' 320 ss ' . Staatsreeht.

gesetz hätte aufgestellt werden können, aber dort nicht

aufgenommen werden ist, nachträglich durch eine blosse

Verordnung einzuführen. Hierin liegt eine Missachtung des
Gesetzgebungsrechtes des Volkes, die nicht geschützt

_ werden kann. Dei angefochtene Entscheid muss deshalb

aufgehoben um den

Ob § 38 Abs. 3 der Notariatsordnung richtig ange-

' wendet worden sei, ist bei dieser Sachlage nicht zu prüfen..

Demnach erkennt das Bundesgericht}

Der Rekurs wird im Sinne der Motive gutgeheissen, der Entscheid des
Regierungsrates des Kantons Aargau vom 27. Juni 1919 und damit auch die
angefochtene Ver iügung des Grundbuchamtes Aarau aufgehoben.

xm. ORGANISATION DER BUNDESRECHTSPFLEGEORGANISATION JUDICIAIRE FEDERALE

43. Urteil vom 11. Juli 1919 i. S. Frölicher gegen Bern..

Fnstenlauf nach Art. 178 Ziff. 3 OG für Beschwerden wegen
Doppelbesteuerung und daraus abgeleiteter Steuerrückforderung

A. Die Rekurrenten, Geschwister Urs, Anna,. Viktor und Elisabeth
Frölicher, haben ihren Wohnsitz auf 1. Juli 1917 aus der bernischen
Gemeinde Greilingen nach Solothurn verlegt. Trotzdem wurden sie in
Grellingen noch für das ganze Jahr 1917 mit einem Einkommen 'vossn 17,900
Fr. wie es scheint als Fami--

Organisation der Bundesrechtspllege. N° 43. 321

lieneinheit zur Einkommensteuer III. Klasse herangezogen und bezahlten
diese Steuer in Hälften von je 537 Fr., wovon die zweite am 27. Februar
1918, vorbehaltlos. Mitte April 1918 gaben die solothurnischen
Steuerbehörden anlässlich der Steuertaxation'pro 1918 den Geschwistern
Frölicher erstmals bekannt, dass sie auch schon für das zweite Halbjahr
1917 in. Solothurn steuerpflichtig seien. Diesem Steueranspruch
unterzogen die Geschwister Frölicher sich, soweit die Akten erkennen
lassen, ebenfalls vorbehaltlos. Mit Zuschrift vom 11. September 1918
aber ersuchten sie dann die Amtsschaffnerei Laufen, ihnen mit Rücksicht
darauf, _ dass sie für das zweite Halbjahr 1917 auch in Solothurn

besteuert worden seien, die in Grellingen bezahlte Zweite Hälfte
der 1917er Einkommenssteuer zurückzuerstatten, und erneuerten dieses
(inzwischen unerledigt gebliebene) Gesuch mit Zuschrift vom 4. Dezember
1918 bei der Zentralsteuerverwaltung in Bern. Und auf deren Antwort,
dass die Taxation in Grellingen längst in Rechtskraft erwachsen sei,
dass es ihnen jedoch, wenn sie auch in Solothurn eingeschätzt werden
sein sollten, steige-standen habe, innert der. gesetzlichen Frist beim
Bundesgericht staatsrechtlichen Reknrs wegen Doppelbesteuerung zu erheben,
wandten sie sich anfangs Ja--

snnar 1919 an den Regierungsrat des Kantons Bern mit

dem Ersuchen, er wolle die Amtsschaffnerei Laufen veranlassen, ihnen die
zuviel bezahlte Steuer im Be- trage von 537 Fr. zurückzuvergüten . Mit
B e sc hl u s s vom 7. u. 19. März 1919 verfügte der Regierungsrat
Abweisnng des Gesuches, weil die Gesuchsteller der Einladung der
Zentralsteuerverwaltung, zwecks Prüfung der Frage, ob sie wirklich pro
1917 im Kanton Bern zuviel Einkommenssteuer III. Klasse bezahlt hätten,
ein genaues Wertschfiftenverzeichnis einzureichen, nicht nachgekommen
seien und es daher nicht möglich sei, zu prüfen, ob das Gesuch materiell
gerechtfertigt 'sei oder nicht."

