398 ' Strafrecht.

wiesen werden. Wenn aueh diese Strafe, wenigstens in ihrem Maximum,
als eine verhältnismässig hohe bezeichnet werden muss, so hat es
doch nach dem Gesetz die Mei . nung, dass in erster Linie Geldbusse
ausgesprochen und nur in sehwereren Fällen (wie bei Vorsatz)
damit Gefängnis verbunden werden solle. Ebenso kann sich der
Kassations-beklagte auch nicht auf Art. 11 BStrR berufen, der als
Regel nur die Bestrafung der vorsätzlichen strafbaren Handlungen oder
Unterlassungen kennt. Allerdings findet der allgemeine Teil des BStrR
subsidiär auch auf die in den Bundesspezialgesetzen geordneten Delikte
Anwendung, jedoch nur insoweit, als dies der Natur der Sache nach angeht
(vgl. AS 33 I S. 201 und die dort genannten weiteren Entscheide des BG,
sowie RENOLD, Bundesverwaltungsstrafrecht, S. 50 f.). Die Natur der Sache
spricht nun aber gerade hier gegen eine Anwendung des Art. 11 BStrR, da,
wie bereits ausgeführt worden ist, dem Interesse, dessen Schutz Art. 213
Abs. 3 MO bezweckt, durch Beschränkung der Strafbarkeit auf vorsätzliche
Begehung des Delikts nicht gedient wäre.

Demnach hat der Kassationshof erkannt:

Die Kassationsheschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer
des Obergerichts des Kantons Bern vom 24. Juni 1916 aufgehoben und die
Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

van. _

' Organisation der Bundurechtspflege. N° 53. 899

II. ORGANISATION DER BUNDESRECHTSPFLEGEORGANISAT ION J UDIC IA IRE
FÉDÉRALE

53. Urteil des Kassationshofes vom 28. November 1916 i. S. Stücklin,
Kassationskläger, gegen Sean und Basler, Kassationsbeklagte.

Legitimation zur Kassationsbeschwerde, OG Art. 161 und 146. Anwendbares
Recht; Voraussetzungen.

A. Der Kassationskläger Stücklin ist Pächter des Jagdreviers
Bettingen. Als solcher hat er am 20. Oktober 1916 beim baselstädtischen
Polizeigericht Strafanzeige erstattet gegen die Kassationsbeklagten Senn,
Wald * dann-wart der Gemeinde Bettingen, und Basler, Gemeindepräsident
daselbst, weil ersterer das Abschiessen von Amseln gestattet habe und
letzterer den Abschuss vornehme ; hierin erblickte der Kassationskläger
eine Uebertretung des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1904 über Jagd Und
Vogelschutz, Art. 21 Ziiî. 6 litt. a und Ziff. 5 litt. a.

An der Verhandlung vom 27. Oktober 1916 vor dem Polizeigericht Basel-Stadt
haben teilgenommen : die Kassationsbeklagten als Verzeigte, der
Kassationskläger als Anzeiger ( Privatverzeiger ) und der Staatsanwalt.
Dieser beantragte Freisprechung; die Verzeigten verzichteten auf das
Wort ; der Kassationskläger hatte keinen Antrag zu stellen. Das Gericht
entsprach dem Antrag auf Freisprechung durch Urteil vom selben Tage.

B. Gegen dieses Urteil hat der Kassationskläger rechtzeitig und
formrichtig beim Bundesgericht Kassationsbeschwerde erhoben, mit dem
Antrag auf Aufhebung und auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur

480 . Strafrecht.

Verurteilung der 'Kassationsbeklagten gemäss Art. 21 Ziff. 5
litt. a, eventuell Ziff. 6 litt. a des Bundesgesetzes über Jagd
und Vogeischutz. Aus der Begründung ist hinsichtlich der Frage der
Legitimation hervorzuheben : Nachdem der StaatsanWalt auf den öffentlichen
Strafanspmeh verzichtet habe, müsse es dem Anzeiger als Privatkläger
gestattet sein, seinen Rechtsanspruch, der auf Bestrafung der Beanzeigten
und auf Untersagung einer weiteren Jagdausübung durch Unberechtigte
innerhalb seines Jagdpachtgebietes gehe, weiter zu verfolgen. Er sei
als Verletzter im Sinne von Art. 161 OG. anzusehen ; dieser sei so
zu verstehen, dass bei Antragsdelikten nur den Prozessbeteiligten die
Kassationsbeschwerde zustehe, in allen anderen Fällen aber der Verletzte
neben dem Staatsanwalt legitimiert sei.

