134 Schuldbetreibungs und Konkursrecht.

vm Schuldbetreibungs und KONKUHSRECHT

POURSUITES ET F AILLITES

Siehe'ill. Teil Nr. 13-15. Voir IIIe partie N03 13-15.OFDAG
Offset-. Formularund Fotodruck AG 3000 BernI. FAMILIENRECHT

, DROlT DE LA FAMILLE

21. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. 11351917 i. S. A., Beklagter,
gegen S., Klägerinnen.

Art. 314 A b s. 1 Z GB ; Bedeutung der Frist vom 300. bis 180. Tag vor
der Geburt.

A. Am 31. Januar 1916 gebar die Klägerin Marie S. in Belfaux ein
aussereheliches Kind Rosa Marie, als dessen Vater sie den Beklagten auf
Bezahlung eines Betrages von Fr. 500 gemäss Art. 317
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
ZGB, sowie eines
Unterhaltsbeitrages von monatlich 150 Fr. an die Kosten der Erziehung
und Pflege des Kindes, bis zu seinem zurückgelegten 18. Altersjahr,
einklagte. In Ihrer Klage gibt die Klägerin als Datum der Empfängnis
den 4. April 1915 au. Der Beklagte, der auf Abweisung der Klage
geschlossen hat, hat nicht bestritten, am 4. April 1915 mit der Klägerin
geschlechtlich verkehrt zu haben ; er behauptet aber, dieser Tag liege
ausserhalb der kritischen Zeit ; auch habe die Klägerin um diese Zeit
noch mit andern Männern geschlechtliche Beziehungen unterhalten und
überhaupt einen unzüchtigen Lebenswandel geführt.

B. Durch Entscheid vom 9. März 1917 hat der Appellationshof des
Kantons Bern die Klage gutgeheissen und den Beklagten zur Bezahlung
von 286 Fr. gemäss Art. 317
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
ZGB an die Klägerin, sowie von monatlich
(vorauszahlbar) 40 Fr. an das Kind, bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr,
verurteilt. Die Vorinstanz ging davon aus, dass der von der Klägerin
als Tag der Empfängnis ange--

" gehene 4. April 1915 ausserhalb der vom 6. April bis

A5 4311 1917 10

136 Familienrecht. N° 21.

4. August 1915 reichenden kritischen Zeit liege; Dies habe zur Folge,
dass die Vermutung des Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB dahinfalle, woraus sich
zwei Möglichkeiten ergaben : entweder, dass diese Vermutung durch den
Nachweis einer Spätgeburt wieder hergestellt werden könne, oder dass
nun die Klägerin den vollen Beweis für die Vaterschaft des Beklagten
zu leisten habe. Welche dieser beiden Auffassungen zutreiie, hat aber
die Vorinstanz dahingestellt gelassen, da die Klage in beiden Fällen
abgewiesen werden müsse. In dieser Beziehung stellt das Obergericht auf
Grund einer medizinischen Expertise sowie gestützt auf das Zeugnis des
Arztes, der die Klägerin im Juli 1915 untersuchte, und der Aussagen der
Hebamme P. und der Krankenschwester M. fest, dass es sich bei der Geburt
der Klägerin um eine Spätgeburt gehandelt habe und dass als Tag der
Konzeption der 4. April 1915 in Betracht komme. Der Beklagte müsse daher
als der Vater des Kindes der Klägerin betrachtet werden, es sei denn,
die Einrede aus Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
und 315
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.
ZGB erweise sich als begründet.
Dies sei nicht der Fall, da nur bewiesen sei, dass die Klägerin im Jahre
1911, im Alter von 18 Jahren, von einem gewissen Musikdirektor T. verführt
worden sei und vom Frühling bis Weihnachten 1914 mit einem Lehrer F.,
mit dem sie heimlich verlobt war und den sie nur wegen des Widerstandes
ihrer Eltern nicht geheiratet habe, geschlechtlich verkehrt habe. Daraus
könne aber nicht auf eine unzüchtige Lebenshaltung der Klägerin zur Zeit
der Empfängnis geschlossen werden.

C. Gegen diesen Entscheid hat der Beklagte rechtzeitig und formrichtig
die Berufung an das Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrag, die Klage sei
unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Klägerinnen abzuweisen.

