288 Prozessrecht. N° 43.

VII. PROZESSRECHT

PROCÉDURE

43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Januar 1916
i. S. August. Knoblauch, Beklagter und Berufungskläger gegen Emil
Knoblauch, Kläger und .Berufungsbeklagter.

Begriff der Zivilrechtstreitigkeit nach Art. 56 GG. Abgrenzung von den
Sachen der f r e iw i lli g e n Gerichtsb ark eit. Der Entscheid über
gerichtliche Ernennung von Liquidatoren nach Art. 580
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OR. betrifft eine
Zivilrechtstreitigkeit v und der abschliessende kantonale Entscheid
darüber ein H a u p t u r t e il nach Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OG. Prüfung, ob die
richterliche Ernennung im gegebenen Falle Platz zu greifen habe .

Eine berufungsfähige Zivilrechtstreitigkeito--

ist ferner der Streit darüber, ob die Gesellschaftsliquidation durch
körperliche Teilung zu erfolgen habe oder nicht. Prüfung der Frage im
gegebenen Falle (Liquidation einer Fabrikuntemehmung) unter Anwendung
von Art. 82 Abs. 1 QG. Auslegung der Art. 544 Abs. 1 und 582 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 582 - Nach der Auflösung der Gesellschaft erfolgt ihre Liquidation gemäss den folgenden Vorschriften, sofern nicht eine andere Art der Auseinandersetzung von den Gesellschaftern vereinbart oder über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist.
OR.

i. Durch Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juli 1914 wurde die zwischen
den Parteien seit Ende 1907 bestandene Kollektivgesellschaft E. und
A. Knoblauch als auf den 1..November 1914 aufgelöst erklärt.

Im vorliegenden Prozess hat nunmehr der Gesellschafter E. Knoblauch die K}
a g e b e g e h r e n gestellt : 1. Es sei zur Liquidation der Firma vom
Gericht ein Liquidator eventuell mehrere solcher zu ernennen und der oder
die Liquidatoren zu beauftragen, die Liquidation gemäss den Bestimmungen
des 0R unverzüglich durchzuführen, und zugleich sei den bisher zur
Geschäftsführung befugten Gesellschaftern die Vertretungsbefugnis
zuProzessrecht. N° 43. 289

entziehen. 2. Der Eintritt der Liquidation der Firma und die Ernennung
des oder der Liquidatoren seien im Handelsregister einzutragen.

Der Beklagte hat Abweisung dieser Begehren beantragt, mit der Begründung:
Angesichts der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, wie sie
seit dem bundesgerichtlichen Urteile der europäische Krieg herbeigeführt
habe, sei eine Liquidation des Geschäfts zur Zeit im Interesse beider
Parteien nicht angängig und daher stehe dem formellen Rechte des Klägers
auf Vollziehung jenes Urteils die Einrede der Arglist entgegen. Der
Klageantrag auf Bestellung von Liquidatoren sei aber auch deshalb
abzuweisen, weil ein objektiver Grund fehle, um von der Regel des Art. 580
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.

1 OR abzuweichen, wonach die Gesellschafter die Liquidation zu besorgen
haben. Der Kläger sei an den bestehenden Differenzen schuld und könne
daraus keinen Anspruch ableiten. Endlich erweise sich die Ernennung von
Liquidatore-n als überflüssig, weil sich die Liquidation auf Grund einer
körperlichen Teilung sehr leicht durchführen lasse.

Vom letztern Gesichtspunkte aus hat der Beklagte für den Fall,
dass die Liquidation sofort stattzufinden hätte, Wi d e r k l a g e
erhoben mit dem Begehren, der Richter wolle auf körperliche Teilung
der Gesellschaftsaktiven und Passiven erkennen und diese Teilung
nach Vorschrift des Gesetzes vollziehen. Zur Begründung wurde darauf
abgestellt, dass das Gesellschaftsverhältnis unter dem a OR entstanden
sei, die Gesellschafter also Miteigentümer der Geschäftsaktiven geworden
seien und bei Miteigentum in erster Linie eine reale Teilung stattzufinden
habe, die hier, wo das Gesellschaftsvermögen aus zwei getrennten Fabriken
bestehe, sehr wohl möglich sei.

