102 Prozessrecht. N° 16.

16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1-1. März 1919 1. S. Wechlin Tissot
gegen Kamsek. Analoge Anwendung von Art. 192 Ziiî. 1 c bezw. 2 BZB
(Revrsion) auf einen Fall, wo das Bundesgericht infolge unvollstandlger
Protokollierung der Parteianbringen vor der

kantonalen Instanz auf eine Berufung wegen mangelnden direitwertes nicht
eingetreten war.

A. Durch Urteil vom 20. April 1918 hat das Obergericht des Kantons Zürich
die auf Zahlung von 2150 Fr. nebst Zinsen, sowie auf Sehadloshaltung des
Klägers, falls er als Solidarverpflichteter mit Léon Schluchin und Jakob
Schaier die diesen auferlegte Busse von je 2000 Fr. bezahlen sollte,
gehende Klage des H. Wechlin-Tissot gänzlich abgewiesen. '

B. Gegen dieses Urteil hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf Aushebung und auf Gutheissung der Klage in
vollem Umfange. ·

C. Das Bundesgericht ist durch Entscheid vom 14. September 1918 auf
die Beratung nicht eingetreten, weil laut dem angefochtenen Urteil
derKläger vor Obergericht nur Gutheissung der Klage im Betrage von 2006
Fr. 20 Cts. nebst Zinsen beantragt hatte, und somit der Streitwert
nach Massgabe der ReChtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen
Instanz noch streitig waren, den Betrag von 4000 Fr. nicht erreiche,
weshalb nach Art. 67 Abs. 4 OG der Berufungserklärung eine begründende
Rechts-schritt hätte beigelegt werden sollen.

D. Der Kläger hat hierauf bei der Vorinstanz ein Gesuch um Berichtigung
des Protokolls gestellt, in dem Sinne, dass in der Verhandlung vor
Obergericht nur die Herabsetzung der ersten Klagepost von 2150 Fr. auf
2006 Fr. 20 Cts. vorgenommen, im übrigen aber die Klage nicht geändert
worden sei. o

E. Durch Beschluss vom 11. Dezember 1918 hat si

(las Obergericht Zürich dieses Gesuch gutgebeissen undProzessrecht. N°
16. ins

demgemäss Protokoll und Urteil in der Weise berichtigt, dass es dem
Antrage des Klägers den Zusatz beil'ügte : selbstverständlich bleibe das
klägerischc Begehren hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Gegners für

' die Solidarverpflichtung des Klägers mit Schaier und

Schluchin bestehen.

F. Gegen das so beriehtigte Urteil des Obergericht hat der Kläger unterm
4. Februar 1919 neuerdings die Berufung an das Bundesgericht ergriffen,
mit den Anträgen: Es sei das vorinstanzliehe Urteil aufzuheben und daher
der Beklagte zu verpflichten, an den Kläger 2006 Fr. 20 Cts. nebst Zins
zu 5% v'on 1000 Fr. seit 22. November 1916 und von 1006 Fr. 20 Cts. seit
15. Februar 1917 zu bezahlen, und im weiteren den Kläger schadlos zu
halten, falls er als Solidarschuldner mit Schluchin und Schaier die
diesen auferlegte Busse von 2000 Fr. ebenfalls bezahlen sollte. -

Eventuell seien die Akten zur . Ergänzung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. '

Der Kläger bemerkt, dass nachdem das Obergericht das Protokoll
hinsichtlich des klägerischen Antrages in der Appellationsverhandlung
richtig gestellt habe, und damit konstatiert sei, dass der Streitwert
während der zweitinstanzlichen Verhandlung 4000 Fr. überstiegen habe,
das Erkenntnis des Bundesgerichts vom 14. September 1918 ohne weiteres
dahinialle und eine neue Frist für die Berufungserklärung mit dem Datum
der Zustellung des obergerichtlichen Entscheides vom 11. Dezember beginne;
falls man davon ausgehen sollte, es sei eine neue Berufungserklärung
nicht notwendig, stelle er den Antrag, es sei in Aufhebung des
bundesgerichtlichen Urteils vom 14. September 1918 die früher erfolgte
Berufung an Hand zu behalten. si .

