& Staatsreeht.

13. Urteil vom 6. April 1916 i. S. 35112 gegen Luzern, Dbersigericht.

Verurteilung wegen Ehrverletzung durch die Presse. Ein seinem
Gegenstand und Inhalt nach in den Schutzhereich des Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV fallendes
Presserzeugnis wird dadurch nicht unerlaubt, dass für die Veröflentlichung
der betreffenden Tatsachen politische Motive, d. h. die Absicht, einen
politischen Gegner zu trefien, mitbestimmend waren. '

A. Im Luzerner Tagblatt vom 27. November 1913 (N° 277) erschien unter dem
Titel Ein Erbschleicherprozess ein Artikel, dessen Einleitung lautet:

e Ein Erbschleicherprozess, der seinerzeit Viel zu reden gab, fand
im Monat September vor Bundesgericht seinen Abschluss. Der Fall
spielte im Kanton Luzern in einer grossen Landgemeinde irgendwo im
Rottal, die seit 20 Jahren die Segnungen des konservativen Regiments
geniesst. Der Hauptakteur ist der um die Regierungspartei viel verdiente
Gemeindeschreiher, der als Urkundsperson der Erbschleicherei zu Gevatter
gestanden und der von seinem Anwalt als der bedeutendste Mann nicht nur
in der Gemeinde, sondern in der ganzen Gegend bezeichnet wurde. Der
Handel, über den "wir unsere Leser an Hand einer Korrespondenz der
N ational-Zeitung nachträglich noch orientieren wollen, bietet ein
geradezu widerwärtiges Bild. Der Vorgang ist folgender : ......

Es folgt dann die wörtliche Wiedergabe einer Einsendung in der Basler
National Zeitung über die Verhandlung eines Erbschaftsproz'esses vor
Bundesgericht, deren wesentlicher Inhalt dahingeht: ein Bauernknecht,
der sich ein Vermögen von zirka 25,000 Fr. erspart, sei erkrankt und
zur Pflege ins Armenhaus der Gemeinde gebracht worden. Sofort hätten
sich einige Mitglieder des Gemeinderats an ihn herangemacht, um ihn zu
bewegen, zu Gunsten des Schulhausfonds und einiger Dorfvereine Legate
zu errichten. Auch einige Bekannte des KrankenPressireiheit. N° 13. 85

hätten für sich Vermächtnisse oder Erbeinsetzungen zu erlangen gesucht.
Wie die Geier stürzten sie sich auf die sauer ersparten Franken dieses
kranken Männleins. Der Kranke habe dann tatsächlich am 20. Mai 1910
ein erstes, und am 23. Mai ein zweites Testament errichtet, sei aber
schon beim ersten so schwach gewesen, dass er die vom Gemeindeschreiber
verfasste Urkunde nur mit einem Kreuz habe unterzeichnen können, beim
zweiten habe ihm dazu sogar die Hand geführt werden müssen. Im Juli
darauf sei er gestorben. Sein Neffe, und gesetzlicher Erbe habe die
Testamente wegen mangelnder Verfügungsfähigkeit angefochten und, von den
beiden kantonalen Instanzen abgewiesen, die Sache an das Bundesgericht
weitergezogen. Ueber den Geisteszustand des Testators zur Zeit der
Testamentserrichtung hätten verschiedene, zum Teil sich widersprechende
Gutachten vorgelegen. Auf Grund letzterer, der Zeugenaussagen, sowie der
Feststellungen der kantonalen Instanzen habe das Bundesgericht angenommen,
das erste Testament sei bei vollkommener Willensfreiheit errichtet worden,
dagegen habe beim zweiten eine psychische Beeinflussung stattgefunden,
welche den freien Willen als ausgeschlossen erscheinen lasse; daher habe
es jenes, worin der Erblasser zu Gunsten einer Nachbarin 5000 Fr. und
für verschiedene Gemeindezwecke kleinere Summen vermaeht, bestehen
lassen, dagegen dieses, worin er seinem Vermieter 4000 Fr. zugewendet,
als ungiltig aufgehoben. Als Mo-si mente, die das Bundesgericht neben
der allgemeinen Geistesschwäche des Testators zu der Annahme einer
die Verfügungsfähigkeit ausschliessenden Willensbeeinflussung geführt
hätten, führt die Einsendung an : aus den Akten habe sich ergeben,
dass der Testator vom Begünstigten nämlich dem Hausherrn vorher gehörig
bearbeitet worden sei . Als er bei der Testamentserrichtung gefragt
wurde, Wieviel er seinem