Dem Widerklagebegehren hat der Kläger einen Antrag auf Nichteintreten und
eventuell einen solchen auf Abweisung wegen sachlicher Unbegründetheit
entgegengestellt. Der erstere wurde darauf gestützt, dass das
Widerklagcbegehren, weil bloss eventuell erhoben, forss

290 Prozessrecht. N° 43.

mell ungültig sei und dass es zudem in der Form eines eventuellen
Antwortbegehrens hätte angebracht werden müssen.

Mit Urteil vom 25. November 1915 hat das aargauische Handelsgericbt
die beiden Klagebegehren gutgeheissen, wobei es die Schweizerische
Treuhandgesellschaft in Basel als Liquidatorin ernannte. Es nimmt an,
der Klageanspruch betreibe die Vornahme eines Aktes der sog. freiwilligen
Gerichtsbarkeit. Auf die Widerklage trat das Gericht nicht ein, weil
gegenüber Ansprüchen aus dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Widerklagen, die, wie die vorliegende, eine rein materiellrechtliche
Entscheidung verlangen, nicht zulässig seien. Uebrigens, wird weiter
ausgeführt, müsste die Widerklage sachlich abgewiesen werden. _

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen mit den Anträgen: Es sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils
die Liquidation der Gesellschaft E. und A. Knoblauch zu verschieben ;
eventuell habe die Liquidation durch reale Teilung zu erfolgen und die
anfällig zu bestellenden Liquidatoren seien anzuweisen, die Liquidation
in diesem Sinne durchzuführen, unter Kostenund Entschädigungsfolge zu
Lasten der Gegenpartei. ,

Nachträglich hat der Beklagte (mit Eingabe vom 20. Januar 1916) erklärt :
Er ziehe die Berufung zurück, soweit sie sich darauf beziehé, dass die
Liquidation verschoben werde. Dagegen halte er sie noch soweit aufrecht,
als damit verlangt werde, dass die Liquidation durch reale Teilung erfolge
und die allfällig zu bestellenden Liquidatoren angewiesen werden, die
Liquidation in diesem Sinne durchzuführen.

2. Die Erklärung des Beklagten, er lasse seine Berufung fallen,
soweit sie sich darauf beziehe, dass die Liquidation verschoben
werde , besagt nicht, dass hiemit zugleich der gegnerische Antrag um
Ernennung eines oder mehrerer Liquidatoren anerkannt werde, der den
Haupt-.. ...anProzessrecht. N° 43. T 291

inhalt der gegnerischen Anträge bildet und von der Vorinstanz gutgeheissen
wurde. Da sich der Beklagte hierüber auch in der heutigen Verhandlung
nicht ausgesprochen hat, muss jener Antrag als noch streitig gelten. Es
unterliegen mithin neben dem Widerklage auch noch die zwei Klagebegehren
der Nachprüfung durch das Bundesgericht, wobei immerhin der Beurteilung
der letzteren die Annahme zu Grunde zu legen ist, dass die Liquidation
der Gesellschaft sofort durchzuführen sei.

3. Was die beiden Klagebegehren und im besondern den in ihnen enthaltenen
Antrag auf Bestellung von Liquidatoren anlangt, so fragt es sich vor
allem, ob das Urteil der Vorinstanz berufungsfähig sei und namentlich,
ob es als Urteil in einer Z iv i I r e c h t sstreitigkeit nach Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.

OG zu gelten habe.

