360 si Entscheidungen

den Ausführungen ganz unabhänzig davon, ob die 3000 Fr. sich als
Abtretungs ergehnis im Sinne des Art. 260 SchKG darstellen oder
nicht. Diese letztere Frage wäre gegebenenfalls im Beschwerdeverfahren,
anlässlich der

nun vorzunehmenden Ergänzung der Verteilungsliste zu entscheiden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird begründet erklärt, das Urteil des Kantonsgerichts
St. Gallen vom 3. April 1916 aufgehoben und die Klage gutgeheissen.

61. Urteil der II. Zivile'nteilung vom 29. Juni 1916 i. S. Kreuzer,
Kläger, gegen Maurer, Beklagten.

Rechtliche Natur der Hinterlegung einer streitigen Summe zu Gunsten
eines bestimmten eventuell Berechtigten. Pauiranische Anfechtbarkeit
einer solchen, gegenüber einem msolventen Schuldner durch eine Strafklage
erzwungenen Hinterlegung .

A. Der Beklagte war am 1. September 1911 in den Dienst des
Kinematographenunternehmers Sauter getreten ; zunächst sollte er als
Portier für das Theater in Arbon, später als Geschäftsleiter noch
zu errichtenden Filialen tätig sein. Er hatte als Beteiligung 4000
Fr. einzulegen, und zwar unter folgenden Bedingungen :

3. Die Einlage wird dem Hrn. Maurer, so lange er in seiner Stellung
verbleibt mit 433% jährlich verzinst und gilt als Garantie zunächst
das Inventar des Geschäftes in Arben, später das Etablissement, welches
durch Hrn. Maurer geführt wird.

4. Sauter hat das Recht, die Einlage zu Geschäfts zwecken zu verwenden,
verpflichtet sich aber ausdrück-der Zivilkammetm N° 61. , 361

lich dieselbe nach Ablauf dieses Vertrages auf ihre erste Höhe zu
bringen und dem Hrn. Maurer incl. Zinsen

- zurückzuerstatten

Nachdem der Beklagte an verschiedenen Orten im Dienste des Sauter
tätig gewesen war, kam er im Jahre 1913 ais Leiter einer Filiale nach
Bern. Da jedoch Sauter, der von allen Seiten betrieben War und über
keinen Kredit mehr verfügte, den Mietzins nicht aufzubringen vermochte,
wurde das Theater polizeilich geschlossen. Obwohl Sauter dem Beklagten
die Weisung erteilte, trotzdem in Bern zu bleiben, reiste der Beklagte
nach Luzern. Deswegen kündigte ihm Sauter am 16. Fe-bruar den Vertrag,
indem er bemerkte : Ihre Kaution bleibt solange in meinem Besitz,
bis die Sache ausgetragen ist. Am 17. Februar liess der Beklagte den
Sauter amtlich auffordern, die 4000 Fr. nebst Zins herauszugeben und dazu
1000 Fr. Schadenersatz zu bezahlen, ansonst er strafrechtlich vorgehen
werde. Als Sauter dieser Aufforderung nieht nachkam, reichte der Beklagte
Anfangs März in der Tat Strafklage gegen ihn ein, und zwar wegen Betrags
. In seinem Ver-hör erklärte Sauter : Ich habe ihm (d. h. dem Strafklàger)
diese Summe (d. h. die 4000 Fr.)

zur Disposition gestellt. Ich kann diese Summe sofort.

beim Stadtammaun als streitig deponieren und werde den Ausweis noch
heute abgeben. Darauf liess er, zwar nicht mehr am gleichen Tage,
wohl aber am 11. März, folgende Bescheinigung des Gerichtspräsidenten
d. d. 11. März zu den Stratakten legen : ; Herr Fürsprech B. hat heute
hierorts namens L. Sauter... zuhanden Hrn. Maurer, Luzern, den Betrag
von 4000 Fr. als streitig deportiert. Hierauf wurde am 4. April die
Strafuntersuchung eingestellt. --