Hausherrn ver-machen wolle, sagte er 600 Fr., als dann

aber der anwesende bedachte Hausherr sich unzufrieden

86 staatsrecht-

zeigte, ging er sofort auf 4000 Fr. und so lautete denn auch das
Testament. Nachher zeigte er sich aufgeregt und beiürchtete, es bleibe
ihm ja nichts mehr. Bei einer späterenBefragung kurz vor seinemTode
wollte er nur noch wissen, dass er 600 Fr. vermacht habe. Dazu kam, dass

er mit seinem Hausherrn in letzter Zeit in etwas gespann _

ten Verhältnissen gelebt hatte.... Das machte es unwahrscheinlich,
dass er bei gesunden Sinnen und ganz freiem Willen ihm so viel vermacht
hätte. Wenn er auch gegenüber dem Gemeindeschreiber (so. beim Vorlesen des
Testaments) zur ver-machten Summe stand, so konnte das wohl erfolgen unter
dem Zwange des anwesenden Bedachten, dem er vorher so viel versprochen
hatte. Wegen dieses Artikels erhob der heutige Rekursbeklagte Xaver
Brunner, Gemeindeschreiber in Grosswangen, gegen den heutigen Rekurrenten
Anton Rölli als verantwortlichen Redaktor des Luzerner Tagblatt Klage
wegen Ehrverletzung. Das Amtsgericht LuzernStadt wies ihn ab. Auf erfolgte
Appellation änderte jedoch das Obergericht dieses Erkenntnis durch Urteil
vom 23. November 1915 dahin ab, dass es den Rekurrenten der Beleidigung
des Klägers schuldig erklärte, zu 10 Fr. Busse sowie zur Bezahlung der
Gerichtskosten und der halben Anwaltskosten des Klägers verurteilte,
und letzteren überdies ermächtigte, das Urteilsdispositiv auf Kosten
des Rekurrenten einmal im Kantonsblatt und im Luzerner Tagblatt zu
veröffentlichen. Aus der Begründung des Urteils ist hervorzuheben: nach
den Akten müsse als erstellt gelten, dass es sich bei den Vorgängen,
die zu den Testamenten des Knechts Lischer geführt, tattächlich um
eine Erbschleieherei, d. h. eine mit unmoralischen Mitteln betriebene
Bewerbung um eine Erbschaft gehandelt habe und dass das Verhalten des
Klägers Brunner als Urkundsperson bei der Testamentserrichtung nicht
einwandfrei gewesen sei. Zwar rechne die erste Instanz dem Kläger mit
Unrecht zum Verschulden an, dass er es unterlassen habe, den Testator
auf seine Hand-Pressfreiheit. N° 13. 87

