214 obligationenrecht. N° 32.

32. Urteil der I. Zivilsbteilung vom 4. Mai 1917
i. S. Metallpapier-Bronzefarben-Blattmetallwerke A.-G., Klägerin und
Berufungskiägerin gegen Kohlrausch, Beklagten und Berufungsbeklagten.

G e n us k a u f, wobei der Verkäufer erklärt, dass er die verkaufte
Ware b e s i t z e . Auslegung dieser Erklärung im Sinne eines
Einstehens für die Lieferung trotz der durch die Kriegsverhältnisse
geschaf-fenen Verunmöglichung oder Erschwerung der Beschaffung solcher
Ware (besonders infolge Ausfuhr'verbotes). S c had e n s b e m e s s
u n g : Nicht wesentlich, dass die Ware zur Zeit keinen M a r k t p
r e i s besitzt. Keine allgemeine Pflicht zur Vornahme eines D e c k
u n g s k a u t e s. Ermittlung des Schadens auf Grund von dem Käufer
ge-machten K a u f s a n g e b o t e n oder des Preises, um den die Ware
laut Expertenbefund k ä u f l i c h 2 u b e k o m m e 11 war '?

1. Am 14. April 1915 machte der Beklagte Kohlrausch der Klägerin,
der Metallpapier-Bronzefarben-Blattmetallwerke A. G. in München, die
durch chiffriertes Inserat Gelegenheit zum Ankauf von Kupfer gesucht
hatte, folgendes Angebot : ich besitze nachstehenden Posten prima
Kupferwalzdraht, 12/15 mm., den ich franko Zürich netto Kassa zum Preise
von 300 Fr. per 100 Kg. freibleibend offeriere ..... Der ganze Posten
ist wie folgt lieferbar : 10 Tonnen am 15. Mai ca., eventuell sofort,
20 Tonnen am 31. Mai ea. . Auf Grund dessen schlossen die Parteien,
die Klägerin durch ihren Vorstand, Kommerzienrat Ott, handelnd, am
15. April über die genannten 30 Tonnen zu den angegebenen *Preisund
Lieferungsbedingungen einen Kaufvertrag ab, wobei sie bestimmten, dass
die Klägerin bei der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich zu Gunsten
der Speditions firma A.-G. Welti & Furrer daselbst ein Akkreditiv in der
Höhe des Kaufpreises auszustellen habe zwecks Zahlung der Ware. Durch
Brief vom 16. April benachrich-Obligationcnrecht. N° 32. 215

tlgte die Klägerin den Beklagten von der erfolgten si Akkreditierung
und stellte eine Mitteilung über die Abiieferung und allfällige
Weiterversendung der Ware in Aussicht .

Am 17. April schlossen die Parteien, die Klägerin vertreten ,durch
Direktor Luchsinger, einen weitem Vertrag über 20 Tonnen der nämlichen
Ware ab, lieferbar sofort zum Preise von 315 Fr. per 100 Kg. Der
Kaufpreis sollte spätestens am 25. April zur freien Verfügung der
Speditionsfirma A. -G. Welti-Furrer gestellt w,erden zwecks Zahlung
der Ware ab Lager. Am 19. April (einem Montag) schrieb die Klägerin dem
Beklagten, sie werde die Ware Ende der Woche übernehmen, der Beklagte
möge ihr daher bestimmt am Mittwoch noch kurz telegraphieren, ob das
Kupfer bereits bei der A. G. WehlFurrer liege und nächsten Freitag oder
Samstag übernommen werden könne. Auf diesen Brief zurückkommend schrieb
die Klägerin am 22. April dem Beklagten : Sie nehme an, dass die durch
Luchsinger gekauften 20 Tonnen noch nicht greifbar seien. Sobald solches
der Fall sei, werde einer ihrer Beamten die Ware in Zürich übernehmen
und bezahlen. Der Beklagte möge telegraphieren, sobald sie in Zürich
zur Verfügung der Klägerin stehe.