Inzwischen hatte der Beklagte am 29. März einen Arrest auf die 4000
Fr. ausgewirkt und am 31. März Betreibung angehoben. Am 19. April reichte
er ferner die Arrestprosequjerungsklage auf Zahlung von 5200 Fr. ( =
4000 Fr. Kaution + 1200 Fr. Schadenersatz) ein. Bevor über siss

AS 42 m _ 1915 35

362 Entscheidungen

diese Klage und über eine von Sauter erhobene Arrestaufhebungsklage
gerichtlich entschieden werden konnte, nämlich am 18. Juli 1913, wurde
über Sauter der Konkurs erkannt. Damit fiel der Arrestaufhebungsprozess
dahin ; der Arrestprosequierungsprozess aber fand seine Erledigung
dadurch, dass die Konkursverwaltung die Forderung des heutigen Beklagten
im Betrage von 5200 Fr. anerkannte. Der Beklagte war nun aber auch als
V i n d ik an t im Konkurse aufgetreten und hatte die deponierten 4000
Fr. als sein Eigentum aus der Masse herausverlangt. Durch Beschluss der
Schuldbetreibungs und Konkurskammer des Bundesgerichts vom 1. Juli 1914
wurde jedoch das Konkursamt angewiesen, den Anspruch des Beklagten an
das Depositum als Geltendmachung eines pfandrechtartigen Vorzugsrechts
zu behandeln und in einem Nachtrag zum Kollokationsplan darüber zu
entscheiden. Das Konkursamt anerkannte infolgedessen für den Betrag von
4000 Fr. zu Gunsten des Beklagten ein P i a n d r e c h t, worauf der
Kläger, der im Konkurs eine Forderung von über 100,000 Fr. angemeldet
hat, rechtzeitig die vorliegende Kollokationsanfechtungsklage erhob,
mit der Rechtsfrage :

Ist das Faustpfandrecht des_Beklagten am fraglichen Depositum von 4000
Fr. vom 11. März 1913 gerichtlich abzuerkennen und ist dieses ganze
Depositurn mit Zins zuwachs in die Konkursmasse Sauter unbeschwert ein
zulegen ? '

Die Klage ist damit begründet werden, dass kein gültiges Pfandrecht
zustande gekommen, eventuell dass dessen Bestellung paulianisch
anfechtbar sei.

B. Durch Urteil vom 15. März 1916 hat das Obergericht des Kantons
Luzern die Klage abgewiesen, mit der Begründung, dass ein gültiges,
auch paulianisch nicht anfechtbares Pfandrecht zustande. gekommen sei.

C. Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende, rechtzeitig und
unter Beilegung einer Rechtsschrift ein-der Zivilkammem. N° öl. , seg-

gereichte Berufung, mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Streitig ist das vom Beklagten beanspruchte Recht auf Verwendung
des Depositums von 4000 Fr. zur Befriedigung für seine unbestrittene
Konkursforderung von 5200 Fr., bezw. der vom K l a g e r an Stelle
der Konkursverwaltung, in erster Linie in seinem eigenen, für einen
allfälligen Ueberschuss des Prozessergebnisses über seine eigene Forderung
aber auch im Interesse der übrigen Gläubiger geltend gemachte Anspruch
d a r a u f, dass jenes Depositum , wie es in der Rechtskrage heisst,
in die Konkursmasse unbeschwert eingelegt werde.

Daraus folgt, dass die Klage vorbehaltlich des Entscheides über die
paulianische Anfechtbarkeit der erfolgten Deponierung auch dann
abgewiesen werden müsste, wenn sich ergeben würde, dass an den 4000
Fr. zwar keinPfan drecht, wohl aberein A usso nder u n g s r e ch t des
Beklagten begründet worden ist ; denn dann bestünde a fortiori kein Recht
des Klägers, dem Beklagten die Befriedigung aus dem Depositum streitig
zu machen.

