122 ss Staatsrecht.

gericht den Beschluss nach dieser Richtung nachzuprüfen befugt Wäre,
kann daher offen bleiben.

Demnach hat das Bundesgericht e r k 3 n n t :

Der Rekurs wird abgewiesen-

20. Urteil vom 17. Juli 1916 i. S. Landmann gegen St. Gallen,
Regierungsrat.

Zulässigkeit kantonaler Gesetzesbestimmungen, durch die der Handel mit
Stickereiramschwaaren zwecks Fernhaltung moralisch nicht einwandfreier
Personen polizeilichen Beschränkungen insbes. der Patentpflicht
unterworfen wird. Kognition des Bundesgerichts inbezug auf die Frage,
ob das Patent zu Recht verweigert werden sei.

A. Nach Art. 1 bis 3 des st. gallischen Gesetzes über
Stickereiramschgeschäfte vom 17. Mai 1911 bedarf, wer den Anund Verkauf
von Sfickereîramschwaren (Ramsch in Stickereien, Plattstichwaren, Rideanx,
Stoffen, Garnen 11. 5. W.) gewerbsmässig betreiben will, eines Patentes,
das vom Regierungsrat auf'das Gutachten des Gemeinderats und des-'
Bezirksammanns, jedoch nur an solche Bewerber erteilt wird die für eine
klaglose Führung des Geschäftes volle Gewähr bieten . Jeder nach Massgabe
des Gesetzes Patentpflichtige hat über Anund Verkauf ordnungsmässig
Buch zu führen : die Bucheinträge sollen die Daten des Anund Verkaufs,
die Anund Verkaufsweise, die möglichst genaue Bezeichnung der Waren und
die Namen der Verkäufer und Käufer enthalten : Verkaufspreise und Käufer
können in besondere Bücher eingetragen werden. Nicht im Handelsregister
eingetragene Patentpflichtige haben sich für die Buchführung bei der
Staatskanzlei zu beziehender Formulare zu bedienen (Art. 4). Zwecks
Überwachung der Beachtung des Gesetzes ist der Bezirksammann berechtigt,
selbst oder durchHandelsund Gewerbefreiheit. N° 20. 123

von ihm bezeichnete Fachexperten in die Bücher und deren Unterlagen
Einsicht zu nehmen und in den Geschäftsräumen und Warenlagern Nachschau
zu halten : immerhin soll eine solche Untersuchung nur aus erheblichen
Gründen angeordnet werden ; die Einsicht in die V e rkaufsbiicher kann
nur im Strafuntersuchungsverfahren verlangt werden (Art. 5). Für das
Patent, dessen Dauer ein Jahr beträgt, ist eine Gebühr von 25 bis 100
Fr. an die Staatskasse zu entrichten (Art. 7). Übertretungen des Gesetzes
werden, somit sie nicht den Tatbestand eines im Strafgesetz unter Strafe
gestellten Verbrechens oder Vergebens enthalten, mit Geldstrafe bis auf
500 Fr., in schweren Fällen oder im Rückfalle mit Geldstrafe bis auf 2000
Fr., allein oder in Verbindung mit Gefängnis bis auf drei Monate bestraft
(Art. 8).

B. Gestützt auf diese Bestimmumgen hat der Regierungsrat von St. Gallen
durch Entscheid vom-10. Juni 1916 ein Gesuch der heutigen Rekurrentin
Frau Ghana Landsmann geb. Feigelsohn in St. Gallen um Erteilung des
Stickereiramschhandelspatents entsprechend dem Antrage des Stadtrats
St. Gallen mit der Begründung abgewiesen, dass die Gesuchstellerin bereits
zweimal in den Jahren 1912 und 1913 wegen Übertretung des Hausiergesetzes,
und ihr mit ihr zusammenlebender Ehemann _ Georg Landsmann dreimal wegen
Übertretung des nämlichen Erlasses sowie des Ramschgesetzes vorbestraft
sei und daher die Voraussetzungen von Art. 2 des Gesetzes für die
Patenterteilung nicht vorliegen.

