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Entscheidungen der Schuldhetreihungsund Knukurskammer. Amts de la Chambre
des paursuites et. des faillites.

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65. Entscheid vom 5. October 1916 i. S. Wirth und Betreibungsamt
Bremgarten.

Aufnahme einer Retentionsurkunde durch das Betreibung'samt als
Vcrssvalter der gepfàndeten Mietliegenschaît. Nicht;mwendbarkeit von
Art. 10 SchKG. Behauptung des Beschwerdeführers, dass die retinierten
Gegenstände Drittmxmnsgut seien. Begriff der hcimlichcn Fortschaffung
si. S. von Art. 281 SchKG.

,&. Die heutige Rekurrentin Fran Wirth-Brunnerhat auf den 1. Mai
16 die ihr gehörende, in verschiedenen Betreibungen gegen sie
gepfändete Liegenschaft zum Hirschen in Bremgarten mit Zustimmung des
Betreibungsamtes an Jean Gremiger, Metzger inBremgarte n vermietet. ...an
3. Juli erfuhr der Betreibungsbeamte von. Bremgarten, Schaufelhühl, dass
am gieichen Tage die Haushälterin des Grcmiger, Frau Kuen. ein Klavier,
zwei ,Betten, einen Divan und ein Vertikow, diesiehin den gemieteten
Räumlichkeiten befanden auf einem Automobil fortgcschafflsiund in eine ihr
gehörende Wirtschaft ,in Wil (Si. Gallen) verbracht hatte. Er erteilte
daher. nachdem er sich an Ort und Stelle von der Richtigkeit der ihm
gemachten Angaben überzeugt hatte, dem Betreibungsamt Wii den Auftrag,
die genannten Objekte der Frau Kuessu wegzunehmen und nach Bremgarten
zu schicken, was geschah. Gestützt hierauf schritt er am 12. Juli zur
Retention bezw. nahm die fraglichen Gegensi

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AS 42111 1910

392 Entscheidungen der Schuidbetrelbungs-

stände mit in die gegen den Mieter Gremiger für den verfallenen und
laufenden Mietzius errichtete Retentionsurkunde auf und stellte den
Parteien eine Abschrift dieser zu. Im Kopfe dieses letztern Formulars ist
als Mietzinsgläubigerin Frau Wirth-Brunner in Zürich, vertreten durch
das Betreibungsamt Bremgarten als amtliche Liegenschaftsverwaltung der
Vermieterin auf geführt. * B. Schon am 8. Juli hatte inzwischen Frau Kuen
gegen das Betreibungsamt Bremgarten bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde
erhoben, mit dem Antrage, es sei die von demselben verfügte Besehlagnahme
der weggeschafi'ten Gegenstände aufzubeben, indem sie geltend machte,
dass diese nicht dem Gremiger, sondern ihr gehörten und überdies die
Wegsehafi'ung nicht heimlich erfolgt sei. In einer am 22. Juli nach
Zustellung der Retentionsurkunde eingereichten Eingabe brachte sie
sodann weiterhin noch vor, dass die Retention auch deshalb gesetzwidrig
sei, weil die Retentionsurkunde erst nach der Vegschaifung aufgenommen
worden sei, es sich zudem bei einem Bett, dem Klavier und dem Divan um
Kompetenzstücke handle, und der Betreibungsbeamie infolge seiner Stellung
als Vertreter der hfietzinsgläubigerin nicht befugt gewesen sei, in der
Sache zu ,handeln, sondern seinen Stellvertreter damit hätte hetrauen
sollen (Art. 10 SchKG). Durch Entscheid vom 4. August 1916 hat die
erstinstanzliche Aufsichtsbehörde die letzt-angeführte Einrede geschützt
und demnach erkannt : i. Die Verfügung des Betreihungsamts Bremgarten
in Bezug auf Beschlagnahmung und Rücksehaifung der in Frage kommenden
Möbel der Bescliwerdeführerin, ist aufgehoben und sind demzufolge
sämtliche in dieser Sache weiter erfolgten Handlungen und Zustellungen
als nicht erfolgt zu betrachten. 2. Die sub 3-7 in der Retentionsurkunde
aufgeführten Gegenstände sind der Beschwerdeführerin frei zu gehen. Einen
dagegen von Frau VirthBrunner und dem Betreihungsbeamten Sehaufelbühl