Der Kassationshof zieht in E r w ä g u n g :

Es fragt sich in erster Linie, ob der Kassationsldäger zur Beschwerde
legitimiert sei. Die Frage ist in sinngemässer Anwendung des Art. 161 OG
zu entscheiden. Danach steht das Rechtsmittel der Kassation in den Fällen,
in denen die Strafverfolgung vom Antrag des Verletzten abhängig ist,
nur den durch die Entscheidung betroffenen Prozessbeteiligten , in den
Fällen, wo nach Art. 153 und 155 OG das kantonale Urteil dem Bundesrate
einzusenden ist, auch diesem zu. Die übrigen Fälle aber, die von

kantonalen Gerichten nach eidgenössischen Strafgesetzen --

zu entscheiden sind, nämlich die Ofiizialdelikte und die Fälle der
Durchführung von Strafansprüchen eidgenössischen Rechts auf Privatklage
hin, behandelt Art. 161 OG, von der Regelung der Ausnahmestellung des
Bundesrates abgesehen, nicht. Nach Art. 146 OG sind in diesen Fällen für
die Legitimation die kantonalen Strafprozessgesetze massgebend, soweit
nicht andere bundesgesetzliche Bestimmungen einschlägige Vorschriften
enthalten (vergl. Urteil des Kassationshofes vom 23. März 1909ex.-A.__

Organisation der Bundesrechtspflege. 401

i. S. SBB gegen Hofstetter : BGE 35 I S. 188, sowie Urteil der
staatsrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 20. Oktober 1904
i. S. Tieffenbach : BGE 3a I S. 631). Als unZWeifelhafter Grundsatz hat
dabei zu gelten, dass nur

' eine P r o z e s s p a r t e i zur Strafverfolgung und damit

auch zur Kassationsbeschwerde legitimiert sein kann : der Angeklagte auf
der einen Seite, auf der anderen Seite der Träger des Strafanspruchs
(Staatsanwaltschaft) oder auch der Geschädigte, dieseraber nur sofern
ihm P a rt e i r e c h t e zukommen, sei es als Privatstrafkläger,
als Popularkläger oder als adhäsionsweise auftretende Zivilpartei. Aus
einer hundesrechtlichen Bestimmung, etwa dem Bundesgesetz über Jagd
und Vogelschutz, kann nun hier eine Legitimation des Kassationsklägers
in seiner Eigenschaft als Pächter des Jagdreviers Bettjngen nicht
hergeleitet werden. Also hat es beim kantonalen Strafprozess sein
Bewenden. Nach diesem aber war der Kassationskläger blosser Anzeiger
oder Privatverzeiger (Denunziant). Als solchem hätten ihm nur dann
Parteirechte zugestanden, wenn er eine Entschädigungsforderung gestellt
hätte, was er jedoch nicht getan hat ; der blosse Verzeiger ist nach den
massgebenden Bestimmungen des Polizeistrafverfahrens vom 8. Februar 1875 (
§§ 7, 17, 21, 22, 28, 38 Abs. 3), sowie des Gesetzes vom 14. November 1881
betreffend Einleitung des strakveriahrens nicht Prozesspartei. Folglich
kann der Kassationskläger nicht den von der Staatsanwaltschaft fallen
gelassenen öffentlichen straiansprueh nunmehr vor Bundesgericht geltend
machen (Vergl. hiezu auch BGE 34 I S. 815).

Demnach hat der Kassationshok erkannt:

Auf die Kassationsbeschwerde wird nicht eingetreten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 42 I 399
Datum : 23. Juni 1916
Publiziert : 31. Dezember 1916
Quelle : Bundesgericht
Status : 42 I 399
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : 398 ' Strafrecht. wiesen werden. Wenn aueh diese Strafe, wenigstens in ihrem Maximum,


Gesetzesregister
MO: 213
OG: 146  153  155  161
BGE Register
34-I-800 • 35-I-186
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kassationshof • legitimation • staatsanwalt • bundesgericht • zivilpartei • polizeigericht • bundesrat • bettingen • frage • vorinstanz • strafverfolgung • strafbare handlung • vorsatz • strafantragsteller • bundesrechtspflegegesetz • entscheid • strafanzeige • rechtsmittel • kantonales rechtsmittel • tag
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