Nun handelte es sich bei der Hinterlegung der 4000 Fr. in der Tat
nicht um die Begründung eines Pfandrechts, sondern um diejenige eines
Aussonderungsrechts. Denn, da nach den Feststellungen der Vorinstanz,
wie auch nach der Sachdarstellung der Parteien und übrigens auch nach
dem Wortlaut des vom Gerichtspräsidenten ausgestellten Depotscheines
anzunehmen ist, dass unver-

schlossenes Bargeld, bezw. unverschlo'ssene Banknoten übergeben wurden,
Sauter" also nicht E i g e n t ü m e r des Geldes blieb, so hätte
(vergl. BGE 23 S. 698 ii. S. 700) eine Pfandbestellung nur in der Form
erfolgen können, dass die F o r d e r u n g des Deponenten auf Rückgabe

364 ss Entscheidungen

desselben Betrages verpfändet worden wäre. Es hätte also nach Art. 900
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 900 - 1 Zur Verpfändung einer Forderung, für die keine Urkunde oder nur ein Schuldschein besteht, bedarf es der schriftlichen Abfassung des Pfandvertrages und gegebenenfalls der Übergabe des Schuldscheines.
1    Zur Verpfändung einer Forderung, für die keine Urkunde oder nur ein Schuldschein besteht, bedarf es der schriftlichen Abfassung des Pfandvertrages und gegebenenfalls der Übergabe des Schuldscheines.
2    Der Pfandgläubiger und der Verpfänder können den Schuldner von der Pfandbestellung benachrichtigen.
3    Zur Verpfändung anderer Rechte bedarf es neben einem schriftlichen Pfandvertrag der Beobachtung der Form, die für die Übertragung vorgesehen ist.
ZGB
ein schriftlicher Pfandvertrag abgefasst und ausserdem gegebenenfalls
(d. h. sofern vorhanden) der Schuldschein dem Beklagten übergeben
werden miissen. Weder das eine noch das

andere ist im vorliegenden Falle geschehen und pflegt in

derartigen Fällen der Hinterlegung eines streitigen Betrages zu
geschehen. Sowohl die Abfassung eines Pfandvertrages als die Uebergabe
des Schuldscheines ) setzen die Existenz eines Rechtes des Verpfändenden
auf Rücknahme des deponierten Betrages voraus. Ein solches Recht besteht
nun aber in einem Falle wie dem vorliegenden nur unter der Voraussetzung,
dass in dem Streite, im Hinblick auf welchen die Hinterlegung erfolgt
ist, der Hinterlegende obsiege ; gerade für diesen Fall wollte jedoch
dein Gegner k ein Recht auf die hinterlegte Summe eingeräumt werden
; für den andern Fall aber, dass nämlich nicht der Hinterlegende ,
sondern dessen Gegner ohsiege, besteht überhaupt kein Rückforderungsrecht
des Hinterlegenden mehr, das den Gegenstand eines Pfandvertrages bilden
könnte, und ebensowenig besitzt er einen Schuldschein, der ihm für diesen
Fall irgend ein Recht einräumen Würde und dessen Uebergabe an den Gegner
daher einen Sinn haben könnte. Die Konstruktion des Pfandrechtes versagt
somit hier vollständig. Was dem Gegner des_ Deponenten eingeräumt

wird, ist m e h r als ein Pfandrecht ; es ist das Recht, im '