Am 24. April telegraphierte der Beklagte an die Klägerin : Bestätige
noch zweiten Vertrag durch Luchsinger, ordnet Sache 'Nelti-Furrer konform
deren Instrukiionen, damit sofortige Ablieferung prompt erfolgen i kann.
Durch Brief vom gleichen Tage bestätigte _er, dieses Telegramm sowie
die Briefe der Beklagten vom "16. und 19. April, deren Inhalt durch
die genannte Depesche erledigt sei, und erklärte ferner, das Material
sei prima. Gleichzeitig bestätigteer eiiiephiih'eanfi'age Z c 1553der
Klägerin auf eine Einsendung des Beklagten, wonach dieser unter der
genannten Chiihe bekannt gegeben hatte, dass piima Kupferwalzd aht sofoit
_disponibel vom Besitzer billigst zu verkaufen sei. Am 25. ,April tele-

ssglaphierte der Beklagte der Klägerin ferner : è Auweiset ,

AS 4311 1917 15

216 Obllgatlonenrecht. N° 32. Betrag konform 2 Vertrag an Welti-Furrer,
Sendung zur Verfügung.

Am 1. Mai wurde dann ein Wagon von Ill-Tonnen für Rechnung des zweiten
Kaufvertrages geliefert. Weitere Lieferungen erfolgten nicht, trotzdem
die Klägerin dem Beklagten unter drei Malen (am 22. und 31. Mai und am
18. Juni) Nachfristen (von 10 bis 12 Tagen) zur Lieferung der jeweilen
ausständigen Quanta ansetzte. Als die zuletzt angesetzte Hist mit dem
3.0. Juni 1915 abgelaufen war, schrieb sie am 1. Juli dem Beklagten,
dass sie auf Lieferung verzichte und Schadenersatz wegen Nichterfüllung
verlange. ' -

Den beanspruchten Schadensbetrag fordert sie im nunmehrigen Prozess
mit 26,500 Fr. nebst Zins zu 5 % seit dem 8. Juli 1915 (Tag der
Zahlungsaufiordemng) vom Beklagten ein, indem sie geltend macht, dass sie
die nicht gelieferten 40 Tonnen zu mindestens 370 Fr. die 100 Kg. hätte
weiterverkaufen können, welcher Preis ihr für die 10 gelieferten Tonnen
von der Firma Escher, Wyss & Cie in Zürich bezahlt werden sei. Bei den
Vertragsunterhandlungen habe der Beklagte die Frage, ob er das angebotene
Kupfer wirklich besitze, bejaht und erklärt, es sei in der Schweiz,
nur dürfe er nicht sagen,wo.

Der Beklagte hat die Klageforderung grundsätzlich unter Berufung auf
Art. 97
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
1    Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
2    Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45
OR mit der Behauptung bestritten, dass die Vertragserfüllung ihm
unmöglich geworden sei. Er habe, wie der Klägerin bekannt gewesen sei,
mit der Firma Aubert, Grenier & Cle feste Verträge über das ganze der
Klägerin verkaufte Quantum abgeschlossen gehabt. Nur bei dieser Firma sei
im Frühjahr 1915 Kupferwalzdraht erhältlich gewesen und durch sie allein
habe solcher in die Schweiz eingeführt werden können. Nach Abschluss
jener Verträge habe jedoch Frankreich und Italien die Ausund Durchfuhr
von Kupfer verboten, so dass die Lieferung der Firma Auhert, Grenier &
Cle und damit auch dem Beklagten verunmöglieht worden sei. Auf Lager
habe die Firma kein

Obligationenrecht. N° 32. 217

Kupfer gehabt und von anderer Seite Ersatzware zu beschaffen, sei ganz
ausgeschlossen gewesen. Eventuell werde die Klageforderung der Höhe nach
bestritten, weil die Klägerin aus der Ware nicht 370 Fr. hätte erlösen
können. '

Das Handelsgericht des Kantons Zürich hat die Klage durch Urteil vom
28. November 1916'abgewiesen. Es führt zunächst aus, dass beim Ablauf
der für die Erfüllung angesetzten Nachfrist (30. Juni 1915) Kupfer keinen
Marktpreis gehabt habe, wie das die Klägerin bei ihrer Schadensberechnung
mit Recht voraussetzte. Einen Deckungskauf habe nun die Klägerin nicht
vorgenommen. Als Schaden könne aber nur der Mehrbetrag gelten, den die
Klägerin bei einem wirklichen Deckungskaufe hätte auslegen müssen ;
sie könne nicht einfach geltend machen, dass sie im Falle eines solchen
mindestens 370 Fr. zu bezahlen gehabt hätte. Mangels eines bestimmten
Marktpreises fehle für diese Annahme eine genügende Grundlage und das
Gericht müsste so den Schadensbetrag mehr oder weniger willkürlich
feststellen, was nicht seine Aufgabe sei.