In Erwägung : , _ dass die Annahme des Bundesgeriebts ins seinem Nicht-)
eintretensentscheide vom 14. September 1918, der streit-

104 Prozessrecht. N° 16.

wert erreiche nach Massgabe der vor der letzten kantonalen Instanz
noch streitigen Rechtsbegehren den Betrag von 4000 Fr. nicht, auf einer
offenbar irrtümlichen Voraussetzung beruhte, welche auf die unvollständige
Protokollierung der Parteianbringen vor der oberen kantonalen Instanz
und deren Nichtbeachtung durch den Kläger zurückzuführen ist ;

dass nunmehr in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt
ist, dass der Streitwert vor Obergericht in Wirklichkeit 4000
Fr. überstieg, weshalb die vom Kläger gegen das obergerichtliche Urteil
erklärte Berufung formgültig war ;"

dass es sich unter diesen Umständen rechtfertigt, den früheren Entscheid
des Bundesgerichts in analoger Anwendung von Art. 95 OG und 192 Ziff. 1
c, oder 2 BZP (Revision) aufzuheben und die ldägerische Berufung an Hand
zu nehmen;

erkennt das Bundesgericht :

. Das Urteil des Bundesgerichts vom 14. September 1918 m Sachen H. Wechlin
Tissot gegen Leo Karasek wird aufgehoben und die gegen das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. April 1918 in dieser Sache vom
Kläger erklärte Berufung an Hand genommen.I. PERSQNÉNREC'HT __ DROIT
DES PERSONNES

17. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Januar 1919
i. S. M gegen G. Unzulässigkeit einer Klage auf Beseitigung der Störung
'i. S. von Art. 28 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
ZGB bei Verletzung der persönlichen Verhältnisse
durch eine einmalige abgeschlossene Handlung. Auch die Verurteilung
zu anderen Arten der Genugtuung an Stelle der Zahlung einer Geldsum'me
nach Art. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 4 - 1 Wird der Antrag ohne Bestimmung einer Frist an einen Anwesenden gestellt und nicht sogleich angenommen, so ist der Antragsteller nicht weiter gebunden.
1    Wird der Antrag ohne Bestimmung einer Frist an einen Anwesenden gestellt und nicht sogleich angenommen, so ist der Antragsteller nicht weiter gebunden.
2    Wenn die Vertragschliessenden oder ihre Bevollmächtigten sich persönlich des Telefons bedienen, so gilt der Vertrag als unter Anwesenden abgeschlossen.
.9 Abs-Z OR setzt die besondere Schwere der Verletzung und
des Verschuldens voraus. Verneinung eines solchen schweren Verschuldens
bei übler Nachrede, die auf ein Missverständnis zurückzuführen ist.

Der Beklagte M. war vom Kläger G. als Geschäftsreisender für den Besuch
bestimmter Kunden in italien angestellt worden. Zu diesen Kunden
zählte u.a. eine Firma in Turin, die wegen Anständen aus früheren
Lieferungen weitere Bestellungen beim Kläger abgelehnt hatte. Es fand
deshalb zur Hebung jener Anstände am 14. April 1912 in Turin eine
Besprechung zwischen dem Beklagten und dem Direktor B. der Turiner
Firma statt. In dem Briefe, womit der Beklagte den Kläger über deren
Verlauf unterrichtete,bemerkte er, er habe um den B. zu über; zeugen,
dass durch die Verleumdungssucht des früheren Vertreters des Klägers eine
Atmosphäre unbegründeten gegenseitigen Misstrauens entstanden sei, aus
der es herauszukommen gelte, auf den einige Tage vorher vom Klàger ihm,
dem Beklagten gegenüber getanen Ausspruch hingewiesen : wenn manDirektor
B. eine angemessene Provision zugesichert hätte, würde man auch die
Bestellungen für 1912 erhalten haben. Mit der vvorliegenden

As 45 n mit- 8
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 45 II 102
Datum : 01. März 1919
Publiziert : 31. Dezember 1920
Quelle : Bundesgericht
Status : 45 II 102
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 102 Prozessrecht. N° 16. 16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1-1. März 1919 1.


Gesetzesregister
OG: 67  95
OR: 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 4 - 1 Wird der Antrag ohne Bestimmung einer Frist an einen Anwesenden gestellt und nicht sogleich angenommen, so ist der Antragsteller nicht weiter gebunden.
1    Wird der Antrag ohne Bestimmung einer Frist an einen Anwesenden gestellt und nicht sogleich angenommen, so ist der Antragsteller nicht weiter gebunden.
2    Wenn die Vertragschliessenden oder ihre Bevollmächtigten sich persönlich des Telefons bedienen, so gilt der Vertrag als unter Anwesenden abgeschlossen.
ZGB: 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • beklagter • 1919 • streitwert • rechtsbegehren • busse • stelle • vorinstanz • besteller • entscheid • begründung des entscheids • protokoll • gesuch an eine behörde • lieferung • verurteilung • frist • weiler • tag • zins • aushebung
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