Das Handelsgericht hat seinen Entscheid über diese Begehren als Akt der
nicht streitigen Gerichtsbarkeit bezeichnet und bemerkt, der aargauisehe
Gesetzgeber habe offenbar aus Versehen versäumt, die Bestellung von
Liquidatoren nach Art. 5802 OR dem Einzelrichter zuzuweisen.

für die Frage der bundesgerichtlichen Zuständigkeit sind diese
Ausführungen nicht entscheidend. Allerdings will der Ausdruck Zivilrechts
s t r e i t i g k e i t in Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OG unter anderm auch eine A b g
r e n z u n g der streitigen von der freiwilligen Ger i c h t s b a
r k e i t schaffen und das Gebiet der letztern der Zuständigkeit des
Bundesgerichts als Berufungsinstanz entziehen. Aber diese Abgrenzung
regelt sich nicht nach den die freiwillige Gerichtsbarkeit ordnenden
Bestimmungen des kantonalen Rechts, die von Kanton zu Kanton verschieden
sind, und namentlich kann es nicht darauf ankommen, ob das angefochtene
Urteil von einem Kollegialgericht oder einem Einzelrichter ausgefällt
und ob es von jener Behörde erlassen sei, der das kantonale Recht die
als Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bezeichneten Angelegenheiten
zur Beurteilung übertragen

292 ' Prozessrecht. N° 43.

hat. Der Begriff des Akts der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Gegensatz
zu dem der Zivilreehtsstreitigkeit des Art. 56 ist vielmehr wie dieser
ein Begriff des e i dgenössischen Rech ts und zu seiner Bestimmung
muss auf die allgemeinen Grundsätze über die Natur der freiwilligen
Gerichtsbarkeit und den besondern Charakter des Rechtsverhältnisses
abgestellt werden, das jeweilen den Gegenstand der richterlichen Prüfung
bildet. Hiebei fällt folgendes in Betracht :

Der Zivilrechtsstreitigkeit kommt in vorliegender Beziehung als
wesentliche Eigenschaft zu, dass sie eine Rechts s t r e i ti g k e
i t ist, also den Schutz bestrittener Privatrechte gegen Störungen
und Gefährdungen bezweckt. Demnach scheiden als zur freiwilligen
Gerichtsbarkeit gehörend die Fälle aus, wo die richterliche Aufgabe
ihrem Hauptzwecke nach darin besteht, bei der Begründung, Aufhebung
usw. an sich nich t im streite liegender (privater) Rechte mitzuwirken
(vergl. STEIN, ZPO für das deutsche Reich, 10. Auflage, § 1, III
S. 10 und die dort angeführte Literatur). Zu den letztern Fällen lässt
sich aber die gerichtliche Ernennung von Liquidass toren, so wie sie
gemäss Art. 580
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OR vorzunehmen ist, nicht zählen. Freilich werden auch
dadurch Rechte begründet und abgeändert : Der Richter schafft durch
seinen Entscheid die dem ernannten Liquidator gesetzlich zukommende
Zuständigkeit und verändert durch die damit verbundene Neuordnung der
Vertretungsbefugnis, unmitteloder mittelbar, die bisherige Rechtsstellung
der Gesellschafter im Verhältnis unter sich und nach aussen. Allein
das beweist nur, dass sein Entscheid konstitutiver Art ist, keineswegs
aber, dass ihm nicht auch die Eigenschaft, eine Rechtsstreitigkeit zu
erledigen, als wesentliches Merkmal zukomme. Dieser letztere Charakter des
richterlichen Ernennungsaktes ergibt sich denn auch aus dem Gesetze mit
aller Deutlichkeit. Der Art. 580 gewährt dem einzelnen Gesellschafter
nicht etwa einen unbedingten Anspruch auf ErnennungProzessrecht. N°
43. i 293

besonderer Liquidatoren, in welchem Falle sich sagen liesse, dass sich die
richterliche Tätigkeit darin erschöpfe, diesen Anspruch durch Begründung
der mit dem Ernennungsakt verbundenen Rechtslage zu erfüllen, sondern
er ermächtigt den Gesellschafter lediglich, die Wahl von Liquidatoren zu
beantragen und bestimmt, dass die gerichtliche Ernennung im Streitfalle
Platz greife, also dann, wenn die Gesellschafter über die Frage,
ob besondere Liquidatoren einzusetzen seien, nicht einig gehen und
ihr Streit darüber behördlich ausgetragen werden muss. Das entspricht
aber durchaus der Zivilrechtsstreitigkeit im Sinne des OG, (gleicher
Auffassung für das deutsche Recht, trotzdem es die Ernennung besonderer
Liquidatoren den Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit überweist,
HELLWIG, Lehrbuch des Zivilprozessrechts I S. 81).

