich damit folgenden Tages zum Kläger. Es Wurde vereinbart,
dass er ein Sparbüchlein und einen Namenanteilschem der Schmerz.
Volksbank zurückbehalte, um daraus Vermächtmsse, Steuern, usw. zu
zahlen. Vom Reste nahm jede Partei die-Hälfte an sich; unter den dem
Kläger zugeschiedenen Titeln befanden sich dabei auch die erwähnten vier
(_)bhgationen der Basellandschaftliehen Kantonalbank. Einige Wochen später
lud Notar Mahrer in Rheinfelden den Beklagten zu sich und eröfl'nete ihm,
dass der Klager diese Obligationen zum voraus für sich .beanspruche. Der
Beklagte lehnte das Ansinnen ab. Mit der vorliegenden

Klage stellt deshalb der Kläger die Begehren .: _ _

1. der Beklagte habe anzuerkennen, dass die streitigen Vier Obligationen
nebst Zinsen seit 14. April 1917 dem Kläger durch Anna Lützelschwab
geschenkt oder vermacht seien ;

2. er sei zu verurteilen, dieselben dem Kläger unheschwert zu Eigentum
zu überlassen und zwar unbeschadet des Erbanspruches des Klägers nach
Testament rom 22. Dezember 1911 und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil
am Nachlass der Anna Lützelschwab. _ '

Der Beklagte beantragt Abweisung der Klage, indem er ausführt : die
Vormerke auf den Obligationen stellten sich als Schenkungen auf den
Todesfall dar, weil damit

144 ss Erbrecht. N° 23.

eine Zuwendung nicht aus dem Nachlass, sondern aus dem gegenwärtigen
Vermögen des Zuwendenden gemacht worden sei. Sie seien deshalb schon wegen
Nichtbeachtung der durch das damals noch massgebende aargauische Recht
für solche Schenkungen vorgeschriebenen notariellen oder gerichtlichen
Form ungiltig. Die Bestimmung von Art. 16 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
Scth 2. ZGB, wonach
die Erfüllung der zur Zeit der Errichtung der Verfügung 0 d er des
Todes geltenden Formvorschriften genüge, beziehe sich nur auf die
eigentlichen Verfügungen von Todeswegen und auch unter diesen bloss auf
eine Kategorie, die letztwilligen Verfügungen , nicht auf die Schenkung
für den Todesfall. Wollte man aber eine letztwillige Verfügung, d. b. ein
Vermächtnis annehmen, so wäre esanach Art. 511
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 511 - 1 Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
1    Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
2    Ebenso wird eine letztwillige Verfügung über eine bestimmte Sache dadurch aufgehoben, dass der Erblasser über die Sache nachher eine Verfügung trifft, die mit jener nicht vereinbar ist.
ZGB durch das spätere
notarielle Testament vom 22. Dezember 1911 aufgehoben worden. Der im
letzteren gemachte Vorbehalt von Schenkungen könne nur Geschenke im Auge
haben, welche die Erblasserin allenfalls künftig noch machen

werde: was sie bei der Testament-Errichtung bereits

verschenkt gehabt, habe sie nicht auszunehmen brauchen, weil sie es
nicht mehr besessen habe. Eventuell habe der Kläger auch dadurch, dass
er die angesprochenen Obligationen bei der Teilung der Wertschriften
vorbehaltlos auf seinen Erbteil entgegengenommen, auf die Geltend-machung
von Sonderrechten daran verzichtet.

Durch Urteil vom 18. Dezember 1918 hat das Obergericht des Kantons Aargau
II. Abteilung die Klage gutgeheissen. Es nimmt an, dass eine Schenkung auf
den Todesfall im Sinne von Art. 245 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 245 - 1 Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
1    Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
2    Eine Schenkung, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist, steht unter den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen.
OR vorliege. Ob dieselbe durch
das spätere Testament hätte widerrufen werden können, könne unerörtert
bleiben, weil die Erblasserin einen solchen Widerruf tatsächlich nicht
beabsichtigt habe. Sowohl nach dem Wortlaute des Testamentes selbst
als nach ihremsonstigen Verhalten müsse angenommen werden, dass sie
durch jenes nicht etwa die früheren Verfügungen vom 20. Dezember. ILI]
habe-HQA link/v...

ersetzen, sondern mit der Nacherbeneiusetzung dem Kläger noch eine
weitere darüber hinausgehende Begünstigung zuwenden wollen. Die Frage
der Formgiltigkeit des Schenkungsversprechens wird mit der Begründung
bejaht, dass dazu nach Art. 16, Abs. 2 Scth die Einhal-si tung der Form
des neuen Rechtes ausreiche :.sie sei aber gewahrt, indem die Erklärungen
auf den Obligationen den Erfordernissen des eigenhändigen Testaments
nach Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
1    Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
2    Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können.
ZGB entsprechen. s

B. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Beklagten
mit dem Begehren auf Abweisung

der Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die,

Vorinstanz zur Aktenvervollständigung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

ss 1. Nach Art. 242
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 242 - 1 Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten.
1    Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten.
2    Bei Grundeigentum und dinglichen Rechten an Grundstücken kommt eine Schenkung erst mit der Eintragung in das Grundbuch zustande.
3    Diese Eintragung setzt ein gültiges Schenkungsversprechen voraus.
, 244
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 244 - Wer in Schenkungsabsicht einem andern etwas zuwendet, kann, auch wenn er es tatsächlich aus seinem Vermögen ausgesondert hat, die Zuwendung bis zur Annahme seitens des Beschenkten jederzeit zurückziehen.
OR hat die Schenkung den Charakter ,eines
Vertrages zwischen dem Schenker und dem Beschenkten. Sie setzt
deshalb um zustande-zukommen die Annahme des Schenkungsversprechens
durch den letzteren voraus (AS 42 II S. 58 ff.). Das gilt nicht nur für
Schenkungsversprechen, die noch bei Lebzeiten des Versprechenden erfüllbar
sein sollen, sondern auch für die Schenkung auf den Todesfall im Sinne
von Art. 245 Abs. 2 ebenda, d. h. das Versprechen einer unentgeltlichen
Zuwendung, dessen Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt
ist. Auch es stellt sich nach dem Gesetz als eigentliche Schenkung
dar, die sich von anderen nur durch den besonderen Inhalt der daran
geknüpiten Bedingung Vorversterben des Schenkers unterscheidet. Deshalb
ist es denn auch ausschliesslich im .Obligationenreeht unter dem Titel
der Schenkung behandelt, während es im Erbrecht überhaupt nicht erwähnt
wird. Wollte man in den von der Erhlasserin auf den vier Obligationen
angebrachten Vormerken Schenkungen auf den Todesfall sehen, so müsste
deren Zustandekommen daher schon deshalb verneint werden, weil es dafür
an der oben erwähnten materiellen Voraussetzung

146 Erbrecht. N° 23.

der Annahme durch den Beschenkten fehlen Würde. Denn nachder eigenen
Darstellung des Klägers hat er von den Vormerken erst nach dem Tode der
Erblasserin erfahren, als er Beklagte die bei der Inventarisierungs_
behörde erhobenen Wertschriften zu ihm brachte : es ist deshalb
ausgeschlossen, dass er der Schenkerin gegenüber eine auf Annahme
ihres Antrages gerichtete Erklärung hätte abgeben können. Die Frage,
ob die für ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall erforderliche
Form gewahrt wäre, braucht danach nicht untersucht zu werden . Sie
Wäre, auch wenn man darauf Art. 16 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
80th z. ZGB als anwendbar
erachten wollte, noch nicht ohne weiteres gelöst. Denn Art. 245
Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 245 - 1 Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
1    Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
2    Eine Schenkung, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist, steht unter den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen.
OR unterstellt die Schenkung auf den Todesfall nicht etwa
den Vorschriften über die letztwilligen Verfügungen, sondern über die
Verfügungen von'Todeswegen schlechthin. Er lässt somit Zweifel darüber,
welche Formvorschriften dafür gelten, ob wirklich die Errichtung in
der Form der einseitigen letztwilligen Verfügung, des Testamentes
erfolgen könne (wobei die Annahme von Bedachten formlos ausserhalb der
Urkunde zu erklären wäre), wie es die Vorinstanz annimmt, oder ob nicht
vielmehr, wie es der Vertragsnatur des Aktes entsprechen würde, die
ein-zuhaltende Form diejenige der zweiseitigen Verfügung von Todeswegen,
des Erbvertrages sei (vergl. im letzteren Sinne Teen, Kommentar S. 93
Randnote 5). Entscheidend ist, dass hier eine Annahmeerklärung des
Beschenkten überhaupt nicht, weder in Gestalt der Mitwirkung bei einer
den F ormerfordernissen des Erbvertrages entsprechenden Vereinbarung
noch in anderer Form vorliegt. 2. Ist demnach die Annahme einer in den
streitigen Vormerken liegenden Schenkung auf den Todesfall abzulehnen,
so steht andererseits aus denselben Erwägungen nichts entgegen, darin
letztwillige Verfügungen, Vermächtnisse zu erblicken. Nicht nur ist die
dafür nötige und ausreichende Form des eigenhändigen Testamentes nach
Art. 505
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
1    Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
2    Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können.
ZGB unbestrittenen und unbestreitbarer--Queer-t. Tis23.