D. In der heutigen Verhandlung hat der Beklagte diesen Antrag erneuert
; die Klägerinnen haben auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Entscheides geschlossen.Familienrecht. N° 21. 137

Das Bundesgericht. zieht i n E r W ä g u n g :

1. Zu Unrecht macht der Beklagte geltend, die Klägerin könne sich deshalb
nicht auf die Vermutung des Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB berufen, weil der von
ihr als Tag der Konzeption angegebene 4. April 1915 ausserhalb der vom
6. April bis 4. August 1915 reichenden kritischen Zeit liege. Wenn auch
Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB seinem Wortlaut nach die Vermutung der Vaterschaft
von der Beiwohnung in der Zeit vom 300. bis 180.'Tag vor der Geburt
abhängig macht, so liegt doch dieser Gesetzesbestimmung der Gedanke zu
Grunde, dass wer der Mutter während der Empfängniszeit, d. h. Während
der Zeit, in der nach dem Reifegrad des Kindes die Zeugung stattgefunden
haben kann, beigewohnt hat, als Vater zu vermuten sei. Diese natürliche
Frist deckt sich allerdings nicht durchaus mit der Frist vom 300. bis
180. Tag vor der Geburt, da nach den Beobachtungen der medizinischen
Forschung menschliche Leihesirüchte schon zwischen dem 168. bis 180. Tag
der Schwangerschaft lebend zur Welt gekommen sind und nach der Trennung
vom Mutterleib längere Zeit fortgelebt haben (3. KUTTNER, in Jherings
Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, 50 S. 433), während
Schwangerschaften von mehr als 300 Tagen keine besondere Seltenheit und
bis zur Dauer von 320 und mehr Tagen beobachtet werden sind (s. HOFMANN,
Lehrbuch der gerichtlichen Medizin, S. 181 ff.). Wenn ArL. 314 Abs. 1
ZGB trotzdem, anstatt einfach auf die Empfängniszeit zu verweisen,
eine Frist und zwar vom 300. bis 180. Tag vor der Geburt nennt,
so erklärt sich dies indessen lediglich daraus, dass sonst, nach der
Auffassung des Gesetzgebers (s. P r o t 0 k o l l der Expertenkommission,
Vormittagssitzung vom 29. Oktober 1901), bei jeder unehelichen Geburt
ein Arzt zur Feststellung des Reiiegrades'des Kindes zugezogen werden
müsste, Während der Zeitraum vom 300. bis 180. Tag vor der Geburt

138 Familienrecht. N ° 21.

auch der Schwangerschaftsdauer der meisten Ausnahmefälle genügend
Rechnung trägt. Wird der Nachweis einer Frühoder Spätgeburt erbracht,
aus der hervorgeht, dass das Kind auch ausserhalb dieser Frist gezeugt
worden sein kann, so steht daher nach dem Sinn und Geist des Art. 314
Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB nichts im Weg, die Vermutung für die Vaterschaft auch in einem
solchen Fall Platz greifen zu lassen (vergl. EGGER, Komm. zu Art. 314 N. 1
b). Jedenfalls rechtfertigt sich eine solche ausdehnende Interpretation
des Art. 314 Abs. 1 dann, wenn das Datum der möglichen Konzeption nur
um wenige Tage ausserhalb der Frist vom 300. bis 180. Tag vor der Geburt
liegt. Andernfalls, d. h. bei der Annahme, dass nur der Geschlechtsverkehr
zwischen dem 300. bis 180. Tag vermutungsbegründend Wirke, Würde die
Stellung einer Vaterschaftsklägerin im Prozess ohne triftige Gründe ganz
erheblich verschlechtert werden, indem ihr nun der volle Beweis für die
Vaterschaft des Beklagten obläge. Dazu Würde aber der blosse Nachweis
der Beiwohnung durch den Beklagten Während der kritischen Zeit nicht
genügen, sondern die Klägerin müsste (entsprechend dem vom Beklagten zur
Zerstörung der Vermutung des Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB zu erbringenden Beweis)
weiterhin dartun, dass als Vater des unehelichen Kindes nur der Beklagte
in Betracht kommen könne, d. -h. dass Sie während der Empfängniszeit
mit keinem andern Mann als dem Beklagten geschlechtlieh verkehrt habe
(vergl. Mona, Die Vaterschaftsklage des ZGB, S. 93), welcher Beweis kaum
jemals erbracht werden könnte.