Falle des Obsiegens unmittelbar auf das Depositum zu greifen und sich
daraus ohne vorgängige Pfandbetreibung, wie sie bei einem Pfande erst
noch stattfinden müsste, sofort befriedigt zu machen. Mit andern Worten :
es handelt sich, gerade wie bei der in Art. 182 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 182 - Das Gericht bewilligt den Rechtsvorschlag:
1  wenn durch Urkunden bewiesen wird, dass die Schuld an den Inhaber des Wechsels oder Checks bezahlt oder durch denselben nachgelassen oder gestundet ist;
2  wenn Fälschung des Titels glaubhaft gemacht wird;
3  wenn eine aus dem Wechselrechte hervorgehende Einrede begründet erscheint;
4  wenn eine andere nach Artikel 1007 OR352 zulässige Einrede geltend gemacht wird, die glaubhaft erscheint; in diesem Falle muss jedoch die Forderungssumme in Geld oder Wertschriften hinterlegt oder eine gleichwertige Sicherheit geleistet werden.
SchKG vorgesehenen
Hinterlegung einer den Gegenstand einer Wechselbetreibung bildenden Summe
(vergl. JAEGER, Note 12 zu Art. 182) um eine antizipierte, bedingte Za
hlu n g: die streitige Schuld wird, für den Fall und unter der Bedingung,
dass sie vom zuständigender Zivilkammem. N° 61. . , 365

Richter zugesprochen oder vom Hinterlegenden selber anerkannt werden
sollte, schon im Momente der Hinterlegung g e ti l g t. Eine solche
antizipierte, bedingte Zahlung ist im Gegensatz zur Verpfändung einer
Forderung an keine formellen Erfordernisse gebunden, sondern es genügt,
dass die betreffende Summetatsächlich als streitig oder unter einer
andern, gleichbedeutenden Erklärung einem Dritten ausgehändigt und von
ihm in diesem Sinne entgegengenommen werde, sowie dass der eventuell
Berechtigte mit diesem Zahlungsmodus, speziell auch mit der Auswahl des
Treuhänders, einverstanden sei.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt. Die 4000
Fr. sind dem Gerichtspräsidenten ausbezahlt worden, und dieser hat sie für
den Fall des Obsiegens des Beklagten zu dessen Handen entgegengenommen
(verbis: zu Handen Hrn. Maurer als streitig ); der Beklagte aber
war damit einverstanden, dass Sauter in di e s e r Weise seine Schuld
begleiche, d. h. er hat stillschweigend darauf verzichtet, sich auf
anderm Wege als durch Inanspruchnahme des Depositums bezahlt zu machen.

Nun ist die Bedingung, unter welcher die Hinterlegung als Zahlung
gelten sollte, allerdings erst nach Ausbruch des Konkurses über Sauter
eingetreten ; denn die Forderung, die durch das Depositum eventuell
getilgt werden sollte, ist nicht mehr von Sauter persönlich, sondern
erst von dessen Konkursmasse anerkannt worden. Allein, ebenso wie
eine gegenüber dem Gemeinschuldner bestehende F o r d e r u u g,
auch wenn die Bedingung erst nach Konkursausbruch eintritt, als
Konkursforderung anerkannt werden muss (Art. 210), ebenso muss auch
ein bedingter Aussonderungsanspruch mit im Momente des Konkursausbruchs
noch schwebender Bedingung als solcher anerkannt werden ; es genügt.,
dass die Bedingung schon vor Konkursausbruch von dem damals noch voll
dispositionsfähigen Schuldner g e s e t zt .