m assen erfüllt. Auch inhaltlich hat man es, nachdem eine Bindung
der Erblasserin in der Verfügung über die Titel mangels Kenntnis des
Klägers von der beabsichtigten Zuwendung ausser Betracht fällt, mit
nichts anderem als einem . Legate, der Zuwendung eines unentgeltlichen
Vermögens-erteilte aus der Erbschaft zu tun. Daran ändert die Tatsache
nichts, dass der Wortlaut der Erklärung auf den beiden ersten Obligationen
( in Voraussicht eines raschen Ablebens geht diese Obligation auf meinen
Bruder Franz als Eigentümer über ) auf einen sofort und nicht erst
beim Eintritt des Erbfalls perfekt werden sollenden Forderungsübergang
hinzuweisen scheint. Zweifellos handelt es sich hiebei nur um eine
ungenaue Ausdruckweise und wollte die Klägerin damit nichts anders
sagen als mit den entsprechenden Vormerken auf der dritten und vierten
Obligation, nämlich dass die Titel b e i ih r e m T o d e auf den Kläger
übertragen sein sollen. Die Parteien sind denn auch darüber einig, dass
alle vier Erklärungen gleich, nämlich im Sinne einer erst auf den Tod
wirksamen Uebertragung auszulegen seien.. Wenn dabei auf die Voraussicht
eines raschen Ablebens hingewiesen wurde, so lag darin nicht eine
Bedingung der Zuwendung selbst, sondern lediglich die Angabe des Motivs
für die Errichtung der Verfügung, dessen Nichtverwirklichung die letztere
nicht hinfällig zu machen vermochte, wenn schon es nach anderer Richtung,
wie insbesondere für die Frage, welche Bedeutung späteren Anordnungen
der Erblasserin über ihr Vermögen zukomme, von Bedeutung sein kann.

3. Es fragt sich demnach lediglich, ob nicht der dadurch zu Gunsten
des Klägers begründete Anspruch durch spätere Vorgänge, Errichtung des
notariellen Testamentes vom 22. Dezember 1911 oder Verzicht, wieder
beseitigt worden sei. Auch dies ist zu verneinen.

Naeh der Auslegungsregel des Art. 511 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 511 - 1 Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
1    Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
2    Ebenso wird eine letztwillige Verfügung über eine bestimmte Sache dadurch aufgehoben, dass der Erblasser über die Sache nachher eine Verfügung trifft, die mit jener nicht vereinbar ist.
ZGB spricht allerdings im
Zweifel die Vermutung dafür, dass die später errichtete letztwillige
Verfügung an Stelle

148 Erbrecht. . N° 23.

der früheren und nicht bloss neben sie trete. Es ist demnach nicht Sache
des Beklagten zu beweisen, dass das Testament vom 22. Dezember 1911
die Verfügungen vom 20. Dezember 1911 habe aufheben sollen, sondern des
Klägers, dass sie daneben in Kraft bleiben sollten. Dieser Beweis darf
aber in einer Weise als geleistet gelten, welcher erhebliche Zweifel
über den wahren Willen der Erblasserin nicht aufkommen lässt. Zwar
ist nicht zu leugnen, dass sich auch für den Standpunkt des Beklagten,
d. h. die Anwendung der gesetzlichen Vermutung, gewisse Anhaltspunkte
anführen lassen. so der Umstand, dass die Obligationen im notariellen
Testamente nicht mehr erwähnt werden, während es doch nahegelegen hätte,
ihre Zuwendung an den Kläger darin nochmals zu bestätigen. Ferner die
Tatsache, dass die Erblasserin am 20. Dezember 1911 offenbar mit einem
raschen Ableben rechuete, woraus geschlossen werden könnte, sie habe
damals gefürchtet, zur Errichtung eines vollständigen Testamentes keine
Zeit mehr zu finden. Allein diese Indizien treten doch vor den anderen,
welche auf das Gegenteil, nämlich darauf hindeuten, dass das notarielle
Testament die früheren Verfügungen lediglich ergänzen sollte, durchaus
zurück. Dafür dass der Wille der Erb-