2. Im vorliegenden Fall steht nun auf Grund der tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanzen gestützt auf das Gutachten der
medizinischen Experten und das Zeugnis des Arztes, der die Klägerin vor
der Geburt untersucht hat, sowie die Zeugenaussagen der Hebamme P. und
der Krankenschwester M. in für das Bundesgericht verbindlicher Weise
fest, dass es sich bei der Geburt der Klägerin vom 31. Januar 1916 um
eine SpäteFamilienrecht. N° 21 . 139

geburt gehandelt und die Konzeption schon am 4. April 1915 stattgefunden
habe. Unter diesen Umständen ist der Beklagte als der aussereheliche Vater
des von der Klägerin geborenen Kindes zu vermuten und zu ver. urteilen,
es sei denn, er beweise, wie er geltend gemacht hatgdass die Mutter um die
Zeit der Empfängnis einen unzüchtigen Lebenswandel geführt habe. Dieser
Beweis ist mit der Vorinstanz als nicht geleistet zu betrachten.
Was zunächst den Umgang der Klägerin mit dem Musikdirektor T. im Jahre
1911 anbelangt, so liegt er zu weit zurück, als dass daraus auf die
Lebenshaltung der Klägerin um die Zeit der Empfängnis geschlossen werden
könnte ; zudem steht nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz
fest, dass die Klägerin damals von T. verführt woi den ist. Ebenso
rechtfertigt auch der weitere Geschlechtsverkehr der Klägerin mit dem
Lehrer F. nicht zur Annahme eines unzüchtigen Lebenswandels. Wie die
Vorinstanz in nicht aktenwidriger Weise feststellt, unterhielt die
Klägerin mit F. ein ernsthaftes Liebesverhältnis. Sie war heimlich mit
ihm verlobt und hoffte ihn zu ehelichen, was nur dadurch verhindert
wurde, dass ihre Eltern mit Rücksicht auf die ungünstigen finanziellen
Verhältnisse des F. von der beabsichtigten Verbindung nichts wissen
wollten. Dass aber der einzig noch nachgewiesene Umgang der Klägerin mit
dem heutigen Beklagten unter solchen Umständen erfolgt sei, dass daraus
z. B. auf einen Mangel an natürlichem Schamgefühl und daraus indirekt
auf einen unzüchtigen Lebenswandel geschlossen werden könnte, trifft
nach den Akten nicht zu, so dass der Klägerin zwar wohl eine leichte
Auffassung in Geschlechtsdingen, nicht aber der Tatbestand des Art. 315
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.

ZGB vorgeworfen werden kann.

3. Ist demnach die Klage grundsätzlich gutzuheissen, so folgt daraus ohne
weiteres die Verpflichtung des Beklagten zu den in Art. 317
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
und 319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
ZGB
genannten Vermögensleistungen... (folgt die Bemessung dieser Leistungen).

140 Familienrecht. N° 22.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des
Kantons Bern vom 9. März 1917 bestätigt. si

22. Urteil der II. Zivila'bteilung vom 80. Es! 1917 i. S. E., Beklagter,
gegen E., Klägerin.

A r t. 3 1 4 Ab s. 2 Z GB ; Tatsachen, die erhebliche Zweifel über die
Vaterschaft des Beklagten rechtfertigen. Art. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
1 5 ZGB ; Einrede des
unzüchtigen Lebenswandels.

A. Am 1. Mai 1916 gebar die Klägerin einen unehelichen Knaben Willy
Reinhert, als dessen Vater sie den Beklagten auf Bezahlung einer
Entschädigung gemäss Art. 317
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
ZGB sowie eines Beitrages von 100
Fr. vierteljährlich an die Kosten der Erziehung und Pflege des Kindes,
bis zum zurückgelegten 18. Altersjahr, einklagte. Sie behauptete,
der Beklagte habe sie als sie in Basel in einer Wirtschaft als Köchin
angestellt gewesen sei, in der ersten Woche August 1915 aufgesucht und
zu einem Spaziergang eingeladen.'Da sie den Beklagten, der früher als
Aufseher in der Zigarrenfabrik Helvetia in Burg ihr Vorgesetzter gewesen
sei, gut gekannt habe, habe sie seiner Einladung Folge geleistet. Auf
dem Spaziergang habe sie der Beklagte in den sog. langen Erlen unter
Anwendung von Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Der Beklagte hat
auf Ahweisung der Klage geschlossen. In seiner persönlichen Befragung
gab er zu, der Klägerin anfangs August 1915 beigewohnt zu haben ; dagegen
behauptete er, die Klägerin habe vor dem Umgang, während der kritischen
Zeit und auch nachher mit einer ganzen Reihe anderer Männer verkehrt.