366 Entscheidungen

worden ist ; denn das Konkursbeschlagsrecht ergreift die Aktiven des
Gemeinschuldners grundsätzlich von der paulianischen Anfechtbarkeit
abgesehen nur insoweit, als sie unmittelbar vor Konkursausbruch noch
zu dessen ermögen gehörten ; dies ist aber bei einer als streitig
hinterlegten Geldsumme nur. insoweit der Fall, als die Bedingung, unter
welcher die Hinterlegung als Zahlung gelten sollte, nachher tatsächlich
nicht eintritt. Deshalb kann in einem solchen Falle ja auch Gegenstand
einer P f ä n d u n g nur der b e d i n g t e Rückforde-rungsanspruch
des Hinterlegenden sein. Und wie bei der in Art. 182
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 182 - Das Gericht bewilligt den Rechtsvorschlag:
1  wenn durch Urkunden bewiesen wird, dass die Schuld an den Inhaber des Wechsels oder Checks bezahlt oder durch denselben nachgelassen oder gestundet ist;
2  wenn Fälschung des Titels glaubhaft gemacht wird;
3  wenn eine aus dem Wechselrechte hervorgehende Einrede begründet erscheint;
4  wenn eine andere nach Artikel 1007 OR352 zulässige Einrede geltend gemacht wird, die glaubhaft erscheint; in diesem Falle muss jedoch die Forderungssumme in Geld oder Wertschriften hinterlegt oder eine gleichwertige Sicherheit geleistet werden.
Zifl'. 4 SchKG
vorgesehenen Hinterlegung eines in TWechselhetreibuug befindlichen
streitigen Betrags, so kann auch bei jeder andern Hinterlegung einer
streitigen Summe für einen bestimmt bezeichneten Gläubiger das durch
die Hinterlegung begründete, bedingte Recht des eventuellen Gläubigers
nicht durch eine Insolvenzerklärung des eventuellen Schuldners illusorisch
gemacht werden.

2. . Der Behandlung des streitigen Anspruchs im Sinne eines, durch
Z a h l u n g begründeten A u s s 0 nd e r u n g s anspruchs an der
Forderung auf Rückgabe des Depositums steht in diesem Prozesse nicht
etwa jener Entscheid der Schuldbetreibungs und Konkurslcarnrner des
Bundesgerichts vom 1. Juli 1914 entgegen, in welchem erklärt worden
war, es handle sich um den Anspruch auf Anerkennung eines P f an
d rechts. Der erwähnte Entscheid war allerdings für das Konkursamt
insofern verbindlich, als dieses darin angewiesen wurde, über das von
Maurer geltend gemachte Vorzugsreeht an dem hinterlegten Betrage von
4000 Fr. im Kollokatinnsverfahren zu entscheiden , was auf der ErwägunO'
beruhte, dass es sich um ein Pfandrecht handle. Für de; H i c h t e r ist
jedoch die Auffassung der Aufsichtsbehörde über die Natur des Anspruchs
jedenfalls dann nicht bindend, wenn sich, wie hier, bei der materiellen
Prüfung, die der Aufsichtsbehörde ja nicht zustand, he-

si.-._. ...,.

der Zivilkammern. N° 61. 367

rausstellt, dass dem betreffenden Ansprecher tatsächlich noch mehr als
ein Piandrecht, nämlich ein Aussenderungsrecht zusteht. Das einzige
Bedenken, das unter solchen Umständen gegenüber der Zuerkeunung des
Aussenderungsrechts erhoben werden könnte, besteht darin, dass für
die Feststellung von Ausscnderungsrechten grundsätzlich nicht das
Kollokationsverfahren, welches zum gegenwärtigen Prozess geführt hat,
sondern das Verfahren gemäss Art. 242, und zwar bei Forderungen
im Sinne der Ausführungen bei JAEGER Note 3 C zu Art. 242, Platz
zu greifen hat. Allein, da im vorliegenden Falle die Forderung, zu
deren Tilgung das Depositum vom Beklagten beansprucht wird, als
solche nicht streitig ist und den hinterlegten Betrag übersteigt,
so macht es praktisch keinen Unterschied, ob dem Beklagten an diesem
Betrag ein Aussonderungsrecht oder aber ein Pfandrecht, das ja auch
nur durch Aushändigung des Betrages an den Beklagten realisiert Würde,
zuerkannt wird ; und auch der Anspruch des Klägers ist in beiden Fällen
auf das Gleiche gerichtet, nämlich auf Einwerfung der 4000 Fr. in
die Konkursmasse zu dem Zwecke, daraus in erster Linie den Kläger zu
befriedigen, wie dies für den Fall, dass es sich um die Bestreitung eines
kollozierten Pfandrechts handelt, in Art. 250 Abs. 3, für den Fall aber,
dass es sich um die Bestreitung eines Aussonderungsanspruchs oder um
die Geltendmachung eines Admassierungsanspruchs an Stelle der darauf
verzichtenden Konkursverwaltung handelt, in Art. 260 Abs. 2 Vorgesehen
ist. ss Es steht somit in der Tat nichts entgegen, über die Begründetheit
des vom Beklagten erhobenen Anspruchs, obwohl er in Wirklichkeit kein
Pfandrechts-, sondern ein Ausscnderungsanspruch ist, bezw. über den vom
Kläger an Stelle der Konkursverwaltung geltend gemachten A d m a s s
i e r u n g s anspruch, der ihm eigentlich im Sinne des Art. 260 hätte
abgetreten werden sollen, im gegenwärtigen, durch eine formell unrichtige
Pfandrechtskollokation eingeleiteten Verfahren zu entscheiden. Auch