lasserin nur hierauf gerichtet war, d. 11. dass, siemit dem

notariellen Testament nicht über den gesammten Nachlass, sondern nur über
den nicht schon am 20. Dezember 1911 vergebenen Teil desselben verfügen
wollte, spricht nicht nur die darin neuerdings zum Ausdruck gebrachte
Absicht, den Beklagten gegenüber dem Kläger im Erbrecht zurückzusetzen,
sondern vor allem auch die Beschränkung der Erbeinsetzung auf das,
was sie nicht schon zu Lebzeiten verschenkt habe . Hätte es sich dabei
lediglich um den Vorbehalt künftiger Schenkungen gehandelt, so würde
dafür eine andere Ausdrucksweise (z. B. alles, was ich nicht zu Lebzeiten
verschenken werde oder verschenkt haben sollte ) gewählt worden sein. Die
Wendung verschenkt habe , so wie sie ges-,Erbrecht. N° 23. 149

braucht wurde, d. 11. ohne jeden ergänzenden Zusatz, kann nur auf in der
Vergangenheit liegende Zuwendungen bezogen werden. Wenn die Erblasserin
dabei von Schenkungen sprach, obwohl diese Bezeichnung auf die hier in:
Frage stehenden Verfügungen streng rechtlich betrachtet nicht zutrifft,
so kann daraus umsoweniger geschlossen werden,dass damit nicht diese,
sondern andere Vergebung-en gemeint gewesen seien, als ja auch die
Vorinstanzen dem gleichen Irrtum über den juristischen Charakter der
auf den Obligationen angebrachten Er-

_ klärungen unterlegen sind. Entscheidend fällt aber vor

allem in Betracht, dass die Erblasserin nachher noch während Jahren die
Zinscoupons von den Titeln abgetrennt hat und dabei auch die streitigen
Uebertragungs Issormerke jeweilen wieder zu Gesicht bekommen musste s:
hätte sie dieselben als widerrufen oder aufgehoben be. trachtet, so hätte
sie zweifellos nicht. unterlassen, sie durchzustreiehen. Wenn sie dies
nicht tat, so darf darin der schlüssige Beweis dafür erblickt werden,
dass sie sie nach wie vor d. h. trotz des notariellen Testamentes vom
22. Dezember 1911 aufrechtgehalten wissen wollte.

Auch die vom Beklagten weiter erhobene Einrede des Verzichtes ist
unbegründet. Ein solcher wäre allerdingsdie Anfechtung wegen Irrtums
vorbehalten _, wohl dann anzunehmen, wenn die Wertschriften die einzigen
Erbschaftsaktiven gebildet hätten, da alsdann die Inbe'sitznahme je der
Hälfte derselben durch jede Partei wohl nicht anders denn als Teilung
durch Aufstellung und Entgegennahme der Lose im Sinne von Art. 634
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
ZGB
gedeutet werden könnte. Nun steht aber fest, "dass jene Voraussetzung
nicht'zutrif'ft, sondern zum Nachlass auch noch eine Reihe anderer Objekte
vor allemLie'genschaften gehören. Es ist deshalb mit der Vorinstanz
anzunehmen, dass es sich bei der Zuscheidung vom

* 27. April 1917 nicht um eine eigentliche Erhteîlung, d. h.

um eine endgiltige Auseinandersetzung über die beiderseitigen Ansprüche
auf die'Titel, sondern um eine blosse

1.30 Erbrecht. N ° 24.

vorläufige Uebernahme derselben auf Rechnung der späteren definitiven
Teilung handelte. Eines besonderen dahingehenden Vorbehaltes des
Klägers bedurfte es um der Abmachung bloss diese Bedeutung zu geben,
nicht.Vielmehr wäre es bei dem geschilderten Tatbestand Sache des
Beklagten gewesen, wenn er ihr eine weitergehende Wirkung verleihen
wollte, dies bei den Verhandlungen selbst und vor der Entgegennahme
derTitel durchden Kläger zum Ausdruck zu bringen. Dass dies geselle-

hen sei, behauptet er aber selbst nicht.

Demnach erkennt das Bundesgerichî :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergenelits des Kantons
Aargau vom 18. Dezember

1918 bestätigt.

24. Arrét de le 2me section civile du 18 mars 1919 dans la cause Plom'b
contre Plonk.

Conditions auxquelles il est possible de rectifier ou de compléter la
date mexacte ou incomplete d'un testament.

Le 30 avril 1917 est décédé à l'hòpital de Porrentruy Joseph Plomb,
cultivateur à Boncourt. Il laissait comme hentiers son pere Pierre Plomb,
sa soeur Hei-mance Schigand-Plomb, et son frère Henri Plomb.