B. Durch Entscheid vom 23. Februar 1917 hat das Obergerieht des Kantons
Aargau das Urteil des Bezirks-

Familienreeht. N° 22. 141

gerichts Kulm vom 16. November 1916 bestätigt, wonach die Klage
gutgeheissen und der Beklagte zur Bezahlung von 160 Fr. gemäss Art. 317
und von 180 Fr. jährlich, bis zum zurückgelegten 18.' Altersjahr des
Kindes, gemäss Art. 319 verurteilt wurde.

C. Gegen diesen Entscheid hat der Beklagte die Berufung an das
Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrag, die Klage sei abzuweisen.

D. In ihrer Vernehmlassung haben die Kläger auf Ahweisung der Berufung
und Bestätigung des angefochtenen Urteils geschlossen . '

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :

1. Da der Beklagte zugegeben hat, der Klägerin anfangs August 1915
d. h. innerhalb der Frist vom 300.180. Tag vor der Geburt heigewohnt
zu haben, ist seine Vaterschaft gemäss Art. 314 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB zu vermuten.
Zur Entkräftigung dieser Vermutung hatte der Beklagte nach Art. 314 Abs. 2
Tatsachen nachzuweisen, die erhebliche Zweifel über seine Vaterschaft
rechtfertigen. Dass solche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten
bestehen, wird in der Regel durch den (hier nach der verbindlichen
Beweiswürdigung der Vorinstanz nicht geleisteten) direkten Nachweis
des Umganges der Klagerm mit andern Männern während der gesetzlichen
Empfängniszeit dargetan. Erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des
Beklagten im Sinne von Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB Sind aber auch dann gegeben,
wenn die Klägerin, bevor sie den Beklagten belangt, einen andern Mann
als den Urheber ihrer Sehvrangerschalt bezeichnet hat. Abgesehen von
den Fällen, wo Irrtum oder Täuschung vorliegt oder von der Klägerin
sonst eine andere Erklärung ihres Vorgehens gegeben werden kann, muss
angenommen werden, dass sie nur einen solchen Mann als Vater ihres Kindes
ansprechen wird, mit'dem sie zu einer Zeit geschlechthch verkehrt hat,
die dessen Vaterschaft als möglich erscheinen
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 43 II 135
Datum : 24. Januar 1917
Publiziert : 31. Dezember 1918
Quelle : Bundesgericht
Status : 43 II 135
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 134 Schuldbetreibungs und Konkursrecht. vm Schuldbetreibungs und KONKUHSRECHT


Gesetzesregister
ZGB: 3 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 3 - 1 Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
1    Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten.
2    Wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte, ist nicht berechtigt, sich auf den guten Glauben zu berufen.
314 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
315 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 315 - 1 Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
1    Die Kindesschutzmassnahmen werden von der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz des Kindes angeordnet.438
2    Lebt das Kind bei Pflegeeltern oder sonst ausserhalb der häuslichen Gemeinschaft der Eltern oder liegt Gefahr im Verzug, so sind auch die Behörden am Ort zuständig, wo sich das Kind aufhält.
3    Trifft die Behörde am Aufenthaltsort eine Kindesschutzmassnahme, so benachrichtigt sie die Wohnsitzbehörde.
317 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 317 - Die Kantone sichern durch geeignete Vorschriften die zweckmässige Zusammenarbeit der Behörden und Stellen auf dem Gebiet des zivilrechtlichen Kindesschutzes, des Jugendstrafrechts und der übrigen Jugendhilfe.
319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
1    Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden.
2    Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • tag • vermutung • vater • frist • vorinstanz • bundesgericht • ausserhalb • zweifel • geschlechtsverkehr • mann • geschlecht • arzt • dauer • voller beweis • mutter • verurteilter • schwangerschaft • monat • spaziergang
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