174 Staatsrecht.

VII. EIGENTUMSGARAN'IIE si

GARANTIE DE LA PROPRIÉTÉ Siehe Nr.'26. Voir n° 26.

VIII. INTERKANTONALE AUSLIEFERUNGEXTRADITION ENTRE CANTONS

27. Urteil vom 26. September 1918 i. S. Aargau gegen Zürich.

Begriff der Mitschuldigen im Sinne vo'n Art. 4 Ab 3. 2 A u s 1 G ; auch
der Anstifter gehört dazu. Strafbarkeit des Ausliefemngstatbestandes in
beiden beteiligten Kantonen als Voraussetzung der Auslieferungspflicht;
Unerheblichkeit des beiderseits verschiedenen Strafmasses.

A. Gottfried K..., Kaufmann, von Zürich und lister, in Zürich, der wegen
Uebertretung der aargauischen Verordnung betreffend die Geschäftsagenten
vom 17. Mai 1886 in Baden in Zuchtpolizeiuntersuchung gezogen wurde,
weil er, ohne im Besitze des durch jene Verordnung vorgeschriebenen
Patentes zu sein, dem Eigentümer des Hotels Römerhof in Baden, Sch...,
zweimal den Verkauf seines Hotels vermittelt hatte, veranlasste den in
der Untersuchung als Zeugen einvernommenen Sch..., im Dezember 1917 und im
Januar 1918 zunächst vor Bezirksamt und dann auch vor Bezirksgericht Baden
auszusagen, er habe dem Angeschuldigten für die zweite Verkaufsvermittlung
keine Provision bezahlt (während er ihm inWirklichkeit 2200 Fr. gegeben
hatte). Die Ueberredung Sch...s zu diesen falschen Aussagen war anlässlich
von Besprechungen K...s mit ihm, zweimal in Zürich (vor der Einvernahme
des Zeugen durch das Be-

lnterkanton ale Auslieferung. N° 27. 175

zirksamt) und einmal in Baden (vor seiner Einvernahme durch das
Bezirksgericht), erfolgt. Durch Urteil des Bezirksgerichts Baden vom
22. Januar 1918, das auf das Zeugnis Sch...s abstellt, wurde K. der
Uebertretung der Gesehäftsagentenverordnung schuldig erklärt und zu 120
Fr. Busse verurteilt. Nachträglich ergab sich dann die Unrichtigkeit der
fraglichen Aussagen, und es wurde der geschilderte Tatbestand schliesslich
von Sch... und von K. zugestanden. Hierauf leitete die aargauische
Staatsanwaltschaft Strafverfolgung gegenüber Sch... wegen Betrugs dureh
wissentliche Ablegung eines falschen Zeugnisses im Sinne von 5162 litt. a
peinl. StG, und gegenüber K. wegen Anstiftung zu diesen Verbrechen ein
und erliess gegen K..., der den aargauischen Gerichts-stand bestritt,
einen Haftbefehl. Gestützt auf diesen Haftbefehl vom 27. Februar 1918
stellte der Landammann des Kantons Aargau am 11. März 1918 unter Hinweis
auf das BG vom 24. Juli 1852, speziell Art. 4 Abs. 2, beim Regierungsrat
des Kantons Zürich das Gesuch um Auslieferung K...s und bemerkte dabei,
dieser habe überdies, wie sich seit Erlass des Haftbefehls herausgestellt
habe, am 25. und 26. Februar vor Bezirksamt Baden im Strafverfahren
gegen Sch... falsches Zeugnis abgelegt. Mit Antwortschreiben vom 1.Mai
1918 lehnte der Regierungsrat des Kantons Zürich gemäss Beschluss vom
gleichen Tage die Auslieferung ab, erklärte sich aber im Sinne von Art. 1
Abs. 2 des BG vom 24. Juli 1852 bereit, die Strafverfolgung K...s durch
die zürcherischen Behörden durchführen zu lassen. Er begründete seine
Stellungnahme wie folgt : Art. 4 Abs. 2 des Bundes-Auslieferungsgesetzes
treffe nicht zu, da die K.. zur Last gelegte Anstiftung zu falschem
Zeugnis in der Hauptsache in Zürich, nicht in Baden erfolgt sei und
ferner nicht gesagt werden könne, dass diese Anstiftung zusammen mit den
falschen Zeugenaussagen Sch...s im Sinne jener Gesetzesbestimmung ein
in mehreren Kantonen begangenes Verbrechen bilde, dessen Haupthandlung,
das falsche Zeugnis, auf

1 76 Staatsrecht.