Le 29 décembre 1916 le défunt avait fait un testament olographe en faveur
de son frère. Il a fait un second testament de la teneur suivante :

Porrentruy, le 710 avril 191

Je'donne mes champs que j 'aie ressu en partage de ma mere insi que la
part de mon oncle Joseph Plomb a ma soeur Hermance Schigand elle est
légataire de mes champ et du lègue de mon oncle Joseph Ploinb

Erbrecht. N° 24. 15.1

vous : payerai chacun par moitié les frais de l'haupital signé : Joseph
Plomb fils Pierre . .

Henri P_lomb a ouvert action à son père, à sa soeur. et au mari de cette
dernière, en concluant à la nullite' dece second testament, fait après
celui du 29 décembre 1916 pendant le séjour de Joseph Plomb à l'hopital
de Porrentruy, mais dont l'année de la rédaction n'est indiquée que par
191, ce qui est un non-sone. ss '

Les defendeurs ont conclu à liberation. Ile soutiennent que la date
erronee 191 peut ètre rectifiée au moyen des éléments suivants
qui établissent que le testament est du 10 avril 1917: d'une part, le
testament a été envoyé à Hermance Schigand dans une enveloppe portant le
timbre postal Porrentruy 12 avril 1917 et, d'autre part, la mention
qui y est kaite des frais d'höpital se rapporte au séjour que le défunt
a fait à l'hòpital de Por-

si rentruy du 9'mars au 30 avril 1917.

La Courvd'appel du canton de Berne ayant adjugé les conclusions dela
demande par arrét du 19 novembre 1918, les déiendeurs ont recouru en
reforme au Tribunal fédéral en reprenant leurs conclusions liberatoires.

Stamani sur ces faits et considérant en droit :

Pour trancher la question de savoir si et à quelles eon_ditions la date
inexacte ou incomplete d'un testament olographe peut ètre rectifiée ou
complétée, l'inStance cantonale s'est inspirée des principes posés en
cette matière par la doctrifie et la jurisprudenee francaises et qui
peuvent ètre résumés comme suit (v. BAUDRY-LACANTINenm et COLlsiN, Des
Donations et" des testaments,' II, p. 50 et suiv., Pandectes straneaises
sous Donations et Testaments 11°t 6422 à 6517 et Supplement nos 857 à
1010) :

Ilsine suifit pas que le testament porte une date quel-, conque ; il faut
encore quecette date .corresponde à la réalité. Lors done que le testament
a volontairemeni indiqué une date fausse ou incomplete, le testament sera

annule pour vice de forme. Par contre lorsque cette
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 45 II 142
Datum : 11. Januar 1919
Publiziert : 31. Dezember 1920
Quelle : Bundesgericht
Status : 45 II 142
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 1 12 Erbrecht. N° 23. gerichts des Kantons Solothurn vom 22. Mai 1918 aufgehoben


Gesetzesregister
OR: 242 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 242 - 1 Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten.
1    Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten.
2    Bei Grundeigentum und dinglichen Rechten an Grundstücken kommt eine Schenkung erst mit der Eintragung in das Grundbuch zustande.
3    Diese Eintragung setzt ein gültiges Schenkungsversprechen voraus.
244 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 244 - Wer in Schenkungsabsicht einem andern etwas zuwendet, kann, auch wenn er es tatsächlich aus seinem Vermögen ausgesondert hat, die Zuwendung bis zur Annahme seitens des Beschenkten jederzeit zurückziehen.
245
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 245 - 1 Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
1    Mit einer Schenkung können Bedingungen oder Auflagen verbunden werden.
2    Eine Schenkung, deren Vollziehbarkeit auf den Tod des Schenkers gestellt ist, steht unter den Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen.
ZGB: 16 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 16 - Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.
505 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 505 - 1 Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
1    Die eigenhändige letztwillige Verfügung ist vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen.512
2    Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass solche Verfügungen offen oder verschlossen einer Amtsstelle zur Aufbewahrung übergeben werden können.
511 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 511 - 1 Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
1    Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung, ohne eine früher errichtete ausdrücklich aufzuheben, so tritt sie an die Stelle der früheren Verfügung, soweit sie sich nicht zweifellos als deren blosse Ergänzung darstellt.
2    Ebenso wird eine letztwillige Verfügung über eine bestimmte Sache dadurch aufgehoben, dass der Erblasser über die Sache nachher eine Verfügung trifft, die mit jener nicht vereinbar ist.
634
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
testament • beklagter • erbrecht • tod • vormerkung • weiler • schenkungsversprechen • vorinstanz • frage • zweifel • schenker • aargau • beschenkter • begünstigung • eigentum • charakter • wille • irrtum • kantonalbank • bedingung
... Alle anzeigen