Vor Bundesgericht wiederholt die Klägerin ihr Begehren um Zusprechung
der Klageforderung.

2. Die Einwendung, die der Beklagte auf Grund von Ar t. 9 '? 0 R gegen
die streitige Schadenersatz forderung erhoben hat, dass nämlich die
Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeit nachträglich ohne sein
Verschulden unmöglich geworden sei, ist abzuweisen und zwar deshalb,
weil, soweit die behauptete L e i s t u n g su n m 6 gl i c h k e i t
wirklich eingetreten ist, der Beklagte nach dem Inhalte des Vertrages
der Klägerin für die nachteiligen Folgen dieses Umstandes aufzukommen hat.

Im Angebot vom 14. April, das zum Abschluss des
erstenVertragesvom15.April1915führte,hatte der Beklagte erklärt, dass
er den verkauften Waren'posten b e sit z e . Nach seiner Wortbedeutung
musste dieser

213 Obligutionenreeht. N° 32.

Ausdruck von der Käuferin dahin verstanden werden, dass der Beklagte als
Eigentümer über die Ware frei verfügen könne und daher in der Lage sei,
sie ohne irgendwelche Vorbereitungshandlungen durch hlosse Uebergabe an
die Käuferin zu liefern. Wollte man aber auch in der fraglichen Erklärung
entgegen ihrem Wortlaute keine so weitgehende Zusicherung erblicken
-Wofür sich auf die Ausbedingung von Lieferungstermineu verweisen liesse,
so würde doch der Beklagte zum mindesten durch seine Erklärung versichern,
es sei ihm möglich, das Kupfer aus vorhandenem inländischen Drittbesitz zu
beziehen und es bestanden so für die Erfüllung der von ihm eingegangenen
Verpflichtung die besondern Hindernisse und Risiken nicht, mit denen nach
den obwaltenden Marktund Verkehrsverhältnissen der Verkäufer zu rechnen
hat, der erst noch die erforderlichen Schritte zur eigenen Beschaffung
der Ware unternehmen muss. Geht man hievon aus, so kann der Beklagte
auch nicht mit seiner Behauptung durchdringen, die Klägerin habe schon
beim Vertragsabschlusse gewusst, dass er über das ihr

zu iiefernde Kupfer mitder Firma Aubert, Grenier & Cie =

feste Verträge abgeschlossen hätte. Jene Behauptung wird von der Klägerin
bestritten und nach dem Zeugnisse Luchsinger könnte sie auch nicht als
richtig gelten. Jedenfalls aber würde die blosse Kenntnis der Klägerin
davon, ' dass der Beklagte die Ware erst noch von Auhert, Grenier &
Cie beziehen müsse, keineswegs ausschliessen, dass die Erklärung des
Beklagten, er besitze sie, von der Klägerin als eine Zusicherung
im erwähnten Sinne ausnahmsweiser Erleichterung der Beschaffung des
verkauften Quantums aufgefasst werden durfte und musste. Die genannte
Erklärung liess die Annahme nicht nur. zu, sondern legte sie sogar
nahe, dass Aubert, Grenier & C'e als Grosshändler in. Kupferwaren das
versprochene Quantum dem Beklagten schon ausgeschieden und zur Versendung
bereit gestellt hatten. Rechtlieh aber, liegt in der Zusicherung des
Besitzes der Ware, auch dannObligationenrecht. N° 32. . 319