den Kanton Aargau, und eine Nebenhandlung, die Anstiftung, auf
den Kanton Zürich entfalle, indem nach "konstanter zürcherischer
Rechtsaufiassung (ZELLEK Komm. z. zürch. StGB, § 37, Note 2, und
Rechenschaftsberichte des Obergerichts: 1890, Nr. 47; 1897, Nr. 148;
1898, Nr. 175; 1909, Nr. 182) die Anstiftung zu einem Verbrechen oder
Vergehen ein selbständiges Verbrechen oder Vergehen darstelle und die
akzessorische Natur der Anstiftung abgelehnt werde. Es handle sich
also nach dieser Rechtsaufiassung um zwei Verbrechen: Anstiftung zu
falschem Zeugnis und falsches Zeugnis, die in zwei verschiedenen Kantonen
verübt worden seien. Zur freiwilligen Uebertragung der zürcherischen
Gerichtsbarkeit mit Bezug auf das Vergehen der Anstiftung an die
aargauischen Behörden-aber bestehe keine Veranlassung, weil sich der
im Kanton Zürich heimatberechtigte und niedergelassene Angeschuldigte
nach dem aargauischen Strafrecht, welches das falsche Zeugnis als
Verbrechen des Betrugs behandle, erheblich schlechter stellen würde,
als nach dem zürcherischen Strafrecht, das ein besonderes, viel gelinder
strafbares Delikt des falschen Zeugnisses (§ 106) kenne, wobei überdies
nach konstanter Gerichtspraxis eine falsche Zeugenaussage dann nicht als
Vergehen beurteilt werde, wenn sie in der Sache selbst unwesentlich sei,
wie offenbar hier, wo das gegen K... ergangene Urteil des Bezirksgerichts
Baden die Auszah-lung oder Nicht-Auszahlung einer Provision durch
Sch... an ihn als für die Frage, ob er die Geschäftsagentenverordnung
übertreten habe, unwesentlich erkläre.

B. Unter Hinweis auf diesen Beschluss und Bescheid der Zürcher Regierung
hat der Regierungsrat des Kantons Aargau beim Bundesgerichtgemäss Art. 175
Ziff. 2 OG den Antrag gestellt, der Regierungsrat des Kantons Zürich
sei anzuhalten, Gottfried K. an den Kanton Aargau zwecks Strafverfolgung
auszuliefern.

Das streitige Auslieferungsbegehren sei, wird wesentlich ausgeführt,
entgegen der Auffassung von Zürich nach

Interkantonale Auslieferung. N° 27. 177

Art. 4 Abs. 2 AuslG begründet. Zu den Mitschuldigen im Sinne dieser
Bestimmung gehöre auch der Anstifter, wie das Bundesgericht in AS 34
I s. 291/292 anerkannt habe. Die Anstiftung werde allgemein (Sröoss,
Grundzüge des schweiz. Strairechts, I S. 229) und speziell so ,wohl
nach dem zürcherischen, als auch nach dem aargauischen Strafrecht (§
37 zürch. St GB ; § 26 aarg. peinl. StG) als eine Art der Teilnahme
bezeichnet. Es sei denn auch ein alter Grundsatz dass der Richter
des Tatortes zur Beurteilung der Anstiftung zuständig sei. Dieser
Grundsatz werde durch Art. 4 Abs. 2 Ausle im Interesse der materiellen
Gerechtigkeit zur Geltung gebracht. Auch der Einwand Zürichs, dass
K.. nach der zürcherischen Gerichtspraxis nicht strafbar wäre, weil die
falsche Zeugenaussage, zu der er angestiftet habe, für die Entscheidung
des Prozesses nicht wesentlich gewesen sei, gehe fehl ; denn die fragliche
Aussage habe unzweifelhaft das Strafmass des bezirksgerichtlichen Urteils
vom 22. Januar 1918 beeinflusst. W'elche Strafe K. im Aargau erleiden
müsse, sei für die Frage der Auslieferungspflicht ohne Bedeutung .....

C. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat, in Bestätigung der Begründung
seines Beschlusses vom 1. Mai 1918, Abweisung des Begehrens von Aargau
beantragt und namentlich noch betont, dass der Anstifter nur insoweit
als Mitschuldiger im Sinne von Art. 4 Abs. 2 ,Ausl.G betrachtet werden
könne, als die akzessorische Natur der Anstiftung sowohl im ersuchten,
als im ersuchenden Kanton anerkannt sei, dass 'das aber bei Zürich
nicht zutreffsse. --

Das Bundesgerichfsszieht in Erwägung :

Zur Beurteilung steht " die Frage der, Auslieferungspflicht des Kantons
Zürich nur mit Bezug auf die K.

