I. PERSONENRECHTDROIT DES PERSONNES

13. Urteil der n. Zivilabteilung vom so. um 1916 i. S. Hertner gegen
Graubünden.

Verweigerung der vormundschaftlichen Einwilligung zum Eheabschluss;
aus welcher Art von Gründen zulässig? Verhältnis des Art. 99
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1    Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1  das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist;
2  die Identität der Verlobten feststeht; und
3  die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht.
2    Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.175
3    Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus.
4    Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.176
ZGB zu
Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV.

A. Die im Jahre 1863 geborene Rekurrentin, die in Jenins (Graubünden)
heimatberechtigt ist, hat seit Erreichung der Volljährigkeit stets
unter Vormundschaft gestanden und hatte dagegen, soviel aus den Akten
ersichtlich ist, nie protestiert, bis sie im Jahre 1915 den damals
(iQ-jährigen Christian Rusch, gewesenen stiekereihesitzer, der nunmehr
vollkommen vermögenslos ist und zeitweise armengenössig war, kennen
lernte und die Absicht kundgah, ihn zu heiraten.

Sowohl der Vormund der Rekurrentin, als die Vormundschaftsbehörde
Maienfeld verweigerten die Einwilligung zu diesem Eheabschluss, mit der
Begründung, dass die Rekurrentin, die weder körperlich, noch geistig
ganz auf der Höhe sei, Gefahr laufen würde, durch die Ehe mit Busch
ihr bescheidenes Vermögen, dessen sie zu ihrem Unterhalt bedürfe, zu
verlieren, und dass diese Ehe auch sonst ihren Interessen widerspreche.

B. Durch Entscheid vom 18. Dezember 1916 hat der ss Regierungsrat des
Kantons Graubünden, wie vor ihm schon der Bezirksgerichtsausschuss
Unterlandquart, eine von Maria Hertner gegen die Verweigerung der
Bewilligung des Eheabschlusses ergritkene Beschwerde als unbe-

A8 42 II 1916 6

82 Personenrecht. N° 13.

gründet abgewiesen, weil nach den persönlichen Eigenschaften der
Rekurrentin und ihres Freiers eine dauernde, erspriessliche eheliche
Gemeinschaft ausgeschlossen oder doch zum mindesten, aller Voraussicht
nach, sehr unwahrscheinlich sei. Der Rekurrentin gehe offenbar die
Fähigkeit ab, die Tragweite des von ihr beabsichtigten Schrittes recht
zu ermessen.

C. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende zivilrechtliche
Beschwerde, mit dem Antrag auf Erteilung der Einwilligung zum Eheabschluss
und mit dem Begehren um Sistierung der Behandlung der Beschwerde bis
nach Erledigung eines bei den kantonalen Instanzen schwebenden Verfahrens
betreffend Aufhebung der Vormundschaft.

In der Beschwerdebegründung wird ausgeführt, dass Busch infolge grosser,
jedoch unverschuldeter Verluste s. Zt. in Konkurs geraten sei. Da er
aber die Bobinerie gründlich kenne, werde er sehr wohl imstande sein,
sich und seine zukünftige Ehefrau zu erhalten, wenn ihm nur der Ankauf
einer Bobineriemaschine aus dem Vermögen seiner Frau ermöglicht werde. Er
sei bereit, die Ehe unter Gütertrennung einzugehen, sodass die Maschine
Eigentum seiner Frau bleiben würde. si

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

l. Zu einer Sistierung des Entscheides über die vorliegende Beschwerde
bis nach Erledigung des vor den kantonalen Instanzen schwebenden
Verfahrens betreffend Aufhebung der Vormundschaft ist kein genügender
Anlass vorhanden. Sollte die Vormundschaft aufgehoben werden, so würde die
Rekurrentin der vormundschaftlichen Einwilligung zur Eingebung der von ihr
beabsichtigten Ehe nicht mehr bedürfen, und es Würde dann dem Abschluss
dieser Ehe auch der Entscheid des Bundesgerichts, wenn er auf Abweisung
der Beschwerde lautet, nicht mehr entgegenstehen.Personenrecht. N° 13; ds

2. In der Sache selbst fragt es sich vor allem, aus welcher Art. von
Gründen die nach Art. 99
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1    Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1  das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist;
2  die Identität der Verlobten feststeht; und
3  die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht.
2    Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.175
3    Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus.
4    Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.176
ZGB erforderliche vormundschaftliche Einwilligung
zum Eheabschluss verweigert werden kann.