C. Gegen diesen Entscheid hat Frau Ghana Landsmann geb. Feigelsohn
die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit
dem Antrage, er sei aufzuheben und es sei der Rekurrentin der Handel
in billigen Stickereien und Stickereifehlstreifen zu gestatten. Als
Beschwerdegrund wird Verletzung von Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV und des Grundsatzes der
Rechtsgleichheit geltend gemacht und ausgeführt : das st. gallische Gesetz
vom 17. Mai 1911 versetze der bundesrechtlich gewährleisteten Gewerbe-

124 ' Staatsrecht.

freiheit auf diesem Gebiete den Todesstoss . Es schaffe zweierlei Recht.
Während mit der Fabrikation und dem Handel in besseren fehlerfreien
Stickereien sich jedermann befassen dürfe, würden dem armen Händler
in Resten und Fehlstreifen eine Reihe beschränkender Bedingungen und
Verpflichtungen auferlegt oder sogar ohne jede gerechtfertigte Ursache
überhaupt die . Erwerbsgelegenheit genommen und so ein Teilmonopol

ss begründet. Im vorliegenden Falle hätte überdies die Gewerbeausübung
auch auf dem Boden des Gesetzes nicht verweigert werden dürfen, indem
ein innerer Widerspruch darin liege, dass man einerseits früher die
Rekurrentin wegen Handelns ohne Patent gebüsst habe, andererseits nunmehr,
nachdem sie ein solches erwerben wolle, dessen Erteilung verweigere
obwohl ihr nichts Unehrenhaftes nachgesagt werden könne, und sie als
fleissige und arbeitsame Frau bekannt sei .

D. Der Regierungsrat von St. Gallen verweist in seiner Vernehmlassung,
in der er auf Abweisung der Beschwerde schliesst, gegenüber der Anfechtung
des Gesetzes selbst auf seine Botschaft an den Kantonsrat vom 22. Februar
1910, die über die Absichten und Ziele, die man mit der gesetzlichen
Regelung verfolgt, allen erforderlichen Aufschluss gebe und worin auchdie
Frage ihrer Vereinbarkeit mit Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV bereits erörtert sei.

In Bezug auf die Zulässigkeit der Abweisung des Patentgesuchs im
vorliegenden Falle macht er im Wesentlichen geltend, dass die Ehefrau
Landsmann augenscheinlich lediglich von ihrem Manne als Patentbewerberin
vorgeschoben werden sei, weil dieser sich, nachdem er im Januar d. J. in
Konkurs gefallen und überdies mehrfach vorbestraft sei, nicht mehr um
das Patent bewerben könnte. Da anderseits auch die Ehefrau Landsmann
selbst schon wegen Übertretung gewerbepolizeilicher Vorschriften habe
bestraft werden müssen, dürfe daher mit Fug gesagt werden, das., die
nötigen Garantien für eine polizeilich klaglose ,Führung des Geschäfts
hier nicht vor-

.si ,....Handelsund Gewerbefreiheit. N° 20. 125

lägen. Die früheren Bestrafungen des Ehemanns Lands-

mann zeigten, dass er sich grundsätzlich abgesehen von der Umgehung
der Taxe den Vorschriften und Kontrollmassnahmen des Gesetzes mit allen
Mitteln zu entziehen suche. Seine Tätigkeit im Geschäfte seiner Frau, der
es nach ihren verschiedenen auf Erregung von Mitleid gerichteten Vorgaben
heim Hausierhandel zu schliessen ebenfalls an der nötigen Geschäftsmoral
zu fehlen scheine, liesse sich erst recht schwer kontrollieren.

E. Nach der erwähnten Botschaft des Regierungsrats an den Grossen Rat vom
22. Februar 1910 zum Gesetzesvorschlag über Stickereiramschgesehäfte
ist die Anregung zur gesetzlichen Regelung dieser Materie vom
Industrieverein St. Gallen ausgegangen, der in verschiedenen an
das st. gallische Volkswirtschaftsdepartement gerichteten Eingaben
darauf hinwies, dass infolge des Bestrebens der Stickereustrie nur
tadellose Ware zu liefern, viel Ausschuss entstehe, der nicht auf den
regulären Markt komme, sondern als sog. Ramsch unter Tagespreisen
verkauft werde. Ankauf, Zurechtmachung und Wiederverkauf dieser Waren
bildeten den Gegenstand da Ramschoder Partiewarengeschäfts. Die an sich
notwendige wirtschaftliche Funktion habe aber zu s t ei g e nd e n M
i s s s t ä n d e n geführt, besonders durch den in. den letzten Jahren
eingetretenen Zustrom von Leuten aus osteuropäischen Ländern, die zum Teil
ohne genügende Kenntnisse und mit geringer geschäftlicher Moral sich dem
Handel widmeten. Solche, denen das Hausieren ver schlossen werden sei,
hätten sich dem Ramschhandel zusgewendet. Sie arbeiteten aber vielfach
ohne Bücher, mit Familienangehörigen in Wohnund Schlafzimmern und nahmen
skruppellos alle Waren auf, ohne nach deren Herkunft zu fragen. Mit
gestohlenen Waren werde so ein schwungvoller Handel betrieben. Eine
Enquéte der Staatsanwaltschaft habe festgestellt, dass 32 Ramschgeschäfte
in St. Gallen keine Buchführung besässen. Die Zahl dieser Geschäfte und
namentlich der Einkäufer, die zum Teil