"zur Last_ fallende Anstiftung Sch...s zu dessen falscher

Zeugenaussage, da das eigene falsche Zeugnis K...s im Prozesse gegen
Sch..., von dem im Auslieferungsgesuche AS 441 _ssmò 12

178 staatsrecht-

des aargauischen Landammanns daneben noch die Rede war, vom damaligen
Begehren nicht umfasst wurde und

_ vor Bundesgericht überhaupt nicht mehr erwähnt worden ist. ·

Der Kanton Aargau stützt seinen AuslieferungsanSpruch auf Art. 4 Abs. 2
des BG vom 24. Juli 1852 (AuslG), worin bestimmt ist, dass wenn ein
Verbrechen in mehreren Kantonen begangen wurde, derjenige Kan-ton, in
welchem die Haupthandlung verübt wurde , das Recht hat, die Auslieferung
aller Mitschuldigen in andern Kantonen zu verlangen . Als Mitschuldige
sind nach dem natürlichen, allgemeinen Sprachgebrauch alle prinzipalen
und akzessorischen Teilnehmer an dem Verbrechen (Haupttäter und Gehülfen
im weitesten Sinne) zu betrachten. Zu diesen Teilnehmern aber gehört nach
den Strafgesetzgebungen der b e i d e n Kantone Aargau und Zürich auch
der Anstifter. Denn das aarg. peinl. StG bezeichnet als Teilnehmer eines
Verbrechens Urheber, Gehülfen und Begünstiger (EUR 26) und bezieht unter
den Begriff der Urheberschaft die Begehung des Verbrechens sowohl durch
eigene Handlung oder Unterlassung , als auch durch Anstiftung anderer
Personen (§27). Und das zürch.' StGB bringt dieselbe Auffassung zum
Ausdruck mit der Vorschrift des § 37, dass wenn hinsichtlich der Verübung
einer strafbaren Handlung mehrere Personen zusammengewirkt haben , die
Urheber (Täter und Anstifter) die volle Strafe des Verbrechens trifft,
während die übrigen Teilnehmer am Verbrechen mit einer geringeren Strafe
belegt werden. Folglich ist der Anstifter unzweifelhaft auch nach dem

zürcherischen Strafrecht Mitschuldiger im Sinne des Art. 4 Abs. 2
AuslG. Bei seiner gegenteiligen Annahme vermengt der Regierungsrat des
Kantons Zürich den Gegensatz von prinzipaler und akzessorischer Teilnahme

mit dem Gegensatze von Teilnahme an einem Verbrechen _ si

und Begehung selbständiger Verbrechen. In der von ihm

Interkantonale Auslieferung. N° 27. 179

angezogenen Bemerkung des Kommentators ZELLER wie auch in den dazu
erwähnten Gerichtsentscheiden wird nicht der Charakter der Anstiftung ,als
Teilnahme überhaupt, sondern ausdrücklich nur die a k 2 e s s o r i s c
h e N a t u r dieser Teilnahme unter Hinweis darauf verneint, dass die
Anstiftung nach Gesetz eine Form der Urheberschaft, also der prinzipalen
Teilnahme, bilde, was denn auch schon aus dem Gesetzestext selbst klar
hervorgeht, Umfasst aber der einheitliche Verbrechens-tatbestand bei
mehreren Teilnehmern auch die Tätigkeit des Anstifters, so liegt hier
unbestreithar ein in mehreren Kantonen begangenes Verbrechen vor,
da die Anstiftung Sch...s durch K... zugestandenermassen teils in
Zürich und teils in Baden, wo die Haupthandiung Sch...s erfolgt ist,
stattgefunden hat. Und mit Rücksicht auf diesen Ort der Haupthandlung
steht gemäss Art. 4 Abs. 2 Aus]. G die Verfolgung auch des zürcherisehen
Anstifters K... als solchen trotz der Vorschrift in Art. 1 Abs. 2 AuslG
(vergl. AS 34 I S. 292/293) dem Kanton Aargau zu.

Der Weitere Einwand Zürichs, dass die Anstiftung K...s nach der
zürcherischen Gerichtspraxis nicht strafbar wäre, ist zwar erheblich
(vergl. AS 41 I S. 510). wird jedoch von Aargau mit Recht als unzutrefiend
zurückgewiesen, da in der Tat unbedenklich angenommen werden darf, dass
K.. für seine Uebertretung der Geschäftsagentenverordnung strenger
bestraft werden Wäre, wenn der erkennende Richter auch von seinem
zweitmaligen Provisionsbezug Kenntnis gehabt hätte, und dass insofern
das falsche Zeugnis Sch...s in der Sache selbst nicht unwesentlich war.