sodann hat man es, was die Beurteilung der Klage anlaugt, auch mit
einem H a u p t u r t e i l nach Art. 58
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OG zu tun. Gegenstand der
handelsgerichtlichen Entscheidung bildet das Begehren um Ernennung von
Liquidatoren und die damit verbundenen Nebenanträge (um Beauftragung
der Liquidatoren mit der sofortigen Durchführung der Liquidation, um
Entziehung der bisherigen Vertretungsbefugnis beider Gesellschafter und
um Anordnung der erforderlichen Eintragungen im Handelsregister). Ueber
alle diese Ansprüche hat die Vorinstanz abschliessend entschieden. Zu
Unrecht aueh wird der Charakter des Haupturteils mit der Begründung
bestritten, der Kläger bezwecke lediglich die Vollziehung des die
Liquidation aussprechenden Bundesgerichtsentscheides .vom' 13. Juni
1914, also eine blosse Vollstreckungsmassnahme. Soweit dies richtig ist,
ändert es doch nichts

daran, dass diese Massnahme nur auf Grund der Verhand-

lungenin einem Rechtsstreite getroffen werden kann, der ein selbständiges
Inzident des gesamten Liquidationsverfahrens bildet.

4. Muss sonach in Ansehung der Klage auf die Be-

294 Prozessrecht. N° 43,

rufung eingetreten werden, so erweist sich diese jedoch s a c h l
i c h ohne weiteres als unbegründet. Die im frühern Entscheide des
Bundesgerichts festgestellten Tatsachen in Verbindung mit den. dortigen
Ausführungen sowie die Akten des jetzigen Rechtsstreites tun zur Genüge
dar, dass das gespannte Verhältnis zwischen den beiden Gesellschaftern
ein sachgemäss Zusammenarbeiten zumsiZwecke einer den beiderseitigen
Interessen dienenden Liquidation des Geschäfts ansschliesst und dass die
Ernennung eines besondern, diesen Zwistigkeiten fernstehenden Liquidators
daher ununigänglich ist. Die Behauptung, der Kläger könne diese Ernennung
aus dem Grunde nicht verlangen, weil die Liquidation durch Realteilung
vorzunehmen sei, erledigt sich schon dadurch, dass dieser Grund, wie
unten nachzuweisen, in Wirklichkeit nicht besteht. Gegen die Person des
ernannten Liquidators endlich die Schweizerische Treuhandgesellschaft
in Basel ist nichts eingewendet worden.

5. Auch das Widerklagebegehren, wonach richterlich auf körperliche
Teilung der GesellschaftsAktiven undPassiven erkannt und die Vollziehung
dieser Teilung angeordnet werden soll, betrifft eine berufungsfähige
Zivilrechtsstre'itigkeit im Sinne des OG, denn es handelt sich um die
Geltendmachung eines aus dem Gesellschaftsverhältnisse abgeleiteten
bestrittenen Anspruches.

Die Vorinstanz hat diesen Anspruch, gerade wegen seiner
materiellrechtlichen Natur, unbeurteilt gelassen, weil der Streit
darüber nicht im gleichen Verfahren erledigt werden könne wie der
über die Klagebegehren, die sich nach ihrer Ansicht auf eine Sache der
freiwilligen Gerichtsbarkeit beziehen. Immerhin bieten die Akten eine
hinreichende tatsächliche Grundlage, um über das Widerklagebegehren ohne
vorherige Rückweisung endgültig entscheiden zu können, was nach Art. 821
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.

OG zulässgi ist (vergl. BGE 37 II s. 445 Erw. 6).