lungsfähigkeit untersuchen zu lassen. Nachdem der anwesende behandelnde
Arzt Dr. Koch bei der ersten Testamentserrichtung auf Betragen die
Verfügungsfähigkeit bejaht, habe für den Kläger kein Anlass zu weiteren
Erhebungen vorgelegen. Auch habe er annehmen dürfen, dass am 23. Mai
dem Datum des zweiten Testaments noch keine wesentliche Veränderung des
Geisteszustands eingetreten sei. Dagegen habe der Kläger insofern nicht
korrekt gehandelt, als er den Testator nicht vor den Zudringlichkeiten
des Hausherrn Eiholzer geschützt, der seine Unzufriedenheit mit dem
ihm zugedachten Betrag von nur 600 Fr. bezeigt und so möglicherweise
den Lischer eingeschüchtert habe, was dann eine erhebliche Erhöhung der
Zuwendung zur Folge gehabt habe. Eine solche Einmischung undBeeinflussung
durch Eibolzer hätte der Kläger als Urkundsperson nicht dulden sollen:
, vielmehr wäre es angezeigt gewesen, Eiholzer aus dem Zimmer zu weisen
und so dem Testator zu ermöglichen, ohne Beeinflussung seinen wahren
Willen kundzugeben. Eventuell hätte der Kläger seine Mitwirkung zur
Testamentserrichtung verweigern sollen, in welchem Falle diese dann
wohl unterblieben wäre. Dadurch, dass er dies nicht getan, habe er
die Erbschleicherei wenigstens indirekt begünstigt und sei ihr in
diesem Sinne zu Gevatter gestanden. So wie der Beklagte den dritten
Satz der Einleitung des Artikels verstanden Wissen wolle und wie er
von, einem Teil der Leser wohl auch habe verstanden werden können,
lägen demnach keine fälschlichen Behauptungen vor. Der Antrag auf
Bestrafung wegen Verleumdung sei deshalb abzuweisen. Dagegen sei in der
Einleitung des Artikels mit Ausnahme des letzten Satzes eine Beleidigung
des Klägers zu erblicken. Der Passus: Der Hauptakteur ist der um die
Regierungspartei viel verdiente Gemeindeschreiber, der als Urkundsperson
der Erbschleicherei zu Gevatter stand, könne auch anders aufgefasst
werden, als es vorstehend für die Frage der Verleumdung geschehen sei,
nämlich dahin, dass der

88 Staamecht.

Kläger als Hauptakteur der Erbschleieherei selber, als deren Veranlasser
bezw. direkter Begünstigter und in diesem Sinne als Gevatter habe hin
gestellt werden wollen. In dieser Zweideutigkeit der Fassung liege eine
unzulässige Verdächtigung des Klägers. Wenn auch eine Kritik der in Frage
stehenden Vorkommnisse zur Wahrung der öffentlichen Interessen angezeigt
gewesen sei, so gehe sie doch in der Art, wie sie hier geübt werden,
über das Mass des Erlaubten hinaus. Der Beklagte habe sich nicht begnügt,
die Einsendung der National-Zeitung wiederzugehen, die einwandfrei
gewesen wäre, sondern in der Einleitung Ausdrücke und Wendungen benützt,
aus denen geschlossen werden müsse, dass es ihm nicht allein darum zu
tun gewesen sei, das Verhalten des Klägers als Urkundsperson bei der
Testamentserrichtung zu kritisieren, sondern speziell dem, Kläger als
politischen Gegner einen Hieb zu versetzen, ihn in der Oeiientlichkeit
blosszustellen und verächtlich machen. Es trafen daher die Voraussetzungen
von 592 des Polizeistrafgesetzes zu, der lautet :

. Kann der einer Verleumdung Angeschuldigte die Wahrheit des gemachten
Vorhalts vollständig beweisen, so ist er von Strafe frei. Sofern aber
aus der Form schon oder aus den Umständen, unter welchen der Vorhait
geschah, hervorgeht, dass dieser in der Absicht, die Ehre des andern
zu kranken, gemacht worden sei, so tritt die im folgenden § 93 (der von
der Beleidigung handelt) festgesetzte Strafe ein.

Audere Stellen, welche eine Beleidigung des Klägers in sich schlössen,
enthalte dagegen der Artikel nicht (was näher ausgeführt wird).

B. . Gegen dieses Urteil des Obergerichts hat Rolli die staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrage, es wegen
Verletzung von Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
und 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aufzuheben und die sämtlichen Kosten
aller Instanzen dem Rekursbeklagten aufzulegen.