wenn man sie in dem erörterten weniger weit gehenden Sinne auffasst-,
ein Einstehen für die Möglichkeit der Leistung gerade in Hinsicht
auf die Momente, die der Beklagte als Gründe der behaupteten
Leistungsunmöglichkeit anführt : Einmal sagt nämlich der Verkäufer
damit zu, dass er zur Bewirkung seiner Leistungspflicht nicht auf
die Beschaffung ausländischer Ware angewiesen sei, in welchem Falle
angesichts der bestehenden Einfuhrschwierigkeiten . und Risiken von
einem Besitze der Ware in der hier wesentlichen Bedeutung leichter und
sicherer Bewirkung der Leistung nicht gesprochen werden könnte. Und
diese Zusage erstreckt sich besonders auch darauf, dass der Käufer
nicht mit der Möglichkeit eines eigentlichen Ausfuhrverbotes zu rechnen
brauche, während sich der Beklagte nunmehr vor allem auf ein solches
als Befreiungsgrund von seiner Leistungspfiicht beruft (vergl. SEUFFERT,
Archiv, N. F. 16, N° 156). Im weitern sodann versichert der Erklärende,
bei der Bewirkung der versprochenen Leistung bestanden für ihn auch die
besondern Erschwerungen nicht, die ohne bereits vorhandenen Besitz der
Ware deren Ankauf im Inlande angesichts der Knappheit der Vorräte bieten
kann. Nach dem allem hat der Beklagte mit seinen Ausführungen nicht
dargetan, dass die Erfüllung der von ihm übernommenen Verbindlichkeiten,
nämlich die in seinem. Besitze befindliche Ware zu liefern, im Sinne
von Art. 97 nicht oder nicht gehörig hat bewirkt werden können , dass er
also trotz Besitzes der Ware sich in der Unmöglichkeit, sie zu liefern,
befunden habe. Damit ist seine Schadenersatzpflicht im Grundsatze gegeben,
und da besondere Gründe für eine quantitative Minderung nicht ersichtlich
sind, erstreckt sie sich auf den vollen eingetretenen Schaden.

Das Gesagte gilt gleicherweise auch hinsichtlich des z w e i t e n V e r
t r a g e s vom 17. April 1915. Allerdings hat bei dessen Abschluss der
Beklagte nicht wiederum ausdrücklich erklärt, dass er die Ware besitze
. Ferner

220 Obligatlonenrecht. N° 32.

wird das Zeitungsinserat, wonach er sich als Besitzer von dem zum
Verkaufe ausgeschriebenen Kupfers bezeichnete, erst in seinem Briefe
vom 24. April erwähnt und nach dem sonstigen Inhalte dieses Briefes ist
der zweite Vertrag wohl nicht auf Grund dieses Inserates abgeschlossen
worden. Trotzdem ist aber anzunehmen, dass der Beklagte auch beim
zweiten Vertrag die nämliche Zusicherung in Betreff leichter und
sicherer Besehaifbarkeit der Ware gegeben hat; das um so eher, als nach
diesem Verträge keine Lieferfristenbestimmt wurden, sondern die Ware
sofort lieferbar sein sollte und als der Beklagte in seinem Brief vom
24. April auf das Ansuchen der Klägerin um telegraphische Mitteilung,
sobald die Ware in Zürich zu ihrer Verfügung stehe, von sofortiger
prompter Ablieferung sprach. Der Beklagte selbst hat denn auch nicht etwa
geltend gemacht, die beiden Verträge seien in der vorwürfigen Beziehung
verschieden zu beurteilen.

3. Da die Klägerin nach eingetretenem Verzuge die beiden Käufe als
Mahngeschäfte behandelt hat, braucht nicht geprüft zu werden, ob sie
ursprünglich Fixgeschäfte gewesen seien (vgl. Urteil des Bundesgerichts
vom 4. Mai 1917 i. S. R. & E. Huber gegen Bencsak, Erw. 2). Die
Klägerin hat nun nach Ablauf der letzten für die nachträgliche Erfüllung
angesetzten Frist durch ihre

Erklärung vom 30. Juni 1915 das dem Gläubiger durch.

Art. 107 Abs. 2 eingeräumte Wahlrecht in dem Sinne gültig ausgeübt,
dass sie auf die nachträgliche Leistung verzichtete und Ersatz des
ihr a u s d e r N i e h t e r füllung entstandenen Schadens verlangte.
Der nähere Inhalt ihrer Schadenersatzforderung bestimmt sich nach den
für den Kauf geltenden besondern Vorschriften des A r t. 1 9 1 OH.