3 68 Entscheidun gen

schutzwürdige Interessen a n d e r e r Konkursgläubiger, welche Zusammen
mit dem Kläger die Abtretung des Admassierungsanspruehs hätten
verlangen können, werden dadurch nicht verletzt ; denn diese andern
Gläubiger hätten, nachdem unrichtigerweise das Kollokationsverfahren
eingeleitet worden war, ebensogut wie der Kläger und zusammen mit ihm
die dem Beklagten günstige Koilokationsverfügung anfechten können.

3. Nach dem Gesagten müsste der Anspruch des Beklagten auf das Depositum
ohne weiteres gutgeheissen, die Klage also abgewiesen werden, sofern
sich nicht ergeben sollte, dass jene Hinterlegung , d. h. die dadurch
bewerkstelligte Zahlung, paulianisch anfechtbar war. Die paulianische
Anfechtbarkeit ist nun aber zu bejahen. ss

Art. 287 Ziff. 1 ist allerdings, weil es sich, wie ausgeführt wurde,
nicht um die Begründung eines Pfandreeht's und auch nicht um eine, einer
Pfandrechtsbestellung gleichzustellende Sicherheitsleistung (im Sinne von
BGE 38 II N° 111), sondern um Z a h l u n g handelte, nicht anwendbar ;
ebensowenig Zifî. 2 und 3, da die eventuelle Tilgung der Schuld Sauters
durch Barschaft stattgefunden hat und die Schuld, wenn auch streitig,
so doch verfallen war.

Dagegen liegt ein Anwendungsfall des Art. 288 vor.

Zunächst steht ausser Frage, dass der Beklagte durch die Deposition
der, 4000 Fr. gegenüber den übrigen Gläubiger-n des Sauter b e g ü n
s t i g t worden ist ; denn er wurde dadurch für den Fall der Existenz
seiner Forderung wenigstens bis zum Betrag seiner Kaution vollständig
befriedigt, Während alle andern Gläubiger genötigt wurden, sich in
die wenigen Aktiven des Gemeinschuldners zu teilen. In der
Deponierung der 4000 Fr. lag umsomehr eine Begünstigung des Beklagten,
als dessen Forderung von Sauter bestritten" Sep. Ausg. 15 n° 10-1.

der Zivilkammern. N61. 369

war und der Beklagte dafür noch nicht einmal Betreibung angehoben hatte,
also noch weit davon entfernt war, sich auf gewöhnlichem Wege Befriedigung
zu verschaffen.