und Kankurskammer. N° 65. 393

ergTiiîenen Rekurs hat die obere Aufsichtsbehörde durch Entscheid vom
6. September 1916 abgewiesen, indem sie zur Begründung im wesentlichen
ausführte : als Verwalter einer gepfändeten Liegenschaft im Sinne
von Art. 102 SchKG sei der Betreibungsbeamte zwar an sich befugt
für den Einzug der Mietzinsen und die Erhaltung des dafür bestehenden
Retentionsrechtes zu sorgenDagegen könne ,er die Retention nicht selbst
vollziehen, sondern habe dies seinem Stellvertreter zu überlassen, weil
er nicht zugleich ais Gläubiger-vertreten welche Eigenschaft ihm als
Verwalter zukomme, und als Vollstreckungsbeamter handeln dürfe. Eine
gegenteilige Auffassnng würde daher mit Art. 10 SchKG in Widerspruch
stehen. Das nämliche in noch weit stärkerem Masse dann, wenn die Retention
vom Betreibungsamt nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Begehren der
Frau VirthBrunner vorgenommen worden sei.

C. Gegen diesen, ihnen. am 13. September zugestellten Entscheid
rekurrieren Frau Wirth-Brunner und Schaufelbühl am 22. September an
das Bundesgericht, mit dem Antrage, es sei in Aufhebung desselben die
Beschwerde der Frau Kuen in vollem Umfange abzu--

weisen.

l)ie Schuldbelreibuugsund Konkurskammer zieht

in Erwägung:

1. Die Auli'assung der kantonalen instanzen, dass die Verfügungen des
Betreibungsamts Bremgarten schon um dessentwillen aufgehoben werden
müssen, weil der Betreibungsbeamte Schaufelbühl unter Verletzung der
Ausstandspflieht die Retentionsurkunde selbst aufgenommen habe, ist
rechtsirrtümlieh. Der Betreibungsheamte, welcher nach Art.-102 Abs. 3
SchKG die Verwaltung einer gepfändeteu Liegenschaft besorgt, handelt.
dabei nicht als Mandatar des Pfändungssehuldners, sondern in Ausübung
einer ihm kraft Gesetzes als Beamten auferlegten Pflicht, als Organ
des Zwangs--

384 Entscheidungen der Schuidbetreibungs-

vollstreckungsverfahrens. Es kann daher keine Rede davon sein,
dass,wenn der Beamte in seiner Eigenschaft als Verwalter der gepfändeten
Liegenschaft zum Zwecke der Erhaltung der gepfändeten Rechte, insbesondere
der Mietzinsforderungen Betreihungshandlungen, wie beispielsweise die
Aufnahme eines Betentionsverzeichnisses anzuordnen gezwungen ist, darauf
Art. 10 SchKG Anwendung finde. Die hier dem Betreibungsbeamten Ha,
wo er Vertreter oder Bevollmächtigter des Betreibungsgläubigers ist,
auferlegte Ausstandspflicht bezieht sich nur auf die Fälle, wo dieser
Hinderungsgrund in seiner Person besteht, kann sich dagegen nicht
auch auf die Fälle erstrecken, wo ihm als Vollstreckungsorgan wegen
eines an Vermögensreehten einer Person bestehenden Eeschlagsrechts die
Pflicht zur Wahrung dieser Vermögensrechte übertragen ist. Wollte man
die genannte Vorschrift auch hier anwenden, so wäre konsequenterweise
auch der Stellvertreter ausstandspflichtig, und es könnte die Retention
überhaupt nicht vollzogen werden, was für sieh allein schon genügt,
um die Unrichtigkeit des angefochtenen Entscheides darzutun.