Sowohl die Natur der Vormundschaft als einer grundsätzlich im Interesse
des Mündels geschaffenen Institution, wie auch der Umstand, dass
gegen die Verweigerung der vormundschaftlichen Einwilligung im ZGB
selber das Beschwerderecht mitWeiterziehung bis an das Bundesgericht
vorgesehen ist, während in Bezug auf die Verweigerung der elterli
ch en Einwilligung eine analoge Bestimmung fehlt, deutet darauf hin,
dass die vormundschaftliche Einwilligung ausschliesslich aus solchen
Gründen verweigert werden darf, deren Berücksichtigung im Interesse des
Mündel's liegt. Zu demselben Schlusse führt die Erwägung, dass es nicht
die Absicht des eidg. Zivilgesetzgebers sein konnte, das durch Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.

BV gewährleistete Recht zur Ehe zu beeinträchtigen. Insbesondere ist
deshalb daran festzuhalten, dass die vormundschaftliche Einwilligung
zum Eheabschluss weder aus kirchlichen oder ökonomischen Rücksichten,
noch wegen bisherigen Verhaltens oder aus andern polizeilichen Gründen
verweigert werden darf. Es geht denn auch aus der Entstehungsgeschichte
des Art. 99
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1    Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1  das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist;
2  die Identität der Verlobten feststeht; und
3  die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht.
2    Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.175
3    Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus.
4    Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.176
ZGB (vergl. Erläuterungen , 2. Aufl. S. 107 ff., S. 132
f., Expertenkommission, ad Art. 118 des Vorentwurfs, Botschaft 1904
S. 22, Stenogr. Bull. 1905 S. 497 f.) deutlich hervor, dass die
Absicht des Gesetzgebers darauf gerichtet war, die Verweigerung der
vormundschaftlichen Einwilligung nur aus solchen Gründen zu gestatten,
deren Berücksichtigung nach Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV zulässig ist. Die in Art. 99
Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1    Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1  das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist;
2  die Identität der Verlobten feststeht; und
3  die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht.
2    Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.175
3    Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus.
4    Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.176
ZGB und 86 Ziff. 1 OG vorgesehene zivilrechtliche Beschwerde gegen
die Verweigerung der vormundschaftlichen Einwilligung zum Eheabschluss
erfüllt somit dieselbe Funktion, die in Ermangelung dieses Rechtsmittels
ein auf Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV gestützter staatsrechtlicher Rekurs erfüllen würde. '

84 Personenrecht. N° 13.

Im Uebrigen ergibt sich sowohl aus den Erläuterungen

des Gesetzesredaktors, als auch aus den Beratungen der

Expertenkommission, dass unter Wahrung des in Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
.--

BV enthaltenen Grundsatzes dem Vormund, bezw." den vormundschaftlichen
Behörden das Recht zuerkannt und die Pflicht auferlegt werden wollte,
bei dem Entscheide

über Bewilligung oder Nichtbewilligung des Eheabschlus-

ses alle diejenigen Umstände zu berücksichtigen, von denen anzunehmen
ist, dass sie der Mündel selber berücksichtigen würde, wenn er nicht
eben an demjenigen Willensoder Urteilsdefekt leiden würde, der seine
Bevormundung nötig machte. Insbesondere dürfen und müssen daher auch
Erwägungen ökonomischer Art eine Rolle spielen, sofern es sich dabei
um die Wahrung eigentlicher Lebensinteressen des Mündels handelt,
insbesondere wenn wegen der Persönlichkeit des andern Nupturienten als
sicher oder höchstwahrscheinlich anzunehmen ist, dass der Abschluss der
Ehe mit dieser Person unter den vorliegenden Umständen den vollständigen
ökonomischen Ruin des Mündels herbeiführen wird. Nicht derartige
ökonomische Interessen des Mü'nd els sind es, deren Berücksichtigung
durch Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV verboten ist und deshalb auch auf Grund des Art. 99
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1    Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1  das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist;
2  die Identität der Verlobten feststeht; und
3  die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht.
2    Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.175
3    Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus.
4    Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.176

ZGB als unzulässig erscheint, sondern verboten ist nur die Verhinderung
eines Eheabschlusses mit Rücksicht auf Interessen von D r i t t p e
r s o n e n , insbesondere wegen fiskalischer Interessen des Staates
oder wegen des Interesses einer Gemeinde, eine Vermehrung ihrer
unterstützungsberechtigten Bürger zu verhindern, und dergleichen.