Diese Begünstigung des Beklagten war im weitern durch Sauter g e w o l
l t. Freilich war sie für ihn, der sich bereits mit Maurer überworfen
hattenicht Endzweck, sondern bloss Mittel zum Zweck. Für ihn handelte
es sich darum, die Einstellung der auf Veranlassung des Beklagten gegen
ihn eingeleiteten strakuntersuchung zu erwirken ; dies erreichte er
aber am sichersten und raschesten eben durch die von ihm vorgenommene
Hinterlegung , d. h. durch die darin liegende B e f r i ed i g un g
des Beklagten, wozu er, weil er die Forderung des Beklagten bestritt,
gewiss keinen Anlass gehabt haben würde, wenn es sich für ihn nicht
gerade darum gehandelt hätte, die Einstellung der Strafuntersuchung zu
erwirken. Tatsächlich hat denn auch die Hinterlegung der 4000 Fr.
ohne weiteres zur Einstellung der Strafuntersuchung geführt. Dass
aber Sauter, der von allen Seiten betrieben war und ausser jenen 4000
Fr. so gut wie nichts besass, sich über die schädigende Wirkung der
Hinterlegung . für seine übrigen Gläubiger Rechenschaft geben musste,
bedarf keiner Ausführung.

Endlich war die Absicht Sauters, den Beklagten zu begünstigen, um dadurch
der Strafverfolgung zu entgehen auch für den Beklagten e r k e n n b a
r. Als Hauptaugestellter des Sauter und als gewesener Leiter einer seiner
Filialen war der Beklagte über die misshchen Vennögensverhältnisse
des Gemeinschuldners besser als irgend ein Dritter aufgeklärt. Der
Beklagte hatte denn auch selber in seiner Straiklage ausführen lassen,
dass in dem Momente, als er seine 4000 Fr. zurückverlangt habe, nichts
mehr vorhanden gewesen sei, und dass es sogar an dem Geschäftsinventar
gefehlt habe, an das er sich sonst zur Sicherung seiner Ansprüche hätte
halten können . Der Beklagte wusste sodann, dass Sauter den Miet_ zins
für das Kino in Bern nicht mehr bezahlen konnte und

370 Entscheidungen

deshalb exmittiert wurde, sowie dass er bei niemand mehr Kredit
genoss. Er konnte somit nicht im Zweifel darüber sein, dass Sauter
vor dem Konkurs stehe, zumal dann, wenn e r, der Beklagte, ihn zur
Zahlung oder Hinterlegung des seiner Geschäftseinlage ( Kaution )
entsprechenden Betrages zwang. Die vom Beklagten ausgespielte Strafklage
qualifiziert sich unter diesen Umständen geradezu als ein Mittel, um
den übrigen Gläubigern des Sauter zuvorzukommen, und zwar als ein von
der paulianischen Anfechtbarkeit abgesehen äusserst wirksames Mittel;
denn dank jener Strafklage und der dadurch erreichten Hinterlegung der
4000 Fr. würde der Beklagte für den Betrag seiner Geschäftseinlage voll
befriedigt, während alle übrigen Gläubiger mit einer Konkursdividende
verlieh nehmen müssten, die nach der Schätzung des Konkursamtes bloss
etwa 2% betragen würde. si

Die Gutheissung des Anfechtungsstandpunktes hat nach den Ausführungen
in Erw. 1 und 2 ohne weiteres den sehutz der Klage zur Folge.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird in dem Sinne begründet erklärt und die Klage in dem
Sinne gutgeheissen, dass die streitigen 4000 Fr. nebst allfälligern
Zinszuwachs in die Konkursmasse fallen und in erster Lin-ie zur Deckung
der Forderung des Klägers zu dienen haben.

der Zivilkammem. N° 62. 371

62. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Juli 1916 i. S. Nadal und
Genossen, Kläger, gegen Bosshard, Steiner & Cie, Beklagte.

Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG: Begriff der gerichtlichen Klage in der Verfügung
einer Konkursverwaltung, wodurch den Abtretungsglänhigern Frist zur
Geltendmachung der angetretenen Ansprüche durch gerichtliche Klage mit
Verwirkungsfolge angesetzt wird.