2. Auch die übrigen Einwendungen. welche die heutige Rekursgegnerin Frau
Kuen gegen die Rechtsbeständigkeit der Retention erhoben hat, können
nicht als begründet erachtet werden. Klar ist dies Zunächst hinsichtlich
des Einwandes, dass die inventaris'ierten Sachen nicht Eigentum des
Gremiger; sondern der Beschwerdeführerin seien. Gemäss Art. 272 und 273
OR erstreckt sieh das Betentionsrccht des Vn'mieters grundsätzlich unter
Vorbehalt der im letztgenannten Artikel erwähnten Ausnahmen auch auf
die in die Mieträume eingebrachten Sachen Dritter. Die Tatsache, dass
ein Dritter an einem Gegenstande ein dingliches Recht anspricht, kann
daher dessen Einbeziehung in die Retention keineswegs aussehiiessen,
sondern verpflichtet das Betreibungsamt nur, nach der Stellung des
Verwertungsbegehrens das Widerspruehsverfahren im Sinne der Art. 106
H. SchKG einzu-r

und Konkurskammer. N° 65. 39.)

leiten (JAEGER N° 6 zu Art. 283 SchKG; Sep.-Ausg: 5 N° 35 *). Im
BeschWerdeverfahren kann die Betentmn aus diesem Grunde nicht angefochten
werden. Was aber die weitere Behauptung anhetrifit, die Gegenstände
seien nicht heimlich fortgeschafft werden, so hat das Bundesgericht
in dem Urteile in Sachen Bosler (AS 41 III N° 97) den Begriff der
Heimlicbkelt i. S. des Art. 284 SchKG dahin umschriehen, dass die
Fortsehafl'ung dann als heimiiche sich darstelle, wenn sie hinter dem
Rücken des Vermieters erfolgt sei, dieser sich also nach der Sachlage
darauf habe verlassen dürfen, dass der Mieter die Sachen im betreffenden
Zeitraum. noch nicht aus den Micträumen entferne ; dem Vermieter könne
keine besondere Aufsicht über deu Mieter zugemutet werden, vielmehr dürfe
er darauf vertrauen. dass der Mieter seinen Mietbesitz in guten 'l'reuen
ungefährdet lassen werde-. Unter Anwendung dieser Begriffs-bestimmung
auf den vorliegenden Fall, erscheinen die Voraussetzungen für die
Rückschafifuug unzweifelhatt als gegeben ; denn nach dem Mietvertrage
war eine hundrgung frühestens auf Ende September 191!) zu erwarten und
es bestehen keinerlei Anhaltspunkte datur, dass. das Betreibungsamt oder
die Vermieterin Frau WirthBrnnner von einer Absicht des Mieters, die
Räume fruher aufzugeben, erfahren hätten oder auch nur hätten erfahren
können. Weshalb die Tatsache, dass die Rückschaflung ohne die vorherige
Aufnahme einer Retentionsurkunde angeordnet werden ist, einen Grund
für die Ungültigkeit der Retention bilden soll ist unverständlich. Zur
Wahrung des Retentionsrechtes genügt es nach Art. 284 SchKG. dass innert
der gesetzlichen zehntägigen Frist seit der Fortschaffung das Begehren
um Rückverbnngung der entfernten Gegenstände in die Mietsräume benn
zustan-digen Amte gestellt, und daraufhin nach vollzogener Rückverbringung
das Retentionsvexzeichms aufgenom--

* Ges.-Ausg. 28 I N° 56.

396 Entscheidungen der Schuldbetreibungs-

men und dem Vermieter die Frist zur Anhebung der

Betreibung angesetzt wird. Vorher ist die Inventarisierung überhaupt nicht
möglich. . Das Begehren endlich, dass ein Bett, das Klavier und der Divan
als Kompetenzstücke aus der Retention zu entlassen seien, muss schon
darum zurückgeweiseu werden, Weil die Rekurrentin es unterlassen hat,
irgendwelche Ausführungen darüber zu machen, weshalb den argesprochenen
Gegenständen Kompetenzqualität i. S. des Art. 92 SchKG zukommen soll,
insbesondere aus welchen Gründen es sich dabei um unentbehrlichen Hausrat
oder Berufswerkzeuge nach Ziff. 1-3 leg. cit. handeln könnte.