C. Das Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer,Pressireiheit. N° 13. 89

und der Rekursbeklagte Brunner haben auf Abweisung der Beschwerde
angetragen. '

Das Bundesgericht zieht i n E r w ä g u n g :

Gegenstand des eingeklagten Artikels bilden die Vorkommnisse, welche
sich unmittelbar vor und bei Errichtung der beiden Testaments des ins
Armenhaus Grosswangen verbrachten Knechtes Lischer abgespielt haben und
die im Artikel als widerwärtige Erbschleicherei bezeichnet werden. Dass
diese Charakterisierung den Tatsachen nicht entspreche, behauptet das
angefochtene Urteil des Obergerichts nicht. Vielmehr nimmt auch es als
bewiesen an, dass eine Erbschleicherei tatsächlich vorgelegen habe. Da
die Bekämpfung der Erbschleicherei als einer unmoralischen Erscheinung
im Volksleben und mithin auch die Bekanntgabe und Rüge dahin gehörender
Vorgänge als Mittel der Bekämpfung unzweifelhaft im öffentlichen
Interesse liegt, erscheint die erste Voraussetzung für die Anrufnng
der Garantie des Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV dass das Presserzeugnis seinem Gegenstand
nach in den Aufgabenkreis der Presse falle demnach als gegeben. Trifft
dies zu, so durfte aber auch dem Rekurrenten nicht verwehrt werden, bei
Besprechung der erwähnten Vorgänge ,auf die Personen, die dabei beteiligt
gewesen waren und durch ihre Tätigkeit zum Erfolg der Erbschleieherei
beigetragen hatten, hinzuweisen. Voraussetzung war nur, dass dies in
sachlicher Weise geschah, d. h. dass der Sachverhalt zum mindesten in den
Hauptzügen richtig wiedergegeben und nicht in einer Weise entstellt wurde,
die im Leser unriehtige Auffassungen über die Rolle, welche einzelne
Beteiligte dabei gespielt hatten, erwecken musste. Diese Schranke ist aber
hier eingehalten worden. Wie die Vorinstanz selbst feststellt, war das
Verhalten des Rekursbeklagten bei der Testamentserrichtung auf alle Fälle
insofern kein korrektes, als es in seiner Pflicht gelegen hätte, die unge-

90 staatsrecht-

gehörige Beeinflussung des Testators durch den Hausherrn Eiholzer zu
verhindern, sei es dadurch, dass er diesen aus dem Zimmer gewicsen,
sei es indem er, sofern sich das als unmöglich herausstellte, seine
Mitwirkung bei der Testamentserrichtung verweigert hätte. Statt
dessen hat er Eiholzer gewähren lassen und so die Verwirklichung
der erbschleicherischen Absichten desselben ermöglicht. Der
Vorwurf, dass er bei der Erbschleicherei eine Hauptrolle gespielt (
Hauptakteur gewesen sei), indem er als Urkundsperson dabei mitgewirkt
(ihr als solche zu Gevatter gestanden) habe, war demnach durchaus
begründet. Eine weitergehende Anschuldigung enthält aber der Artikel
nicht. Insbesondere kann nicht anerkannt werden, dass dessen Fassung
den Eindruck habe hervorrufen oder doch wenigstens nahelegen müssen, der
Rekursbeklagte habe die Erbschleicherei nicht nur indirekt, durch seine
Mitwirkung bei der Testamentserrichtung begünstigt, sondern sie direkt
veranlasst, oder, wie sich das angefochtene Urteil an anderer Stelle
ausdrückt, inszeniert und mit den im Testament Bedachten gemeinsame
Sache gemacht. Eine solche Deutung war schon deshalb ausgeschlossen,
weil der Satz Der Hauptakteur ist der . . . Gemeindeschreiber sofort
durch den Relativsat z (; der als Urkundsperson der Erbschleieherei
zu Gevatter stand , also durch einen Zusatz näher erläutert wurde,
der stets nur auf ein blosses Mitwirken, niemals auf eine intellektuelle
Urheberschaft hinweisen kann. Sie konnte abgesehen hievon auch darum nicht
aufkommen, weil unmittelbar im Anschluss daran der Sachverhalt, auf den
sich der Vorwurf gegen den Rekursbeklagten stützte, in Gestalt eines
wörtlichen Abdrucks der Einsendung der NationalZeitung , im einzelnen
dargestellt wurde. Denn in dieser Einsendung werden als Personen, die
den Erblasser beeinflusst, ausdrücklich nur einige Gemeinderäte -wozu
der Rekursbeklagte nach der eigenen Feststellung der Vorinstanz nicht
gehört, da der Gemeinde-Pressfreiheit. N° 13. 91