Die Vorinstanz hat bei der Prüfung des Falles zunächst darauf abgestellt,
dass die verkaufte Ware zur Zeit des Ablaufes der letzten Nachfrist
(30. Juni 1915) keinen Ma r' k t p re i s gehabt habe, und diese
Erwägung.)nq

Obligationenrechi. N° 32. __, si

ist Iur sie wenn nicht entscheidend so doch mitbestimmend dafür gewesen,
dass sie den Schadenersatzanspruch der Klägerin als gesetzlich nicht
begründet angesehen hat. Ob ihre Annahme, es habe an einem Marktpreis
für Kupfer gefehlt, tatsächlich richtig sei und auf einer zutreffenden
Auffassung des Begriffes Marktpreis beruhe, braucht nicht geprüft
zu werden. Denn einmal stützt die Klägerin ihre Sehadensbereehnung
nicht darauf, dass für die verkaufte Ware ein eigentlicher Marktpreis
bestanden habe und dieser den Vertragspreis um den Betrag der eingeklagten
Forderung übersteige, sondern darauf, dass sie ihrerseits für die Ware
bestimmte höhere Kaufsangebote gehabt habe. Sodann hat, wie im genannten
Bundesgerichtsentseheide (unter Erw. 4) ebenfalls schon ausgeführt wurde,
das Fehlen eines Marktpreises lediglich zur Folge, dass die besondere
Art der Schadensermittlung des Absatzes 3 von Art. 191 unmöglich wird,
die dem Käufer den Schadensnachweis insofern erleichtert, als er bloss
darzutun hat, dass und um wie viel der Vertragspreis unter dem Marktpreise
stehe, und als die Differenz ohne weiteres als Sehadensbetrag gilt. Dem
Käufer bleibt aber unbenommen, seinen Schaden auf andere, den gesetzlichen
Vorschriften entsprechende Weise zu begründen.

Zur Abweisung der Klage kann ferner auch nicht der weitere von
der Vorinstanz namhaft gemachte Umstand führen, dass die Klägerin
die Vornahme eines Dekungskau f e s unterlassen hat. In dieser
Beziehung ist im Anschluss an das, was ebenfalls schon in der erwähnten
Entscheidung i. S. R. & E. Huber gegen Bencsak (unter Erw. 4) hierüber
ausgeführt wurde, zu bemerken : Wenn die Klägerin keinen Deckungskauf
abgeschlossen hat, so schliesst das lediglich die Anwendbarkeit von
Abs. 2 des Art. 191'aus, als einer gesetzlichen Regel, gemäss der im
kaufmännischen Verkehr der Käufer nach Vernahme eines formell richtigen
Deekungskaufes seinen Schaden geltend machen ka n n . Es verbleibt auch
hier die Möglichkeit eines andern Sehadensnachweises,

222 obugaüonemecht. N° 32.

wofür die allgemeine Bestimmung des Abs. 1 von Art. 191 die rechtliche
Grundlage bildet. Eine gesetzliche Pflicht des Käufers, im kaufmännischen
Verkehr sich unter allen Umständen einzudecken, wie die Vorinstanz sie
voraussetzt, besteht in Wirklichkeit nicht. Eine solche Würde auch wohl
vielfach unhilligerweise berechtigten Interessen des Käufers zuwiderlaufen
; so etwa, wenn die Zahlungsfähigkeit des säumigen Verkäufers zweifelhaft
ist und der Käufer nun, um seinen Schadenersatzanspruch gegen ihn nicht
zum vornherein zu verlieren, gezwungen wäre, einen Deckungskauf zu
besonders ungünstigen Preisen und auf die Gefahr hin, vom Käufer die
Differenz tatsächlich doch nicht ersetzt zu erhalten, abzuschliessen,
während ihm besser gedient Wäre, das Risiko eines solchen Deckungskaufes
zu vermeiden und sich mit einem geringem Ersatzanspruch zu begnügen. Auch
kann der Verkäufer sich nicht einerseits darauf berufen, die Lieferung sei
ihm unmöglich gewesen, und anderseits dem Käufer entgegenhalten, er hätte
sich eindecken sollen. Demgemäss hat denn auch die bundesgerichtliche
Rechtsprechung (vgl. z. B. EB 26 II S. 131 11. 139) schon längst neben
der konkreten Sehadensbemessung, wozu als einzelne Art die auf Grund
eines Deckungskaufes vorgenommene gehört, auch die abstrakte Bemessung
zugelassen, bei der der eingetretene Fall der Nichtlieferung mit dem
hypothetisch vorausgesetzten richtiger Lieferung in Vergleich gesetzt
wird und deren Wichtigste Art nunmehr das rev. OR in Abs. 3 des Art. 191
besonders geregelt hat. Nach alledem geht im kaufmännischen Verkehr der
Käufer durch die Unterlassung der Vornahme eines Deckungskaufes seines
Rechtes auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung an sich nicht verlustig.