Demnach hat die Schuldhetreihungsu. Konkurskammer erkannt :

_ Der Rekui's wird begründet erklärt und demgemäss m Aufhebung des
angefochtenen Entscheides die Beschwerde der Frau Kuen vom 8. und
22. Juli abgewiesen.

66. Arrèt du 10 octobre 1916 dans la'eause Bussy.

() h j et s i n s a i sis s a b I e s : lss'énumération (le l'art. 92
LP est limit a t i v e; des poules et des lapins ne peuvent done étre
déelarés insaisissables.

Les décisions {le *( 0 u t e s les autorités de surveillance (meme des
autorités i n f é 1' i c u r e s) doivent etre commnniquées g r a t n
i t c m c n t aux parties.

Le 12 aoùt 1918, à la requète de Emile Bussy, I'office des poursuites
de Morges a séquestré en mains du débiteur Boune't Perret à Chavannes 3
poules, 9 lapins et une installation de poulailler et clapier, le tout
taxé 69 fr.

Le débiteur a porté plainte en soutenant que les biens saisis sont
indispensahles à son entretien et à celui de sa famille et partant
insajsissables.

L'autorité iniéz'ieure de surveillauce a admis la plaiute

und Konkurskammer. N° 66. 397

par le motif que les animaux séquestrés eonstituent en l'espèce pour la
famille du débiteur une ressource d'alimentation aussi indispensahle
que le serait une vache laitière, 3 chèvres ou 3 moutons et que dès
lors ils sont insaisissables pour les meines raisons et au meme titre
que les animaux expressément énumérés à l'art. 92 eh. 4 LP.

Cette decision a été communiquée par copie au créaticier contre
remboursement de 1 fr. 90.

Bussy a reeouru à l'autorité cantonale supérieure en· eoneluant au rejet
de la plainte et au rembeursement de la somme qui lui a été réclamée à
tort pour copie du prononcé.

Par decision du 19 septembre 1916, l'autorita'-. cantonale de surveillance
a écarté le reconrs. Sur le premier point elle expose que les animam;
séquestrés représentent pour la famille du débiteur une eertaine valeur
alimentaire et qu'ils doivent done etre assimilés aux marchandises
déclarées insaisissabies par l'art. 92 ch. 5 LP. Quant au remboursement
des frais de copie du prononcé, le reconrnnt ne peut invoquer l'art. 3
de l'ordonnance du 3 novembre 1910, ear cette disposition n'a trait qu'à
la communication des décisions rendues par les autorités can-tonales
supérieures.

Bussy a recouru au Tribunal fédéral en repreuaut les deux eonclnsions
énoncées ci-dessus.

Statuant sur ces faits et eonsidérant & n d r o i t :

ll est de principe que l'énumération des objets insaiSissables contenue
51 l'art. 92 LP est limitativa : il serait contraire soit au texte préeis
de la loi, seit à la nature meme de cette réglementation d'étendre par
analogie le })énéfiee de l'insaisissahilitè à d'autres objets que ceux
qui sont spécifiés dans la liste de l'art. 92 (V. Archives I N° 35,
Blätter für Zürich. Rechtsprechung N . F. 6 N° 126 ; ci. JBGER Note iA
sur art. 92, BLUMENSTEIN p. 357,
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 42 III 391
Datum : 05. Oktober 1916
Publiziert : 31. Dezember 1916
Quelle : Bundesgericht
Status : 42 III 391
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : ....-=..,. _. Entscheidungen der Schuldhetreihungsund Knukurskammer. Amts de la


Gesetzesregister
OR: 272  273
SchKG: 10  92  102  281  283  284
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
betreibungsamt • weiler • betreibungsbeamter • retentionsrecht • frist • bundesgericht • eigenschaft • brunnen • entscheid • richtigkeit • stelle • hausrat • miete • aufhebung • gegenstand • verwertungsbegehren • begründung des entscheids • angabe • nichtigkeit • eigentum
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AS 42111/1910