322 staatsrecht.

B. Gegen diesen Beschluss haben dieGeschWister Frölicher mit Eingabe
ihres Anwalts vom 16. Mai. 1919 beim Bundesgericht Beschwerde betreffend
Doppeibesteuerung erhoben und den Antrag gestellt, in Abänderung des
regierungsrätlichen Entscheides sei ihr Gesuch um Rückerstattung der
fraglichen Steuer ' gutzuheissen.

C. Der Regierungsrat hat in seiner Vernehmlassung in erster Linie
beantragt, es sei auf den Rekurs nicht einzutreten. und zwar mit Bezug
auf Urs Frölicher wegen mangelnder Legitimation, wei} e r pro 1917in
Solothurn tatsächlich gar nicht besteuert werden sei, und im übrigen wegen
Verspätung, da die Rekurrenten von der gerügten Doppelbesteuerung schon
Mitte April 1918 Kenntnis gehabt, die Rückerstattung der bernischen Steuer
aber erst am 11. September 1918, also nach Ablauf der staatsrechtlichen
Besehwerdefrist, verlangt hätten.

I). Replizierend hat. der Vertreter der Rekurrenten erklärt, dass
Urs Frölicher aus Versehen in den Rekurs mit einbezogen worden sei,
da er wirklich in Solothurn pro 191? die Steuer nicht bezahlt habe.
Dagegen erachtet er den Rekurs als zufolge seiner Einreichung
innert der gesetzlichen Frist seit der Zustellung des angefochtenen
Regierungsratsbeschlusses rechtzeitig erhoben. '

Das Bundesgericht zielt! in Erwägung :

Die Zuständigkeit des Bundesgerichts, über die streitige
steuerriickerstattung aus dem von den Rekurrenten geltend gemachten
Gesichtspunkte des Doppelhesteuerungsverhotes zu entscheiden,
setzt naturgemäss voraus, dass die Auflage der zurückgeforderten
Steuer noch wegen Doppelbesteuerung ankeehtbar sei, wie denn solche
Steuerrückerstattungen vom Bundesgericht bisher überhaupt nur gleichzeitig
mit der Lösung des Doppelbesteuerungskonfliktes selbst, als deren un-

Organisation der Bundesrechtspflege. N° 43. 323

mittelbar gegebene Folge, verfügt worden sind (z. Bim Urteil vom
10. Oktober 1913 i. S. Derron e consorti, Erw. 4). Diese Voraussetzung
trifft aber nicht zu. Die Frist des Art. 178 Ziff. 3 OG beginnt. für den
Rekurs wegen Doppelbesteuerung s p a t e s t e n s mit der Erhebung
des zeitlich zweiten der nach Ansicht des Rekurrenten einander
ausschliessenden Steueransprüche zu laufen, wobei es zwar nicht
erforderlich, jedoch gestattet ist, diesem zweiten Steueranspruche
gegenüber, falls e r als unzulässig betrachtet wird, zunächst noch die
kantonalen Instanzen zu erschöpfen (vergl.. hierüber das Urteil vom
17. Juni 1915 i. S. lm1fmam1-rYeher gegen Luzern und Schwyz). Nun steht
vorfiegend fest, dass die Rekurrenten von der in zweiter Linie erfolgten
solotliurnisehen Steueraul'lage schon Mitte April 1918 Kenntnis erhalten
und sich gegen sie nicht zur Wehr gesetzt haben. Demnach ist die ssütügige
Frist, innert der sie die Doppeibesteuerungsbeschwerde hätten erhe-ben
können, schon im Juni 1918 abgelaufen. und es kann somit der heutige
Rekurs, soweit er nach der Erklärung der Replilc noch zur Beurteilung
steht, wegen Verspätung nicht berücksichtigt werden.

Denmaciz crkennl das Bundesgericht :

· Auf den Rekurs wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 45 I 320
Datum : 27. Juni 1919
Publiziert : 31. Dezember 1920
Quelle : Bundesgericht
Status : 45 I 320
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : ' 320 ss ' . Staatsreeht. gesetz hätte aufgestellt werden können, aber dort nicht


Gesetzesregister
OG: 178
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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