4. Nach dem Gesagten kann also die S c h a d e n s b e r e c h
n u n g der Klägerin nicht aus den von der Vorinstanz angegebenen
Gründen. zurückgewiesen werden. Sie besteht darin, dass die Klägerin
die Vertragspreise 300 Fr. beim ersten und 315 Fr. beim zweiten
Kauf-Obligationenrecht. N° 32. 223

abschluss in Beziehung bringt zu dem Preise von 370 Fr., zu dem sie
laut einem bei den Akten liegenden Vertragsdoppel die vom Beklagten
gelieferten 10 Tonnen an die Firma Escher, Wyss & Cle in Zürich weiter
verkauft hat und zu dem sie ferner nach ihrer durch verschiedene
-Korrespondenzen gestützten Angabe auch die nicht gelieferte Ware an
andere Kaufliebhaber (deren einer sogar 380 Fr. geboten hat _) hätte
weiter veräussern können. Diese Art des Schadensnachweises entspricht an
sich den gesetzlichen Anforderungen und die allgemeine Bestimmung des
Abs. 1 von Art. 191 bietet dafür eine hinreichende Grundlage. Dagegen
kann der in Rechnung gebrachte Ansatz von 370 Fr. immerhin seiner
Höhe nach nicht als zuverlässig ausgewiesen gelten. Es ist nämlich
darauf hinzuweisen, dass der gerichtliche _Experte Direktor Erni (in
der auf S. 10 seines Gutachtens enthaltenen Tabelle) den ungefähren
Verkaufspreis von -Kupfer für den 30. Juni 1915 den Zeitpunkt, wo die
Klägerin auf die Reallieferung verzichtete auf nur 337 Fr. per 100Kg.
angibt. Dieser fachmännischen Feststellung gegenüber verlieren jene
Urkunden, auf die sich die Klägerin für ihren Schadensnachweis stützt,
an Bedeutung, um so mehr, als sie über die wirklichen Verhältnisse doch
nur unvollständige Auskunft geben, namentlich insofern, als blosse
Kaufsangebote Dritter noch nicht schlechthin dar tun, dass wirkliche
Kaufsabschlüsse zu Stande gekommen wären und deren Vollziehung zu
dem erhofften Gewinn geführt hätte. Zu erwägen ist endlich auch,
dass man es nach der Aktenlage mit volkswirtschaftlich zwecklosen,
die Produktionskosten der schweizerischen Industrie durch unniitze
Zwischengewinne verteuernden Umsatzoperationen zu tun hat, was um so eher
rechtfertigt, an den Nachweis des behaupteten grossen Gewinnentganges
strenge Anforderungen zu stellen. Nach dem allem ist also der Ansatz des
Experten von 337 Fr. als massgebend anzusehen. Dies bleibt sich auch dann
gleich, wenn er nach vorinstanzlicher Auffassung nicht als eigentlicher-,

224 Ohiigatienenrecht. N ° 32.

durch eine hinreichende Summe von Angeboten regulierter Marktpreis
im' Sinne von Art. 191 Abs.3 betrachtet wird, sondern nur als Preis,
um den die Ware zur fraglichen Zeit käuflich zu bekommen war. Solches
schliesst nicht aus, ihn in Anwendung von Art. 191 Abs. 1 als Grundlage
für eine (abstrakte) Schadensbemessung zu verwenden (vergl. auch STAUB,
Kommentar zum deutschen Handelsgesetzbuch, 9. Aufl. S. 610 Anmerkung 62,
Exkurs zu 5374). Als entgangener Gewinn ergibt sich hienach 134,800 Fr. (=
40 Tonnen zu. 337 Fr.) 121,500 Fr. (= 10 Tonnen zu 315 Fr. + 30 Tonnen
zu 300 Fr.) = 1 3, 3 0 0 Fr. Verzugszinsen sind, wie verlangt, zu 5%
vom 8. Juli 1915 (Tag der Zahlungsaufiorderung) an zuzusprechen.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird dahin begründet erklärt, das angefochtene Urteil
des zürcherischen Handelsgerichts vom 28. November 1916 aufgehoben und
die Klage im Betrage von 13,300 Fr. nebst Zins zu 5%Vom & Juli 1915 an
zugesprochen Wird. Obligationenrecht. N° 33. 225