' In tatsächlicher Beziehung darf nämlich als ausge-

u: --Prozessrecht. N° 43. 295

wiesen gelten, dass eine Teilung, wie sie der Widerkläger verlangt, wonach
jedem Gesellschafter eine der beiden zum Geschäfte gehörenden Fabriken
zugewiesen würde, eine wirtschaftlich unrichtige und schädliche Verkehr
darstellen würde, indem sie dem Zweck der Liquidation zuwiderliefe,
unter gleichmässiger Wahrung der Interessen beider Gesellschafter ein
möglichst günstiges Ergebnis zu erzielen. Die zwei Fabriken bilden die
Hauptbestandteile der materiellen Mittel eines bisher einheitlichen
Betriebsganzen und sind diesem und einander angepasst. Ihre Trennung
und die Spaltung in zwei selbständige Betriebe liesse sich daher nur
mit Unkosten und sonstigen Nachteilen durchführen und die neuen Betriebe
Würden nicht nur wegen ihres kleineren Umfanges an Konkurrenzfähigkeit
einbüssen, sondern auch sich selbst durch gegenseitige Konkurrenz
schädigen. Eine solche wertzerstörende Art der Liquidation könnte der
Widerkläger nur auf Grund einer sie bestimmt vorschreibenden gesetzlichen
Vorschrift verlangen. Mit Unrecht beruft er sich hiebei auf den Art. 5441
des aOR (unter dessen Herrschaft das Gesellschaftverhältnis begründet
wurde und das daher auch für dessen Liquidation massgebend ist).
Wenn laut dieser Bestimmung das Eigentum der einfachen Gesellschaft
,den einzelnen Gesellschaftern zu Miteigentum gehört, so folgt doch
daraus keineswegs, dass bei der Liquidation der Kollektivgesellschaft
der einzelne Gesellschafter einen unbedingten Rechtsanspruch auf reale
Teilung des Gesellschaftseigentnms habe. Dem widerspricht vor allem die
Art und Weise, wie das Gesetz die Liquidation dieser Gesellschaft geregelt
hat. Nach Art. 582 1 ist nämlich das Vermögen der Kollektivgesellschaft
(als Ganzes oder in seinen einzelnen Bestandteilen) zu versilbern
, worunter, wenn nicht ausschliesslich, so doch in erster Linie die
Umsetzung in Geld fällt ; und dass der Grundbesitz hievon keine Ausnahme
macht, zeigt der Absatz 3 des Artikels, indem er die steigerungsweise
Verwertung als die ordentliche Liquidationsart erklärt, von

296 ' Prozessrecht. N° 44.

der ohne Zustimmung aller Gesellschafter nicht abgegangen werden darf. Ein
unentziehbares Recht auf Realteilung hat mithin das Gesetz dem einzelnen
Gesellschafter nicht einräumen wollen und zwar wesentlich auch gerade
aus dem oben erörterten, durch den vorliegenden Fall erhärteten Grunde,
weil sich die Liquidation sonst oftmals wirtschaftlich zweekwidrig
gestalten müsste.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des
Kantons Aargau vom 25. November 1915 bestätigt. '

44. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Juli 1916 i. S. Müller & C",
Beklagte und Berufungskläger gegen Witwe Sophie Müller und Kane., Kläger
und Berufungsbeklagte.

Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit nach Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OG: fallen darunter
Streitigkeiten darüber, ob ein oder mehrere Gesells ch aftsliquidatoren
zu ernennen, ob die in Betracht kommenden Personen qualifiziert seien
und in welchem Verfahren die' Ernennung zu geschehen habe ? Bei den
genannten Streitigkeiten unterliegt der Streitgegenstand einer vle r m
ö g e n s r e c h tl i c h e n S chätz u n g und daher ist nach Art. 67
Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OG der Str eitwert an zug eb en. Die Unterlassung dessen macht
die Berufung unwirksam.