3. Im vorliegenden Falle kann nun keine Rede davon sein, dass die
Einwilligung zum Eheabschluss aus fiskalischen Gründen oder mit
Rücksicht auf Gemeindeinteressen, oder gar wegen Privatinteressen von
Drittpersonen verweigert worden sei. Die Rekurrentin be' hauptet denn
auch selber nicht, dass die Vormundschaftsbehörde Maienfeld oder der
Regierungsrat des Kantons Graubünden sich von der Berücksichtigung
kommunaler,Personenreeht. N° 13. ' 85

fiskalischer oder privater Drittinteressen habe leiten lassen, die
Rekurrentin würde übrigens infolge ihrer Heirat mit Rusch gerade aufhören,
in einer blindne-

, rischen Gemeinde unterstützungsberechtigt -zu' sein, -

sondern es wird bloss behauptet, ein von der Vormund-

vschaftsbehörde Maienfeld eingeholter Bericht des Ge-

meindeammanns von Sevelen (St. Gallen) beruhe auf der unzulässigen
Berücksichtigung von Drittinteressen. Allein abgesehen davon, dass
für die Richtigkeit dieser Behauptung keine objektiven Anhaltspunkte
vorliegen, fällt in Betracht, dass diejenigen Tatsachen, mit Rücksicht
auf welche die Verweigerung der Einwilligung zum Eheabschluss erfolgt
ist, als solche unbestritten sind, dass aber eine vielleicht in jenem
Bericht enthaltene subjektive Meinungsäusserung des Gemeindeammanns von
Sevelen nach den Akten weder für die Vormundschaftsbehörde Maienfeld,
noch für den BezirksgerichtsausSchuss Unterlandqnart, noch endlich für
den Regierungsrat ausschlaggebend war. Die Einwilligung zum Eheabschluss
ist vielmehr einfach deshalb verweigert worden, weil einerseits als sicher
angenommen wurde, dass der Nupturient Busch, ein vermögensund erwerbsloser
Greis von nahezu 70 Jahren, zur Gründung eines Hausstandes nicht mehr
imstande sei, und weil andrerseits der Rekurrentin, die zeitlebens unter
Vormundschaft stand, die nötige Energie, um in einer solchen anormalen
Ehe, wie es diejenige mit Busch so wie so sein würde, ihre eigenen
Interessen genügend zu wahren, abgesprochen wurde, -also aus Gründen,
deren Berücksichtigung sowohl nach Art. 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
BV zulässig ist, als auch dem
Wesen und Zweck des Instituts der Vormundschaft entspricht. Dass aber
die Auffassung ,der kantonalen Instanzen über die unter den vorliegenden
Umständen für die Rekurrentin mit dem Eheabschluss trotz Vormundschaft
und Gütertrennung verbundenen Gefahren auf einer unrichtigen Würdigung
des Tatsachenmaterials beruhe, kann nicht gefunden werden. Nach den
Akten erscheinen die Befürchtungen

86 Familienrecht. N° 14.

der rekursbeklagten Behörden im Gegenteil als begründet, und es bedarf
auch keiner Ausführung, dass die Verbindung der Rekurrentin mit Rusch
keine dem Wesen der Ehe entsprechende sein könnte.

4. Da die Beschwerde schon wegen der durch die Persondes Nupturienten
Rusch und die Umstände bedingten Gefahren, denen die Rekurrentin durch
den Eheabschluss preisgegeben würde, als unbegründet erscheint, so
kann von einer Rückweisung der Sache behufs Einholung eines ärztlichen
Gutachtens über den körperlichen und geistigen Zustand der Rekurrentin
-obwohl von den kantonalen Behörden ein solches Gutachten grundsätzlich
hätte eingeholt werden sollen Umgang genommen werden. .

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. F AM ILIENRECHTDROIT DE LA FAMILLE

14. Urteil der II. Zivilabteilung vom 29. März 1916 i. S. Gemeinderat
Holziken, Kläger, und Zehnder (Ehemann), Intervenient, gegen Zehnder
(Ehefrau), und Zehnder (Kind), Beklagte.

Klage der Heimatgemeinde des Ehemannes auf Aberkennung der Ehelichkeit
eines vor Abschluss der Ehe gezeugten Kindes, in Bezug auf welches der
Ehemann eine Anfechtung unterlassen hat (Art. 256 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1    Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1  vom Ehemann;
2  vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat.
2    Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter.
3    Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262
ZGB). Ist das
Klagrecht befristet? Wie ist die Frist zu berechnen? Anforde-rungen an
den der Klagpartei obliegenden Beweis der Unmöglichkeit der Vaterschaft
des Ehemannes.

A. Der Intervenient, Bürger von Holziken, heiratete am 7. November 1912
die Beklagte N° 1. Am 3. Januar__v......ssz. . --

Familienrecht. N° 14. 87

1913 gebar diese den Beklagten N° 2, der als eheliches Kind des
Intervenienten in das Zivilstandsregister eingetragen wurde.