33. Urteil der I. Zivila'bteilung vom 18. Mai 1917 i. S. Bound, Beklagten
und Berufungskläger gegen Guggenheim, Kläger und Berufungsbeklagten.

ssG a t t u n g s k a u f von aus dem Ausland zu liefernder

Ware (Getreide). späterer Erlass eines A u s f u h r v e r botes und
Beschlagnahme der für die Lieferung bestimmten Ware durch die ausländische
Militärbehörde. Scweizerisches Recht anwendbar ? Fixgeschäft? Trifît
Art. 108 Ziffer 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 108 - Die Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Erfüllung ist nicht erforderlich:
1  wenn aus dem Verhalten des Schuldners hervorgeht, dass sie sich als unnütz erweisen würde;
2  wenn infolge Verzuges des Schuldners die Leistung für den Gläubiger nutzlos geworden ist;
3  wenn sich aus dem Vertrage die Absicht der Parteien ergibt, dass die Leistung genau zu einer bestimmten oder bis zu einer bestimmten Zeit erfolgen soll.
OR zu ? Leistungsunmöglichkeit ? wesentliche,
die Ersatzpflicht mindernde Erschwerung der Lieferun g spiiicht
'?PflichtdesVerkäuferszurI Ierausg a b e d e s V o r t e i l s , den
er durch die Leistungsunmöglichkeit erlangt hat. (art. 119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
OR und §
281 D.BGB). A n e r k e n n u n g der Ersatzpflicht ?

1. Der Kläger, Daniel Guggenheim in Worms lieferte dem Beklagten Adolf
Remund, Müller in Lenzburg, auk Grund eines Kaufvertrages vom 8. Januar
1914 am 20. Juni d. J. restanzliche 100 Sack Pfälzerroggen ,zu 17 Fr. 25
Cts. per 100 Kg. Der Vertrag war für den Kläger durch William Guggenheim
in Zürich abgeschlossen worden und enthält die Klausel frèundsch. Zürcher
Schiedsgericht. Der Preis von 1725 Fr. für die 100 Sack blieb unbezahlt
und der Beklagte anerkennt, ihn sowie 6 Fr. 10 Cts. Retourkcsten einer
am 28. Juli 1914 verfallenen Tratte, zusammen 1731 Fr. 10 Cts. schuldig
geworden zu sein.

Am 21. Juli 1914 verkaufte der Kläger durch P. Remund in Brestenberg dem
Beklagten 500 Sack Taganrog Roggen zu 18 Fr. 50 Cts. die 100 Kg. franko
Lenzburg. Am 27. Juli lieferte der Kläger die ersten, noch im Juli
beziehbaren 100 Säcke dieser Bestellung und fakturierte sie mit 1850
Er. Der Beklagte rief mit Karte vom 30. Juli die verbleibenden 400 Sack
ab, worauf ihm der Kläger mit Karte vom 1. August antwortete, er könne
diese Disposition nicht mehr ausführen. Am 31. Juli hatte
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 43 II 214
Datum : 03. Mai 1917
Publiziert : 31. Dezember 1918
Quelle : Bundesgericht
Status : 43 II 214
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 214 obligationenrecht. N° 32. 32. Urteil der I. Zivilsbteilung vom 4. Mai 1917 i.


Gesetzesregister
OR: 97 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 97 - 1 Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
1    Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
2    Für die Vollstreckung gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 11. April 188943 über Schuldbetreibung und Konkurs sowie der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 200844 (ZPO).45
108 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 108 - Die Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Erfüllung ist nicht erforderlich:
1  wenn aus dem Verhalten des Schuldners hervorgeht, dass sie sich als unnütz erweisen würde;
2  wenn infolge Verzuges des Schuldners die Leistung für den Gläubiger nutzlos geworden ist;
3  wenn sich aus dem Vertrage die Absicht der Parteien ergibt, dass die Leistung genau zu einer bestimmten oder bis zu einer bestimmten Zeit erfolgen soll.
119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • kupfer • lieferung • marktpreis • brief • schaden • deckungskauf • vorinstanz • zusicherung • richtigkeit • bundesgericht • tag • schadenersatz • erfüllung der obligation • kaufpreis • kommunikation • kauf • berechnung • weiler • inserat
... Alle anzeigen
AS
AS 4311/1917