125 Stantnrecht.

die Bettelei damit verbinden, nehme beständig zu und es würden unter
Deekadressen mit Strohmännern Ramschwaren übernommen und vertrieben. Eine
grosse Rolle spielten die Beziehungen dieser Ramscher mit Landsleuten in
aller Herren Länder, durch welche die dubiose Ware rasch nach dem Einkauf
in verschiedene Hände ins Ausland gelange und selten zurückgenommen werden
könne. Oft könne nicht einmal der Name des Hehlers festgestellt werden,
oder es gelinge nicht, ihn zu überführen. Nicht selten verschwinde er
samt der gestohlenen Ware und es könne nur der Dieb gefasst werden. Eine
Reihe solcher Straffälle seien in den letztzn Jahren von den St. Galler
und Appenzeller Gerichten behandelt worden. Die Diebe seien meistens
junge, von Ramschern verleitete Leute. Die Polizeidirektion des Kantons
Appenzell A.-Rh. schreibe : Wir sind überzeugt, dass die häufigen
Diebstähle von Stiekwaren zum grossen Teil unterbleiben würden, wenn
nicht die Diebe bei den vielen Ramschern willige Abnehmer ihrer Ware
finden würden. Die Verschleierung des Einkaufs von Ramschware sei ein der
Industrie höchst schädlicher Übelstand. Ein weiterer Übelstand sei die
Ramschfabrikation. Auch hier bilde die Verschleierung durch mangelnde
Buchführung den N ährboden von Betrug und Hehlerei. Die Muster von
Waren, die von Ramschern produziert werden, seien fast durchwegs fremdes
Eigentum, mit oder ohne kleine Änderungen, auch bei der Beschaffung des
Materials spielten Betrug und Diebstahl eine grosse Rolle.

Nachdem der Regierungsrat sich durch eigene Erhebungen davon überzeugt
hatte, dass in der Tat eine bedenkliche Zunahme der Straffälle, die mit
dem Remschhandel inZusammenhang stehen, zu verzeichnen sei , und dass
infolgedessen sowie wegen der aus dem fraglichen Geschäftsbetriebe
sich ergehenden Gefährdung der redlichen Industrie die Anrufung
der Staatshilfe berechtigt sei, indem die Führung geordneter Bücher
durch die Ramschgeschäfte und deren Kontrolle, die dasHandels. und
Gewetbefreihelt. N° 20. 127

Hauptmittel zur Verhütung oder Entdeckung von Diebstahl und Hehlerei
bildeten, sich nur durch staatliche Zwangsvorschriften verwirklichen
liessen, entschloss er sich, dem Grossen Rat den Gesetzesentwurf betr. dle
Stickereiramschgeschäfte , dessen Vorschriften sich im Wesentlichen mit
den heute zum Gesetz gewordenen decken, zu unterbreiten ;

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Das den Kantonen durch Art. 31 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
. e BV vorbehaltene Recht zum
Erlass gewerbepolizeilicher Vorschriften schliesst, wie stets anerkannt
worden ist, auch die Befugnis in sich, die Ausübung von Gewerben, die
besondere Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bieten,
bestimmten beschränkenden Bedingungen zu unterwerfen, insbesondere
dazu nur solche Personen zuzulassen, die sich über die zu einer
polizeilich einwandfreien Geschäftsführung erforderlichen Eigenschaften
ausweisen. Zu den Fällen, in denen eine solche Regelung für statthaft
zu erachten istzählen insbesondere auch diejenigen Gewerbezweige, die
erfahrungsmässig, wenn von nicht einwandfreien Elementen ausgeübt,
leicht zum Deckmantel verbrecherischer Betatigung, insbesondere der
Begünstigung von Eigentumsdelikten und der Hehlerei, werden und dadurch
nicht nur der Unredlichkeit Vorschub leisten, sondern auch dem Staate die
Erfüllung seiner kriminalpolizeiliehen Aufgabe erschweren. Dürfte auch
der letztere. Gesichtspunkt für sich allein in der Regel nicht ausreichen,
um der freien Ausübung von Handel und Gewerbe selbst Schranken zu ziehen,
sondern zu sagen sein, dassdas Korrektiv gegen hiebei sich ergebende
Ubelstände dieser Art in einer zweekentsprechenden Ausgestaltung der
materiellstrafrechtlichen und strafprozessrechtlichen Vorschriften zu
suchen sei, so muss doch da eine Ausnahme gemacht werden, wo es sich um
einen Gewerbebetrieb