A. Im Konkurse über Franceschetti und Pfister in Zürich trat das
Konkursamt Aussersi'hl am 31. Januar 1911 verschiedenen Konkursgläubigern,
darunter den Klägern, u. a. die Anfechtungsansprüche der Masse
gegen die Beklagten im Sinne des Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
SchKG ab. Die Kläger Nöbel,
Verena Laufler, Frau Pfr. Hauri und Luise Laufier erwirkten darauf vom
Friedensrichteramt Zürich 2 am 27. Februar 1911 eine Weisung an das
Bezirksgericht Zürich über folgende. Streitfrage: Ist die Be klagte
verpflichtet, an die Klägerschaft als Zessionare der Konkursmasse
Franceschetti und Pfister, in Zürich, zu Handen der Konkursmasse 1
Wechsel auf Utobau genossenschaft im Betrage von 3000 Fr. herauszugeben
und dafür die entsprechende Forderung in Klasse V kollozieren zu lassen,
oder aber den Betrag des Wechsels mit 3000 Fr. nebst 5% Zins seit heute
zu bezahlen ?

Am 10. März 1911 erliess das Konkursamt Aussersihl ein Zirkular an die
Abtretungsgläubiger, aus dem kolgende Stelle hervorzuheben ist : Im
Interesse einer mö glichst baldigen Erledigung der daherigen Anfechtungs
klagen, sowie im Interesse der beteiligten Cessionare selbst, setzen
wir Ihnen hiemit eine mit dem 21. März a. c. zu Ende gehende Frist an,
innerhalb welcher Sie diese sämtlichen Antechtungsansprüehe durch
Einreichung gerichtlicher Klage geltend zu machen haben, unter der
Androhung, dass sonstVerzieht aufdieselbenangenorn-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 42 III 360
Datum : 03. April 1916
Publiziert : 31. Dezember 1916
Quelle : Bundesgericht
Status : 42 III 360
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : 360 si Entscheidungen den Ausführungen ganz unabhänzig davon, ob die 3000 Fr. sich


Gesetzesregister
SchKG: 182 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 182 - Das Gericht bewilligt den Rechtsvorschlag:
1  wenn durch Urkunden bewiesen wird, dass die Schuld an den Inhaber des Wechsels oder Checks bezahlt oder durch denselben nachgelassen oder gestundet ist;
2  wenn Fälschung des Titels glaubhaft gemacht wird;
3  wenn eine aus dem Wechselrechte hervorgehende Einrede begründet erscheint;
4  wenn eine andere nach Artikel 1007 OR352 zulässige Einrede geltend gemacht wird, die glaubhaft erscheint; in diesem Falle muss jedoch die Forderungssumme in Geld oder Wertschriften hinterlegt oder eine gleichwertige Sicherheit geleistet werden.
260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.457
ZGB: 900
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 900 - 1 Zur Verpfändung einer Forderung, für die keine Urkunde oder nur ein Schuldschein besteht, bedarf es der schriftlichen Abfassung des Pfandvertrages und gegebenenfalls der Übergabe des Schuldscheines.
1    Zur Verpfändung einer Forderung, für die keine Urkunde oder nur ein Schuldschein besteht, bedarf es der schriftlichen Abfassung des Pfandvertrages und gegebenenfalls der Übergabe des Schuldscheines.
2    Der Pfandgläubiger und der Verpfänder können den Schuldner von der Pfandbestellung benachrichtigen.
3    Zur Verpfändung anderer Rechte bedarf es neben einem schriftlichen Pfandvertrag der Beobachtung der Form, die für die Übertragung vorgesehen ist.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • konkursmasse • bedingung • konkursamt • bundesgericht • konkursverwaltung • stelle • zins • schuldner • pfandvertrag • strafuntersuchung • entscheid • geld • sicherstellung • leiter • frist • konkursforderung • frage • schadenersatz • weisung
... Alle anzeigen