Dass endlich die Verschiedenheitder Strafdrohung in den beiden Kantonen
die Verweigerung der nach der Verbrechen-zart (falsches Zeugnis ) durch
Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 AuslG gebotenen Ausliefernng
nicht zu rechtfertigen vermag, bedarf keiner Ausführung. '

1 80 S taatsrecht.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

In Gutheissung der Klage wird der Kanten Zürich pflichtig erklärt, dem
Auslieferungshegehren des Kantons Aargau betr. Gottfried K. in Zürich
Folge zu gehen.

IX. INTERNATIONALE AUSLIEFERUNGEXTRADlTION AUX ETATS ÉTRANGERS

28. Arrét du 3 octobre 1918 dans la cause Marcellin.

Extradition aux Etats étrangers. Le moyen d'opposition' tiré de la
prescription doit etre examine à la fois à la lumière de la loi de l'Etat
requis et de la loi de l'Etat requérant, mais, en ce qui concerne la
loi étrangére, le role du juge se berne à rechercher et à constater si,
d'après cette loi, la prescription est manifestement acquise.

A. Par notes des 18 et 26 mars 1918, l'Ambassacle de France en Suisse &
demandé au Conseil federal l'extradition de Marius Marcellin, Francais,
réÎractaire, interne à la colonie de l'Orbe. L'Ambassade produisait: '

1° Un mandat d'arrèt du Juge d'instruction de Marseiile, du 11 octobre
1912 ;

2° Un jugement du Tribunal de première instance de Marseille du 19 février
1913, rendu en matière correctionnelle et condamnant par defaut Marcellin
à quatre années d'emprisonnement et à la relégation pour s'ètre rendu
complice de diverses soustractions frauduleuses commises au préjudice
de la Compagnie des chemins de fer P.-L.-M. en reeelant sciemment tout
ou partie des marchandises soustraites.

Interrogé le 2 avril 1918 par le Préfet d'Orhe, Marcellin & protesté de
son innocence et & declare faire Opposition

Internationale Auslieferung. N° 28. 181

à lffextradition en invoquant la prescription de la peine p_renoncée
contre lui par ie jugement du 19 février 1913. Il ajoutait qu 'il
craignait qu 'une fois livre aux autorités francaises, il ne int poursuivi
également pour le délit d'insoumission militaire.

B. Par office du 16 avril 1918, le Département

· federal de Justice et Police a transmis le dossier au Tri-

bunal fédéral, conformément à l'art. 23 LF sur l'extradition aux Etats
étrangers, du 22 janvier 1892. Il joignait à son envoi un avis du
Procureur général fédéral, concluant à ce que l'extradition soitaccordée.

Le conseil d'offi-ee de l'opposant a déposé le 20 mai 1918 un mémoirè
concluant à ce que l'extradition soit refusée. Le principal motif
invoqué consiste à soutenir que la peine serait prescrite d'après la
loi francaise.

Ce mémoire a été communiqué par l'intermédiaire du Département de Justice
et Police au Gouvernement franeais. Par notes des 22 et 24 juillet
1918, l'Ambassade franeaise a exposé pour quels motifs son Gouvernement
estimait que la prescription de la peine a été suspendue et que, du
reste, la question de savoir si la prescription était acquise d'après
la loi franeaise relevait exclusivement des autorités de l'Etat requérant.

Considérant en droit :

1. Dans son interrogatoire, Marcellin avait exprimé la erainte que
si l'extradition était accordée, les autorités francaises ne le
pousuivissent pour le delit d'insoumission militaire. Cette crainte
n'est pas fondée. Toutes garanties sont assurées à cet égard à l'extradé
par les art, 2 et 8 du traité france-suisse de 1869 sur l'extradi-si
tion réciproque des malfaiteurs, ainsi que par les art. 7, IOet 11
de la loi iédéraie de 1892 sur l'extradition aux Etats ét1angers.ll
appartiendra au Conseil federal de stipuler que l'extradition accordée
par le Tribunal fédéral n'a lieu qu' à raison du délit ayant motivé la
demande de l'Ambassade fianeaise etque Marcellin ne Form-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 44 I 174
Datum : 26. September 1918
Publiziert : 31. Dezember 1919
Quelle : Bundesgericht
Status : 44 I 174
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 174 Staatsrecht. VII. EIGENTUMSGARAN'IIE si GARANTIE DE LA PROPRIÉTÉ Siehe Nr.'26.


Gesetzesregister
AuslG: 1  2  4
OG: 175
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
aargau • falsches zeugnis • regierungsrat • weiler • not • strafverfolgung • haftbefehl • bundesgericht • frage • entscheid • zeuge • betrug • urheber • departement • strafbare handlung • sachverhalt • bewilligung oder genehmigung • bern • richterliche behörde • begründung des entscheids
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