A. Am 1. April 1916 starb Hermann Müller-Köpf, das einzige
Vorstandsmitglied der Kommandit Aktiengesellschaft Müller & Cie in
Basel. Am 13. April 1916 reichten die Erben des Verstorbenen (Witwe
Sophie MüllerKöpf, Witwe Elisabeth Heer-Müller und Ernst MüllerSchmidlin)
in Basel gegen die Firma Müller & Cle Klage ein mit denBegehren : 1. Es
sei festzustellen, dass die Kommandit-Aktien Gesellschaft Müller &
Cie durchProzessrecht. N° 44. 297

. den Tod des einzigen Vorstandsmitgliedes Hermann

Müller-aufgelöst sei und sich in Liquidation befinde. : 2. Es sei der
Gesellschaft durch das Zivilgericht ein Liquidator zu bestellen und es
sei als solcher die . Schweizerische Treuhandgesellschaft zu bezeichnen.
Zur Begründung des einzig noch streitigen zweiten dieser Begehren machten
die Kläger geltend: Die Kommandit-Aktiengesellschaft sei eine Art der
Kommanditgesellschaft und es seien daher auf ihre Liquidation die für
die letztere Gesellschaftsform, nicht die für die Aktiengesellschaft
aufgestellten Gesetzesbestimmungen ergänzend anzuwenden, also die
Art. _611 und 580 OR.

Dem entgegen stellte sich die beklagte Firma, indem sie auf Abweisung des
zweiten Klagebegehrens antrug, auf den Standpunkt, es sei die Liquidation
nach den Vorschriften über die Aktiengesellschaft durchzuführen und es
habe demnach laut Art. 666
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
OR die Generalversammlung, nicht der Richter,
die Liquidatoren zu wählen.

B. Das Appellationsgericht des Kantons BaselStadt hat als zweite Instanz
durch Urteil vom 17. Juni 1916 erkannt : 1. (Gutheissung des ersten
Klagebegehrens seinem sachlichen Inhalte nach.) 2. Die Schweizerische
'Treuhandgesellschaft A.-G. in Basel wird zum Liquidator der aufgelösten
,Kommanditaktiengesellschaft ernannt. 3. Der Handelsregisterführer in
Basel wird angewiesen, die Auflösung der Gesellschaft und die Bestellung
der Schweiz. Treuhandgesellschaft zum Liquidator in das Handelsregister
einzutragen. 4. (Kostenpunkt.)

Die Dispositive 2 und 3 beruhen auf den Erwägungen : Dem unbeschränkt
haftenden Vorstandsmitglied der Kommanditaktiengesellschaft müsse die
Gesellschaftsliquidation gemeinsam mit den von der Generalversammlung
ernannten Liquidatoren zustehen, seinen Erben aber ein Mitspracherecht
bei der Ernennung der Liquidatoren. Im Streitfalle sei die Ernennung
dem Richter zu übertragen. Bei den schroffen Gegensätzen, die zwischen
den Klägern und den Kommanditisten zu Tage getreten

AS 4211 19I6 20
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 42 II 288
Datum : 29. Januar 1916
Publiziert : 31. Dezember 1916
Quelle : Bundesgericht
Status : 42 II 288
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 288 Prozessrecht. N° 43. VII. PROZESSRECHT PROCÉDURE 43. Urteil der I. Zivilabteilung


Gesetzesregister
OG: 56  58  67  821
OR: 580 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 580 - 1 Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
1    Der dem ausscheidenden Gesellschafter zukommende Betrag wird durch Übereinkunft festgesetzt.
2    Enthält der Gesellschaftsvertrag darüber keine Bestimmung und können sich die Beteiligten nicht einigen, so setzt das Gericht den Betrag in Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens und eines allfälligen Verschuldens des ausscheidenden Gesellschafters fest.
582 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 582 - Nach der Auflösung der Gesellschaft erfolgt ihre Liquidation gemäss den folgenden Vorschriften, sofern nicht eine andere Art der Auseinandersetzung von den Gesellschaftern vereinbart oder über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist.
666
SR 813.0: 56
BGE Register
37-II-436
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
liquidator • beklagter • freiwillige gerichtsbarkeit • bundesgericht • besteller • weiler • treuhandgesellschaft • widerklage • vorinstanz • einzelne gesellschaften • aktiengesellschaft • fabrik • zivilrechtsstreitigkeit • kollektivgesellschaft • frage • handelsgericht • witwe • charakter • realteilung • verhältnis zwischen
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