128 Staatsrecht.

handelt, der wegen seines besonderen Gegenstands oder seiner abnormen,
von denen des gewöhnlichen Handels abweichenden Betriebsformen ein
besonders ergiebiges Feld für die Kriminalität schafft. Wo dies der
Fall ist, kann dem kantonalen Gesetzgeber nicht verwehrt werden, auf dem
Wege der gewerbepolizeilichen Regelung Massnahmen zu treffen, welche die
Aufdeckung der durch die spezielle Art des Gewerbes begünstigten Vergehen
erleichtern. Von diesem Gesichtspunkte aus sind denn auch die Bestimmungen
kantonaler Gesetze, durch die dem Trödler und Pfandleihgewerbe den
vorliegend in Frage stehenden durchaus analoge Beschränkungen auferlegt
wurden, sowohl vom Bundesrat als von der Bundesversammlung als zulässig
erklärt werden (vgl. SALIS ll N° 764, Bbl 1904 I S. 813 H.). Da der
Handel mit Stickereiramschwaren, wie er sich in St. Gallen herausgebildet
hat, nach den in der oben angeführten regierungsrätlichen Botschaft
enthaltenen Feststellungen, an deren Richtigkeit nicht zu zweifeln ist,
zu den Gewerben dieser Kategorie gehört, besteht daher kein Anlass in
Bezug auf es einen anderen Standpunkt einzunehmen.

Wenn die Rekurrentin von der Schaffung eines Teilmonopols zu Gunsten
des Handels mit guter fehlerfreier Ware spricht, so liegt darin offenbar
lediglich eine rhetorische Übertreihung, die nicht ernst zu nehmen ist :
von einem solchen Monopol kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil
ja der Ramschhandel nicht untersagt, sondern nur einigen polizeilichen
Beschränkungen unterworfen wird, die sich durch seine Natur, insbesondere
seine soziale Gefährlichkeit vollauf rechtfertigen. Aus dem nämlichen
Grunde geht auch die Rüge der Verletzung der Rechtsgleichheit fehl,
da die verschiedene Behandlung des regulären und des Ramschhandels
nach dem Gesagten in der Verschiedenheit der Verhältnisse beider eine
hinreichende Erklärung findet.

Soweit die Beschwerde die Verfassungsmässigkeit des

.Handelsund Gewerbefreiheit. N° 20. 129

Gesetzes vom 17. Mai 1911 selbst, bezw. der darin für die Zulassung zur
Ausübung des Ramschhandels aufgestellten Bedingungen anficht, erweist
sie sich demnach ohne weiteres als unbegründet.

2. Das gleiche gilt in Bezug auf die Zulässigkeit der Patentverweigerung
im vorliegenden Falle. Ob die Rekurrentin die in Art. 2 des Gesetzes
verlangten Garantien für einwandfreie Ausübung des Gewerbes biete, ist
eine Tattrage, die von der zuständigen kantonalen Behörde in Würdigung
aller Umstände nach freiem Ermessen zu

. beantworten war. Die darüber getroffene Entscheidung

könnte daher nur aufgehoben werden, wenn sie auf Willkür beruhen
würde, der Regierungsrat also entweder auf Momente abgestellt hätte,
denen in diesem Zusammenhang schlechterdings keine oder doch keine
massgebende Bedeutung zukommen kann, oder die Tatsachen in offenbar
unrichtiger und aktenwidriger Weise gewürdigt hätte. Dies trifft
aber augenscheinlich nicht zu. Denn einmal weisen die Vorstrafen
der Rekurrentin darauf hin, dass auch sie selbst keine Person ist,
die sich der öffentlichen Ordnung zu unterwerfen gewillt ist. Leute,
die sich den Landesgesetzen nicht fügen, bieten aber von vorneherein
keine volle Gewähr für eine Geschäftsführung, die sich nach strengen
polizeilichen Ordnungsvorschriften zu richten hat. Sodann kommt in
Betracht, dass die Rekurrentin die Ehefrau des Georg Landsmann ist,
der wegen seiner Eigenschaft als Konkursitund dreimal wegen Ungehorsams
gegen das Gesetz Bestrafter sich nicht selbst um das Patent bewerben
könnte. Wenn der Regierungsrat unter diesen Umständen angenommen hat,
dass es sich hier einfach um eine Umgehung des Gesetzes handle, indem
die Rekur-rentin nur formell als Geschäftsinhaberin vor-geschoben werde,
während in Wirklichkeit der Ehemann Landsmann den Handel weiter betreiben
Würde, so kann diese Annahme unmöglich als willkürlich angesehen werden.