schreiber nicht Mitglied des Gemeinderates ist sowie Bekannte, die für
sich ein Vermächtnis hätten erlangen wollen, angeführt. Der Rekursbeklagte
wird darin ausschliesslich als Verfasser des Testaments und Urkundsperson
bei der Testamentserrichtung erwähnt. Dafür, dass er in der Sache
auch noch eine weitere Rolle gespielt, wie z. B. etwa den Bücher bei
der Beeinflussung des Testators unterstützt oder vorher auf letzteren
eingeredet hätte, findet sich auch nicht die geringste Andeutung. Wenn
das Obergericht trotzdem wegen der Verwendung des Ausdruckes Hauptakteur
seinem Urteil jene weitergehende Auslegung zu Grunde gelegt hat, so muss
diese Methode der Interpretation als unzulässig bezeichnet werden. Für
die Frage, ob eine Meinungsäusserung innert der Grenzen des Erlaubten sich
halte, darf nicht auf die Deutung, welche einzelnen Wendungen derselben,
für sich allein genommen, allenfalls gegeben werden könnte, sondern
nur auf den Sinn abgestellt werden, der ihr nach ihrem Zusammenhang
vernünftigerweise beigelegt werden muss.

Entspricht somit die gegenüber dem Rekursbeklagten geübte Kritik so
wie sie nach dem Gesagten aufzufassen ist und richtigerweise allein
aufgefasst werden kann den Tatsachen, so kann es aber nichts verschlagen,
dass für die Veröffentlichung, wie dies nach den einleitenden Sätzen des
Artikels allerdings unverkennbar ist, politische Motive mitbestimmend
waren. Wer sich politisch betätigt, und damit seine Person selbst in die
Oefientlichkeit stellt, muss es sich auch gefallen lassen, dass moralisch
verwerfliche oder doch zum wenigsten unkorrekte Handlungen, die er sich
hat zu schulden kommen und die seine Eignung, im öffentlichen Leben eine
Rolle zu spielen, in Frage stellen, der Oefientlichkeit bekannt gegeben
und entsprechend beurteilt werden, zumal wenn sie wie hier in Ausübung
öffentlicher Funktionen begangen worden sind. Die blosse Absicht, damit
zugleich einen politischen Gegner zu tref-

92 ' Staatsrecht.

fen, kann eine an sich erlaubte, d. h. ihrem Gegenstand und Inhalt
nach in den Schutzbereich des Art. 55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
BV fallende Aeusserung nicht zur
strafbaren machen.

Muss demnach die Verurteilung des Rekurrenten als der erwähnten
Verfassungsnorm zuwider-laufend aufgehoben werden, so fallen damit auch
deren prozessuale Nebenfolgen d. h. die Bestimmungen über die Kosten
und die ausserrechtliche Entschädigung an die Gegen-

partei dahin. Es wird Sache des kantonalen Richters sein, über diesen
Punkt auf Grund des bundesgerichtlichen Urteils nen zu entscheiden. '

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:

Der Rekurs wird gutgeheissen und demgemäss das damit angefochtene
Urteil der H. Kammer des luzernischen Obergerichts vom 23. November
1915 aufgehoben.

VU. GERICHTSSTANDFOR-

14. Arrét de la Section civile da 4 février 1916 dans la cause Dame
Kohler-Semak contre Christian Kohler.

OJF art. 189 al. 3. Competence du Tribunal federal en matiere de for.