Im Sommer 1915 standen die Ehegatten miteinander im Scheidungsprozesse. Am
30. Juni 1915 schrieb der Vertreter des Ehemanns dem Gemeinderat von
Holziken: Zehnder heiratete die Frieda Lüthy am 7. November 1912. Am
3. Januar 1913 wurde ihnen ein Kind Rudolf geboren, das der Ehemann
als ehelich anerkannte. Wie er mir nun mitteilt, stammt das Kind nicht
von ihm, sondern von einem Bäckerburschen aus dem Badischen. Er hat
die Kindesmutter überhaupt erst während ihrer Schwangerschaft kennen
gelernt. Diese Aussagen kön nen durch Zeugen bestätigt werden.

Am 30. September 1915 erfolgte darauf die Einreichung der vorliegenden
Klage, mit dem Rechtsbegehren: 1. Es sei festzustellen, dass Beklagter
2 nicht der Sohn des Ehemannes der Beklagten 1 ist und er sei daher als
v aussereheliches Kind der Beklagten 1 zu erklären. 2. Das zuständige
Zivilstandsämt sei anzuweisen, den Beklag ten 2 als aussereheliches Kind
der Beklagten 1 in das Zivilstandsregister einzutragen.

Die Klage, welcher sich Zehnder als Intervenient anschloss, wurde damit
begründet, dass der Intervenient die Beklagte N°1 überhaupt erst im Herbst
1912, als sie selbstverständlich bereits schwanger gewesen sei, kennen
gelernt habe. Der wirkliche Vater des Kindes sei der Bäckergeselle Karl
Ludwig, der wahrscheinlich gestorben sei. Die beklagte Ehefrau selber
habe diese Tatsache in einem am 22. August 1915 mit dem Gemeindeammann
von Holziken geführten Gespräch zugegeben und beigefügt, sie habe dem
Intervenienten schon vor der Verlobung ihre von einem andern herrührende
Schwangerschaft mitgeteilt. '

Vor Gericht gaben die Ehegatten anlässlich ihrer Konfrontation folgende
Erklärungen ab: '

Die Beklagte : Im Juli 1912 habe ich zum ersten
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 42 II 81
Datum : 01. Januar 1915
Publiziert : 31. Dezember 1916
Quelle : Bundesgericht
Status : 42 II 81
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : I. PERSONENRECHTDROIT DES PERSONNES 13. Urteil der n. Zivilabteilung vom so. um


Gesetzesregister
BV: 54
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 54 Auswärtige Angelegenheiten - 1 Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
1    Die auswärtigen Angelegenheiten sind Sache des Bundes.
2    Der Bund setzt sich ein für die Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz und für ihre Wohlfahrt; er trägt namentlich bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
3    Er nimmt Rücksicht auf die Zuständigkeiten der Kantone und wahrt ihre Interessen.
ZGB: 99 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 99 - 1 Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1    Das Zivilstandsamt prüft, ob:
1  das Gesuch ordnungsgemäss eingereicht worden ist;
2  die Identität der Verlobten feststeht; und
3  die Ehevoraussetzungen erfüllt sind, insbesondere ob keine Umstände vorliegen, die erkennen lassen, dass das Gesuch offensichtlich nicht dem freien Willen der Verlobten entspricht.
2    Sind diese Anforderungen erfüllt, so teilt es den Verlobten den Abschluss des Vorbereitungsverfahrens sowie die gesetzliche Frist für die Trauung mit.175
3    Es legt im Einvernehmen mit den Verlobten im Rahmen der kantonalen Vorschriften den Zeitpunkt der Trauung fest oder stellt auf Antrag eine Ermächtigung zur Trauung in einem andern Zivilstandskreis aus.
4    Das Zivilstandsamt teilt der zuständigen Behörde die Identität von Verlobten mit, die ihren rechtmässigen Aufenthalt in der Schweiz nicht nachgewiesen haben.176
256
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1    Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden:
1  vom Ehemann;
2  vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat.
2    Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter.
3    Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
angabe • aussereheliches kind • begründung des entscheids • beklagter • bewilligung oder genehmigung • bundesgericht • ehe • ehegatte • eheliche gemeinschaft • eigenschaft • eigentum • entscheid • ermessen • expertenkommission • fiskalisches interesse • frist • funktion • gemeinde • gemeinderat • jahreszeit • kantonale behörde • kantonales rechtsmittel • leiter • minderheit • obliegenheit • personenrecht • rechtsbegehren • rechtsmittel • regierungsrat • richtigkeit • schwangerschaft • vater • verhalten • verhandlung • verlobung • voraussehbarkeit • vormund • vormundschaftliche behörde • weiler • zeuge • zivilstandsregister