AS 42 I 1916 9

180 Stats!-echt.

Da sie allein schon zur Abweisung des Patentgesuchs genügten-Ist der
angefochtene Entscheid demnach auch in dlesem Punkte nicht zu beanstanden.

Demnach hat das Bundesgericht erkannt :

Der Rekurs wird abgewiesen.

III. DOPPELBESTEUERUNG

DOUBLE IMPOSITION

21. Urteil vom 6. Juli 1916 i. S. lt.-G. Merkur gegen Bern.

Handelsgeschäft mit Zentralleitung in einem und Verkaufsstellen im
nämlichen sowie in anderen Kantonen. Kriterien für die quantitative
Ausscheidung der Steuerhoheit in Bezug au! das Einkommen zwischen
den beteiligten Kantonen. Anspruch des Kantons des Zentralsitzes auf
ein Präcipuum. Recht jedes Kantons, zwecks ziflermässiger Bestimmung
der ihm zur Besteuerung zufallenden Quote des Gesammteinkommens, das
letztere nach den Grundsätzen seiner Steuergesetzgebung selbständig
einzuschätzen, insbesondere nach diesen zu entscheiden, welche Auslagen
äls fGewinnt:ngskosten vom Rohertrage abgezogen werden

ur en.

A. Die Rekurrentin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz und Zentralleitung
in Bern, die durch über achtzig auf das Gebiet der ganzen Schweiz
verteilte Verkaufsstellen (Filialen) den Verkauf von Schokolade,
Kaffee, Thee und anderen Lebensund Genussmitteln betreibt. Gestützt
auf ein früheres Urteil des Bundesgerichts vom 24. September 1908, das
feststellte, dass jene Verkaufsstellen als ein besonderes Steuerdomizil
begründendeDoppelbesteuenmg. N° 21. 131

Geschäftsniederlassungen im Sinne der bundesrechtlichen
Doppelbesteuerungspraxis anzusehen seien, hat sie sich seither
jeweilen in allen Kantonen, in denen solche Ablagen bestehen, zur
Einkommenssteuer eingeschätzt und zwar in der Weise, dass sie den als
Gesamteinkommen angegebenen Betrag im Verhältnis des in jeder einzelnen
Ablage erzielten Umsatzes zum Gesamtumsatze auf-die verschiedenen Kantone
verteilte. Auf der nämlichen Grundlage hat sie auch im Kanton Bern für
das Steuerjahr 1913 im März 1913 eine Selbstschatzung eingereicht, worin
sie das dort steuerpflichtige Einkommen berechnet gemäss gesetzlicher
Vorschrift nach Massgabe des Durchschnittsreinerträgnisses der, drei
vorangegangenen Geschäftsjahre auf 17,500 Fr. angab, und gegen die von der
Bezirkssteuerkommission ohne weitere Grundangabe verfügte Erhöhung dieser
Summe auf 30,300 Fr. an die kantonale Rekurskommission rekurriert. Durch
Entscheid vom 11.'Mai 1915 hiess diese den Rekurs insoweit gut, dass sie
die Einschätzung der Bezirkssteuerkommission auf 28,500 Fr. ermässigte,
lehnte dagegen das weitergehende Herabsetzungsbegehren ab. Die
danach noch anfrechterhaltene Erhöhung der Veranlagung gegenüber der
Selbstschatzung rührt, soweit hier in Betracht fallend, davon her, dass
einerseits als Bestandteil des steuerbaren Reinerträgnisses auch die im
Kanton Bern" und anderwärts bezahlten Steuern, die von der Rekurrentin
als Unkosten (Gewinnungskosten im Sinne von Art. 4 des bernischen
Einkommenssteuergesetzes) abgezogen worden waren, betrachtet wurden,
andererseits von dem so ermittelten Gesamtreineinkommen vorab 20 %
als Anteil des Gesellschaftssitzes und der Zentralverwaltung in Bern an
der Gewinnerzielung dem Kanton Bern zur ausschliesslichen Besteuerung
zugeschicden und erst die alsdann noch verbleibenden 80% nach dem
Verhältnisse des Umsatzes der in den einzelnen Kantonen befindlichen
Verkaufsstellen zum Gesamtumsatz unter Bern und die übrigen Kantone
verteilt wurden.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 42 I 122
Date : 16. Juli 1916
Published : 31. Dezember 1916
Source : Bundesgericht
Status : 42 I 122
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : 122 ss Staatsrecht. gericht den Beschluss nach dieser Richtung nachzuprüfen befugt


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1904/I/813