CC art. 25 al. 2, 144, 149 et suiv. Domicile séparé de la femme; droit
de cette dernière d'y introduire une action en divorce contre son
mari. Conditions dans lesquelles les mesures protectrices de I'union
conjugale peuvent étre considérées comme ayant perdu leur efiet.

A. ' La recourante, dame Irma Kohler-Sermet, ouvrière de fabrique à
Fontainemelon, avait introduit leGerichtsstand. N° U ZJZ

1er avril, 1914 devant les tribunaux neuchàtelois une action en divorce
contre son mari Christian-Henri Kohler qui menait une vie assez nomade et
exercait alors la profession de baigneur à Baden. Au cours de l'instance
ce dernier, qui ne payait pas régulièrement la pension alimentaire mise
à sa charge, fut condamné par le Tribunal de police du Val de-Ruz avec
sursis à la peine d'un mois d'emprisonnement pour abandon de famille. Par
jugement du 8 décembre 1914, le Tribunal cantonal de Neuchàtel a écarté
les conclusions en divorce prises par les deux parties.

Dame Kohler a alors demandé et obtenu du president du Tribunal civil du
Val-de Ruz, le 9 février 1915, l'autorisation de se constituer,. pour
elle et ses enfants, un domicile séparé aux termes de l'art. 25 al. 2 CC,
son mari étant en outre condamné a lui verser une pension mensuelle de
15 fr. par mois et par enfant. Ce jugement constate que Kohler n'a ni
domicile fixe, ni occupation régulière et qu'il a expliqué au juge, lors
de sa comparution personnelle, avoir obtenu un passeport pour se reudre
a Lyon. Il avait, an cours de la procédure, constitué par declaration
au Greffe un mandataire en la personne de Me Löwer, avocat a La Chaux
de Fonds, auquel la decision du president du Tribunal a été communiquée.

Kohler n'ayant pas payé à sa femme la pension qu'il devait lui servir,
celle-ci a porté plainte contre lui en abandon de famille, mais, par
jugement du 16 juillet 1915, le Tribunal de police du Val-de-Ruz a libéré
Kohler des fins de la poursuite, parce qu'il avait établi ne pas avoir
de gains suffisants pour s'acquitter régulièrement vis-àvis de sa femme.

Le 17 du méme mois de juillet 1915, la recourante a notifié à son mari la
citation préalable en conciliation avant procédure en divorce; celui-ci
n'a pas comparu à l'audience fixée au 31 juillet et a contesté par lettre
la competence des tribunaux neuchàtelois. Kohler habitait Genève depuis
le mois de mars, y avait exercé successive-
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 42 I 84
Datum : 06. April 1916
Publiziert : 31. Dezember 1916
Quelle : Bundesgericht
Status : 42 I 84
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : & Staatsreeht. 13. Urteil vom 6. April 1916 i. S. 35112 gegen Luzern, Dbersigericht.


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
55
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 55 Mitwirkung der Kantone an aussenpolitischen Entscheiden - 1 Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
1    Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten oder ihre wesentlichen Interessen betreffen.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend und holt ihre Stellungnahmen ein.
3    Den Stellungnahmen der Kantone kommt besonderes Gewicht zu, wenn sie in ihren Zuständigkeiten betroffen sind. In diesen Fällen wirken die Kantone in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen mit.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
annahme des antrags • begünstigung • beklagter • beleidigung • beteiligung oder zusammenarbeit • bewilligung oder genehmigung • brunnen • bundesgericht • busse • dispositiv • ehre • entscheid • erbeinsetzung • erblasser • erste instanz • form und inhalt • frage • funktion • gemeinde • gemeinderat • gemeindeschreiber • gerichtskosten • gesetzlicher erbe • kantonales rechtsmittel • koch • kommunikation • leben • mais • mann • mass • minderheit • monat • neffe • presse • regiment • richtigkeit • sachverhalt • staatsrechtliche beschwerde • stelle • testament • verfassung • verhalten • verurteilter • verurteilung • vorinstanz • vorlesung • wahrheit • weiler • wiese • wille • wirkung • wissen • zeitung • zimmer